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Themenabend der Kulturkritik München:
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Kultur, Kunst und politische Aktion_

Kurzfassung:

Kultur kann für sich nicht sachlich sein, nicht nützlich und nicht vernünftig. Sie ist wesentlich subjektiv, Sinn und Sinnlichkeit von und für Menschen, die sich in allem äußert, auch wenn es nicht unbedingt sachlich oder politisch existent ist. Darin steckt menschliches Leben in unmittelbarer Gestalt, und also auch eine Kraft, die über Notwendigkeiten der Reproduktion des Lebens hinausgeht. Kultur kann - wie auch Kunst - keinen politischen Zweck haben, würde dies doch gerade beherrschen, was sie selbst ausmacht. Aber sie wirkt politisch gegen herrschende Politik, da diese immer die Politik herrschender Verhältnisse sein muss. Um diese Wirkung soll es an diesem Themenabend gehen: Was ist eine politische Aktion ohne dass sie Politik macht?

Begründung:

Der folgende Text ist besser ausgeführt auf

http://kulturkritik.net/kunst/politaktion/index.html

siehe auch

Kulturkritisches Lexikon zu Politik

Hier dennoch der veraltete Text:

Kunst hat sich schon immer mit Sinn befasst, auch wenn sie ihren Ursprung im Übersinnlichen hatte: Im naturhaften Geist, in der Götterverehrung und Gottesverherrlichung, dem Schönen und Guten, aber auch dem Tierischen und Herrschenden, dem Trieb und der Macht. Sie war schon immer mitten im menschlichen Leben, wie sie zugleich jenseits davon war, schon immer naturhaft und abstrakt, konkrete Lebensäußerung und abstrakte Lebensvermittlung, Arbeit und Ästhetik. Eines war sie nie: Wirtschaftlich, nützlich und vernünftig. "Kunst kann nicht nützlich sein" (Oscar Wilde). Von daher war sie immer der Gegensinn zu wirtschaftlichem Kalkül, zu Verwertungsinteressen und Sachzwängen, auch wenn sie der Wirtschaft gehorchen musste, den Sachzwängen nicht selten erlag und hin und wieder viel Wert hatte, obwohl sie niemals wissen konnte, was sie wert ist. Inmitten der Kalkulation der Vernunft einer Sachlogik kann Kunst nicht vernünftig sein und will dies auch nicht.

Ganz im Gegenteil: Kunst zeigt und macht, was in den Menschen steckt, was auf die Welt muss, weil es nicht wirklich in der Welt ist, vielleicht wirksam ist, jedoch nicht konkret, nicht gewiss. Vernunft kann dies formulieren und begreifen, wissenschaftlich untersuchen, analysieren und synthetisieren. Sie kann es aber nicht zeigen und machen. Wo Menschen Sinn suchen, können sie nur Kunst finden. Wissenschaft und Philosophie ist hiergegen schal, Worthülse, "Gebälk von Begriffen" (Nietzsche), Politik fremd, Wille und Macht. Man könnte daher meinen, dass sich in der Vereinigung von Kunst, Wissenschaft und Politik auch der Mensch vereinen könne, wenn er seine Wirtschaft ganz in deren Dienst stellt. So zumindest begreift sich das Bildungsbürgertum und hat schon einiges damit angestellt. Die Rede war dann von politischer Kunst, Kunst als Wissenschaft und Wissenschaft als Politik. Die Wirtschaft konnte das gut brauchen, als es ihr schlecht ging. Zumindest der Lebenswille schien auf diese Weise ungebrochen, das Unheile heil, das Triviale begeistert. Der Kreis war geschlossen, der Bildungsbürger total und das Totale fatal für die ganze Menschheit. Die Gewohnheiten der Kultur wurden verstaatlicht, der Staat zum Kulturstaat und der Mensch zum Volkskörper, zur selbstbewussten Art und Rasse, die schließlich auch eine Volksseele bekam, deren Gesinnung zur Staatsangelegenheit wurde. Ihre finsterste Zeit hatte die Kunst, wo sie artig war und von Abartigen sich scheiden ließ. Da war sie auch selbst politisch und vernünftig und wurde schließlich bewirtschaftet, wie es hierfür nötig ist. Künstler und Künstlerinnen scharten sich um die Machthaber der Staatskultur und waren der gewaltigen Ästhetik herrschender Lebensgewohnheiten und -vorstellungen ohne große Scheu dienstbar, solange es für sie Kunst blieb. Kunst sollte den Blick auf die menschlichen Mängel des Systems verstellen, weil es ein übermenschliches Ziel hatte. Soweit Kultur politisch war, war Kunst auch immer mit von der Party, denn dafür musste geworben werden, es musste schmuck sein und irgendwie auch Sinn haben, am besten Übersinn.

Kunst ist also nicht durch sich selbst schon wirklich menschlich und gesellschaftlich wirklich. Es wäre aber auch ein schlimmes Missverständnis, würde man ihr deshalb Politik zur Bestimmung machen, etwa als "sozialistische Kunst" oder ähnlichem. Politik darf Kunst nicht bestimmen. Es ist umgekehrt: Politische Kunst wäre ein Wortungetüm, wäre Kunst nicht schon selbst in der Tat politisch. Sie macht nicht Politik, aber sie wirkt in der Gesellschaft, ist Teil und Moment der Polis, nicht als wirkliche Gesellschaft oder als gesellschaftlicher Wille oder als nützliche Funktion, sondern als Moment des Menschseins, das nicht ohne Gesellschaft ist, ein Gedanke darin. Umgekehrt ist Gesellschaft auch ihr Schoß, Grund ihres Werdens und Vergehens, ihres Denkens und Tuns. Kunst kann sich im Bewusstsein dessen als politische Aktion verstehen, als gesellschaftliches Handeln, das sich von reaktionärem Handeln unterscheidet, von politischer Reaktion. Sie verhält sich also in diesem Bewusstsein gesellschaftich gegen unmenschliche Gesellschaftlichkeiten, "erinnert" die Menschen an ihr gesellschaftliches Sein. Fortschrittliche Kunst schafft hierfür Denkmäler, die Alltag sind, nicht Fühl-Mäler, die Alltag vergessen machen, um die Selbstwahrnehmung von individualisierten Menschen zu befördern.

 

Quellen:

Ein Briefwechsel zu Kunst und Politik:
Kunst und politische Aktion

zu Politik:
Kulturkritisches Lexikon (
politik)

zu Kunst:
Kulturkritisches Lexikon (
kunst)

zu Ästhetik:
Kulturkritisches Lexikon (aesthetik)

zu Kunst:
Kulturkritisches Lexikon (
kunst)

zu Kulturbegriff:
Kulturkritisches Lexikon (kulturbegriff)

zu Logik der Kultur:
Kulturkritisches Lexikon (logikderkultur)

zu Kulturkritik:
Kulturkritisches Lexikon (
kritikderpolitischenkultur)