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Themenabend der Kulturkritik München:
_Was ist Wert, Wertsubstanz, Wertgröße, Wertmasse?_

Diskussionsgrundlage:

"Von der Kritik der politischen Kultur zur Kritik der politischen Ökonomie: Werturteil, Wert, Wertsubstanz, Wertgröße und Wertmasse?" (Text als RTF laden: ladenup4a1a1a)
(http://kulturkritik.net/oekonomie/politoekon/index.html)

 

Kurzfassung:

Um Wert als Regulationsprinzip eines ganzen Gesellschaftssystems zu begreifen, muss seiner Grundlage nachgegangen werden. Wie entsteht er, was bewertet er, was macht seine Entfaltung und schließlich seine Macht über das Leben der Menschen aus? Hierin steckt der subjektive wie objektive Kern der bürgerlichen Gesellschaft und des Kapitalismus überhaupt, dessen Verständnis nicht so ganz einfach ist. Es ist die Bereitschaft zu dialektischen Denkübungen erforderlich: Was ist das Nichts, das sich das Sein gebar? Ist denn wirklich alles was entsteht, nur Wert, dass es zugrunde geht? (frei nach Goethe). Die Begriffssubstanz der abstrakt menschlichen Arbeit wird hier die große Rolle spielen.

Begründung:

Dass der Kapitalismus ein sterbendes System ist, das weiß Heiner Geißler (CDU) inzwischen schon besser als Oskar Lafontaine (SPD), der immer noch auf dessen Rettung durch Marktregulation abzielt. Da ist der christliche Humanist schon klarer und irgendwie auch radikaler: Wenn Menschen durch die Gesetze des Marktes diskriminiert werden, dann ist der Markt unmenschlich, wenn Arbeitsplätze niedergemacht werden, damit Profite expandieren, dann widerspricht dies dem gebotenem Menschsein.

Für viele bot der Kapitalismus bisher die Garantie der Bürgerrechte, die Gewährung von Chancen für Jede und Jeden, die Grundlage für Gerechtigkeit im Verhältnis der Menschen, die Verwirklichungschance von Freiheit und Solidarität. Tatsächlich war es ja der Warentausch, der für die Menschen einst den Fortschritt der bürgerlichen Gesellschaft gegen die Feudalgesellschaft ausgemacht hatte: Sie entkamen damit der persönlichen Gewalt der Feudalherrschaft, wurden so frei und gleich, wie Warenbesitzer sein müssen, um tauschen und ihre Besitztümer vergleichen zu können. Ihr Besitzstand wurde zum gesellschaftlichen Mittelpunkt und Brennpunkt.

So ganz funktioniert das aber nicht und hat auch nie so ganz funktioniert. Die Gleichheit, die der Markt versprach, konnte er nicht als gerechte Beanteiligung am Arbeitsprodukt bieten, die Freiheit nur, wo Geld und Besitzstand herrschte. Bist du arm, dann musst du früher sterben und Armut war immer das Resultat für den größeren Teil der Bürger, solange die Marktgesetze nicht durch die Sozialgesetze des bürgerlichen Staates gebrochen wurden. Nun ist der inzwischen bankrotte Staat kaum noch in der Lage dazu und der Neoliberalismus formuliert die Marklüge der freien Entfaltung der Kräfte als Wunderwaffe gegen das, was sie selbst schon sind: Wert als Prinzip, das die Menschen beherrscht. Der Durchsatz des Wertgesetzes gegen die Menschen hatte die Verkehrungen erzeugt, die sich für Viele als Absurdität darstellen. Wo Reichtum ensteht und gedeiht, das reduziert er sich zunehmend auf immer weniger Menschen und Armut auf immer mehr; wo immer weniger Arbeit nötig ist, um die Güter des Lebens zu erzeugen, da wird ihnen Mehrarbeit abverlangt und lieber Arbeitslosigkeit von vielen Menschen in Kauf genommen, als dass Gleichheit unter den Arbeitssuchenden durch allgemeine Reduktion von Arbeit entstehen könnte; wo die Menschen durch ihren ungeheuren Reichtum an Produktions- und Lebensmittel, an Erfindungsgeist und Schöpferkraft in der Lage wären, für sich zufrieden zu sein und Frieden zu geben, da entstehen ungeuerliche Kriege gegen die Ärmsten der Welt, die nicht zufällig auf dem Land Leben, unter dem die verbliebenen Bodenschätze der Welt lagern; und wo sie die Möglichkeiten hätten, sich in ihrer Natur und Kultur zu entwickeln und zu bereichern, da haben sie längst begonnen ihre Lebensgrundlagen selbst zu zerstören.

Der Markt betreibt durch das Wertgesetz eine Notwendigkeit des Wertwachstums, das die Menschen inzwischen insgesamt nicht bereichert, sondern verarmt. Es ist eine Gesetzmäßigkeit, die das Leben der Menschen gegen sie selbst wendet und die Menschen als Subjekte des Tausches zu Objekten ihrer Verhältnisse macht. Dies macht die Entwicklung der Wertform aus.

Schon aus der Anschauung des globalisierten Kapitalismus ist leicht zu begreifen, dass bei einem spekulativen Kapital, welches in seinem Umfang ein zigfaches des angewandten Kapitals ausmacht, nicht mehr viel zu regulieren ist. Dennoch wird an die Wiederherstellung eines regulierten Kapitilaismus à la Keynes gemahnt, an einen "gerechten Kapitalismus": Dieses Ungetüm kann niemand einfordern, der den Wert als Grundlage des kapitalistischen Systems begriffen hat: Das Verhältnis von organischen Lebensgrundlagen in ihrer Wertform, welches den Wert als eine Macht entwickelt, die sich als Marktgesetz blindwütig als Zwang zu beständigem Wertwachstum durchsetzt. Man kann das Phänomen auch einfach anschauilich machen: Mit wachsender Produktivität und Automation kann die immer effizientere Produktion ihren Wert nicht mehr steigern, sondern müsste ihn reduzieren, damit ihre Produkte aus den Lohntüten der Beschäftigten auch finanzierbar bleiben, kann aber nicht reduzieren, solange auf der Basis von Kapitalverwertung produziert wird. Also muss man die Teilnahme am Arbeitsprozess reduzieren und zugleich Arbeit und Nichtarbeit so billig wie möglich machen. Der Kreis ist unendlich: Wer finanziert dann das Wertwachstum? Er ist unauflösbar, denn das Wertwachstum ist das Produkt unbezahlter Arbeit und wird sich immer als Entwicklungsproblem des Kapitalismus herausstellen. Dass Lohnarbeit bezahlt und Mehrproduktion unbezahlt ist, macht die Gerechtigkeit des Geldbesitzes aus, nämlich dass Ware genutzt wird, die Geldbesitz zu eigen hat, auch Arbeitskraft. Deren Unentgeldlichkeit ist damit ebenso gegeben wie ihre Entlohnung und ihr Wertgewinn stellt sich somit zugleich als Wertverlust im Fall der Profitrate heraus.

Das Beharren auf Wertwachstum und Spekulation führt also gerade im "gerechten Kapitalismus" notwendig zu einer Gesellschaftkrise, weil er ein stetiges Wachsen der Profitrate verlangt. Diese aber fällt mit der Entfaltung des menschlichen Reichtums an Produktions- und Lebensmittel und macht Kapitalismus im Prinzip überflüssig, anachronistisch, was sich spätestens zeigt, sobald sich das Wertwachstum nicht mehr in den organischen Lebensverhältnissen realisieren lässt, weil er aus den Löhnen nicht mehr finanzierbar ist. Aus dieser Anschauung heraus lässt sich das auch so fassen: Sobald der Reichtum, der im Kapitalismus geschaffen wird, nicht mehr die Menschen erreichen kann, weil die eingebrachte Wertmasse sich nicht mehr in den Preisen der Produkte ausdrücken kann, die von Löhnen und Fortschritten im Lebensstandard getragen werden müssten, wird er sich wertmäßig nur durch Gewalt gegen Natur und Menschen, durch zwangsweise oder psychologische oder kulturturelle Verfremdung und Bestimmung ihres Lebens und ihrer Lebensumstände realisieren lassen.

Dies ist längst der Fall und stellt sich einerseits dar als Konzentration der Produktion auf effiziente Industrie (besonders der Technologie, also Verkehrstechnik, Automaten- und Waffenproduktion), andererseits durch die Erzeugung "überflüssiger Menschen" für die Arbeit und fehlender Arbeitskräfte für die Rente. In Dienstleitungsverhältnissen können diese sich innerhalb der Geldzirkulation noch reproduzieren, solange hierdurch anderswo noch das Wertwachstum gefördert wird (z.B. durch Arbeit in der Verwaltung oder am Design). Sobald diese aber ausgeschöpft ist und keine Finanzierungsmittel mehr frei werden, geraten sie schlagartig in die Arbeitslosigkeit, aber nicht mehr als potenzielle Arbeitskräfte, sondern als Objekte der Armutsverwaltung (z.B. Hartz IV).

Durch die Entwicklung und Massierung des produktiven Kapitals, dessen Anteil am Produktwert immer geringer wird, müsste das Wertwachstum immer größer werden, wäre es Produktwachstum und könnte sich im Verkauf der Produkte realisieren. Jedoch das Gegenteil ist der Fall: Je aufwendiger die Gesamtproduktion, desto geringer der Anteil menschlicher Arbeit darin, desto weniger beteiligte Arbeitskräfte - aber: desto geringere Anteile an unbezahlter Arbeit, und die macht den Wert aus, der sich gegen die Menschen stellt: Kapital. Würde sich Kapitalismus als Form menschlichen Reichtums entwickeln, so müsste er sich durch die technologischen Fortschritte selbst abschaffen. Sein Fortbestand hat keinen Sinn für die Menschen.

Seine Protagonisten in den Banken und auf dem Geldmarkt sahen einen (vorübergehenden) Ausweg durch Masse: Durch die globale Ausbreitung der Absatzmärkte erschien eine Lösung möglich, wenn dort Mehrwert realisiert, also gut verkauft werden kann, und gleichzeitig die "überschüssige Bevölkerung" in den nationalen Wirtschaftskreisläufen "eingeregelt" werden, also billig am Leben gehalten werden können. Es war eine Fortentwicklung des Kapitalismus, die bis dahin technisch nicht möglich war, weil die hierbei nötigen Verkehrzeiten zu lange waren. Das hat sich mit der neueren Technologie geändert: Computer beherrschen nicht nur als Roboter die Produktion, sondern auch den Handel auf dem Finanzmarkt. Milliarden-Coups landen in Sekundentakt. Das Kapital wächst nun vor allem international und hinterlässt nationale Ödnis, reduziert die nationale Wirtschaft auf das Lebensnotwendigste unter Ausnutzung von Infrastruktur und Kultur der einzelnen Staaten und potenziert die Exporte und Devisen auf ein Mehrfaches der Nationalwirtschaft, die de facto wie ein Betrieb auf dem Weltmarkt funktioniert, also auch nur betriebswirtschaftlich berechnet ist durch den Output an Exportgütern. National konzentriert sich die Wirtschaft dann folgerichtig auf die Stücklohnkosten, Reduktion der Betriebs- und Sozialkosten, Ausfall des nationalen Marktes, der Zölle und Subventionen zur Wirtschaftsförderung.

Es geht hierdurch eigentlich nur noch um eine einseitige Geldproduktion, genauer: Um Gelderwartung durch Geldspekulation. Die realen Märkte sind lediglich Momente eines gigantischen Geldkreislaufs, den sie längst nicht mehr durch Güter abdecken können. Die Darstellung natonaler Gebrauchswerte und Kultur in den Produkten, welche auf den Märkten getauscht werden, wird zunehmend hinfällig, Arbeit sinnentleert. Zwar müssen die Produkte weiterhin dem Verzehr überlassen werden, um Wert zu realisieren und Geld zu machen, aber ihr bestimmter Gebrauch ist gleichgültig, weil er kein Moment des Wirtschaftswachstums (z.B. als nationaler technischer Fortschritt, Erhöhung des nationalen Lebensstandards) mehr enthält und auch nicht unbedingt einen nationalen Mehrwert realisieren muss. Der Kapitalismus ist zu einem globalen Ungeheur geworden, das sich konkret nur noch durch das Aufzehren beliebiger Güter aus beliebiger Arbeit bei geringstmöglichen Arbeitsaufwand ernährt (siehe Tittytainment) und das sich letztlich durch Kulturausbeutung, Staatsverschuldung und Kapitalvernichtung (Kriege) finanziert. Der Kapitalismus ist damit auf eine fatale Weise an sein Ende gelangt, indem er seine eigenen Voraussetzungen zerstört, seine wirklichen Stoffe und Lebenssubstanzen plündert. Damit hat sich das Wertgesetz zwar erschöpft, besteht aber in der Zerstörung fort. Seine negative Auswirkung tritt weltweit als teuflisches Prinzip hervor: "So ist denn alles, was entsteht, nur wert, dass es zugrunde geht!" (Mephisto in Goethe's Faust I). Damit hatte Marx am Anfang seines Hauptwerkes ("Das Kapital - Zur Kritik der politischen Ökonomie") den Wert in seiner Grundlage zitiert, und darin erweist sich auch seine finale Wirklichkeit. Diesem Prinzip müssen die Menschen entkommen, und dazu ist nötig, den Wert als seine Substanz zu begreifent und seinen Begriff gesellschaftlich unwirksam zu machen.

Man sollte sich daher ruhig mal genauer anschauen und es auch denken lernen, was die Grundlagen des Wertwachstums sind, was Wert ist, der da wachsen soll und dessen Wachstum sich gegen die Menschen stellt. Was sind die Momente des Wertgesetzes und seiner Entfaltung: Wert, Wertsubstanz und Wertgröße?.

Die nachstehend anempfohlenen Texte des Kulturkritischen Lexikons werden spätestens 2 Wochen vor Termin so überarbeitet sein, dass sie als Unterlagen einer Diskussion tauglich sein können.

Quellen:

zu Gebrauchswert:
Kulturkritisches Lexikon (
http://*ge.../../lex.php?lex=gebrauchswert)

zu Realabstraktion:
Kulturkritisches Lexikon (
http://*rea.../../lex.php?lex=realabstraktion)

zu Tauschwert:
Kulturkritisches Lexikon (
http://*t.../../lex.php?lex=tauschwert)

zu Wert:
Kulturkritisches Lexikon (http://*wer.../../lex.php?lex=wert)

zu Wertsubstanz:
Kulturkritisches Lexikon (
http://*wer.../../lex.php?lex=wertsubstanz)

zu Wertgröße:
Kulturkritisches Lexikon (
http://*wer.../../lex.php?lex=wertgroesse)

zu Warenfetischismus:
Kulturkritisches Lexikon (
http://*wa.../../lex.php?lex=warenfetisch)

zu Wertwachstum:
Kulturkritisches Lexikon (
http://*wer.../../lex.php?lex=wertwachstum)

zu Tittytainment:
Kulturkritisches Lexikon (
http://*t.../../lex.php?lex=tittytainment)