Kulturkritik-Sendung vom 12. 05. 2006 auf Radio Lora


Rassismus und Antiislamismus

Zeitdauer: 58 Minuten - Datenumfang ca. 50 MB

Der Inhalt der Sendung ist oft eine Kürzung des entsprechenden Artikels (siehe unten).
Dort sind zudem auch die verwendeten Begriffe nachzuschlagen.


Sinnvolle Übertragungszeiten sind nur mit DSL-Anschluss zu erreichen.
Die Datei wird je nach Art und Einstellung Deines Browsers als Stream von Deinem Rechner abgearbeitet, wenn Du einen Qicktime-, Media- oder RealOne-Player als Programm auf Deinem Rechner hast.
Bei manchen Browsern kann es sein, dass einige MP3-Dateien nicht von selbst starten. Dann müssen diese erst runtergeladen (Klicke auf Download) werden.
Du kannst die Aufzeichnung also entweder sofort hören wie einen Livestream (Klicke auf Hören) oder kannst sie Downloaden (Klicke auf Download), um sie auf Deinen Rechner zu laden.
Auch beim Download kann es bei manchen Browsern sein, dass der Vorgang erst durch Klick auf die RECHTE MAUSTASTE (bei Apple ggf. CTRL-Taste) beim Klick auf "Download" gestarten werden muss (Auswahlmenü: Verknüpfte Datei laden, oder ähnlich).
Wenn Musik in der Datei sein sollte, so beachte bitte, dass GEMA-Gebühren nur für die einfache Veröffentlichung bezahlt sind. Du darfst dann die Audio-Datei nicht öffentlich aufführen oder weiterreichen oder gewerblich verwenden.

 Hören

Moderationstext:

Hallo, hier ist wieder, wie jeden 2. Freitag im Monat, die Kulturkritik München. Am Mikrofon ist Wolfram Pfreundschuh. Unser Thema heute ist Rassismus und Kultur.

Rassismus hat viele Gesichter: Als Antisemitismus oder als Diskriminierung einer Hautfarbe, Diskriminierung von Behinderten, Obdachlosen, „psychisch Kranken“, Andersgläubigen, Zigeunern, Kommunisten, Andersgeschlechtlichen, Gleichgeschlechtlichen, andersartig Geschlechtlichen und vieles andere. Rassismus ist ungemein vielschichtig, bezieht sich aber immer auf persönliche oder natürliche Eigenarten oder Eigenschaften. Ihn gab und gibt es in den unterschiedlichen Formen und Zwecken, meist in kultureller, sozialer oder religiöser Hinsicht, meist mit der Feststellung einer gesellschaftlichen Schädigung verbunden. Das Fremde gilt darin allgemein nicht nur als befremdend, sondern als ein Unheil, welches in eine an und für sich heilen Kultur und Welt durch schlechte Gewohnheiten eingebracht wird. Mit Rassismus wird also vor allem das Besser-Sein der eigenen Gewohnheit, Kultur und Welt verstanden. Das anders oder seltsam Erscheinende wird darin zum Abartigen, das einen fremden Grund haben soll, der für die traute Welt nicht nur Störung bedeutet, sondern auch ihr Wesen zu verändern droht, sie von sich selbst entfremdet.

Und das ist wohl der Kern des Rassismus: Jede Art von Selbstentfremdung oder gesellschaftlicher Entfremdung wird durch ihn scheinbar erklärt und zugleich bekämpft. Er ist ein kulturelles Allheilmittel im wahrsten Sinne des Wortes: Alles soll durch ihn wieder heil werden, gleich, woraus das Unheil in Wirklichkeit besteht. Mit Rassismus wird vor allem eine Verallgemeinerung geschaffen, die in der bisherigen Geschichte schon viel Unheil angerichtet hat, nicht nur durch armselige und reaktionäre Einzelkämpfer oder Gruppen, sondern auch und vor allem durch die ganz gewöhnliche Politik und ebensolche Wissenschaften. Derzeit werden schon wieder Urteile aufgerollt, die als kulturalistische Bewertungen nichts als Rassismus sind: Der sogenannte Kampf der Kulturen und der darin implizite Antiislamismus.

Nähern uns dem Thema aber erst mal in der Fragestellung. Ich habe dies mit Emanuel Kapfinger, einem jungen Studenten aus München, versucht. Also hört erst mal selbst:

Diskussion mit Emanuel

Musik

Rassismus ist ein Bündnis von großer Politik mit den Ressentiments einer bestimmten Bevölkerungsschicht. Während diese Bevölkerung darin ihren Ärger, ihre Angst und ihre Aggressionen loswird, erfindet die Politik darin die ganz großen, die völkischen Lösungen in einer problematischen und krisenhaften Weltlage, vor allem im ganz großen Versprechen einer endgültigen Lösung, manchmal auch in der Heilserwartung einer Endlösung. Sie gewinnt hierbei am meisten, weil sie populistisch das umsetzen kann, was ihr nötig scheint, vor allem wenn es letztlich gegen die Bevölkerung selbst geht, die ihr dann auch noch in ihrem Rassismus entgegenkommt und das Heil in entsprechender Politik erwartet.

Genau das wollen wir jetzt weiter vertiefen, indem wir erst noch mal auf den Kern unserer Fragestellung zurückgehen und dann die entsprechende Realität anschauen: Wie und warum wird Rassismus gerade von den Unterschichten und Randgruppen gerne aufgenommen, wenn sie ihre Lage nicht weitergehend begreifen können oder wollen. Und wie wird dann Rassismus politisch instrumentalisiert?

Fassen wir das, was wir zum Rassismus schon gesagt haben, zusammen. Allgemein ist ihm das Klischee eines Ressentiments gegen etwas Fremdartiges oder Minderwertiges und die Reaktion hierauf als Bezichtigung des Fremden. Er begründet hierdurch eine Selbstgerechtigkeit der eigenen Art, die als natürlich oder gesund oder rein angesehen wird, so dass andere Arten als fremd und irgendwie bedrohlich empfunden werden. Die Bezichtigungen eines reaktionären Selbstgefühls werden hierdurch gesellschaftlich wirksam, also politisch. Rassismus ist als Erstes das Produkt von Gewohnheiten und Gewöhnlichkeiten des Selbstgefühls, die gegen etwas fremd Scheinendes gehalten werden. Hierdurch entsteht eine Selbstgerechtigkeit, wodurch Urteile gefällt werden, die nicht zu einer wirklichen Auseinandersetzung weiterführen, sondern als Reaktion sich politisch verhalten, also auch reaktionäre Politik bestärken. Seinen Ursprung hat Rassismus also in einem reaktionären Bewusstsein. Aber dies allein ist noch nicht notwendig rassistisch.

Da kommt als Weiteres ein subjektiver Grund hinzu, der eigentlich objektive Grundlagen hat: eigenes Elend, das Gefühl einer unbegreifbaren Bedrohung oder einer Ausweglosigkeit oder auch einfach nur Minderwertigkeitsgefühle, deren soziale Ursprünge nicht begriffen sind. Von hier aus entsteht im Rassismus eine fatale Verkehrung, denn der eigene Grund wird dadurch überwältigt, dass Fremdes überwältigt wird. So fühlt sich ein Rassist einfach selbst besser, wenn er einen Schwarzen diskriminiert oder einen Obdachlosen niederknüppelt. Das hat eine ungeheuer primitive psychologische Logik, eine Art von ästhetischer Selbstverkehrung: Die eigene Armseligkeit eines Rassisten erscheint damit überwunden, dass er sie an einem anderen niedermacht, er fühlt sich sauber, wenn er Farbige angreift, seine Artigkeit ist hergestellt, indem er eine Unart bestraft.

Aber in der Regel geht es nicht einfach darum, dass er sich besser fühlt, sondern darum, dass er sich damit auch eine soziale Wirklichkeit findet, dass er sich vor anderen Brüsten kann, die das gut finden. Das scheint dann sein Problem wirklich zu lösen, denn sein soziales Minderwertigkeitsgefühl ist aufgehoben, wenn andere in ihm und er in ihnen Gleichsinnigkeit empfinden. Denn hinter allem steht wirkliche Verelendung.

Deshalb bestärkt sich im Rassismus vor allem sein wichtigster Grund, der soziale Zusammenhalt, der sowohl das Ressentiment gegen Fremdes erweitert und zugleich die eigene Armseligkeit aufhebt. Das erweckt eine Kameradschaft, die auf einem Gruppengefühl beruht. Diese macht den Rassisten erst wirklich stark und befähigt ihn, sich zu auch rassistisch verhalten, mit anderen auf Tour zu gehen und Schlägereien zu inszenieren. Rassistische Angriffe erfolgen daher praktisch nur in Gruppen und meist auch für die Gruppe, bzw. für die eigene Rolle in dieser Gruppe. Daran zeigt sich, dass Rassismus auf Masse beruht, also auf Beziehungen ohne Grund und Sinn, aber von möglichst hoher Dichte. Das Gefühl sich in einer Gruppe sicher zu werden führt zu dem Bestreben, diese auszudehnen durch verschiedenste Zugehörigkeiten, z.B. in Sportvereinen, politischen Gruppierungen oder in der Nation überhaupt.

Man kann das auch am Antisemitismus erkennen, der auf einer höheren „Kameradschaftsebene“ wirksam ist: Auf der nationalen. Der Judenhass mag immer schon latent vorhanden gewesen sein, soweit Juden den Christen fremdartig erschienen oder etwas taten, was z.B. dem Christentum schon per Gottesgebot fremd bleiben sollte: Der Geldhandel mit Zins und Handelspofit. Obwohl nur ein kleiner Prozentsatz der Juden überhaupt damit befasst war, wurde dies zu einem jüdischen „Wesensmerkmal“ verallgemeinert, eben weil es den Christen so ungeheuerlich sein und bleiben sollte. Sie durften das nämlich nicht. Die anderen, die Fremden schon. Neid ist die Grundlage der Demagogie, und darauf verstanden sich auch Päpste und Pfaffen. Die christliche Gemeinschaft erzeugte und bestärkte dieses Bild von einem jüdischen Zinseintreiber als Ungeheuerlichkeit eines Fremden, dem zugleich der Verrat an Jesus Christus zugeordnet wurde: Judas, der Verräter, der für Geld alles tut.

Sichtbar wird am Antisemitismus, dass er eine soziale und ökonomische Beziehung zeigt, die hinter ihm steckt: Der Zinshandel, also das Kreditsystem, und damit die offene Form des Kapitalismus. Auch der gute Christ hatte natürlich Kredite nötig, um in den Frühphasen des Kapitalismus und später mit der ökonomischen Entwicklung mitzuhalten. Und er hatte sich auch niemals geschämt, Geld zu leihen und Arbeitgeber oder Aktionär zu werden. Nur den Zins hielten die Christen für unmoralisch. Sie nutzten die Kredite und sahen die Zinsabgabe als jüdische Hinterhältigkeit, während sie mit ihren Investitionen ohne moralische Probleme an der Profitrate teilhatten, aus der sich ja der Zins ergibt. Das war natürlich bigott. Das machte sich nicht gut. Und deshalb sollte der Antisemitismus genau diese Doppelbödigkeit überwältigen. Es war eine kulturelle Diskriminierung, welche die eigene Weste rein wusch, indem sie den Christenmensch zum Guten, den Judenmenschen zum Verräter am Guten, zum Judas des Bösen machte.

Allgemein aber, also auf seiner wirklich kulturellen Ebene, verbirgt der Rassismus ein sozialpolitisches Problem mit der eigenen Kultur, wenn sie ihrer eigenen Moral nicht entsprechen kann. Das kann man z.B. im amerikanischen Rassismus nachgerfolgen. Die Schwarzen waren aus Afrika barbarisch als Sklaven gedungen worden und nach USA verschifft, und nachdem ihnen die Bürgerrechte gewährt waren, bekamen die Bürger ein Problem damit, also eigentlich mit sich und der Geschichte Amerikas. Solange, wie die Schwarzen ihre wirtschaftliche Funktion als Sklaven hatten, waren sie sozial und kulturell klar definiert und auf diese Weise auch irgendwie integriert. Erst nachdem die Sklavenzeit vorbei war und selbige „Unterschicht“ nicht mehr ökonomisch diskreditiert war, wurden sie zur Konkurrenz für jeden Arbeitnehmer. Also wurden sie nun kulturell abgewertet, damit der ökonomisch bedrohte Selbstwert psychologisch und sozial wieder aufgerichtet werden konnte. Die Arbeiter wendeten sich kulturell gegen die neuen Mitglieder der eigenen Schicht und machten zum sozialen Wertunterschied, was ökonomische Wertunterschied der Arbeitskraft bewirkt hatte.

Dasselbe geschah z.B. ja auch mit den Ausländern, die zunächst als Fremdarbeiter in die BRD eingeführt worden waren. Sie waren wirtschaftlich nötig, um das deutsche Wirtschaftswunder voranzubringen und wurden staatlicherseits ausdrücklich geworben. Aber an ihrem Arbeitsplatz wurden sie dann von ihren deutschen Arbeitskollegen erst mal mit Fremdenhass begrüsst. Sie zeigten ja deutlich, was die Arbeitskraft in Bewegung bringt: Geld. Das war natürlich für einen guten Arbeiter empörend. Außerdem bedrängten die Fremden den Preis der eigenen Arbeit, allerdings weit weniger, als es empfunden wurde

So enstehen rassistische Wertungen also immer erst mal unter den Menschen, die objektiv in gleicher Lage sind. Erst später generalisieren sie sich kulturell zu allgemeinem Rassismus oder Antisemitismus. Alles, was den Ausländern, Schwarzen oder Juden usw. zu eigen ist, wird zum Klischee einer kulturellen Ausgrenzung und Unterordnung, die ihren Sinn gerade nicht in der Kultur, sondern jenseits hiervon hatte, nämlich dort, wo ausgegrenzt werden sollte, um eigenen Nutzen, also Vorteil daraus zu ziehen. Je hintergründiger dieser Nutzen war, desto heftiger musste der Rassismus sich aufführen und desto gewalttätiger wurde auch durchgesetzt, was ihm zugrunde lag.

 

Musik (das Sklavenschiff)

 

Der Kampf der Kulturen sei dem Rassismus religiöser Fanatiker geschuldet, verkünden heute die Medien, aufgrund der Bilder des Terrorismus, wie sie seit dem Irak-Krieg in keiner Nachrichtensendung mehr fehlen. Dasselbe hatte weit früher schon ein amerikanischer Wissenschafter Samuel Huntington mit seinem 1996 erschienen Buch auch schon behauptet, wo von Terrorismus nichts zu merken war. Religionen stehen nicht einfach und grundlos aus sich heraus im Streit gegeneinander, es sei denn, sie enthalten Staatszwecke. Indem sie diese verbrämen, werden diese durchgesetzt. Das hat zwischen Palästina und Israel unauflösbar scheinende Konflikte geschaffen. Auflösbar werden sie erst wieder, wenn Religion aus den Staatszwecken und den politischen Selbstverständnissen herausgenommen werden. Andernfalls entsteht und bestärkt sich dort tatsächlich Rassismus auf allen Seiten. Aber der kann auch politisch gewollt sein, besonders wenn es um ganz große politische Ziele geht.

Hinter Rassismus steckt objektiv immer ein wirkliches Problem auf einer Ebene, auf der es verborgen bleiben soll. So auch heute hinter dem um sich greifenden Antiislamismus. Er sei aus dem Islamismus begründet, meinen die, welche die Phänomene der jüngsten Geschichte vor Augen haben. Aber gerade diese Geschichte zeigt, dass nicht dieser Terror und diese Sprüche den Ausgang des Problems bilden, von dem man jetzt zur herrschenden Meinung machen will, es beruhe auf einen kulturellen und religiösen Haß der Islamisten.

Ich sprach hierüber mit Zohra, einer Frau aus Tunesien, die hier in München studiert.

Interview mit Zohra

Musik

Es liegen die ersten Formulierungen rassistischer Meinungsmache bezüglich eines Kampfes der Kulturen weit zurück, und zwar in einer Zeit, in der es noch keine Hasstiraden und Selbstmordattentate gab, in der noch große Einvernehmlichkeit zwischen den Ländern des Islam und dem so genannten Westen herrschte, Verträge zum Handel mit Erdöl allseits befriedigend abgeschlossen und genutzt wurden und Moslems wie z.B. Osama Bin Laden noch von Diensten der US-Administrationen finanziert wurden. Schon 1993 nämlich schrieb Huntington nach dem ideologisch schlecht vorbereiteten ersten Golfkrieg einen Text zum „Slash of Civilisation“, der schließlich 3 Jahre später unter Finanzierung durch die Think-Tanks der US-Regierung mit seinem Buch „Kampf der Kulturen“ zur Doktrin der Bedrohung der Welt durch „unreife Kulturen“ wurde. Dieses wurde zur Grundlage dafür, dass die USA ihre Kriege fortan als Weltordnungskriege titulierten. Darin wurde mit einer relativ neuen Variante von Rassismus argumentiert: Dem Kulturalismus.

Nun tritt diesem ein zweiter sogenannter Wissenschaftler der USA bei: Daniel Jonah Goldhagen, der uns mit den kulturalistischen Generalisierungen in seinem Buch über die Deutschen als „Hitlers willige Helfer“ schon bekannt ist. Er befeuert wie kein anderer den gut vorbereiteten Rassismus Huntingtons mit einer Hetzschrift in der Beilage der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel „Die neue Bedrohung“. Darin verwendet er die Propagandasprüche und Großmeiereien islamistischer Protagonisten für die Zeichnung eines von ihm so genannten politischen Islamismus, der dem Nationalsozialismus mit seinem Interesse nach Weltherrschaft gleichgestellt wird. Hier nur eine Hörprobe seiner sogenannt wissenschaftlichen Verfälschungen und Verbrämungen:

„Mit dem konzertierten Angriff auf dänische und europäische Freiheiten, Bürger und Gebäude – der absolut nichts mit Israel oder den Vereinigten Staaten zu tun hatte –, dem fortgesetzten Beharren der Hamas, dass Israel ausgelöscht werden muss, und dem dreisten, hohntriefenden iranischen Feldzug für eine »islamische Atombombe« könnte der politische Islam einen gewaltigen strategischen Fehler begangen haben, geboren aus der Hybris seines Fanatismus.“ (Goldhagen in SZ-Magazin Nr. 17, vom 28.4.06)

Was er daraus schließt, wird schon einige Zeile später deutlich, wenn er schreibt:

„Es kann nicht oft genug gesagt werden: Dieser Kampf ist kein »Kampf der Kulturen« gegen Muslime oder gegen arabische oder muslimische Länder, deren legitime Klagen gehört werden müssen. Vielmehr geht der Kampf gegen den auf Vernichtung zielenden, totalitären politischen Islam, seine politischen Anführer und Regime und gegen die ungezählten Millionen seiner Anhänger quer durch die islamische Welt. Der Westen muss deutlich machen, dass er den totalitären politischen Islam nicht als rechtmäßig ansieht.“ (Goldhagen in SZ-Magazin Nr. 17, vom 28.4.06)

Und schließlich lesen wir, was schon die Gleichstellung der amerikanischen Angriffslogik im Irak-Krieg mit dem Iran betreibt: Die angestrebte atomare Bewaffnung des islamistischen Gegners. Deshalb schreibt er in einer der größten deutschen Tageszeitungen mit einer zur Missverständlichkeit verbogenen Lüge:

„Hätte Israel nicht rechtzeitig die richtige Front gewählt, hätten wir zehn Jahre später niemals einen atomar bewaffneten Massenmörder Saddam aus Kuwait vertreiben können. Ein Eroberer und Massenmörder, darauf erpicht, unter Einsatz nicht konventioneller Waffen Israel zum höheren Ruhme des Islams zu vernichten, und vor Feindseligkeit gegenüber dem Westen nur so strotzend, hätte der Welt den Ölhahn zugedreht und eine Position erreicht, um weitere Kriege vom Zaun zu brechen und Millionen Menschen mehr zu töten.“ (Goldhagen in SZ-Magazin Nr. 17, vom 28.4.06)

Gemeint sind wir. Durch Todesdrohung und Todesangst lässt sich jede politisch gewollte Verfälschung durchsetzen. Die Verstellung der Wirklichkeit ist brutal. Es ist sicher zufällig, dass sowohl Huntington also auch Goldhagen der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehören. Ihre Aussagen haben sie als Wissenschaftler gemacht. Dennoch ist unverständlich, wie sie jedes Gebot der Wissenschaften, das im Interesse objektiver Wahrheitssuche für eine Aussage gestellt ist, in einem so gewagten Bogen und geradezu Wirklichkeit verleumdend umgehen können. Es muss daher auf den rassistischen Kern religiös begründeter Selbstgerechtigkeit hingewiesen werden, wenn sie sich als Interesse am Weltfrieden ausgibt. Die antisemitische Verfolgung hat die Juden besonders sensibel gegen Rassismus gemacht. Deshalb darf es auch nicht geschehen, dass im Schutz des Bewusstseins hierüber eine Sprache entsteht, die blanke Verfälschung und blinden Antiislamismus hervorbringt, der als bloße Umkehrung des Antisemitismus, also qualitativ identisch funktioniert. Das nämlich wäre radikaler Kulturkampf bis zur Vernichtung. Und wer den betreibt, der betreibt das, was er zu vermeiden vorgibt.

Alternativ:

Es wäre nötig, alles zu tun, dass nationale Konflikte nur durch Politik und Diplomatie gelöst werden und dass alle religiösen und kulturalistischen Einflüsse abgewehrt werden. Aber die Geschichte läuft derzeit genau anders herum, vor allem von seiten der Politik, den Medien und der Wissenschaft. Daniel Jonah Goldhagen, der uns mit den kulturalistischen Generalisierungen in seinem Buch über die Deutschen als „Hitlers willige Helfer“ schon bekannt ist, befeuert inzwischen den gut vorbereiteten Rassismus Huntingtons mit einer Hetzschrift in der Beilage der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel „Die neue Bedrohung“. Es scheint, dass der Rassismus inzwischen zumindest von politischer Ebene gewollt ist. Wir müssen alles tun, um dem entgegenzutreten durch Auseinandersetzung, Information und Aufklärung.

Das war’s wieder mal für heute. Wer diese Sendung oder die bisherigen als MP3-Datei sich auf seinen PC laden will, kann das auf unsrer Web-Site Kulturkritik.net. Dort kann man auch in einzelnen Texten zu diesem Thema oder im Kulturkritischen Lexikon stöbern. Damit verabschiede ich mich bis zum 9. Juni und wünsche Euch einen guten Einstieg in diesen Sommer.



Werbung