Information zu
Rubrik Was tun: Arbeit am Wahnsinn - Emanzipationsversuche gegen die herrschende Rationalität

von W. Pfreundschuh

Erschienen: 13.12.2013
Rationalisierte Lebensverhältnisse sind auf die Logik ihrer Sachbezogenheit reduziert, auf die Optimierung eines Nutzens, dessen Sinn nicht in Frage gestellt ist. Rationalismus als Ideologie der Nützlichkeit soll dessen Infragestellung geradezu ausschließen, die Vernunft der Sache über die Lebensverhältnisse der Menschen stellen, deren Entfremdung von ihr totalisieren. Die Zerteilung der menschlichen Beziehung, die Trennung von ihrem Gegenstand und ihrer Gesellschaft, macht ihre Isolation aus, verinnerlicht ihre objektiven Verhältnisse zur Grundlage ihres Verhaltens und resultiert in der Entfremdung der Menschen von sich selbst, resultiert in einer Selbstentfremdung, die sie zu Objekten von Verhältnissen macht, in denen sie ihre Subjektivität nur wirkungslos und daher ohne Empfindung erleben können. Ihre seelische Erschöpfung stellt sich in leeren Gefühlen dar, die sie bedrängen und regungslos machen. Depressionen gelten heute als sogenannte „Volkskrankheit“.
Noch tiefer greift diese Entleerung, wenn sie sich in symbiotischen Verhältnissen zu retten versucht, in der sich alles Subjektive in einer objektiven Gefühlswelt verfüllt und formiert. Das kann wahnsinnig machen. Zum Wahnsinn wird das auch wirklich, wenn der Lebensraum dieser Verhältnisse selbst einen Sinn verbirgt, der sich hinter ihrem Rücken durchsetzt, weil er heimlich bleiben muss, weil er sie zusammenhalten soll in ihrem Heim, das als Ganzes unheimlich ist. Das Gesundheitswesen und seine Industrie sucht genau das zu verfestigen, liefert Pillen und Fachleute, welche die Menschen, die „unvernünftig“ geworden sind, wieder in ihre Funktionalität als Objekt dieser Verhältnisse zurück befördern. Und die müssen das auch annehmen, weil und solange sie darin subjektiv und existenziell gebunden bleiben.
Arbeit am Wahnsinn heißt daher, dass Lebensräume und Verhältnisse geschaffen werden, in denen ihr Sinn sich verwirklichen kann und sich gegen die abstrakten Sinne einer politischen Kultur emanzipieren kann. Dies wurde z.B. in den 70ger Jahren in München in einem „Therapeutischen Club“ versucht. Drüber will ich diskutieren.

zurück | mehr über W. Pfreundschuh | Radio-Lora-Sendung vom 13.12.13 hören | Text lesen


Direktlink zum Text: kulturkritik.net/was_tun/emanzipationsversuche
Link zu dieser Infoseite: kulturkritik.net/autoren/index.php?code=pfrwol124