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Rubrik Kultur: Der politische Exorzismus im "Kampf der Kulturen"

von W. Pfreundschuh

Es ist Heuchelei, das Massaker von Utøya als die Tat eines Einzelgängers, eines isolierten Terroristen abzutun, der einfach nur psychisch krank sei. Auch in der isolierten und extremsten und wahnhaften Form hat sein Massaker einen weitläufigen Nährboden. Das Morden hat weltweite Dimensionen und sämtliche Legitimationen für Kriege und Überfälle sind in selbstgerechter Religiosität und Finalität verfasst, gleich, ob diese nun christlich, jüdisch oder muslimisch sind. Im Machwerk des einstigen Beraters der US-Regierung Samuel Huntington wird die NATO als Verteidigungsmacht des Christentums im darin entdeckten “Kampf der Kulturen“ dargestellt. Was der norwegische Tempelritter als Begründung für seine Taten abgegeben hat unterscheidet sich nur unwesentlich von den Grundlagen des einstigen US-Präsidenten George W. Busch und auch nicht vom Selbstverständnis einiger Generäle der Nato-Divisionen oder den Kampagnen deutscher Rassisten, die sich im Internet tummeln und mit ihrem zynischen Antiislamismus tatsächlich zu einer Popularität gelangt sind, die größere Horizonte eröffnet, als es ein dümmlich schwätzender Sarazin vermöchte. Nicht eine abstruse Interpretation von Statistik, sondern das Schlachtfeld eines Glaubenskriegs eröffnet erst die Totalität einer zur Notwendigkeit erhobenen Machtergreifung. Im politischen Rchtspopulismus scheint immer mehr das Selbstverständnis eines zunehmend konservativ werdenden Christentums durch, das sich auch immer stärker in den öffentlichen Medien der christlichen Kirchen und der Kultur manifestiert. Nicht umsonst z.B. hat die katholische Kirche unter Ratzinger wieder den Teufel als Glaubensinhalt des Bösen und als Herrn der Hölle aufgestellt und Teufelsaustreibung zur Pflicht ihrer Diözesen erklärt. Die vermeintliche Aufgeklärtheit des modernen Christen kehrt sich im sogenannten “Kampf der Kulturen“ leicht um in die inquisitorischen Prinzipien des Alten Testaments. Religionen haben einen doppelten Boden und abergläubisches Verhalten bleibt immer noch der Nährboden ihrer tiefsten Triebe.

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