Ein Briefwechsel zu Vertragswirtschaft versus Commonismus (aus dem Forum keimformen.de)

Hallo Wolfram, ich habe Deinen Text durchgearbeitet. Ergänzen statt Ausbeuten! Auf dem Weg in eine internationale Kommunalwirtschaft. http://kulturkritik.net/oekonomie/ergaenzen/text_ergaenzen.html

9.9.2011.

Uli Weiß:

Sehr zu empfehlen ist der erste Teil. Gestützt auf Marx’ Kritiken der politischen Ökonomie stellt Wolfram Zusammenhänge zwischen den derzeitigen Finanzkrisen und der inneren Logik der kapitalistischen Warenproduktion her und zwar bezogen auf das heute erreichte Niveau dieser Produktionsweise. Er verweist auf eine sich im Anwachsen des sogenannten fiktiven Kapitals zeigende Loslösung des Geldes von seiner tatsächlichen Wertquelle, der in der Produktion als Lohnarbeit verausgabten menschlichen Arbeitskraft. Das Aufblähen dieser Finanzblase wurde in den letzten Jahrzehnten immer mehr zur unverzichtbaren Voraussetzung dafür, dass die kapitalistische Produktion überhaupt noch recht und schlecht läuft. Zugleich belegt er, dass eine dauerhafte Trennung dieser Bereiche nicht möglich ist. Nicht nur von Regierungen sondern sogar von manchem Wertkritiker wird – entgegen der marxsche Wert- und Preistheorie – das Gegenteil angenommen so als könnte es ewig so weiter laufen: immer wertloseres Geld und damit die Aussicht auf immer wertloseren Profit halten die kapitalistische Produktion und damit die bürgerliche Gesellschaft am Leben.
Das gewaltsame Vereinen dieser beiden Sphären war die bisherige Funktion von kapitalistischen Wirtschafts- und Finanzkrisen. Periodische gewaltsame partielle Wert- bzw. Kapitalvernichtungen waren eine Voraussetzung dafür, dass auf höherer Produktivitätsstufe ein neuer Konjunkturzyklus beginnen konnte. Abgesehen von der Weltwirtschaftskrise ab 1929 mit der Folge von Depression, Faschismus und Weltkrieg funktionierte das seitdem und solange wie die kapitalistische Produktionsweise sich auch ohne außergewöhnliche und nunmehr dauerhafte Staatseingriffe durch alle Krisen hindurch auf ihrer eigenen Basis dynamisch entwickeln und so die bürgerlicher Gesellschaft trotz ihrer Widersprüche zusammenhalten und tragen konnte. Warum die kapitalistische Produktionsweise gerade auf dem heutigen Entwicklungsniveau diese Fähigkeit verliert, damit die zyklischen Krisen ihre Funktion als Triebkraft weiterer wirtschaftlicher Dynamik verlieren und somit die Warenproduktion überhaupt zur „miserablen Grundlage“ (Marx) der Gesellschaft wird, das entwickelt Wolfram nicht näher. Darin liegt schon ein Problem, das sich im weiteren Text immer mehr verschärft indem auf ahistorische Weise der Kapitalismus schließlich überhaupt nur noch als ein „Unding“ dargestellt wird. Wolfram Kapitalismuskritik bekommt, sobald er nach Alternativen fragt, einen moralisierenden, denunziatorischen Charakter gewinnt. Das hat Konsequenzen für seine Zukunftsideen.
Mit Wolframs anfänglichem Referieren von Marx aber kann man dies gut weiterdenken: Wir erleben in den letzten Jahrzehnten das Hinausschieben einer längst anstehenden großen Krise durch staatliche Interventionen. Diese verhinderten vorläufig die Rückbindung des anlagesuchenden Geldes an dessen tatsächliche Verwertungsmöglichkeit. Damit wurde die sonst längst fällige zyklische partielle Kapitalvernichtung samt damit verbundener sozialer Abstürze vieler Menschen und noch tieferer Spaltungen der Gesellschaft hinausgeschoben. Extreme Staatsverschuldung sicherten da, wo die reale erweitere Wertschöpfung über die kapitalistische Produktion dies nicht mehr hergab, das Verwerten des so zum fiktiv Kapitals werdenden Geldes im Finanzsektor bzw. es wurden damit solche Produktionen ermöglicht, die nur Dank staatlicher Subventionen noch „profitabel“ waren. Nachdem sich im Jahre 2008/09 kurz der Abgrund der fälligen Kapitalvernichtung auftat (4 Billionen $ Wertpapiere1), erfolgt seitdem eine neue Runde der Krisen- bzw. Katastrophenverhinderung durch durch die Aufhäufung eben der Krisengründe – durch den Aufbau eines noch gewaltigeren Berges fiktiven Kapitals. Damit die globalisierte kapitalistische Warenproduktion, die auf dem High-tech-Niveau offenkundig ihre eigene Grundlage, die Wertschöpfung durch Lohnarbeit, auffrisst, weiterhin stattfinden und den darauf gegründeten Zusammenhalt der bürgerlichen Gesellschaft vorläufig sichert, ist es inzwischen unvermeidbar geworden, dass buchstäblich alle kapitalistischen Metropolenstaaten samt ihrer internationalen Finanzinstitutionen sich selbst verpfänden, damit alle ihre Bürger und die der ganzen Welt. Hinter dieser letzten Auffang-“Front“ allerdings gibt es im Sinne einer sich selbst tragenden kapitalistischen Produktionsweise keine handlungsfähigen Subjekte mehr. Das heißt, wenn dieses wirre Netz leerer Verpfändungen einer zukünftig angeblich gewaltig anwachsenden Wertproduktionen und entsprechender Steuereinnahmen reißt, brechen alle mit immer wertloserem Geld errichteten Dämme. Wenn das geschieht – und mit Wolfram, jedenfalls sofern er Marx hier folgt, ist zu verstehen, dass dies unweigerlich geschehen wird – , ist es nicht mehr denkbar, dass sich die kapitalistische Produktionsweise auf eine einigermaßen zivilisationsverträgliche Weise wieder fangen wird. Die Ahnungen, die sich mit jedem neuen Krisenschub verstärken, sind völlig berechtigt: das System selbst und die gesamte damit verbundene Zivilisation steckt in einer existentiellen Krise.
Wolfram stellt nun die Frage nach der Alternative. Dabei schlägt er allerdings einen Weg ein, der nach dem ersten Teil des Textes überrascht.
Er stellt zunächst fest, dass mit der heutigen Automation, Kommunikation und hochentwickelten Infrastruktur bereits alles Notwendige dafür existiert, dass durch Gemeinden, Landkreise, Bezirke, Regionen und Länder die kommunalen Lebenszusammenhänge gesichert werden könnten. Es gelte nur die „private Rechtsformationen des Verschuldungskapitals“ abzuschaffen. Von der Kritik der Warenproduktion, die seit Beginn der bürgerlichen Epoche notwendig eine kapitalistische ist, ist hier nicht mehr die Rede. Offenkundig setzt er diese eben mit der genannten Rechtsform gleich. Ihr kapitalistischer Charakter wäre dann mit einer Rechtsänderung auch aufhebbar. Erforderlich und möglich sei eine Subsistenzindustrie auf der Ebene ursprünglichster Lebenszusammenhänge, der Kommunen. Die Produktion sei hauptsächlich kommunalwirtschaftlich zu organisieren.
Wolframs Kritik am Kapitalismus konzentriert sich immer mehr darauf, dass dieser nicht wirtschaftlich sei. „Wirtschaftlich“ bzw. „produktiv“ sowie „Politik“ sind für ihn überhistorische und positiv besetzte Kategorien. Das “Wollen der ökonomischen Verhältnisse” sei überhaupt eine Eigenschaft der Politik, der Kapitalismus dagegen von vornherein ein „wirtschaftliches Unding“ und ein „produktiver Unsinn“. Das liege an der Trennung von Politik und Wirtschaft. Da alle Mittel für eine menschliche Geschichte vorhanden seien und nur die heutigen sozusagen widernatürlichen Zwecke des Wirtschaftens der so verstandenen natürlichen Wirtschaftlichkeit und Produktivität entgegenstünden, gehe es nur darum, das kapitalistische Unding politisch und wirtschaftlich „umzudrehen“. Durch eine „ökonomische Politik“ müsse wieder ein Ganzes hergestellt werden.
Diese Politik könne die Synergie zwischen den verschiedenen, heute noch getrennten Bereichen herstellen. „Synergie“, dies im zweiten Teil des Textes eine zentrale Kategorie, ist die naturwüchsige „und von daher organische Grundform des Wachstums … eine substanzielle Wirkung des Lebens überhaupt, das schon in den einfachsten Zellen seine Entfaltung erstrebt“.
Was geht hier vor? Sobald Wolfram sich um konkretere Darstellung einer Alternative zum Kapitalismus bemüht, vergisst er nicht nur die marxsche Wert- und Geldtheorie. Er schmeißt die gesamte marxsche Methode der Gesellschaftsanalyse über Bord, ersetzt soziale Formanalysen durch biologische bzw. technizistische Analogien.
Es will ein eigentlich natürlich, also immer schon Gegebenes vom angeblich äußerlichen Falschen, vom Kapitalistischen befreien. Sobald er nach Alternativen fragt, bleibt er am Äußerlichen, an Erscheinungen, getrennt vom tatsächlichen gesellschaftlichen Zusammenhang, hängen. Seine anfänglichen Marx-Anleihen hinsichtlich der Kapitalismusanalyse sind vergessen. So sei die „Emanzipation des Menschen aus der Macht der Natur … immer nur so weit gediehen, wie es die rechtlichen Bedingungen zugelassen haben.“ Diese sind „bestimmt durch die politischen Herrschaftsverhältnisse über die Arbeit und ihre Wirtschaftlichkeit … Es gibt keinen anderen Grund, warum die arbeitenden Menschen ihre Erzeugnisse als Macht gegen sich erfahren mussten.“
So die Zusammenhänge zwischen etwa bürgerlichen Rechtsformen und kapitalistischer Produktionsweise verdrehend ist nach Wolfram das eigentlich zu lösende Problem dies: Ein unnatürliches Recht sei zu überwinden, das durch eine auf Unwirtschaftlichkeit, auf Vermehrung von Geld, gerichtete Politik abgesichert wird. Dagegen helfe eben eine wirtschaftliche Politik, die anstelle einer Geldwirtschaft eine Vertragswirtschaft setzt.
Und wo ist der soziale Raum, der solches nahelegt und in dem diese Wirtschaft entstehen kann? Es ist die Kommune. Von dort aus bis hoch zu einer Weltgemeinschaft, der Kommune der Kommunen sozusagen, solle dann eine konkrete Demokratie das jeweils Allgemeine zur Geltung bringen. Delegierte werden das richten.
Politik selbst stellt Wolfram nicht infrage. Wie demokratisch sie auch gedacht ist – es werden auch in Form seiner „wirtschaftlichen Politik“ Menschen über Menschen herrschen. Davon abgesehen, dass Vertragstreue gegebenenfalls mit Gewalt zu erzwingen ist, nach welchen Maßstäben soll diese Politik die Leistungen der Menschen bewerten?
„Jeder arbeitet für den anderen oder auch direkt für das ganze Verhältnis so, wie es im Vorhinein der Produktion auch konkret entweder einzelnen oder allgemein ausgehandelt wird.“ Das Ausmaß der Arbeit für das einzelne Individuum wird dadurch bestimmt, dass „auch seine Bedürfnisse durch den anderen oder durch das Ganze entsprechend befriedigt werden.“ Gibst Du mir, geb’ ich Dir. Äquivalenzverhältnisse – allerdings im Vorherein durch die „ökonomische Politik“ festgelegte. So war es auch in der geplanten real-“sozialistischen“ Warenproduktion gedacht. Das Ergebnis ist bekannt: Bestimmer wie Bestimmte wurden zu Getriebenen der Zwänge eben jener Warenproduktion. Der „Sozialismus“ kam seinem angeblich kommunistischem Ziel keinen Schritt näher. Wer entscheidet bei Wolfram darüber was berechtigte Bedürfnisse sind, welche Leistung der anderen entspricht, welche Güter oder richtiger Waren einander entsprechen? Es soll ja gerecht zugehen. Und vor allem: Welches ist das Maß, nach dem der Austausch geregelt wird? Was den Arbeiter betrifft: der „Verbrauch von … Lebenskraft und Lebenszeit“.
Jetzt ist Wolfram eigentlich genau wieder bei dem, wogegen er eine Alternative konstruieren wollte, bei der Lohnarbeit und der Warenproduktion, also bei Verhältnissen, die der anfängliche Kronzeuge Marx kritisierte und zwar als Politische Ökonomie. Jetzt sei es aber die gute, die nun wirklich demokratisch zustande gekommene Politik, die „ökonomische Politik“, die alles vernünftig regelt. Sie beherrscht in Wolframs Vorstellung offenkundig auch ihre Grundlage, die Wert-Ökonomie. Sie hebelt deren innere Logiken aus etwa durch eine „politische Preisbildung“ und durch „Schwundgeld“.
Nach dem, was Wolfram anfangs an Einsichten in die kapitalistische Produktionsweise offenbart, hatte ich angenommen, er bekommt tatsächlich eine Alternative durch Aufhebung der kapitalistischen Warenproduktion in den Blick. Nach seiner Marx-Rezeption, so wäre zu erwarten, weiß er, dass es innerhalb einer Waren-Produktion auf hohem Niveau gerade der gerechte Austausch ist – eben der äquivalente Austausch gemäß des „Verbrauchs von … Lebenskraft und Lebenszeit“ –, der zu den Spaltungen der Menschen in arm und reich und in Klassen führt. Marx hat die Ausbeutung gerade unter der Voraussetzung dieses gerechten Austausches erklärt und zwar indem er die Quelle von Wert und Mehrwert innerhalb der kapitalistischen Produktion aufdeckt, begreift, was zwischen G und G’ tatsächlich passiert. Wolfram dagegen bewegt sich aber hier nur noch in den Kategorien der Zirkulation und versucht mit diesen eine angeblich ausbeutungsfreie Welt zu basteln. Die soziale Qualität der Produktion selbst, der tatsächliche Prozess der kapitalistischen Ausbeutung, ist ihm hier kein Thema mehr. Das ist schon eine große Kunst für jemanden, der die „Kritiken der Politischen Ökonomie“ hoch und runter zitiert, auch die „Grundrisse“, in denen Marx sich ausdrücklich mit jenem damals noch originellem Denker auseinandersetzte, dessen Irrtümer Wolfram hier wieder aufwärmt – mit Proudhon. „Für einige Zeit“, so Marx, konnte Proudhons „unvollkommne Erkenntnis der moralischen Gesetze … dem gesellschaftlichen Fortschritt genügen“2. (MEW 2/27) Doch wir haben nicht mehr 1844, als er dies einen noch „historisch gerechtfertigten Standpunkt“ nannte.3 (MEW 2/33)
Wolfram will eine Reichtumsproduktion, die „nicht dem Geld dient“, nicht „der abstrakten Gesellschaftlichkeit“ sondern die „selbst schon die konkrete Gesellschaft ist.“ Prima. Doch in seiner Umkehrung der politischen Ökonomie in eine ökonomische Politik braucht er einen Maßstab für die Arbeit, die die Menschen zu leisten haben, um ihren Selbsterhalt sicherzustellen. Und der wird – was sonst – auch bei nach ihm in der „der hierfür nötige Aufwand in Lebenszeit“ bemessen. „Wert der Ware Arbeitskraft“ würde Marx dazu exakter sagen. „Auf diesen Selbsterhalt bezogen sind alle Menschen gleichgestellt“ – so Wolfram über seine alternative Gesellschaft. Also – alle Menschen sollen Lohnarbeiter sein. Aber genau das ist eben politische Ökonomie, nicht anderes. Schnöder Kapitalismus. „Aber in ihrer gesellschaftlichen Beziehung sollen“ sich die Menschen über diese Gleichschaltung „hinaus auch besondern können.“ Dies damit die Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung nicht verloren ginge. Tolle Alternative.
Wolfram will die „gesellschaftliche Macht der abstrakten Arbeit“ über die Produzenten aufheben, aber genau diese rekonstruiert er in seinem Zukunftsentwurf. Nichts anderes ist eine Produktionstätigkeit, wie Wolfram sie in verballhornten Wertkategorien beschreibt. Er will eine freie Gesellschaft, hält es aber offenkundig für ausgeschlossen, dass das Bedürfnis sich assoziierender Menschen nach schöpferischer Tätigkeit eine ganze Gesellschaft auch materiell tragen kann. Er fragt nicht wirklich nach den Voraussetzungen für eine solche neue Produktions- und Lebenswesie. Er braucht für seine Zukunftsvorstellung den stummen Zwang der Ökonomie gegenüber dem Einzelnen, den Zwang zur Lohnarbeit. In seiner Illusion erhalte dieser Zwang durch seine ökonomische Politik in der kommunalen Wirtschaft sozusagen ein menschliches Antlitz. Doch die Teilhabe der einzelnen Produzenten an den Produkten gesellschaftlicher Produktion nach dem Maß der von ihnen in Lohnarbeit jeweils verausgabten Arbeitszeit – solcherart Vermittlung der gesellschaftlichen Beziehungen über die Wertkategorien – das ist eben genau dies: „gesellschaftliche Macht der abstrakten Arbeit“ über die Produzenten, die „ökonomische Politik“ eingeschlossen.
Wolfram macht die Kommune mit ihrer angeblich überschaubaren Substistenzwirtschaft stark. Dies offenkundig, weil man sich hier leicht einbilden kann, dass etwa das Maß an Arbeitszeit einverständlich ausgehandelt werden könnte. Ich ignoriere hier mal, dass wir nicht in einer vormodernen bornierten Wirtschaft mit Selbstversorgung bzw. engbegrenzten Kreisläufen leben und auch nicht zu einer solchen zurückkehren können bzw. wollen.
Wie denkt er sich auf dieser Grundlage das Funktionieren der Weltwirtschaft? Das Mehrprodukt der Subsistenzwirtschaft – also offenkundig das, was für den reinen Selbsterhalt der Gemeindemitglieder nicht gebraucht wird – das geht in den überregionalen, internationalen Austausch ein. Auch dies werde auf immer höherer Ebene politisch geregelt. Das geschieht natürlich demokratisch und gerecht, das heißt gemäß dem in den Produktion enthaltenen Arbeitszeit und materiellen Ressourcen, also – dem Wert gemäß. Und der – in (politischen) Preisen ausgedrückt – soll von vornherein festgelegt sein? Im internationalem Austausch zwischen Produzenten, von denen die einen produktiver als die anderen arbeiten, in deren Produkten, richtiger Waren, jeweils mehr oder weniger Arbeitszeit geronnen ist? Wie stellt sich hier dann die Äquivalenz im Austausch her? Welche Bürokratie soll hier im „Vorhinein“ regeln, was der richtige Wert/Preis ist? Das Ganze läuft auf nichts anderes hinaus als auf eben die Herrschaft der abstrakten Arbeit über die Produzenten – normaler Kapitalismus samt seiner extremen Reichtumsunterschiede, Krisen und Katastrophen.
Warum sich mit solchen Konstruktionen beschäftigen? Weil dies in der Suche nach tatsächlichen Wegen aus dem Kapitalismus sehr verbreitete Irrtümer sind. Ich will verstehen, warum es auch heute noch, da tatsächlich die Möglichkeiten für die Konstitution einer freien Gesellschaft gegeben sind, viele kapitalismuskritische Menschen immer wieder in eine solche proudhonistische, lasalleanischer Denkweise oder in die des Silvio Gesell, des Schwundgeldes usw. hineingeraten. Ich will wissen was fehlt, damit solche Denkblokaden überschritten werden können.
Eine entscheidende Schwierigkeit ist, sich eine Produktionsweise vorzustellen zu können, die tatsächlich auf den „stummen Zwang der Ökonomie“ verzichten kann, also auf Lohnarbeit überhaupt, auf Warenproduktion überhaupt, auf äquivalenten Austausch, damit auf Vergesellschaftung über den Wert, damit auf Politik, also auf Herrschaft von Menschen über Menschen bedeutet. Es ist nicht hinreichend, wenn einzelne Momente der Kritik der Politischen Ökonomie zutreffend erfasst werden. Sobald ernsthaft die Frage nach der Alternative gestellt wird, also nach einer noch nicht vorhandenen neuen Form der Vergesellschaftung, gewinnt die Frage nach dem sozialen Bezug des Suchenden offenkundig entscheidende Bedeutung. Es geht um den Bezug sowohl zu den tatsächliche mit der spätkapitalistsichen Produktionsweise entstehenden Voraussetzungen für deren Aufhebung also auch zu tatsächlichen oder nur erhofften sozialen Räumen, innerhalb derer sich das Neue wenigstens keimförmig zeigt.
Marx sah einen inneren notwendigen Zusammenhang zwischen dem Denken Proudhons und seinem sozialen Bezug auf noch unentwickelte kapitalistische Verhältnisse. „Alles in allem geht Herr Proudhon nicht über das Ideal des Kleinbürgers hinaus.“ (MEW 4/157)4 Bei Marx selbst – so sehe ich das heute – war es gerade sein Bezug auf die Kämpfe des Proletariats als dem angeblich revolutionärem Subjekt war, der ihn zu Bestimmungen der sogenannten Übergangsgesellschaft drängte, die sich proudhonscher Kategorien bedienen. Die sogenannte erste Phase des Kommunismus bedarf nach Marx – dies im Gegensatz zu seinen Kritiken der Politischen Ökonomie und seiner Proudhon-Kritik – auch noch der Wertkategorien und des darauf gegründeten Rechts, dies allerdings nun „politisch verkehrt“ wie Wolfram sagen würde durch die „ökonomische Politik“ der Diktatur des Proletariats.
In der heutigen spätkapitalistischen Gesellschaft wird nicht nur die auf die Verwertung von Wert gegründete Produktionsweise zur „miserablen Grundlage“. Diese vernichtet nicht nur im Maße gerade ihrer Produktivitätssteigerung ihre eigene Wertgrundlage, von den natürlichen Ressourcen ganz zu schweigen, und bedarf schon deshalb für ihre Selbstbewegung immer gewaltigerer, immer windiger werdender staatlicher Krücken. Sie hat zugleich solche menschliche Fähigkeiten hervorgebracht, die sich auf eine neue menschliche Weise zur Geltung bringen und immer schwerer in den Dienst an einem äußerlichen Zweck – der Verwertung von Wert – zu pressen sind. Vor allem existieren nunmehr bereits solche sozialen Zusammenhänge, auf die bezogen tatsächlich eine Gesellschaft denkbar wird, deren Zusammenhang nicht über Wert, Politik, Ideologie vermittelt wird. Es sind die sozialen Formen, in denen in freier, nicht wertförmiger, also von keinem ökonomischen Zwang getriebenen Tätigkeit etwa Open-source-Produkte entstehen. In Bezug auf solche Wirklichkeiten von sich assoziierenden Individuen wird eine Produktionsweise denkbar, in der die Reichtumsproduktion nicht mehr nach dem Maß des verausgabten Arbeitsaufwandes und der dementsprechenden Realisierung von Wert (und Mehrwert) erfolgt und auch nicht mehr der Vermittlung und Absicherung durch irgendeine Politik bedarf.
Wolfram, versuch doch bitte einmal, Dich wenigstens hypothetisch auf diese Sicht einzulassen. Dann wird sicher auch deutlich, warum, wenn ich von den materiellen Bedingungen sich frei assoziierender Individuen spreche, also von nützlichen Dingen, Lebensmitteln im weitesten Sinne, ich nicht nur NICHT von WAREN, damit von Tauschwerten sprechen kann, sondern auch NICHT von Gebrauchs-WERTEN. Die wirklich schöpferisch tätigen Menschen können die ihnen und aller Welt nützlichen und frei verfügbaren Dinge nicht auf der Grundlage der von der kapitalistischen Produktionsweise entwickelten Produktionsmittel herstellen. Deren Gebrauch reproduziert unvermeidbar die sozialen Bedingungen ihrer Entstehung, führt nicht aus der Lohnarbeit heraus, sondern zwingt in diese hinein. Auch das ist vom Real-”Sozialismus” zu lernen.
Die Produkte freier schöpferischer Tätigkeit nicht zu verstehen als Gebrauchswerte, befreit von deren Wertbeziehung.
Die sich frei assoziierenden Individuen sind auch nicht zu bestimmen als Lohnarbeiter, von “ökonomischer Politik” oder sonstwas befreit von ihrer kapitalistischen Genese, von der Ausbeutung.
Vergesellschaftung über Wertkategorien, über äquivalenten Austausch, über Politik/Staat und Ideologie haben hier überhaupt kein Medium. Die Konstitution des sogenannten Reiches der Freiheit ist von vornherein in all dieser Hinsicht – Produzenten, Produkte, Produktionsverhältnisse – eine Neuschöpfung oder sie wird nicht stattfinden. Es kann keine sogenannte Übergangsgesellschaft geben, die sich der Produkte und der Mittel der alten Vergesellschaftung bedienen kann.
Unter dieser Voraussetzung des totalen Bruches mit den Formen der bisherigen Geschichte und ihrer Produkte ist dann auch der Übergang vom Reich der Notwendigkeit zu dem der Freiheit zu denken. Damit ist auch der Zusammenhang zwischen beiden zu erfassen, der Prozess des Entstehens von Voraussetzungen für den Übergang von der menschlichen Vor- zur eigentlichen menschlichen Geschichte. Es sind so auch die Formen des Übergang zum letzteren zu antizipieren, Keimzellen dessen. Hier ist der Weg dann tatsächlich auch schon das Ziel.




Hallo Ulli,

Du hast da ja sehr ausführlich die Schnittstellen und Gegensätze unserer Diskussion dargestellt, wenngleich nach meiner Auffassung vieles davon nicht diskutiert, sondern nur unterstellt ist - vor allem die Behauptung, dass ich im Fortgang meines Textes mit der Marx'schen Analyse breche. Ich denke, dass ich gerade seine Beschreibung der „miserablen Grundlagen“ der Warenproduktion fortsetze und die entsprechenden Konsequenzen ziehe – gerade eben im Sinne der Marx'schen Auffassung von Arbeit und Wirtschaft. Diesbezüglich schreibt er z.B. in den Grundrissen:


„Die wirkliche Ökonomie - Ersparung - besteht in Ersparung von Arbeitszeit; ... diese Ersparung ist aber identisch mit Entwicklung der Produktivkraft. Also keineswegs Entsagen vom Genuss, sondern Entwickeln von ... Fähigkeiten zur Produktion und daher sowohl der Fähigkeiten, wie der Mittel des Genusses. Die Fähigkeit des Genusses ist Bedingung für die Entwicklung der Fähigkeit zur Produktion...

Die Ersparung von Arbeitszeit gleich Vermehren der freien Zeit, d.h. Zeit für die volle Entwicklung des Individuums... Die freie Zeit - die sowohl Mußezeit als Zeit für höhere Tätigkeit ist - hat ihren Besitzer natürlich in ein anderes Subjekt verwandelt und als dies andere Subjekt tritt er dann auch in den unmittelbaren Produktionsprozess.“ (Reprint der Moskauer Ausgabe von 1939 vom Europa-Verlag Wien 1972, S. 599)

Hier geht es nicht um eine reine Entgegensetzung von Kapitalismus und Kommunismus, sondern um die „wirkliche Bewegung“, in welcher der Kapitalismus seiner miserablen Form, der Ware als Elementarform des gesellschaftlichen Reichtums entwachsen muss, weil er durch die Entwicklung der Produktivkraft selbst die Keimform einer anderen Gesellschaftsform ist. Marx beschreibt eine verkehrte Gesellschaft. Und die kann eben auch nur verkehrt sein, weil sie eine Verkehrung vollzieht, die Verkehrung eines menschlichen Lebensverhältnisses betreibt, also einem gesellschaftlichen Verhältnis entspricht, dessen Inhalt eine verkehrte Form hat, ein „Unding“, anachronistisch ist.

Die so netten wie naiven Vorstellungen von einer Peer-to-Peer-Ökonomie oder eines Commonismus gehen doch gerade daran vorbei, dass das Potenzial der Aufhebung des Kapitalismus in dem vorhandenen Material steckt, das er hervorgebracht hat. Das halte ich für ein Windei, das so freiwillig erscheinen darf, wie es gewaltsam wird, wenn es eben nicht gelingt, weil es letztlich nur moralisch begründet ist und nicht funktionieren kann.

Aus diesem Grund siehst Du das, was ich als Notwendigkeit des Aufwandes und seiner gesellschaftlichen (=politischen) Bezüglichkeit noch bedenken muss, als Bestimmungsmacht eines Zwangsverhältnisses. Das ist absurd. Aber da hört dann eben das wertkritische Denken auf, weil es sich davon frei dünkt.

Nicht ganz fair ist die durch entsprechenden Schnitt und Heraussonderung erreichte Sinnentstellung einiger Zitate, besonders wo sie den Naturbegriff, den ich mit Marx teile, betreffen. Die „Entfremdung des Menschen von seinem Gattungswesen“ ist in der ganzen Marx'schen Begrifflichkeit grundlegend, und dieses ist seine Natur, die Menschwerdung selbst. Ich teile auch nach wie vor diese Grundlage des historischen Materialismus, die impliziert, dass die menschliche Geschichte noch nicht menschliche Wirklichkeit erreicht hat – und gerade deshalb barbarisch wird, wenn dies nicht gelingt. Die Arbeitswerttheorie hat darin ihre Grundlage, dass die Produktion der menschlichen Natur folgt (ansonsten er zugrunde ginge) und deshalb im Wert mächtig gegen die Menschen wird, wenn das Produkt privat angeeignet werden kann, also der Rechtsform des Privateigentums (bzw. der Ware) gehorcht. Die Kritik der politischen Ökonomie ist nichts anderes als die Kritik dieser Rechtsform. Von daher gehen Deine Interpretationen meines Rechtsverständnisses an der Sache vorbei. Und so bleibt Dir natürlich auch verschlossen, warum eine ökonomische Politik nicht nur die Umkehrung, sondern die Aufhebung der Entzweiung von Ökonomie und Politik ist – die Aufhebung der Getrenntheit, die eben der Grund war, durch den Politik überhaupt zu einem frei und selbständig scheinenden „politischen Willen“ werden konnte. Politik ist nicht weg, nur weil gesellschaftlicher Bezug nicht mehr damit bezeichnet wird.

Du hälst lieber daran fest, dass es keine politische Beziehung von Bedürfnissen und Arbeit gibt, weil du Dir nicht vorstellen kannst, dass eine Auseinandersetzung hierüber und also eigentlich auch kein gesellschaftliches Eigentum möglich ist. Der Hintergrund ist ein individualistisches Verständnis von Sachbezogenheit, das zwangsläufig an allen gesellschaftlichen Formproblemen vorbeigehen muss, so diese überhaupt noch wahrgenommen werden. Ein jeder gibt und jeder nimmt, weil alle füreinander da sind, wie es in der Bibel steht. Natürlich: Im Commonismus ist das alles erstmal nur in Vorstellungen aufgelöst, die aus familiären Wahrnehmungen entnommen sind. Solange es nur sprachlich läuft, wie z.B. in den Communities des Internets, lässt sich dabei auch einiges arrangieren, was in Wirklichkeit nicht gehen kann. Aber auch da merkt man schon, das ganz freiwillig nicht alles funktionieren kann, dass es da auch Notwendigkeiten gibt, die erst so nach und nach bewusst werden, weil man sie ganz vergessen hatte. Man mag sich Rezepte austauschen; das Essen steht deshalb noch lang nicht auf dem Tisch.

Ganz daneben geht nach meiner Auffassung Deine Vorhaltung, ich würde die Marxsche Analyse nicht beibehalten, sondern eigentlich auf das Wertverhältnis zurückfallen. Du schreibst:
„Nach seiner [Wolframs] Marx-Rezeption, so wäre zu erwarten, weiß er, dass es innerhalb einer Waren-Produktion auf hohem Niveau gerade der gerechte Austausch ist – eben der äquivalente Austausch gemäß des „Verbrauchs von … Lebenskraft und Lebenszeit“ –, der zu den Spaltungen der Menschen in arm und reich und in Klassen führt. Marx hat die Ausbeutung gerade unter der Voraussetzung dieses gerechten Austausches erklärt und zwar indem er die Quelle von Wert und Mehrwert innerhalb der kapitalistischen Produktion aufdeckt, begreift, was zwischen G und G’ tatsächlich passiert. Wolfram dagegen bewegt sich aber hier nur noch in den Kategorien der Zirkulation und versucht mit diesen eine angeblich ausbeutungsfreie Welt zu basteln. Die soziale Qualität der Produktion selbst, der tatsächliche Prozess der kapitalistischen Ausbeutung, ist ihm hier kein Thema mehr.“

Was ist denn das für ein absurdes Wertverständnis? Es ist doch nicht der „Verbrauch von … Lebenskraft und Lebenszeit –, der zu den Spaltungen der Menschen in arm und reich und in Klassen führt“. Das Wertverhältnis von Arbeitskraft und Kapital stellt gerade die Lebenskraft und Lebenszeiten des einen unter die Macht des anderen, beruht also nicht auf einem Äquivalent, sondern auf dem Rechtsverhältnis der Warenform, die dann im Wertverhältnis auf dem Markt äquivalent getauscht wird – nicht Kraft gegen Kraft, sondern Besitz an Kraft gegen Besitz an Geld. Jeder erhält dort das Geld, das er privat verdient: Der eine den Lohn, mit dem er sein Leben reproduziert, der andere den Mehrwert, den er aus der Arbeit „herausgewirtschaftet“ hat und durch den er seine Macht vermehrt und sein Marktrisiko mindert. Deshalb bleibt der eine arm und wird der andere reich – und das hat Marx zur Ausbeutung geschrieben, die sich aus einem wertgerechten Austausch erklärt, der keine gerechte (im Sinne von richtige) Beziehung von Lebenszeit und Lebenskraft sein kann. Wert ist für Dich schon die reine Arbeitszeit. Das ist schlicht falsch. Wert hat als Begriffsgröße die auf dem Markt, also im Austausch realisierte gesellschaftlich durchschnittlich verausgabte Arbeitszeit zur Herstellung der Ware, wie sie sich zwischen Angebot und Nachfrage ergibt. Es ist die Wertform, die den Preis für das Produkt und für die Arbeitskraft regelt, nicht Zeit oder Stoff oder sonst was. Und die Wertform ist immer ein quantitatives Verhältnis von einer totalen Beziehung der Güter, wie sie im Tausch und also nicht für die Menschen ist. Lebenskraft und Lebenszeit der Menschen kommen hier gar nicht wirklich vor. Der Markt ist lediglich ihre verkehrte Verhältnisform, das Verhältnis losgelöster Zeitmengen abstrakter Arbeit.

Vielleicht hast Du ja einfach überlesen oder nicht mit bedacht, dass ich mich gegen marktförmige Beziehungen wende, indem ich sie aus der abstrakten Verhältnisform in eine bestimmte, in die Form von Vertragsverhältnissen bringen will. Solche Verhältnisse regeln politisch, was sonst der Wert regelt. Man kann hier nicht mehr von Lohnarbeit reden, weil nicht Geld das Maß setzt, sondern eine Übereinkunft zwischen Individuen und Kommunen. Nicht weil Kommunen überschaubar wären, macht die Beziehung auf sie notwendig, sondern weil sie die räumliche Form von Gesellschaft und also der Politik ins Verhältnis setzen, ohne die keine Produktbeziehung möglich ist, weil Arbeit sich eben nicht individuell und gesellschaftsunabhängig, also als bloße Einzelheit ohne Allgemeinheit, und nicht frei von Zeit und Raum ins Verhältnis setzen lässt, mag sie auch - wenn man von ihren Bedingungen absieht - so individuell und selbstschöpferisch – wie z.B. die Arbeit eines Programmierers vor seinem Rechner – erscheinen.

Du schreibst: „Es sind die sozialen Formen, in denen in freier, nicht wertförmiger, also von keinem ökonomischen Zwang getriebenen Tätigkeit etwa Open-source-Produkte entstehen. In Bezug auf solche Wirklichkeiten von sich assoziierenden Individuen wird eine Produktionsweise denkbar, in der die Reichtumsproduktion nicht mehr nach dem Maß des verausgabten Arbeitsaufwandes und der dementsprechenden Realisierung von Wert (und Mehrwert) erfolgt und auch nicht mehr der Vermittlung und Absicherung durch irgendeine Politik bedarf.“ Oh ja, mein Guter! Ich kenn das. Die große Werbeagentur Internet macht ökonomischen Zwang unsichtbar. Und der Erfolg begeistert den Open-Sourcer; nur die reale Beziehung fehlt. Deshalb einfach mal umgekehrt. Der Mangel schafft Verbindungen und „assoziiert“. Im Mangel an Sozialem ist alles in Beziehung und muss nicht erst bezogen werden. Wort gegen Wort, alles zur Information, der Wissensformation, die es zudem scheinbar gratis gibt. Für eine Zeitlang waren im Reich der Open-source-Produktion tatsächlich „alle Menschen Brüder und Schwestern“. Heut herrscht auch dort ein Machtkampf und Machtstrukturen bestimmen, was aus den Brüdern und Schwestern wird, die sich da um schöne Texte für Wikipedia oder um Datensammlungen fürs iPhone etc. bemühen. Bis heute ist es z.B. mehreren Leuten seit Jahren nicht gelungen, einen Web-Link zur www.kulturkritik.net im Artikel „Kulturkritik“ auf Wikipedia anzubringen, weil die das einfach nicht mögen (dass einiges an Text dort von mir stammt ist glücklicherweise in Vergessenheit geraten). Apple besitzt die Macht über alle App-Verteilungen usw. Besser wär, diese „sozialen Formen“ mal genauer aufs Korn zu nehmen und sich den Kapitalismus genauer vorzustellen, der damit möglich ist, als das zu bejubeln und zu behaupten, dass es sich hier schon um „freie, nicht wertförmiger, also von keinem ökonomischen Zwang getriebenen Tätigkeit“ handelt.

Dein Bezug zur Marx-Kritik an Proudhon geht ziemlich daneben, wie auch der zu Lasalle oder Gesell. Beides ist nur hergeholt und gewollt assoziiert, um schließlich ziemlich abfällig zu werden. Deshalb will ich mich zu den hieraus sprießenden Missinterpretationen nicht weiter einlassen, die nur noch verquer etwas von dem enthalten, was ich geschrieben habe und mit dem Du insgesamt nur „Denkblockaden“ assoziierst. Der Grund ist vielleicht einfach Deine „Denkblockade“ im Verständnis von „abstrakter Arbeit“. Völlig absurd, wenn Du mir vorhälst:
„Das Ganze läuft auf nichts anderes hinaus als auf eben die Herrschaft der abstrakten Arbeit über die Produzenten – normaler Kapitalismus samt seiner extremen Reichtumsunterschiede, Krisen und Katastrophen.
Warum sich mit solchen Konstruktionen beschäftigen?“

Dann lieber einfach mal Schluss machen mit dem Kapitalismus, Tür zu und Ende? Ach so: Neu anfangen, Keimformen schaffen, alles nochmal. Du schreibst: „Unter der Voraussetzung des totalen Bruches mit den Formen der bisherigen Geschichte und ihrer Produkte ist dann auch der Übergang vom Reich der Notwendigkeit zu dem der Freiheit zu denken.“ Ja, wo willst Du dann das hernehmen und hintun, was alles so geworden ist? Reicht dazu vielleicht ein Sortiment von Computer und Käseplätzchen? Und was ist mit größeren Projekten, wie z.B. Bahn und Straße und Krankenhaus und Altersversorgung usw,? Wie sollen Zeiten und Räume aufeinander bezogen werden, ohne Plan und Form?

So einfach geht’s eben nicht. Aber sicher: Es gibt da noch viel zu diskutieren.

Gruß

Wolfram