"Alles aber (…) ist jetzt ultra, alles transzendiert unaufhaltsam, im Denken wie im Tun. Niemand kennt sich mehr, niemand begreift das Element, worin er schwebt und wirkt, niemand den Stoff, den er bearbeitet. (…) Junge Leute werden viel zu früh aufgeregt und dann im Zeitstrudel fortgerissen. Reichtum und Schnelligkeit ist, was die Welt bewundert und wonach jeder strebt; Eisenbahnen, Schnellposten, Dampfschiffe und alle mögliche Fazilitäten der Kommunikation (…). Wir werden, mit vielleicht noch wenigen, die Letzten sein einer Epoche, die sobald nicht wiederkehrt." (Johann Wolfgang Goethe, Brief an Zelter vom 6.6.1825) Was Eindruck macht ohne verstanden zu werden, bewirkt eine Wahrnehmung, die schon eine eigenständige Wirkung auf ihre Organe hat, auch ohne eigene Inhalte zu vermitteln. Weil sie substanziell immer schon ihrer Funktion genügen muss reizt es sie, erheischt es Aufmerksamkeit und verursacht ihre Erregung. Schon als bloße Form der Wahrnehmung beschäftigt sie die Interpretation ihrer Sinne, die organischen Rezeptoren einer natürlichen Intelligenz, deren einzige Wahrheit ihre Funktion für den ganzen Organismus ist und die nur zu erkennen hat, was ihm schadet oder nützt. Ohne inhaltlich außer sich "Wahrheit zu nehmen", ohne Bewusstsein ist sie mit ihm fundamental verbunden, um zu beurteilen, was wesentlich hierfür ist und was nicht (siehe auch Aufmerksamkeitsstörungen). An und für sich kann die Wahrnehmung niemals gegen sich selbst gerichtet sein. Aber wo der positive Schein der Welt (siehe Scheinwelt) sich als Lebenswelt eines ästhetischen Willens mächtig gemacht hat, wo er sein Heil in der Welt der zwischenmenschlichen Verhältnissen erfunden und gefunden hat (siehe hierzu auch heile Welt), da trägt er ein Bild der Vollendung fort, das eine Güte ihrer Ästhetik ausströmt, die nicht von dieser Welt des bewegten, des tätigen Lebens (siehe auch Arbeit) sein kann. Er treibt die lebendige Wahrnehmung in die Krise einer allmächtigen Wahrheit, die sich in der Sinnbildung der bürgerlichen Kultur dem entsprechend politisch gestaltet (siehe hierzu auch politische Kultur). Ihr Positivismus spaltet die Selbstwahrnehmung der Menschen in Freund und Feind und bestimmt die Formen der Kultur in ihren Lebensstrukturen und Ängsten (siehe hierzu auch Lebensangst) zwischen Macht und Ohnmacht der Selbstwahrnehmung (siehe hierzu auch Selbstveredelung). Sie zerteilt die Kulturen der Selbstbeziehung in politische Dispositionen und gründet gegensinnige Erkenntnisinteressen, die sie in ihrer Aufmerksamkeit auch gegensinnig ausrichten (siehe hierzu auch Erkenntnistheorie). So ist es kein Wunder, dass die Einen hiervon in die Flucht getrieben, die Anderen in ihrer Selbstverwirklichung erhoben und "erhört" werden. Aufmerksamkeitsstörungen sind von daher keine individualpsychologische "Macke" sondern in der Selbstwahrnehmung der Menschen wirksame Gegensätze - Selbstkontrolle auf der einen Seite, Selbstverschmelzung auf der anderen -, so dass sich ihre Erkenntnisinteressen in egozentrische und exzentrische Identitäten ausgestalten (siehe Wahrnehmungsidentität). Was die Wahrnehmung der Einen durch ihre Objektivtiät langweilt und einschläfert (siehe auch tote Wahrnehmung), erregt die Selbstwahrnehmung der Anderen in einem hohen Ausmaß, weil es die Subjektivität ihrer Selbstgefühle objektiv bestimmt (siehe auch objektives Selbstgefühl) und beherrscht. Wahrnehmung kann also nur wirklich "wach", mit sich identisch sein, wenn und soweit sie aufmerksam ist. Aufmerksamkeit ist eine intensive Gegenwärtigkeit in der Beziehung der Sinne auf ihren Gegenstand: intensive Empfindung. Aufmerksamkeit ist von daher die Form einer unmittelbaren, also gegenwärtigen sinnlichen Gewissheit, die sich in ihrem Gegenstand erkennt, die weiß, was sie von ihm kennt und was sie mit ihm zu tun hat, was also ihre Wahrheit, ihre Wahrnehmungsidentität durch ihn für sie ist und macht. Von daher drückt sich darin eine innige Beziehung aus, die ein Interesse an dem verfolgt, was sich darin verhält und die Verhältnisse sucht, in denen dieses auch zu finden und zu empfinden ist. Nicht der Zufall irgendwelcher Ereigniss und Erlebnisse macht aufmerksam, sondern das Wissen um die Beziehung ihrer Verhältnisse. Wahrnehmung ist niemals ohne diese Beziehung und auch nicht ohne deren Gegenstand in den Verhältnissen seiner Wahrnehmung zu begreifen. So strebt Aufmerksamkeit ihrer Natur gemäß immer zu einer Wahrnehmungsidentität. Doch die psychischen Phänomene ihrer Störungen (siehe psychische Krankheit), besonders der Aufmerksamkeitsdefizite, Hyperaktivität (ADHS), Depressionen und Zwänge (siehe Zwangshandlungen), offenbaren eine nicht gelungene organische Einheit der Wahrnehmung (siehe Wahrnehmungsidentität), die psychische Kräfte in Gang gesetzt hat, die ihre Natur bestimmen, die als Formbestimmung ihrer Einheit eine Abstraktion ermächtigt haben, die im Nachhinein ihrer Krise ihrer Verwirklichung vorauseilen, um sie schon auszuschließen, bevor sie entstehen könnte (siehe hierzu auch Verdrängung). Der Grund einer jeden Aufmerksamkeitsstörung liegt daher in den Wahrnehmungsverhältnissen, worin das Wahrgenommene dem Wahrgehabten widerspricht (siehe hierzu auch erzieherische Beziehung). So bedrängt z.B. eine psychische Depression die Macht einer Selbstwahrnehmung, die ihrem Selbstgefühl unterliegt, die ihre Gefühle beherrscht, wenn sie ihre Empfindungen von sich abstoßen müssen. Und Zwangshandlungen suchen übermächtige Gefühle durch ein Verhalten gegen ihre Verhältnisse auszuschließen, die ihre Empfindungen nötig haben. Das Leben einer isolierten Zwischenmenschlichkeit in den Lebensburgen einer burgherrlichen Kultur - besonders wo es in symbiotische Selbstbehauptungen geraten ist - muss die Gesellschaftlichkeit seiner Generationen leugnen und verstrickt sich zunehmend in den Blähungen ihrer Eindrücke und Ausdrücke, ihre Wahrnehmung durch das Erleben in ihren Blasen entstellen oder verrückt machen. Der Zusammenhang der Erlebnisse und Ereignisse ist für die Wahrnehmung der Individuen einer Gesellschaft, wo sie keinen Grund hierfür in den Gegenständen ihres Lebens finden und empfinden können, nur in ihrem Denken. Die innere Tätigkeit ihrer Beziehung hierauf muss die äußere ersetzen. Und je isolierter die Dinge und Geschichten des Lebens existieren, desto schwerer ist es auch für einen einzelnen Menschen, auf sie aufmerksam zu bleiben, sie denken zu können. Aber nur die Aufmerksamkeit ist die Gegenwärtigkeit des Gedächtnisses für die Wahrnehmung, also das, was sie in ihren Gedanken verbunden weiß und aufmerken lässt und ihre Gefühle bildet. Ohne diese kann sie nur ein ästhetisches Verhältnis hierzu haben und ist jederzeit zu beeindrucken durch die Selbstgefühle, welche von daher in die Empfindungen eingehen. Die Aufmerksamkeit ist dann allerdings relativ, abhängig von den Umständen und Inhalten der Wahrnehmung im Erleben selbst, durch die immer mehr wahrgemacht wird, was nicht wirklich wahr sein kann, weil es nurmehr aus der Absicht selbstbezogener Tätigkeiten entspringt, also nur noch die Selbstwahrnehmung bestärkt. Aufmerksamkeit kann aber auch durch reine Überreizung (siehe Reiz) mehr oder weniger vollständig zu selbständigen Wahrnehmungszuständen (siehe z.B. Zwangshandlungen) aufgehoben werden, weil sie sich auf wesentliche Inhalte ebenso fokussieren und verselbständigen kann, wie auf die Ästhetik einer Begebenheit (z.B. übermächtige Geruchsempfindlichkeit). Damit einher geht dann eine Abwehr gegen bestimmte Wahrnehmungsinhalte, ohne dass diese verdrängt würden und ohne dass darin bestimmte Ursachen wirksam wären, diese unbestimmbar aber als leere Erregung in einem Menschen fortwirken, die zugleich andere ungebundene Erregungen verstärken, wie sie z.B. beim Zusammenbruch einer symbiotischen Selbstbehauptung auftreten. Es sind dies dann Surrogate von Inhalten, die übermäßig bestimmt sind (siehe auch Formbestimmung) und von daher ihren Lebensraum überdehnen würden und sich in ihrer Wirkung komprimieren müssen (siehe Dichte), von daher sich ganz unbestimmt gegen dessen bestimmte Inhalte in der Wahrnehmung und sich schließlich gegen deren Aufmerksamkeit selbst richten und Zwangshandlungen bewirken. Ein Mensch der an einem sogenannten "Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom" leidet, ist kaum mehr in der Lage, sich in einem Lebenszusammenhang wahrzunehmen. Unentwegt muss er jeder einzelnen Empfindung, die er hat, nachgegen, um darin eine Beziehung zu sich und seinen Gefühlen zu erkennen. Ähnlich ergeht es auch mit anderen Zwangsstörungen, die immer einem Aufmerksamkeitsproblem nachgehen müssen (siehe hierzu auch Zwangsverhalten).
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