"In der Form der großen Körperbedürfnisse [des menschlichen Individuums] tritt die Not des Lebens zuerst an ihn heran. Die durch das innere Bedürfnis gesetzte Erregung wird sich einen Abfluss in der Motilität suchen, die man als ‚Innere Veränderung‘ oder als ‚Ausdruck der Gemütsbewegung‘ bezeichnen kann. Das hungrige Kind wird hilflos schreien oder zappeln. Die Situation bleibt aber unverändert... Eine Wendung kann erst eintreten, wenn auf irgendeinem Wege, beim Kinde durch fremde Hilfeleistung, die Erfahrung des Befriedigungserlebnisses gemacht wird, das den inneren Reiz aufhebt. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Erlebnisses ist das Erscheinen einer gewissen Wahrnehmung, deren Erinnerungsbild von jetzt an mit der Gedächtnisspur der Bedürfnisbefriedigung assoziiert bleibt. Sobald dies Bedürfnis ein nächstesmal auftritt, wird sich …eine psychische Regung ergeben, welches das Erinnerungsbild jener Wahrnehmung wieder besetzen und die Wahrnehmung selbst wieder hervorrufen, also eigentlich die Situation der ersten Befriedigung wiederherstellen will“ (Freud GW II/III, 471). Erinnerungen sind die Inhalte des Bewusstseins. Allerdings überdauert das Verdrängte das Bewusstsein und kehrt in Modifikationen von Erinnerngsbildern wieder. Im Erinnerungsbild ist die Psyche zeitlos und ihrem Lebensraum entkörpert, ihrem Körper enthoben, als ein blindes Körpergedächtnis in der Wahrnehmung wirksam werden. Erinnerung ist nicht die bloße Reproduktion einer Wahrnehmung oder von einem Erinnerungsbild eines Erlebnisses, wie es Sigmund Freud verstanden hatte. Erinnern kann man nur, was innerlich geworden ist, weil es außer sich nicht bleiben kann, weil es eine innere Wahrnehmung außer sich gegen veräußerlichte Wahrnehmung ist. Das setzt voraus, dass die Empfindungen einer Wahrnehmung zum Inneren gekommen waren und dort sich in den Gefühlen der Menschen zusammenfinden. Aus ihnen lässt sich daher auch erschließen, was an Empfindungen ihren Gefühlen vorausgesetzt war, bevor sie sich verselbständigt hatten (siehe hierzu auch Deutung der Träume). Die Erinnerungen schaffen ein neues Verhältnis zu ihrem Gegenstand, wie sie ihn wahrhaben und wie sie ihn für sich wahrmachen wollen, was ihre Absicht bestimmt, wie sie ihn für sich wahrnehmen wollen. Mit der Erinnerung nehmen sie in ihren Gefühlen etwas für wahr, wie sie es sich für sich zugleich erträumen (siehe auch Traum). In der Erinnerung lebt die Vermittlung von Empfindungen, aus der sich die Gefühle so bilden, wie ihre Träume sich darin auch verwirklichen wollen. Sie ist das ursprünglichste Denken indem sie das Gedächtnis bildet, worin sie sich als Bild aus vergangener Wahrnehmung in ihrem gedanklichen Zusammenhang vergegenwärtigt. Meist handelt es sich dabei um einen Bildungsprozess der Wahrnehmung, wie sie sowohl in Träumen als auch über Informationen oder Medien verarbeitet werden können. Was ein Bild von der rein reproduktiven oder kognitiven Erinnerung (siehe auch Haptik) des Körpergedächtnisses unterscheidet, ist ihre Kombination, die Komposition von Empfindungen, die sich in und durch ihre Erinerungsbilder subjektiviert, - und auch das ästhetische Verhältnis bestimmt, das es hierdurch sinnlich einnehmen kann. Die Erinnerung mag sich in vielen Bildern darstellen können; aber sie erfährt nur über ihre bewusste oder unbewusste Wahrheit, durch die Wirkungen ihrer Geschichte, worin sie sich wahrhat, worin ihre gegenständlichen Empfindungen sich subjektivieren, sich als das hinterlassen, was über ihr Denken für wahr befunden wird. Aber gerade darin kann sie sich in ihrer Wahrheit auch täuschen,wenn ihre Gefühle die Verarbeitung der Empfindungen bestimmen, ihnen also als Selbstgefühle vorausgesegtzt werden (siehe hierzu Ästhetik) Die Erinnerung ist zunächst eine Gedächtnisleistung, die aber für sich genommen ohne Gegenwart ist und alle Zusammenhänge der Wahrnehmung, des Empfindens und Fühlens außer sich lässt. Sie reduziert diese auf die Wahrnehmungsform von Ereignisen und betreibt hierbei eine Abstraktion von ihren wahren Inhalten, auf eine Körperform, die auf die Wahrnehmung zurückwirkt und ihre Haptik bestimmt (siehe Körperfetischismus). Im Ereignis wird von den Bedingungen abstrahiert, welche das Erinnerte erst wahrgemacht hatten. Insofern unterscheidet sich die Erinnerung vom Gedächtnis als Begriff einer herausgesetzten Wahrnehmung (siehe Erleben), eine Existenz für sich, die auf der Bühne genauso bestehen kann wie in der Isolation jeglichen Auftretens von etwas, das geschieht, ohne einen Zusammenhang zu zeigen. Für Sigmund Freud waren es daher die Erinnerungsbilder eines zufälligen Befriedigungserlebnisses, welches nach seiner Theorie (siehe Psychoanalyse) das Streben der Psyche begründen soll. Aber diese wäre ein Grund, welcher sich nicht systematisieren ließe und schließt die wesentlichen Inhalte des Gedächtnisses, das Denken und Fühlen aus. Im Erinnerungsbild ist das Gedächtnis an und für sich nur objektiv gegenwärtig, selbst nur eine giervon unterschiedene subjektive Darstellungsform ohne Gefühl, sofern das Bild selbst keine Zusammenhänge vegegenwärtigt. Um dennoch darauf sein Lustprinzip allgemein zu begründen, nimmt Freud einen allgemeinen natürlichen Akt, nämlich die Befriedigung des Kindes durch Saugen an der mütterlichen Brust als allgemein gültigen Zusammenhang des Erlebens her, welcher die urtümlichsten Inhalte der Erinnerung ausmachen soll. Hierdurch kann eine quasi selbständige Naturtheorie zugleich als ausschließlicher Inhalt einer geisteswissenschaftlichen Theorie der Psyche herhalten - Freuds eigentliches Ziel seines an der Aufklärung orientierten Erkenntnisinteresses. |
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