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10. Einleitung in eine Persönlichkeitstheorie der Selbstverwertung

In einer Welt, worin die Menschen sich nicht gegenständlich verhalten, weil sie weder einen gesellschaftlichen Gegenstand haben, noch sich auf einen Menschen gegenständlich beziehen können, haben sie im Grunde nur noch sich selbst und andere Menschen in zwischenmenschlichen Verhältnissen als Material ihres Lebens, sich selbst als Sinn für andere wahr. Aber wenn menschliches Leben - nur weil es geäußert ist - schon Gegenstand für andere sein muss, kann es sich nicht im Verhalten zu anderen äußern. So wie es außer sich ist verhält es sich zu ihnen durch sich selbst im bloßen Erleben, wodurch es zunächst nur durch die Form seines Daseins Wirkung hat und also auch nur darin gesellschaftlich existiert. Werden Menschen sich selbst zum Gegenstand, so müssen sie sich daher in ihrer Zwischenmenschlichkeit zum Gegenstand ihres Erlebens, sich selbst zur objektiven Form ihrer Wahrnehmung als Ganzes machen. Und so werden ihre Eigenschafen zu den leiblichen Elemente ihrer zwischenmenschlich vergegenständlichten Sinne, die sie ebenso einverleiben, wie die Gegenstände ihrer gesellschaftlichn Bedürfnisse. Indem sie hierdurch ihren Empfindungen einen Gegenstand ihrer Eigenheiten verleihen, erzeugen sie Gefühle ihrer Selbstwahrnehmung und verkehren über ihre Selbstgefühle, durch die sich ihre Zwischenmenschlichkeit in ihnen selbst objektiviert, von ihrer wirklichen Beziehung absehen muss (siehe Abstraktion) und sich getrennt von ihrer Wirklichkeit verselbständigt.

In den Verhältnissen ihrer Zwischenmenschlichkeit betreiben sie hierfür einen Widersinn mit sich, weil sie von sich absehen müssen um sich durch ihre Selbstgefühle wahr zu haben. In dieser Absicht ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen betreiben und verwirklichen sie daher vor allem eine Abstraktion eigener Sinnlichkeit, also die Abstraktion der Sinne, welche die Menschen zum Gegenstand ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse bestimmt haben, mit denen sie sich jetzt allerdings zugleich entgegegständlichen, weil sie damit im Allgemeinen nurmehr in sich selbst zurückfallen können. Es ist ein abstrakt allgemeiner, ein abstrakt menschlicher Sinn, der dann in ihrer Wahrnehmung selbst sich als deren Formbestimmung entfaltet und diese zu einer fremdbestimmtn Selbstwahrnehmung entwickelt. Im Eizelnen erfahren die Menschn ihr Leben durch ihr Erleben als lebenswert und erlangen damit für sich einen Selbstwert des Erlebens, in dem sie sich vor allem selbst lebendig fühlen und als das empfinden, was sie für sich selbst durch ihre Gefühle für sich sind. In dieser Veräußerung sind sie sich selbst allgemein objektiv und fühlen sich im Einzelnen zugleich minderwertig (siehe Minderwertigkeitsgefühl), müssen also Wert für sich finden und bilden, um ein Gefühl für sich selbst, ein Selbstwertgefühl zu haben.

Selbstverwertung ist die Erzeugung eines Selbstwerts durch die Veräußerung von Selbstgefühlen in zwischenmenschlichen Verhältnissen einer allgemein gewordenen egozentrischen Wahrnehmungsform der Selbstbehauptung. Die Selbstbehauptung kann aber durch sich alleine keinen Selbstwert beschaffen, wenn sie nicht allgemein veräußert wird, wenn sie sich nicht aus ihrer Egozentrik heraussetzt, wenn sie sich nicht durch die Anwesenheit für andere Menschen äußert, die ihre Eigenschaften nutzen und sich einverleiben und sich hierdurch "beleben". Was die Selbstwahrnehmung nicht für sich selbst sein kann, wird sie durch andere, deren Gegenwart sie konsumiert und in deren Gefühlen sie sich vergegenwärtigt und narzisstisch bespiegelt. Sie vergegenwärtigt durch ihr zwischenmenschliches Erleben ein objektives Selbstgefühl mit anderen zur Verkörperung ihrer eigenen Selbstwertigkeit durch andere.

Soweit die Wahrnehmung sich als Behauptung ihrer eigenen Wahrheit zu verwirklichen sucht, sich als Haupt ihrer Selbstverwirklichung versteht, reduziert sie sich auf die Selbstwahrnehmung einzelner Personen in selbstbezüglichen Verhältnissen. Sie bleibt von daher eine Wahrnehmung, die nicht erkennen kann, was sie wahr hat, weil sie sich als Behauptung ihrer selbst so wahrnimmt, wie sie sich erfährt, sich selbst so wahrhat, wie sie sich für wahr hält, wie sie sich in den Ereignissen ihres Lebens erlebt, sich so findet und empfindet, wie sie sich darin einfindet. Weil sie daher von sich selbst absehen muss, wo und wie sie sich wahrhat, erlebt sie sich auch nur in der Wahrheit ihrer Absichten, in der Körperform ihres Erlebens, das sie sich einverleibt. Und darin kennt sie sich nur in der abstrakten Einheit des Zusammenhangs ihrer Lebensverhältnisse, in die sie versetzt ist. Sie kann die Gegebenheiten nur so nehmen, wie sie ihr vorausgesetzt sind und ihr voraussetzungslos erscheinen, als bloße Ereignisse ihrer Zwischenmenschlichkeit ja auch wirklich zusammenhanglos auftreten.

Für sich genommen sind zwischenmenschliche Beziehungen Beziehungen zwischen den Menschen, in welchen sie sich selbst und einander zum Material ihrer Verhältnisse, sich als Person zum Gegenstand ihres Lebens machen und haben, weil und soweit ihre gesellschaftliche Gegenswärtigkeit und Vergegenständlichung in der Wirklichkeit ihrer Lebensverhältnisses ihnen entzogen, für sie abwesend ist. Es sind Beziehungen, worin das, was zwischen ihnen sich ereignet, für ihr Erleben als Mensch unter Menschen bestimmend ist, indem sie es für ihr zwischenmenschliches Menschsein nutzen und sich ihre Gegenwärtigkeit wechselseitig einverleiben. Von daher ist es eine Beziehung der Nutzung menschlicher Eigenschaften. Zwischenmenschlichkeit meint eben das Beisammensein dessen, was zwischen den Menschen ist, also das In-allem-Sein, worin Menschen sich als das erscheinen, was an und in ihnen menschlich ist und geschieht, auch wenn sie als Mensch nicht wirklich ganz da sind, ihre Menschlichkeit im Grunde zugleich abwesend, also nur zwischen ihnen da ist.

Im Dazwischensein ist etwas, das weder das Eine noch das Andere sein kann, in dem es dazwischen ist. Es ist also etwas, von dem in dieser Beziehung unentwegt abgesehen wird, weil es nicht so da ist, wie es der Umstände halber (siehe auch Lebensumstände) da sein müsste. Es ist die Form eines abwesenden Wesens, die Form einer Isolation, die nicht isoliert sein kann, weil sie ein Wesen hat, das abwesend ist. Es ist das Dasein einer Abstraktion, die Wirklichkeit einer unmöglichen Beziehung, einer widersinnigen Beziehung, die nur durch ihre Abwesenheit sich erfüllen kann. Es ist die Form eines Seins, das in seinem Dasein einen Doppelcharakter hat, das sich in zwei Existenzweisen verwirklicht, die sich nicht wirklich beziehen können (siehe hierzu Dialektik) und nur durch das Dazwischensein ihres aneinander relativierten Daseins in Beziehung sind (siehe hierzu auch Tauschwert). Von daher ist das Dazwischensein ein wesenticher Begriff für das Verständnis des widersprüchlichen Daseins eines Kulturbürgertums, das außer sich alle Äußerungen (siehe auch Tätigkeit) nur durch sich und für sich wahrnimmt, sich in allem wahrhat, was es in Wahrheit nicht wirklich sein kann. Es ist das Dasein einer unwirklichen Wahrnehmung.

Menschen können sich in anderen Menschen nur erkennen, sofern sie sich selbst von ihnen unterscheiden, sich in der Beziehung auf sie als ein anderes, als ein eigenes Wesen finden und empfinden. Im Verstand ihrer Zwischenmenschlichkeit nehmen sie sich aber nur zwischen sich und anderen wahr, reduzieren sich auf ein gemeines Wesen, das weder das eine, noch das andere, das also alleine, im Einzelnen nur durch ihre Gemeinschaft da ist (siehe Dasein), In Wirklichkeit ist es darin gleich geltend, in Wahrheit ganz gleichgültig gegen ihre Bestimmung da, was sie auch gleichgültig gegen ihre Bestimmtheit macht. Denn zwischen ihnen kann nichts anderes sein als eine Abstrakion von ihnen, das abstrakt Allgemeine ihrer Gemeinschaft, ihr abstrakt menschliches Sinnlichsein. Im zwischenmenschlichen Verhältnis bldet sich nach dem Vermögen eines bestimmten Lebensraums eine Gemeinschaft, worin die Menschen im Allgemeinen untereinander, also zwischen sich als Mensch, wie er leibt und lebt verkehren. Das setzt eine gesellschaftliche Beziehung voraus, in welcher ihre Verhältnisse gleich und im Vergleich, eben so so wie die Beziehungen der Geldformen im Geldbesitz bestimmt sind. Zwischenmenschliche Beziehungen verbrauchen sich gleichgültig wie Geld, sind Beziehungen im Gebrauchswert des Geldes (siehe hierzu fiktives Kapital)

Jede Selbstwahrnehmung kann sich daher nur an die Form gewöhnen, wie sie ihre Lebensräume bewohnt und kann ihre Gegenstände daher auch nur so hinnehmen, wie sie ihr gegeben zu sein scheinen. Sie bestärkt und fixiert sich an die Macht, die ihre Verhältnisse schon dadurch inne haben, dass sie ihre Lebensbedingung sind, ganz gleich, wie sich ihr Leben darin geäußert und veräußert hat, ganz gleich, wie und wodurch sie sich selbst entäußert, sich von ihrem eigenen Leben entfernt und entfremdet haben. Solche Wahrnehmung bestärkt sich in der Abstraktion von sich selbst und verkörpert praktisch, wodurch sie objektiv durch das bestimmt ist, was sie nötig hat, was ihre blanke Notwendigkeit zum Leben ist. Sie verleugnet damit die Freiheit, die sie durch ihr Leben selbst schon, durch die Intelligenz ihrer Natur, durch ihre natürliche Intelligenz hat. Indem sie sich in ihrer Selbstbezogenheit, in der sie ihre unmittelbare Wahrheit vermeint auf sich selbst reduziert, reduziert sie ihre Wahrnehmung auf die Bedingungen, die ihr gestellt werden. Es ist im Allgemeinen das Geldverhältnis, die existenzielle Notwendigkeit einer marktwirtschaftlichen Produktionsweise, in der sich die Abstraktionen ihrer Selbstwahrnehmung auch gesellschaftlich aufheben, Menschen für sich so abstrakt werden, wie es ihre Lebensverhältnisse auch wirklich sind. Darin schließlich kann sich jede Erkenntnis nur selbst schon nichten, bzw. schon aufheben, bevor sie wirklich wahr sein könnte.

In solchen Verhältnissen bestätigt sich Wahrnehmung nur in der Verwirklichung ihrer Selbstwahrnehmung, in ihrer Selbstverwirklichung, und wird sich gerade hierdurch nicht mehr wirklich ihrer selbst gewahr. Denn in der Selbstverwirklichung wird die Selbstwahrnehmung in dem Maße aufgehoben, in dem sie sich ihrer selbst in ihren Gefühlen vergewissert, ihre Wahrnehmung auf die Bedeutung ihrer Selbstgefühle, auf die Gewissheit ihres Selbstwerts reduziert. Und dieser kann in Wahrheit nur die Ungewissheit ihrer Existenz sein. So kann darin auch kein wirklich gegenständliches Lebensverhältnis der Menschen wahr sein, sondern nurmehr ein Verhältnis zwischen den Menschen, das seine Substanz aus einer zwischenmenschlichen Wahrheit dieser Gefühle bezieht, aus der Art und Weise, wie sie sich leiden oder nicht leiden können, wie sie sich anregen oder meiden, sich selbst zum Gegenstand für andere machen oder sich von einander ausschließen, um ihre Selbstbehauptung ausschließlich und selbstgerecht zu machen. Aber wie auch immer Selbstwahrnehmung ihrer selbst gewahr wird, sie besteht im Zwiespalt zwischen sich und den anderen: ausschließlich zwischen den Menschen.




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10.1 Zwischenmenschliche Verhältnisse

Eine menschliche Gesellschaft ist nicht nur ein Produktionsverhältnis, sondern immer auch ein Verhältnis vieler Beziehungen der Menschen zu ihren Sachen wie auch zu sich als gesellschaftliche Subjekte, die durch ihre Arbeit nicht nur nützliche Dinge zur Befriedigung ihrer Bedürfnise sondern zugleich ihr sinnliches Leben, ihre Kultur als Sinn ihrer Lebenäußerung im Dasein ihrer Geschichte produzieren. In allen menschlichen Beziehungen haben sich daher Menschen immer schon nicht nur sachlich, sondern im anderen Menschen zum Gegenstand, beziehen sich gegenständlich auf sich und ihre Sache, immer also als tätiger und sich mit all seinen Sinnen gegenständlich so wahrnehmender Mensch, wie er sich gesellschaftlich wahrhat und den Reichtum seines Lebens als Reichtum seiner Beziehungen auf Menschen und Sachen, auf seine Natur entfaltet.

In Gemeinschaften, in denen Menschen ihr Vermögen aus einem sachlichen Reichtum von Arbeitsprodukten beziehen, die nicht wirklich als gesellschaftlicher Reichtum existieren, sondern getrennt hiervon sich als Privatvermögen einer abstrakten Sache, als Geldbesitz vermittelt und mitteil, bleiben sie sich in ihrer Gesellschaft selbst wesentlich fremd. Denn darin werden die Beziehungen menschlicher Lebensstätigkeit als Privateigentum nur abstrakt als Privateigentum vermittelt und da ist etwas Menschliches zwischen ihnen, was nicht unmittelbar menschlich sein kann. Ihre Beziehung wird dadurch geheimnisvoll, außer sich durch Gefühle begründet und bestimmt, deren Inhalt nicht wirklich zu empfinden ist. Ihre zwischenmenschliche Kultur erscheint als eine Mystifikation ihrer gesellschaftlichen Beziehung, denn zwischen den Menschen ist der Mensch außer sich: objektiv und doch ungegenständlich, Objekt für sich und andere, das nur durch sein Dazwischentreten subjektiv sein kann.

In zwischenmenschlichen Beziehungen beziehen sich die Menschen auf sich so, wie sie sich wahrnehmen, wie sie sich durch andere bewahrheitet sehen, wie sie sich in ihnen und durch sie wahrhaben, in dem also finden und empfinden, wodurch sie zwischen sich und anderen bestimmt sind. Ihre Empfindungen sind daher schon vor aller Erfahrung Selbstempfindungen, durch die ihre Gefühle bestimmt werden, in denen sie sich durch andere außer sich untrschiedslos wahrhaben und sich durch sie verinnerlichen, sich in ihrer Selbstbezogenheit nurmehr an sich selbst erinnern können.

Menschen können sich in anderen Menschen aber nur erkennen, sofern sie sich selbst von ihnen unterscheiden, sich in der Beziehung auf sie als ein anderes, als ein eigenes Wesen finden und empfinden. Im Verstand ihrer Zwischenmenschlichkeit nehmen sie sich aber nur zwischen sich und anderen wahr, reduzieren sie sich auf ein gemeines Wesen, das weder das eine, noch das andere, das also nur durch ihre Gemeinschaft ganz gleichgültig gegen sie ist.

Zwischenmenschlichkeit ist daher ein widersinniger Begriff, denn Menschlichkeit kann es nicht zwischen Menschen, sondern nur durch sie geben. Auch können Menschen nicht als reine Individuen für sich existieren, sodass zwischen ihnen ein Raum verbleiben könnte, weil sie immer schon in gesellschaftlicher Bezogenheit existieren, daher sich einander auch in ihren Beziehungen schon ergänzen, um als Menschen leben zu können. Im Zusammenwirken in den Verhältnissen ihrer Ergänzung bilden sie ihre Gesellschaft vermittels der Gegenstände, die sie hierbei erzeugen und durch die sie ihre Bedürfnisse befriedigen, entwickeln und bereichern.

Zwischenmenschlichkeit ist der Begriff für ein gesellschaftliches Wesen, das sich völlig unabhängig und gleichgültig gegen sich selbst, gegen sein gesellschaftliches Verhältnis verhält, das ihm daher als eine schlichte ihm äußerliche Tatsache erscheint. Dieses Verhältnis ist die unmittelbar körperliche Verhältnisform eines abstrakten Reichtums, unmittelbar menschliche Körperform des Geldbesitzes. Darin stellt sich ein menschliches Verhältnis dar, in dem Geld als Kaufmittel die sachliche Beziehung bestimmt und diese als Zahlungsmittel veräußert, ihr ausschließlich gesellschaftliches Verhältnis als Lebensform der Beziehung ihrer Sache ist. Darin wird die Sinnbildung der Menschen durch ihre Getrenntheit von ihren gesellschaftlich tätigen Sinnen so bestimmt, wie sie sich zu sich selbst verhalten. Weil sie sich darin nicht über ihre gegenständliche Tätigkeit mitteilen und vermitteln können, herrscht ihre Beziehung in ihrer Zwischenmenschlichkeit, in der sie ausschließlich selbst als unmittelbarer Gegenstand für sich erscheinen.

Obwohl Gesellschaft sich zu allererst aus den Produktions- und Reproduktionsverhältnissen des menschlichen Lebens begründet, so sind zwischenmenschliche Verhältnisse doch auch gesellschaftliche Verhältnisse, die auf diesen beruhen. Jedoch stellt sich in ihnen Gesellschaft nicht einfach sachlich und als unmittelbare Kultur ihrer Lebenstätigkeit über die Befriedigung ihrer Bedürfnisse durch den Nutzen ihrer wirklichen Gegenstände dar. Es ist eine Gesellschaft von Selbstwahrnehmungen und Selbstbehauptungen unter Menschen, die darin nach ihrer Selbstverwirklichung drängen, einem Geltungsstreben folgen, das inwendig eine Konkurrenz ihrer Selbstwahrnehmungen betreibt. Was der oben dargestellte Gegensatz von Ereignissen und Erleben in jedem Menschen gesellschaftlich betreibt, ist der Zwiespalt, den er in seinen Beziehungen auf andere hat, soweit er darin wirklich gegenwärtig, voll und ganz er selbst sein will. Dieses Geltungsstreben kann sich allerdings nur in einem Moment seiner Selbstwahrnehmung erfüllen, denn wirklich ganz kann er nur in Gesellschaft sein.

Die zwischenmenschliche Beziehung der Selbstverwirklichung besteht daher selbst in dieser Zwiespältigkeit, also aus dem Zweifel in der Unmittelbarkeit ihrer Verhältnisse, die nicht so wahr sein können, wie sie wahrgenommen werden. Es gibt eben keine unmittelbare Wahrheit, keine sinnliche Gewissheit, wo die Vermittlung selbst objektiv existiert, wo Verhältnisse sich vermitteln lassen müssen, um Sinn zu finden und deshalb durch die Form ihrer Begegnung hierdurch bestimmt sind. Aus der Getrenntheit ihrer menschlichen Beziehungen, aus ihrer Verbundenheit in der Ausschließlichkeit ihrer Selbstbehauptung kann sich nur ihre wechselseitige Fremdheit vergegenständlichen - eben weil sie sich vertrauen müssen. Und im Ausschluss bleibt den Menschen auch ihre eigene Beziehung nicht nur auf andere sondern auf sich selbst wesentlich fremd.

In ihrer Selbstentfremdung verlieren sich ihre Empfindungen im Ungewissen. Sie reduzieren ihre Regungen auf bloße Erregungen eines Verlangens nach Gewissheit, das für sie keinen unmittelbaren Sinn hat, weil sie sich selbst darin nur in ihrer Selbstwahrnehmung austauschen, sich vertauschen, sich anstelle von anderen Menschen wahrnehmen und vermitteln müssen, weil sie sich nur durch andere auch selbst wahrhaben können, weil sich ihr gesellschaftliches Verhältnis darin nur im Wesen eines wechselseitigen Andersseins, in der Abwesenheit ihres Menschseins in den Ereignissen ihres Lebens geltend machen kann. Anwesend ist nur das, was sie für sich und von sich durch andere wahrhaben. Wahr kann nur ihre Wahrnehmung an und für sich sein.

Für sich genommen ist jedes zwischenmenschliche Verhältnis im Wesentlichen das Verhältnis eines vermenschlichten Nutzens, worin die Menschen sich gegenseitig zum Gegenstand ihrer Selbstwahrnehmung machen und haben, weil und soweit ihre gesellschaftliche Gegenständlichkeit und Vergegenständlichung abwesend, ihnen entzogen ist, sie ihr Leben getrennt von dieser und gegen sie bilden und entwickeln. Sie werden selbst zu Objekten ihrer Beziehung, weil sie sich nur als diese wahrhaben und nützen können. Und sie begründen daher in diesen Verhältnisse nurmehr eine Gesellschaft von Objekt-Objekt-Beziehungen, in denen sie wechselseitig als Subjekte gegeneinander so fungieren, wie sie in den Ereignissen ihrer Lebenswelten sich positionieren, welche Positionen sie darin einnehmen oder zugewiesen bekommen.

Ein Ereignis mag zwar ein Moment von Geschichte sein. Aber Ereignisse selbst machen noch lange keine Geschichte. Geschichte entsteht in ihrem Sinnzusammenhang, im Verhältnis von Grund und Folge. Ereignisse mögen zwar verursacht sein, stehen in ihrer Wirkung aber für sich. So mag zwar alle Geschichte, die hierbei entsteht, voller Ereignisse und Erlebnisse sein und sich von daher lebendig vorkommen, sie verbleibt aber lediglich als Erzählung, in der diese Ereignisse in ihrer Erinnerung aufgezählt werden. Ihr Zusammenhang ist eben so zufällig, wie diese in einem bestimmten Lebensraum zugefallen sind. Wer ihn nicht teilt, wird diese Erzählung kaum verstehen können.

Eine Kultur, die sich in zwischenmenschlichen Verhältnissen bildet, besteht daher aus vielerlei Wahrnehmungen und Selbstwahrnehmungen, die sich im Erleben zwischen den Menschen so ergeben wie sie sich ereignen und also im Gedächtnis auch so erinnert werden. Solche Wahrnehmungen reflektieren ihre Ereignisse so, wie sie in ihrer Wirkung schon gewollt und bemessen sind, für die Erkenntnis also schon in dem Augenblik vergangen sind, in dem sie entstehen, und also enden, ohne etwas anderes zu hinterlassen, als den Moment der Wahrnehmung selbst, der ihre Gefühle begeistern mag und ihre Erinnerung füllt, der aber sinnlich für sie nicht gegenständlich bleiben kann, solange sie sich nicht in einer Lebensform für ihre Gefühle verpflichten (siehe hierzu Band 2: Die Zwischenmenschlichkeit der Selbstvergegenwärtigung). Ohne dies abstrahieren sie von jeder Geschichte und bestehen nur in dem fort, worin sie schon bei ihrer Entstehung nicht wirklich begründet sein können, also im Grunde ihre Lebenswirklichkeit darin aufheben und nur in der Form erinnert werden kann, wie sie vergangen sind.

Ihre Geschichte besteht lediglich aus dem Nacheinander von Ereignissen, der Genealogie ihres Erlebens. Sie bezieht sich auf keine Gegenstände, sondern auf Ereignisse, wie sie im bloßen Erleben stattfinden, ohne dass sie irgendeinen Zusammenhang erkennen lassen außer dem, was die Form dieser Verhältnisse so darstellt, wie sie sich als Erbfolge des Erlebens generieren lassen. Diese Form ist die unmittelbare Lebensform einer umstandslosen Begegnung, durch die Menschen sich erleben, also sich als Menschen wahrhaben, ohne wirklich menschlich da zu sein und die Umstände ihrer Wahrnehmung zu begreifen. Ohne Bewusstsein hierüber sehen sie sich in ihrer einzelnen Selbstwahrnehmung allgemein bestärkt, ohne dass sie sich als Mensch wirklich anders mitteilen können, als durch ihr bloßes Dasein in einem zeitlosen Raum.

Lediglich in ihren Wahrnehmungen und Selbstwahrnehmungen lässt sich erkennen, was die Menschen voneinender durch ihre Zwischenmenschlichkeit wahrhaben, was sie existenziell im Sinn haben, ohne dass sich ihr Sinn wirklich äußert, ihr Tun und Treiben kein gegenständliches Leben, keine wirkliche Geschichte hinterlassen kann und ihre Unwirklichkeit sie antreibt, ihre Sinne fortwährend einzuholen, indem sie beständig außer sich gehen um sich an das zu erinnern, was sie mit und durch andere Menschen erlebt haben. Es ist, als ob die Menschen geradezu getrieben sind, für einen Sinn zu leben, der zwischen ihnen äußerlich und menschlich zugleich ist, und der sie nicht inne halten lässt, weil er keine Form außer sich hat, und der ihre Beziehung zugleich nur entäußern kann, weil er inhaltlich nicht wirklich da ist und sich von daher eine Form des Zwischenmenschlichen geben muss, die ihrer wirklichen Wahrnehmung fremd bleibt.

Wie kann sich ein solcher Sinn bilden, wie kann seine Bildung durch etwas geschehen, das die Menschen in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen nur für sich wahrhaben, und durch den sie andere wahrnehmen, ohne dass es wirklich für sie wahr sein kann? Was kann diese Sinnbildung ausmachen, was kann dies sein, das sich in solchen Verhältnissen bildet? Was kann zwischen den Menschen menschlich sein ohne dass es wirklich gegenständlich da ist?

Es ist ja eigentlich ein Widersinn des Wortes selbst, dass es zwischen den Menschen menschlich sein soll, wenn sie selbst dazwischen und außer sich zugleich sind. Es ist ein absoluter Widerspruch, der Widerspruch einer Lebensäußerung, die keine sein kann, weil sie unmittelbar nur verinnerlichen kann, was sie nur außer sich ist, sich zum Inhalt machen muss, was sie nicht ist, zugleich äußerlich aber für sich keinen Bestand hat, nicht wirklich gegenständlich ist oder wird, weil sie für sich nur wahrhaben kann, worin sie sich in anderen Menschen erscheint.

Im Zwischenmenschlichen gewinnen die Menschen ihre Wahrheit, indem sie einander für ihre Wahrnehmung nutzen, ihre Empfindung im anderen Menschen finden (emp-findung = zu Ende finden), sich durch andere Menschen finden und sich in dem erkennen, was sie mit der Wahrheit der anderen teilen, was sich ihnen miteilt, ohne wirklich als andere Wahrheit erkennbar zu sein. Worin sie sich achten, was ihre Selbstachtung ausmacht, ist die Selbstwahrnehmung ihrer Empfindungen, die sie wechselseitig durch einander haben, worin sie sich in dem finden, durch das sie für einander da sind. Das ist nicht einfach ein Verhältnis von Zwischenmenschen, sondern ihr wirklich zwischenmenschliches Verhältnis, ein sinnliches Sein durch andere in der Erfahrungswelt ihrer Selbstwahrnehmung, in ihrem Lebensraum, den Grenzen ihrer Kultur, in der Begrenzung ihrer politischen Form. Sie begründen sich darin sinnlich durch ihr wechselseitiges Dasein, durch ihr Sein für andere, durch ihre zwischenmenschlichen Empfindungen, in denen sie Achtung für sich erfahren, indem sie sich fremde Wahrheit aneignen, fremd bestimmte Wahrnehmung für sich wahr machen. Diese Selbstwahrnehmung ist somit zur Substanz ihres zwischenmenschlichen Lebens geworden. Indem sie sich durch andere so substantiviert, wie sie diese für sich erlebt hat, wie fremde Menschen also durch sie gewesen sind, werden sie sich selbst wesensfremd, sind außer sich nur ohne sich und können für sich nur durch andere sein (siehe Selbstentfremdung).

Diese Substanz ihrer Selbstwahrnehmung kann natürlich keine Wahrheit an sich sein. Die gibt es sowieso nicht. Es ist eine bestimmte Form ihrer Wahrheit, die so ist, wie sie diese nehmen können: die formbestimmte Wahrheit ihrer Wahrnehmung. In zwischenmenschlicher Beziehungen empfinden die Menschen ihre Wahrheit, die sie für sich haben müssen, in dem, worin sie sich in anderen Menschen erscheinen, in der Wirkung, die sie durch ihr zwischenemenschliches Verhalten haben und so fühlen, wie sie sich darin auch wahr haben und wahr machen. Ihre Selbstachtung ist daher beschränkt durch die Achtung, die sie anderen Menschen erweisen können und hieraus Achtung für sich beziehen. Dies ist eine Achtung, in der sie selbst der Wahrnehmung anderer Menschen unterworfen sind, worin sie also einen Selbstwert erlangen, indem sie anderen ihre Wertschätzung bieten. Und das kann nur ein Lebenswert ihrer zwischenmenschlichen Kultur sein. In ihrer Selbstwahrnehmung können sie sich also auch nur so achten, wie sie diese Kultur für sich wahrhaben und in ihren zwischenmenschlicher Beziehungen wahrnehmen. Was sie subjektiv hervorbringen, ist von daher schon objektiv bestimmt, bevor sie es überhaupt äußern können.

Dieser Widersinn des Zwischenmenschlichen verrät, dass sich Menschen in dem Sinn wahrnehmen, den sie in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen menschlich nicht wirklich für sich haben können. Er deckt auf, dass ihre Verhältnisse eben durch die Abwesenheit wirklich gesellschaftlicher Beziehung bestimmt sind und fährt damit in die Erklärung einer Selbstwahrnehmung ein, die sich zwischen den menschlichen Beziehungen begründet, in denen Menschen jenseits aller gesellschaftlichen WertVerhältnisse sich einen Selbstwert verleihen, der ihre ganze Selbstwahrnehmung so bestimmt, wie sie in ihrem Lebensraum sich ereignen und erlebt werden kann. Er erhält sie wirklich selbständig als Mensch und betreibt als Basis ihrer Entwicklung ihre Selbstwahrnehmung wie ihr Selbstverständnis und entfaltet hieraus ihre zwischenmenschliche Erlebenswelt.

Der Widerspruch der zwischenmenschlichen Verhältnisse klärt also sein Wesen darin auf, dass Menschen nicht sein können, was sie sind, dass sie subjektiv nur anwesend machen können, was ihnen objektiv entzogen ist, dass sie sich hierfür gegenseitig nutzen müssen, um als Mensch gegenwärtig zu sein. Sie selbst können sich zwischen ihrem Menschsein nur als Objekte begegnen und müssen sich hierzu äußern, um subjektiv überhaupt für sich da sein zu können. Um sich zwischenmenschlich zu beziehen, müssen sie außer sich für sich sein können. Um sich zu äußern, müssen sie sich in ihrer Entäußerung wahrhaben.

Im Selbstwert veräußert sich, was Selbstachtung aufgeben muss, um in der Bezeihung der Wahrnehmung zu sein und zu bleiben und was hierdurch zur bloßen Selbstwahrnehmung geronnen ist, weil es keine Verwirklichung durch seine Tätigkeit finden kann und in seiner Leidensform aufgeht, wo es als einverleibte Wahrnehmung verharrt. Darin vermitteln sich die Selbstgefühle von Menschen in zwischenmenschlichen Verhältnissen so, wie sie sich in ihrer Selbstwahrnehmung gelten und durch ihr Geltungsbedürfnis wahr machen. Ihr Selbstwert stelt also dar, wie sie sich selbst darin optimal fühlen, sich selbst verwerten können.

Selbstgefühle entstehen also in zwischenmenschlichen Verhältnissen aus der Notwendigkeit einer Selbstachtung, die durch die Gefühle anderer Menschen aufgehoben wird, die also ihren Sinn in einer Selbstwahrnehmung aufheben muss, der alle Sinne in dem Selbstwert beisammenhält, der sie in diesen Verhältnissen vereint, worin sie zum Ausdruck kommen, ihre Lebensinhalte verwirklichen, ihre Lebensinhalte verwirklichen können. Ein Selbstgefühl ist das durch andere beeindruckte Gefühl, die Erinnerung eines Eindrucks, auf den sich sein Selbstwert als abstrakte Notwendigkeit einer bedrängten Selbstachtung bezieht. Was die Gefühle aus ihren Empfindungen entwickelt haben, ist in zwischenmenschlichen Verhältnissen durch das eindrückliche Verhalten der Zwischenmenschen durchbrochen, voneinander getrennt und im Selbstgefühl wieder vereint, soweit sich darin ein Selbstwert aus diesen Verhältnissen beziehen lässt.

Das Zwischenmenschliche vergemeinschaftlicht darin ein objektives Subjekt, durch das sie voneinander getrennt und angezogen zugleich sind. Es ist ihre Beziehung in dem, was ihren Schmerz ausmacht: Dass sie nämlich subjektiv in dem getrennt sind, durch was sie sich aufeinander objektiv beziehen. Es ist die in ihnen gebrochene Subjektivität, durch die sie sich verbunden fühlen in einen Sinn, der sich dadurch auf andere Menschen bezieht, dass er von ihrer wirklichen Subjektivität absieht. Ihre zwischenmenschliche Beziehung ist darin getrieben, sich in dem zu vereinen, was sie zugleich auseinandertreibt. Sie ist daher nur abstrakt sinnlich. Sie ist eine Beziehung in Verhältnissen, die sich durch einen abstrakt menschlichen Sinn bestimmt.




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10.2 Die Lebenswelt abstrakter Sinnlichkeit

Eine abstrakte Sinnlichkeit ist ein Widersinn in sich, denn es kann keine Sinne geben, die nicht konkret existieren, die also ihre Existenz selbst aufheben müssten, um außer sich von sich abstrahieren zu können. Es sind dies Sinne, die nur zwischen ihrem Sein sich finden, in ihren entäußerten Empfindungen im Dazwischensein ihrer Lebensäußerungen sich erkennen können. Derartige Verhältnisse zwischen den Menschen sind daher ausschließlich durch ihr Erleben vermittelt und haben von daher auch die Mittel ihrer Entfaltung und Entwicklung durch ihre Mitte, durch den Durchschnitt ihrer Wahrnehmungen. Und dieser besteht aus einem Sinn, der zwischen ihnen in Beziehung ist: Der Sinn ihres Erlebens. Er ist relativ dürftig gegen sein wirkliches Leben bestimmt, denn er setzt zum einen Ereignisse voraus, die sich jenseits der Lebensproduktion ergeben und wird zum anderen auch für ihre Jenseitigkeit so geschaffen wie ihre Erlebnisse für die Selbstwahrnehmung sein müssen. In der Kultur der Ereignisproduktion entfaltet sich eine Sinnlichkeit, die eine Welt schafft, wie sie sein muss, um in einer Welt zu leben, die nichts mehr für sie sein kann, die nur Scheinwelt ist. Der abstrakt menschliche Sinn bleibt daher auch der Sinn einer Gesellschaft, die nicht wirklich gesellschaftlich sein kann, also einer Gesellschaft, die ihre eigenen Gründe außer sich hat, die durch die Abwesenheit ihres wirklichen Wesens bestimmt ist.

Auch hier sind die Menschen Subjekte wie Objekte ihrer Verhältnisse und kommen darin wechselseitig auf ihre Subjektivität, auf sich durch ihre objektive Vermittlung zurück. Der Objekivität der zwischenmenschlichen Kultur ist zwar Geldbesitz als Medium ihrer selbständigkeit und ihrer Freizeit vorausgesetzt. Aber für die Menschen vermittelt sich darin nicht ihr Geld, sondern der Sinn, den sie für ihr zwischenmenschliches Erleben durch ihre Wahrnehmungen und Selbstwahrnehmungen in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen haben, bilden und entwickeln.

Als Subjekte wie Objekte ihrer Wahrnehmungen finden die Menschen an einander das, was sie durch einander auch von sich verspären. Aber was sie aneinander finden kann nicht zugleich das sein, was sie durch einander fählen, da sich das Gefühl erst aus den Empfindungen nach ihrer Geschichte an Erfahrung ergibt. In ihren Verhältnissen vereint sich daher, was die Menschen zwischen Vergangenheit und Gegenwart durch einander erfahren haben und was sie zugleich voneinander trennt, weil und wo Ihre Gefühle als Mittel und Zweck ihrer Beziehung zu ihrem LebensVerhältnis wurden. Weil und sofern sie keine wirkliche Geschichte mehr bilden können, bildet sich in ihrer Selbstwahrnehmung eine Welt voller Geschichten in ihrer Zwischenmenschlichkeit aus, in der eine Zusamengehörigkeit des Erlebens entsteht und besteht, worin die Menschen vor allem den Sinn füreinander finden können, den sie durch einander, durch ihre bloße Anwesenheit schon abstrakt haben, ohne sich seiner wirklich gewiss sein zu können.

Die Erlebnisse der Menschen, wie sie in zwischenmenschlichen Beziehungen zustande kommen, vollziehen sich daher in einer Welt voller Gefühle, die ihre Gewissheit ausschließlich in der Form ihrer Verhältnisse haben und worin jedes Gefühl aus Empfindungen entsteht und jede Empfindung im Gefühl auch den Sinn ausdrückt, der sich darin gefunden hat. Was sich aber im Gefühl findet und ereignet ist nicht das, was die Empfindung der zwischenmenschlichen Ereignisse ausmacht. Im Gefühl gestaltet zwar die Empfindung ihre Erinnerung, verliert sich aber auch darin, soweit und sofern das Gefühl nicht auf das Ereignis zurückkommen kann, das es erinnert. Es erfährt seinen Sinn aus dessen Erleben und reflektiert dies in sich, muss aber zugelich von seiner Sinnesform abstrahieren, um als Gefühl auch für sich zu bestehen, bestehen zu bleiben. So stellt sich die äußere Vermittlung der zwischenmenschlichen Ereignisse auch in der Trennung zwischen ihren Empfindungen von ihren Gefühlen dar. Was bleibt, ist ein Bild, in welchem beides vereint erscheint, und das auf seinen Sinn mal im Einzelnen, ein ander mal im Allgemeinen zurückkommen kann. Jedes Gefühl kann daher leicht in die Irre gehen.

Nur in der Bestimmung ihrer Form, in der Formbestimmung ihrer Verhältnisse können ihrer Gefühle äberdauern, sich in der Absehung von ihrem sinnlichen Gehalt bewahrheiten und bewähren. Was in der Sinnbildung der Menschen gesellschaftlich und damit gegenständlich entwickelt wurde, stellt sich in der Sinnbildung ihrer Gefühlswelt, der Wahrnehmungswelt ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse nur abstrakt vermittelt dar als Vergegenständlichung der Wahrnehmungen von Menschen, die so in ihren Gefühle füreinander sind, wie sie einander in den Ereignissen dieser Verhältnisse gewahr werden und ihre Wahrheit füreinander finden, sich in der zwischenmenschlichen Beziehung auf andere für so wahr empfinden, wie sie für sich sein können, wie sie darin eben vorkommen. Es ist ein tautologisches Verhältnis und zugleich das Verhalten einer Tautologie, die Form ihrer allgemeinen Selbstbeziehung, durch die bestimmt ist, was sie überhaupt nur sein kann.

Doch was macht diese Form aus, die nicht nur Form der Inhalte ihrer Beziehungen ist, sondern zugleich auch Form durch sich ist, durch die Gegenständlichkeit vieler Selbstwahrnehmungen, durch ihre allgemeine Selbstvergegenständlichung als Kärper der Wahrnehmung? Es ist die bloße Anwesenheit von Menschen, die durch diese Form aufeinander bezogen sind, durch die sie allgemein zu dem werden, was sie im einzelnen abstrakt gegen sich und für sich sein müssen. Es ist die Reduktion ihrer Selbstwahrnehmung auf das, was sie nur durch die Anwesenheit von Menschen, also durch diese und für sich ohne jeden konkreten Sinn und doch kärperlich da ist.

Ihr wirklicher Sinn bleibt bei sich in einem sinnlichen Vakuum, einem Kärper, der unentwegt seinen Sinn für andere aufheben muss, um für sich sinnvoll unter anderen als Gegenstand einer allgemeinen Selbstwahrnehmung zu sein. Er wendet sich gegen alle, durch die er bestimmt ist und bleibt doch ein besonderer Sinn, der sich nicht in seinen Verhältnissen verwirklichen kann ohne sich entäußern zu müssen. Er wird gegen sich gewendet und treibt gegen andere. Die Menschen in solchen Verhältnissen sind daher auch wirklich getrieben, sich in ihren Selbstwahrnehmungen zu vereinen, in denen sie ihre Selbstbezogenheiten verwirklichen, dem Geltungsstreben ihrer Selbstverwirklichung Folge leisten müssen, um sich verwirklichen zu können.

Es ist der Trieb ihrer Zwischenmenschlichkeit, der sie verbindet und sie als Mittel sucht, sich durch sie vermittelt, um seine Empfindung im Nichts der Verbindlichkeiten zu finden, die sich aus der Form dieser Verhältnisse, aus ihrer Formbestimmung ergibt. Aus ihm bestimmt sich die Abstraktion aller sinnlichen Beziehung, die sich darin findet, die Substanz eines abstrakt menschlichen Sinns, die Begriffssubstanz der zwischenmenschlichen Verhältnisse äberhaupt.

In ihren zwischenmenschlichen Beziehungen bilden die Menschen hieraus einen eigenständigen Zusammenhang ihrer Gefühle, der sich getrennt von seinen Empfindungen zugleich wie ein Inneres ihrer Empfindungen je nach ihren Erfahrungen, nach den Ereignissen ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse zusammenfindet. Wiewohl die Menschen nur aus diesen Verhältnissen einen bestimmten Gefühlszusammenhang bilden, erscheinen sie sich in diesen für sich selbst mit einem innersten Wesen begabt, mit einer Seele versehen, die ihre originellste Eigenheit aus dem See ihrer Gefühle bezieht. Und die stellt von da her auch die einzigartige Geschichte ihrer Individualität dar.

Was für ihre LebensVerhältnisse stimmen mag, wird auf diese Weise aber nicht nur als ihr individuelles Wesen in diesen für wahr genommen, sondern schlieälich auch hergenommen, um sie als Persänlichkeit ihrer Individualität wahr zu haben und sich auf diese zwischenmenschlich zu beziehen. Sie wird zum Gegenstand der Empfindungen, die sich darin allgemein beziehen und selbst zum Gefühlsinhalt der Wahrnehmungen, zur Substanz der Selbstwahrnehmung im Allgemeinen werden. Und wo dieses allgemeine Wahrnehmen selbst wahrgehabt wird, ist der Sinn der Lebenszusammenhänge auf sich selbst verwiesen, wird er zu einem Sinn, der äberhaupt nur in WahrnehmungsVerhältnissen existiert, worin sich jedes Individuum im einzelnen auf das bezieht, was sich darin ganz allgemein verhält, sich einzeln in einem allgemeinen Verhältnis darstellt. Das bildet sich im Einzelnen und erfährt darin zugleich seine Bildung im Allgemeinen, in dem seine Empfindungen und Gefühle in einem Selbstgefühl aufgehen, das hierdurch allgemeine Gältigkeit bekommen hat. Solche Sinnbildung erscheint daher zunächst wie die Beziehungsform einer Tautologie in einer Welt, in der alles für sich bleibt, um allgemein in Gesellschaft zu sein, um Gesellschaft als GemeinGefühl wahrzumachen, das ihre Gemeinschaft aus individuellen Gefühlszusammenhängen durch Selbstgefühle bildet, die darin in eine objektive Beziehung zueinander versetzt und somit für sich selbst gegenständlich sind.




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10.3 Zwischenmenschliche Individualität

Wo die Menschen ihre sinnliche Gewissheit, die Wahrheit ihrer Wahrnehmungen, nur in sich und durch sich in der bloßen Anwesenheit von Menschen finden können, beziehen sie sich durch die Räumlichkeit ihres Daseins. Jedes besondere Selbstgefühl macht sich im Raum gemein mit anderen Gefühlen - umso intensiver, je dichter die Anwesenheiten sich ereignen, je äfter oder näher sie sich begegnen. Der abstrakt menschliche Sinn ihrer Verhältnisse findet daher sein Maä im Ausmaä solcher Ereignisse, der Dichte dieser Anwesenheiten. Und was die Menschen dabei für sich finden, das empfinden sie durch andere in der gesellschaftlichen Form ihrer Beziehungen.

Jeder Mensch ist ein Individuum seiner Gesellschaft so, wie er sich darauf sinnlich, also kärperlich beziehen kann. In der bärgerlichen Gesellschaft ist er auf den Nutzen der dort vermittelten Gegenstände, auf die Gebrauchswert ihrer Waren bezogen. Hier wird er auch zum Individuum der Selbstwahrnehmung in einem allgemein bestimmten Lebensraum. Sein Gefühl für sich mag ihm als sein besonderes Selbstgefühl erscheinen, weil es ja immerhin auch seine Erinnerung an sich und für sich ausmacht. Aber zugleich vergegenwärtigt er oder sie es als Mensch unter Menschen, deren Zusammenhänge im Leben zwischen den Menschen nur von den Ereignissen abhängen, die sich in diesem Raum zutragen. Jedes Erleben bezieht sich daher auf die gesellschaftliche, also politische Form der Lebensräume - z.B. Familie, Gemeinde, Kommune, Land, Nation usw.. Das macht die Selbstgefühle, wo sie allgemein werden, in ihrer Individualität hächst widersprächlich, ist doch damit ein jeder in seiner Wahrnehmung sowohl sinnlich wie politisch zugleich bestimmt. Was an und für sich nichts miteinander zu tun hat, muss er als die Lebensbedingung seiner Selbstwahrnehmung anerkennen. Unversehens geraten politische Bestimmungen in seine Selbstgefühle. Das war ja auch schon mit der möglichkeit von Selbstgefühlen mit ihrer Formbestimmtheit gegeben. Jetzt wird es notwendig, weil der Raum nicht nur als eine Abstraktion in der Vorstellung existiert, sondern wirklich alle Beziehungen in der Ausdehnung ihrer Vielfalt und Dichte bestimmt.

Ein Selbstgefühl soll ja auch eigentlich eine Beziehung im Gefühl zu sich selbst bezeichnen, unterstellt also schon eine ihm äuäer Reflexion. für sich verstanden ist dies aber schon rein sprachlich ein Unding, behauptet das doch eine Beziehung, - das ist eine Verbindung verschiedener Subjekte - die zugleich nicht als Beziehung durch Unterschiedenes besteht, sondern durch ein Selbst begrändet sei, das unterschiedslos und also ununterscheidbar objektiv sich reflektieren könnte. Es wäre ein Widersinn des Wortes, hieäe das doch, dass man selbst doppelt existiere, denn Beziehung gibt es nur zwischen eigenständigen Wesen, also z.B. mindestens zwischen zwei Personen. Hier geht es aber um das, was sich darin gleichbleibt.

Nun wissen wir, dass es sich um die Dichte der Beziehungen, um das Ausmaä ihrer Lebensräume handelt, in dem diese stattfinden, sich ereignen. Was die Menschen als Individuen in diesem Raum finden, was also ihre Empfindung an Sinn findet, ist das, was als Ereignis darin stattfindet und auch immer wieder nätig wird. Worauf sonst sollten Menschen sich in ihren Gefühlen beziehen, wenn sie sich darin in ihrer je eigenen Notwendigkeit nur äußerlich, also sich selbst unendlich unterschiedslos, also gleich bleiben müssen? Es wäre das Selbstgefühl im Allgemeinen eine Selbstvertauschung, eine bloße Selbsttäuschung, die Scheinwelt von Selbstigkeiten vieler Personen, wenn es dies Unterschiedene im Gleichen nicht doch auch wirklich geben wärde, eben in einer Selbstempfindung durch andere, in den Empfindungen von Menschen als Seinesgleichen und doch Anderes, als Empfindung in zwischenmenschlichen Verhältnissen, die darin Sinn finden, dass die Menschen sich wechselseitig ihr Leben in ihren Erlebnissen einverleiben.

Wie Menschen sich hier in anderen finden, so reflektiern sie sich als Mensch, der sich darin gefunden hat, und so sind sie als Mensch zugleich auch nur menschlicher Kärper ihrer eigenen LebensVerhältnisse. Es ist das unentwegte Wiedererkennen seiner selbst in anderen Menschen, das genau so unentwegt enttäuscht wird, wie es sich durch andere auch begeistern kann, weil darin eben nur gefunden werden kann, was man von sich selbst darin auch wirklich wahrhat. Und das kann nicht unmittelbar menschlich sein, weil menschliche Wahrheit unmittelbar gewiss sein muss, also keine Gewissheit durch andere Menschen finden noch durch sie haben kann, weder vermitteltbar noch unmittelbar ganz gewiss ist. Nur eines ist gewiss, dass sich die Gefühle in ihrem Selbstgefühl finden, sich dort treffen und verallgemeinern, weil sie darin in der Masse sich gegen ihre Ungewissheit bestärken und ihre Wahrnehmung in der wechselseitigen Bestärkung der Gefühle in Gang halten.

Weil jede menschliche Empfindung von daher immer schon so gesellschaftlich ist, wie der einzelne Mensch in Gesellschaft sich bewahrheiten kann, so ist er das auch im Gefühl. Doch er kann sich nur wirklich bewahrheiten, wenn sich die Gefühle in Selbstgefühle vermengen und sich darin der Wahrnehmung ihrer selbst versichern, ohne äber das Wahrnehmen hinauszugehen, ohne Erkenntnis ihrer Verhältnisse bleiben. Weil die Empfindungen sich nur darin letztlich ihrer Wahrnehmung versichern können, empfindet sich jeder Mensch auch so fremd, wie Gesellschaft menschliche Entfremdung in ihren Selbstgefühlen aufhebt und fortträgt und eine Vergewisserung vermittelt, die nur davon abhängt, wieweit sich Empfindungen in den Gefühlen der Menschen und von daher in einem Selbstgefühl mitteilen und verselbständigen kann.

Wahrnehmung, die sich durch die Verhältnisse ihrer Gefühle selbst zum Gegenstand wird, wird zu einem Ding ihrer selbst, enthält sich selbst als Lebensbedingung, in welcher alle Lebensbedingungen sich ihrer selbst versichern, die darin zur Wirkung kommen und also eine eigene Wirklichkeit bilden. Die Kultur im allgemeinen jenseits ihrer gesellschaftliche Formbestimmung enthält noch alle Sinnbildungen der Menschen durch die Gegenstände, die sie darin herausgebildet haben. Die Kultur der Zwischenmenschlichkeit kennt diese Gegenständlichkeit aber nur, soweit sie hiergegen noch zwischen den Menschen existiert, soweit sie sich auch noch auf die sinnlichen Gegenstände der gesellschaftlichen Produktion zwischen den Seiten ihrer Existenz bezieht. Gegenständlich sind ihre Erkenntnisse einerseits durch die Vielfalt ihrer Wahrnehmungen, durch das Erleben ihrer Empfindungen und andererseits durch das, was sie andererseits in ihren Gefühlen für sich selbst wahrhaben.

In solcher Kultur ist aber die menschliche Erkenntnis zwischen ihren Empfindungen und ihren Gefühlen so geteilt, wie auch die Gegenstände durch die widersprächliche Form der menschlichen Arbeit vor ihrer Selbsterfahrung schon geteilt sind. Was die Menschen durch einander von sich hierin erkennen ist nicht das, was sie in ihren Selbstgefühlen erkennen können. Jede Erkenntnis besteht daher im Zweifel zwischen ihrer Gewissheit und ihrem Gefühl - und zweifelhaft sind die Erkenntnisse im Ganzen, die dies sich nicht bewusst machen. Ohne Bewusstsein von sich ist jede Erkenntnis ganz von der gegenständlichen Welt ihrer Lebensproduktion getrennt und als Wahrnehmung für sich selbst aus ihrer Selbstwahrnehmung verselbständigt, abgehoben, selbst nur abstrakte Erkenntnis. In dieser Beziehung ist sie nur aus zwiespältiger Wahrnehmung in ihrem Selbstzweifel wahr, die als in sich schon gespaltene Wahrheit unablässig zwischen ihren Empfindungen und Gefühlen vermitteln muss. In dieser Gespaltenheit ist jeder einzelne Mensch zugleich allgemein gesellschaftlich, kann sich aber als allgemeiner Mensch auch nur abstrakt in seiner Einzelheit verstehen.

Im Einzelnen oft der Verzweiflung nahe finden die Menschen in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen dennoch ihr Gläck in ihrem Zusammenhalt, wo sie ihre Trennungen durchbrechen. Aber als Ganzes von dieser Welt getrennt, also in sich geschlossen und durch sich von der Welt ausgeschlossen, kann Selbstwahrnehmung nur noch auf die Allgemeinform der Gegenstände einer Waren produzierenden Gesellschaft, auf GeldVerhältnisse verweisen und setzt eine Wahrnehmungswelt voraus, die ihre Substanz aus den hochentwickelten Formationen des Geldbesitzes bezieht. Geld macht zwar nicht gläcklich, aber durch Geldbesitz wird ein Glück in Selbstgefühlen möglich, das ohnedies nicht sein kann. Aber wo Erkenntnis auch ohnedies möglich ist, da hat sie keine Selbstwahrnehmung nätig.

Von daher sind die Selbstwahrnehmungen in solcher Gesellschaft total, eine Welt für sich, elementare Lebensform, die immer nur den Schmerz äberwinden kann und aufheben muss, der aus ihren Trennungen und Ausschließlichkeiten besteht. Es ist ihr ästhetischer Drang, der ihn äberwindet, das Maä und Ziel ihres Strebens nach Einheit, der Trieb nach Vereinigung in ihrer Selbstverlorenheit, nach der Insel der Gläckseligen. Allgemein reflektieren sich in den zwischenmenschlichen Verhältnissen der Menschen Gefühle durch einen Wert, den diese für die einzelnen Menschen haben, durch einen gesellschaftlichen Selbstwert, dem gegenäber jede einzelne Selbstwahrnehmung nur unvollständig, nur mangelhaft erscheinen kann, weil darin ihre ozeanische Seele erscheint, die doch nur einen profanen Kärper haben kann. Gesellschaftlich vermittelt sich im Selbstwert ein Lebenswert von Gefühlen, welche die Selbstwahrnehmungen in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen im Maä ihrer Aneignung und Einverleibung bestimmen. Und die Erzeugung von Selbstwert wird unter diesen Bedingungen umso nätiger, je mehr die Menschen in den gesellschaftlichen Verhältnissen ihrer Lebensproduktion, in ihren Verhältnissen von Arbeit und Bedürfnis an Wert verlieren, je grääer also der Mehrwert ist, der ihrer Lebenszeit entzogen wird und je isolierter sie sich geben.

So scheinen Gefühle sich auch in und durch ein Wesen der Menschen zu gestalten, sich auszubilden, das schlieälich nur die zwischenmenschliche Wahrheit einer allgemein ausgemachten Individualität sein kann, die zugleich hiervon getrennt in jedem Einzelwesen existiert. Sie erscheint in ihrer Ausschließlichkeit zugleich als Allgemeinheit ihrer Verhältnisse, als die selbständige Besonderheit einer allgemein persänlichen Subjektivität, die in ihrer Isolation schon wie die aller Menschen seelisch begabt ist, auch wenn sie für sich nur das sein kann, was sie in ihrer Empfindung in diesen Verhältnisen allgemein wahr hat. Doch als besonderes Wesen unterscheidet sie sich in einem abstrakt besonderten Gefühl für sich wie das Selbstgefühl eines seelischen Wesens, das nicht nur im einzelnen, sondern allgemein subjektiv ist, als allgemeine Subjektivität seiner zwischenmenschlichen Beziehungen wirkt, welches seine Individualität im Färeinander oder Miteinander oder Gegeneinander der Menschen zwischen den Menschen bestimmt zu sein scheint.




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10.4 Getriebene Menschen und der Trieb ihrer Verhältnisse

Was soeben wie das Selbstgefühl eines seelischen Wesens beschrieben wurde, ist eine Anleihe aus einer etwas altertümlichen Assoziation zum germanischen Wortgebrauch von Seele, die deren Ungewissheit, ihre Ahnungen illustrieren soll, ihre Ahnenschaft aus den endlosen Gewässern ihrer Landschaften, aus den Seen verbildlicht, in denen ihre Urspränglichkeit vermutet wurde. Natürlich gibt es keine wirkliche Seele und also auch keine Seelengemeinschaft. Wohl aber gibt es Seelenherrschaft.

Was zunächst vielleicht nur als Ausdruck einer vergemeinschafteten Ideologie verstanden werden könnte, ist ein konkret und praktisch wirksamer Gemeinsinn, der keine einzige konkrete Beziehung zwischen den Menschen aufweisen kann, sich aber in allen zwischenmenschlichen Verhältnissen verwirklicht. In seiner individuellen Erscheinung, in seiner zwischenmenschlichen Subjektivität sind die Menschen sowohl Konkurrenten ihrer Selbstwahrnehmung und zugleich verschmolzen in ihren seelischen Abhängigkeiten, im Widerspruch mit sich selbst: Sich selbst haben sie ausschließlich wesentlich wahr und doch gleichgeltend mit allen anderen, die sie in ihren Gefühlen nur abstrakt wahrhaben können. Nur sich selbst können sie in ihrer Wahrnehmung bestimmt erkennen und sind in Wahrheit zugleich gleichgültig gegen alle anderen. Sie reflektieren diese lediglich in ihrem Geltungsstreben, das von ihrer Selbstwahrnehmung betrieben wird.

Menschen können in ihren Gefühlen eben nicht wirklich gleich und durch diese auch nicht gleichgültig sein. Wie auch sollten sie sich durch ihre Gefühle aufeinander beziehen und darin zugleich ihre Besonderheiten geltend machen können? Das setzt voraus, dass jeder einzelne Mensch eine Empfindung für einen anderen Menschen hat, auf den er oder sie sich bezieht, diese aber für sich behält und sich auf ihn als Objekt seines ganz eigenen für sich bleibenden Gefühls bezieht, das aber nur durch diese ausschließliche Beziehung ist, worin solche Empfindung ihre Wahrheit hat und zugleich nimmt. Es ist eine Widersinn in sich.

Und so ist in der Tat nicht nur ihre Beziehung auf andere, sondern auch ihre Selbstwahrnehmung hierin gespalten, denn erst durch dieses Objektsein sind sich die Menschen auch wirklich gleich, weil jeder im Gefühl nur wahr für sich bleibt, während sie einander in ihren Empfindungen unbestimmt wahrnehmen. Und indem sie hierbei alle für sich objektiv bleiben, verhalten sie sich sich allgemein als Objekte ihrer Wahrnehmung und haben sich auch nur in ihrer Objekt-Objekt-Beziehung wahr. Und wiewohl sie sich wechselseitig in ihren Empfindungen vällig subjektiv begegnen, beziehen sie sich doch nur durch ein Subjekt, das außer ihnen in jedem allgemein in seinem Gefühl für sich objektiv ist, das sie subjektiv bezogen sein lässt, weil und indem es ihrer wirklichen Beziehung im Allgemeinen fremd bleibt. In ihren Selbstgefühlen objektivieren sie ihre zwischenmenschliche Individualität, die sich in der Produktion von Ereignissen verwirklicht, die ihnen dem entsprechende Empfindungen beibringen, worin sich ihre Absichten äußern. Tatsächlich bestimmen im Einzelnen ihre Absichten ihre Wahrnehmungen, indem sie die Ereignisse hierfär initiieren.

Die Ereignisse des Erlebens sind für die Selbstverwertung, was die Märkte für die Wertrealisierung der Produkte sind. Daher ergeht es der Selbstverwirklichung ähnlich, wie der Verwirklichung des Werts durch deren Angebote auf den Märkten. Sie werden äkonomisch zu der Konkurrenz gezwungen, die sie zwischenmenschlich auch um ihren Selbstwert durch das Arrangement ihrer Absichten betreiben. Es verwirklicht sich das bärgerliche Subjekt daher nicht nur auf den Märkten als Geldbesitzer, sondern auch zwischen den Menschen, die es zu objektiven Persänlichkeiten ihrer Verhältnisse macht. Die Zwischenmenschen beziehen sich daher in ihren GefühlsVerhältnissen äber eine schon gebrochene Einfählung, weil sie in Wahrheit gleichgültig für einander und für sich vollkommen bestimmend, selbstbestimmte Persänlichkeiten durch ihre Wahrnehmung sind. Weil sie ihr persänliches Gefühlsleben als ein seelisches Wesen für sich und gleich jedem Menschen haben, beziehen sie sich selbst als Mensch äberhaupt nur durch ihre Selbstwahrnehmung, in der sie ihr persänliches Menschsein zugleich auch wahrhaben. Ihre zwischenmenschliche Beziehung ist ausschließlich persänlich und soll zugleich allgemein, zugleich also in dieser Ausschließlichkeit in allen gemein wahr sein. Doch was ein in sich geschlossenes Ganzes sein soll, das für sich selbst abwesend, in seiner Wirklichkeit also unwesentlich ist, bezieht seine Wahrheit aus dem Widerspruch seiner Wahrnehmung durch die Anwesenheit von hieraus bestimmten Beziehungen, die es in zwischenmenschlichen Verhältnissen für sich gewinnen muss.

Die Kultur des bärgerlichen Besitzstands, des Geldbesitzes, resultiert aus der Teilung der Arbeit, die in der Formbestimmung ihrer Zwischenmenschlichkeit ihren Sinn nicht nur durch Mitteilung, sondern durch die wirkliche Teilung ihrer Erkenntnis entwickelt und ist damit zum Sinnstifter einer abstrakten Sinnlichkeit geworden, der sich äber die Abwesenheit von Sinn begrändet, entwickelt und ausbreitet, selbst also nur noch abstrakt menschlichen Sinn verallgemeinern kann. Es ist die Kultur des Kapitals, das sich hier in den Menschen selbst als deren soziales Allgemeinwesen im Gemeinsinn eines abstrakten Reichtums niederlässt und sich äber die Anwesenheit und Dichte der Selbstwahrnehmungen der Menschen versinnlicht und nach dieser verlangt. Das Verlangen nach ihrer ästhetik ist der Tribut, der den Verlust an konkreten Lebenszusammenhängen ausgleicht. Und das ist der Springpunkt der Kritik der politischen ästhetik: Der Trieb des Kapitals, der die gesellschaftlichen Zusammenhänge auf ihre abstrakt allgemeine Einheit zuräckfähren und sie der Tendenz nach auf ihre Reproduktion reduzieren muss, tritt in der Selbstwahrnehmung als Trieb einer ästhetik auf, durch den die Selbstwahrnehmungen sich zusammenfinden und sich auf das kärperliche Dasein ihrer Kultur reduzieren müssen. Der Fortschritt des Kapitals in seinem Wertwachstum reduziert sich somit zugleich auf die Reaktion seiner Kultur, wird reaktionär.

Mit der allgemeinen Selbstreflektion in ihren Selbstgefühlen, werden die Gefühle selbst zu einer gesellschaftlich bestimmenden Macht. Es vereint sich darin das Bestreben eines ganzen Verhältnisses, um zu sich durch eine gesellschaftliche Vermittlung zu kommen, die in einem abstarkt Allgemeinen versähnt werden sollen, zum einen im Wertwachstum der politische äkonomie, und zum anderen in der Veredelung der Selbstgefühle in der politische Kultur. Beides ist in seinem Streben logisch darin gleich, dass es sich um eine regressiven Selbstentfaltung ihrer Entwicklung handelt, um die Reduktion ihrer Inhalte in einer bloßen Quantifizierung ihrer Form durch die Formbestimmung ihrer Begriffssubstanz, der Abstraktion in und durch ihre Substanz. Dieser Trieb vergesellschaftet die Selbstwahrnehmung zu ihrer Welt, zu einer Welt, worin die Selbstgefühle begeistert zusammenkommen und sich in ihrem abstrakten Sinn auch wirklich einfinden und einfühlen, einander fremd und in ihrer Haptik doch eng vertraut, gerade dort, wo sie weder einen wirtschaftlichen, noch einen kulturellen Sinn und Zweck mehr finden können und sich substanziell aufbrauchen. Der allgemein abstrakte Mensch mag sich dann immer noch ungebrochen als Subjekt der Welt wahrnehmen, während er seinen Trieben gehorcht und ihnen härig wird, die aber immer schon ihren Zerfall betreiben, weil sie schon vor aller Erfahrung nur gebrochene Verhältnisse wahrhaben können.

Was die Verwertung des Kapitals den Menschen an Arbeitszeit abverlangt, das verlangt dieser Trieb in der Verdichtung von Lebensraum. Was die Arbeit durch den Warentausch als abstrakt menschliche Arbeit gesellschaftlich verwirklicht, das verwirklicht die Wahrnehmung durch ihre zwischenmenschlichen Verhältnissen in einem abstrakt menschlichen Sinn. In dem Maä, wie sich der Sinn aufhebt, den Menschen für ihr gegenständliches Leben haben, wird sich der Sinn, den sie für sich haben, gegen sie selbst wenden. Er wird sie zwischenmenschlich erschäpfen weil und soweit sie ihn nicht als den Unsinn widersinniger LebensVerhältnisse begreifen und also ihren Widersinn ad ultimo forttreiben. In ihren Krisenzuständen fallen die politischen Formationen der Wirtschaft und die der Kultur zusammen und vernichten sich selbst in ihrer fatalen Verschmelzung, in Rassismus, Faschismus und Barbarei.

Es ist das, was Individualpsychologie äberhaupt nicht begreifen kann und schon in ihrem Ansatz noch nie verstanden, aber in allerlei Tendenzen mythologisiert hat. Inzwischen versucht sie selbst sich aus dem Individuum zuräckzunehmen indem sie die Mystifikationen einer symbolisierten Systematik durch die Gewächse der Systemtheorie daräber ranken lässt und durch Figurationen der Wahrnehmung einzurenken versucht, was innerlich zerbrochen ist und seinen Zusammenhang äberhaupt nur in äuäerer Gestalt finden kann, in dem, was die Wahrnehmung schlechthin immerhin strukturell beeindruckt, dem Reiz ihrer ästhetik, auf den sich das Erleben in seinem grääten Drang reduzieren lässt.

Die Individualpsychologie hat vielerlei Begriffe für dieses einzelne Allgemeinwesen, das Seelenwesen, das sie aus dem sakralen Kontext einer äbernatärlichen Inspiration (Atem Gottes oder Geist der Ahnenwelt) herausgenommen und zur Psyche erklärt hat. Aber auch so profan wird deren Bezogenheiten aus einem voraussetzungsloses Wesen innerster Antriebe eines Menschen verstanden, aus dem sich ihre Bezugnahmen praktisch nur metaphysisch erklären lassen - als Libido, Archetypen, Gestaltungswille, Verhaltensorgan, Lebensmuster usw.). Und so erscheint die Individualgeschichte vor allem als Entfaltungsprozess dieses Wesens, aus dem sich seine Gefühle begränden und von daher schon idealisiert sind, durch sich selbst vermittelt und sich auch seelisch vermittelnd.

Wir haben die Wahrnehmung im Zusammenhang mit ihren Ereignissen analysiert und kommen nun zum Kern ihres inneren Verhältnisses: in die Verhältnisse der Menschen zu sich selbst und zu anderen Menschen, die ja äberhaupt erst die Wahrnehmung an und für und durch sich selbst bestimmen können. Wie und warum also kann eine Wahrnehmung schon sich selbst verhalten und in Verhältnissen aufgehen, die ihre Ereignisse nicht nur selbst bestimmt, sondern ihre eigenen Grundlagen zu ihrer inneren Notwendigkeit werden lassen, zu einer Selbstentfremdung treiben, in der die Menschen keinerlei Ereignisse also solche mehr wahrnehmen können, weil die Wahrnehmung selbst ihr einzig wirksames Ereignis ist? Wie können sich Verhältnisse in der Wahrnehmung selbst bestimmen? Bisher war nur gesagt, dass sie durch Ereignisse beigefährt werden, die für die Wahrnehmung notwendig und von daher beabsichtigt wurden. Jetzt geht es darum, wie sich die Wahrnehmung vom Inhalt der Ereignisse abläst, ihr selbst gleichgültig wird, was siese im einzelnen ausmacht, wie hieraus eine Formbestimmung der Wahrnehmung für sich entstehen kann, was die Wahrnehmung ist, die sich nur noch auf sich selbst bezieht, was also die Formbestimmung der Selbstwahrnehmung ausmacht.

Wir wissen nun, dass objektive Wahrnehmung, dass Äthetik äberhaupt durch eine Trennung von Empfindungen und Gefühlen sich verselbständigen kann, dass sie aus ihr so hervorgeht, wie sie die Ereignisse selbst verursachen konnte. Nun geht es also darum, was hierbei die Wahrnehmung auf sich selbst bezogen ist. Zum einen ist sie ja weiterhin natärlich und doch gesellschaftlich zugleich, Sinn der sich nur durch seine Begeisterung für Menschen auf sich gesellschaftlich beziehen kann. Es wird sich zeigen lassen, dass die Erlebnisse zwischen den Menschen auch unabhängig von den einzelnen Ereignissen sich durch den Eindruck von Menschen, den sie auf die Wahrnehmung machen, begeistern lässt, dass sie ganz eigentämlichen Reizen folgt, die sich aus ihrem zwischenmenschlichen Erleben ergeben und worin sich doch zugleich das ganze gesellschaftliche Elend dieses Erlebens vollzieht, das alleine durch das Geltungsstreben nach Selbstwert begrändet ist.

Nach dieser Analyse können wir nun also mit der Darstellung der Zusammenhänge in der Selbstwahrnehmung der Menschen, mit den Verhältnissen in der Verwirklichung ihres Selbstwerts beginnen und dessen dialektische Verhältnisse beschreiben.

Weiter mit Buch I: Einleitung in eine Wahrnehmungstheorie der Selbsttäuschung