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Themenabend der Kulturkritik München:
_Kultur und Ökonomie - zum Verhältnis ökonomischer und kultureller Werte_

Diskussionsgrundlage:

"Zum Verhältnis von ökonomischen und kulturellen Werten und zur Entstehung des Faschismus überhaupt" (Text als RTF laden: ladenup4a1a1a)

(http://www.kulturkritik.net/politik/kulturwerte/index.html)

"Thesen zum Verhältnis von ökonomischen und kulturellen Werten" (Text als RTF laden: ladenup4a1a1)

(http://www.kulturkritik.net/politik/kulturwerte/index_thesen.html)

Kurzfassung:

Das Verhältnis von Kultur und Ökonomie besteht seit der Studentenbewegung vor allem aus einer großen Fragestellung: Was macht die Beziehung von subjektiven und objektiven Grundlagen und Wertigkeiten aus? Diese greift weit in das Verständnis von Philosophie, Psychologie und Ökonomie. An diesem Themenabend sollte es möglich sein, bisherige Gedanken zu erinnern und sie auf ihre heutige Relevanz für eine emanzipatorische Bewegung zu überprüfen.

Begründung:

Das Verhältnis von Kultur und Ökonomie ist noch weitgehend unbearbeitet. Schon in den Grundfragen herrscht Unklarheit darüber, ob Kultur etwas in sich Ganzes oder nur Überbau von anderem, Erscheinungswelt ökonomischer Verhältnisse, deren Widerspiegelung ist. Als eine in sich geschlossene Ganzheit hätte sie eine eigene Substanz, die sich von der ökonomischen unterscheidet und ihr eine eigene Begrifflichkeit verleiht.

Besonders unter Marxisten war Kultur meist nur als Phänomen, bestenfalls als bürgerlich verselbständigte Sphäre, als "Überbau" von Ökonomie aufgefasst worden, für die es nur bedeutend sein kann, sie auf ihre Basis, auf ihre ökonomischen Bedingtheit zurückzuführen. Aber gerade dies hatte den Marxismus auf ein Bewusstsein reduziert, das die Erscheinungsformen der kulturellen Verhältnisse - besonders die zwischenmenschlichen, seelischen und massenpsychologischen - nicht mehr hinreichend erklären oder auf sie eingehen konnte. Sein Unvermögen, Faschismus, Rassismus und Antisemitismus zu begreifen, beweist das ebenenso, wie die völkische Begrifflichkeit, der sich auch Marxisten in der Arbeiterbewegung kritiklos zugewandt hatten. Um den modernen Kapitalismus, besonders die Auswirkungen der Globalisierung, die fortschreitende Kulturenteignung, überhaupt hinreichend beschreiben zu können, ist eine substanzielle Kulturtheorie unabdingbar. Ohne diese würden die wesentlichen Phänomene der Postmodernen nur den Rechten überlassen werden: Die Vernichtung von Infrastrukturen und Wirtschaftskreisläufen. Und die nehmen dies zur Begründung ihres Hauptanliegens, der Schaffung eines nationalen Kulturstaats.

Dass Kultur auf Ökonomie gründet, bleibt Binsenweisheit; dass sie aber nicht bloße Reflexion ist sondern durchaus eigene Substanz hat, die sich nicht nur existenziell, sondern unmittelbar auch im Menschen und zwischen Menschen entfaltet, ist bei weitem nicht hinreichend untersucht - vielleicht auch aus Furcht, damit die unsäglichen Versuche einer Psychookonomie fortsetzen zu müssen (z.B. W. Reich). Aber gerade darin besteht ein wesentlicher Irrtum: Was im Menschen greift, muss nicht menschlich sein, weder seiner Natur entsprechen, noch seinem Geist, noch seinem Verlangen, seiner konkreten Sinnlichkeit. Gerade dies als objektiv begründet herauszuarbeiten macht die Sprengkraft unserer Zeit: Kultur selbst ist zum Mittel des Kapitals geworden, nicht äußerlich als Manipulationsmittel für einen fremden Zweck, sondern als selbständige Vermittlungsform menschlicher Beziehungen zwischen den Menschen. Die ökonomischen Potenzen des gesellschaftlichen Reichtums bleiben in ihrer gesellschaftverändernden Kraft politisch blockiert, wenn dies ausgespart wird. Es geht daher nicht mehr nur um die Kritik der politischen Ökonomie, sondern auch um die Kritik der politischen Kultur.

Politisch ist eine Wirtschaftsform dort, wo sie sich nicht in der Wirtschaftlichkeit menschlicher Arbeit begründet, sondern aus gesellschaftlichen Machtstrukturen. Der Kapitalismus ist eine Wirtschaftsform, die in ihrer Entstehung durchaus wirtschaftlich war, die aber in seiner Geschichte sich zu einer politischen Machtstruktur des Kapitals entwickelt hat, die sich zunehmend gegen sinnvolle wirtschaftliche Verhältnisse wendet. In der Phase der Globalisierung hat sich diese politische Macht zudem substantiviert als kulturelle Macht, als Verfügungspotenz, die sich gegen die Grundlagen menschlicher Kultur richtet: Landschaft, gesunde Lebensweise und gesellschaftliches Zusammenleben.

Nicht nur die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse, sondern auch die Gesellschaft als Form für sich, als sozialer Lebenszusammenhang als solcher, als zwischenmenschliche Allgemeinheit, erweist sich für die Menschen als ein Machtverhältnis, von welchem sie abhängig sind, das sie nicht mehr wesentlich gestalten können, von dem ihr praktisches Leben aber weitgehend gestaltet wird. Ihre Abhängigkeit von ihrer Gesellschaft als kulturelles Verhältnis wird als Mittel dieser Politik genutzt, um sie in einer Ökonomie zu verdingen, die für sie keinen Sinn mehr hat und deren Arbeitsabläufe selbst nurmehr sinnentleert, Reproduktionen von gewohnten Gegebenheiten in beständig wechselndem Glanz und Design sind. Es entsteht auf diese Weise eine Staatskultur, die in ihrer Frühform zum Faschismus führte, sich heute aber eher als eine Kultur der freiwilligen Selbstunterwerfung entwickelt und als soziales Bindemittel Unterhaltung und Selbststimulation benötigt und aus beliebigen Wirklichkeiten psychische Sensationen bereitet, eine Bühne des herausgekehrten Lebensalltags. Sie macht alles zum Mitmenschen, auch das Unbegreifliche oder Unbegriffene, macht vor nichts und niemanden halt, weil sie dem Trieb der Eingemeindung aller Seelen folgt. Ob Hitler oder Einstein, alles lässt sich als Beispiel menschlicher Natur auch in ihrer schrulligsten Form erklären, wenn man so will. Und die Schrulligkeit des Besonderen und Absonderlichen macht die einzige Bewegung aus, die der Selbstunterwerfung einen aparten Sinn verleiht in der Zwischenmenschlichkeit einer Gemeinde potenzieller Genies, die sich ihrer Übermenschlichkeit nur gewahr werden können, wenn sie ihre Beziehungen in einem Gemeinsinn verwirklichen können, dem gemeinen Übermenschen. Der muss verkörpert werden, wo immer es geht, um dem Leben Sinn zu verleihen - ein Leben einverleibter Sinne zu schaffen. Kultur ist so zu einer Mythologie des besonderen, weil abgesonderten Individuums geworden, die nicht mehr nur einer besonderen Schicht, dem Geldadel und gehobenen Bürgertum, entspricht, sondern einer ganzen Gesellschaft, der Dienstleistungsgesellschaft.

Darin wird Kulturkritik zu einem immer wichtigeren Moment einer Gesellschaftskritik, die zugleich eine vermittelte Kritik der politischen Ökonomie ist. Die Grundlagen hierfür sind daher sowohl kulturtheoretisch als auch wirtschaftstheoretisch. Darin wird sich die Kritik der polischen Ökonomie zwangsläufig mit der Kritik der politischen Kultur verbinden.

 

Quellen:

zu Bewertung:
Kulturkritisches Lexikon ()http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=bewertung

zu Ökonomie:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=wirtschaft)

zu Widerspiegelungstheorie:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=widerspiegelungstheorie)

zu Dienstleistungsgesellschaft:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=dienstleistungsgesellschaft)

zu Nützlichkeit:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=nuetzlichkeit)

zu Realabstraktion:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=realabstraktion)

zu abstrakt menschlicher Sinn:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=abstraktmenschlichersinn)

zu Schönheit:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=aesthetik)

zu Körperfetischismus:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=koerperfetischismus)

zu Zwischenmenschlichkeit:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=zwischenmenschlichkeit)

zu Einverleibung:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=einverleibung)

zu Kultur:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=kultur)

zu Kulturbegriff:
Kulturkritisches Lexikon (http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=kulturbegriff)

zu Kulturstaat:
Kulturkritisches Lexikon (
http://kulturkritik.net/lexex.php?lex=kulturstaat