"Wenn die Freihändler nicht begreifen können, wie ein Land sich auf Kosten des anderen bereichern kann, so brauchen wir uns darüber nicht zu wundern, da dieselben Herren noch weniger begreifen wollen, wie innerhalb eines Landes eine Klasse sich auf Kosten einer anderen bereichern kann." (Karl Marx, MEW 4, Seite 457) Der Freihandel verselbständigt die Allseitigkei des Geldbesitzes, die er als Finanzkapital aus der Produktivität der Arbeit bezogen und zur Preisbildung für Eigentumstitel ermächtigt hat (siehe hierzu auch Globalisierung). Er entfesselt die Zirkulation des Geldes, die unbegrenzte Preise in unbegrenzbare Preissummen treibt und sich durch die Giralgeldschöpfung nurmehr als Schuldgeldsystem verwirklicht. Es ist die Freiheit des Geldes als Zahlungsmittel, das die Verhältnisse des Geldes als Kaufmittel bestimmt und die Diskrepanz von realwirtschaftlichen Wertverhältnissen und vor allerm denen der Preisbildung für Eigentumstitel (z.B. Mieten, Lizenzen, Gebühren) bestärkt und die Fiktionen (fiktives Kapital) des Finanzhandels potenziert. Es zeigt sich z.B. an den unvorstellbaren Wertbehauptungen der Kommunikationsindustrie (Facebook, Google usw.) und des Börsenhandels. Geld beherrscht durch Freihandel den Handel und die Realisierung von absurden Preisen als politische Macht gegen die reale Lebenswelt der Menschen (siehe Feudalkapitalismus). Wer Geld als Zahlungsmittel hat, ist mächtug und wird den Handel beherrschen, wer es nicht hat, ist ohnmächtig und wird ihm dienen müssen. Im Freihandel herrscht das moderne Herr- und Knechtverhältnis. Die Ideologie des Freihandels ist der Neoliberalismus. Ihm zufolge soll Freihandel die "freie Marktwirtschaft" beflügeln, die "unsichtbare Hand" seiner Beglückung (z.B. der Trickle-Down-Efffekt), die aus dem Hintergrund des Handels hervortretende Bereicherung aller für alle, dss unendliche "win-win-Verhältnis" zur Wirkung bringen. Er gibt sich als freie Kooperation auf den Märkten der Welt. Doch Kooperation kann nur die Form einer Arbeitsweise sein, in welcher die Synergie des Zusammenwirkens menschlicher Kraft (Geschick, Intelligenz usw.) bestimmend ist. Was soll im Handel, in welchem die Konkurrenz der Preise alles bestimmt, kooperativ sein? Es ist und bleibt das Kapital der Mächtigen, das sich hier durchsetzt und die Ohnmächtigen zur Kasse bittet. "Die Warenzirkulation ist der Ausgangspunkt des Kapitals. Warenproduktion und entwickelte Warenzirkulation, Handel, bilden die historischen Voraussetzungen, unter denen es entsteht. Welthandel und Weltmarkt eröffnen im 16. Jahrhundert die moderne Lebensgeschichte des Kapitals." (Karl Marx, MEW 23, Seite 161) Die transatlantischen Freihandelsabkommen zeigen es überdeutlich. Ob TTIP, CETA oder CESA oder deren Parallelen der transpazifischen Verträge oder die EU-Verträge mit Japan u.a. (JEFTA): Nirgendwo kann sich das Diktat des Kapitals rasanter durchsetzen als dort, wo die Politik und deren Rechtsverhältnis weitgehend nach dem Belieben der Finanzmacht gestutzt ist. "Beim Scheiden von dieser Sphäre der einfachen Zirkulation oder des Warenaustausches, woraus der Freihändler vulgaris Anschauungen, Begriffe und Maßstab für sein Urteil über die Gesellschaft des Kapitals und der Lohnarbeit entlehnt, verwandelt sich, so scheint es, schon in etwas die Physiognomie unsrer dramatis personae. Der ehemalige Geldbesitzer schreitet voran als Kapitalist, der Arbeitskraftbesitzer folgt ihm nach als sein Arbeiter; der eine bedeutungsvoll schmunzelnd und geschäftseifrig, der andre scheu, widerstrebsam, wie jemand, der seine eigne Haut zu Markt getragen und nun nichts andres zu erwarten hat als die - Gerberei." (Karl Marx, MEW 23, Seite 190) Wie bei TTIP geplant und in CETA festgeschrieben, sollen auch mit JEFTA Konzerne abseits der nationalen Rechtsverhältnisse auf Entschädigung klagen können, wenn sie ihre Profitmöglichkeiten durch neue Gesetze im öffentlichen Interesse geschmälert sehen. Die Grundlage dafür bieten schwammige Formulierungen wie "gerechte und billige Behandlung" oder "legitime Erwartungen". Prozesse auf dieser Basis haben bereits weltweit zu Milliardenzahlungen von Staaten an Konzerne geführt. Das staatliche "right to regulate" wird dabei nicht garantiert. Denn Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter können sich stets darauf berufen, dass ihre Urteile technisch gesehen nur "Entschädigungen", aber keine Änderung der Gesetze verlangen. Wenn es zu keiner Verurteilung kommt, sondern sich Staat und Konzern einigen, enthält diese Einigung oft die Rücknahme oder Abschwächung des angegriffenen Gesetzes. Zudem können schon Androhungen von Klagen Regierungen davon abhalten, Gesetze im Sinne eines Allgemeininteresse zu beschließen. Allgemeininteressen werden den Profitinteressen von Investoren untergeordnet: Eine richterliche Unabhängigkeit ist nicht gewährleistet. Die sogenannte "Regulatorische Kooperation" hat zum Ziel, jede geplante Regulierung dahin zu überprüfen, inwieweit sie den Handel beschränkt. Dazu wird ein Gremium (Regulatory Cooperation Committee, RCC) gegründet, über das Konzernvertreter und Lobbyisten vorab über geplante Regulierungen informiert werden und ihre Meinung dazu abgeben können. Viele der Mandate der Abkommen sind geheim, die Verhandlungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Abkommen enthalten oftmals Sonderklagerechte für Konzerne. "Zweck der Sonderklagerechte ist es, Konzernen die Möglichkeit zu geben, sich gegen demokratische Regulierungen abzuschotten. Die Klagerechte sind daher nichts anderes als Protektionismus für Konzernprofite", erklärt Roland Süß von ATTAC. Ein gänzlich neuer Industriezweig ist hierdurch entstanden: der Dienstleistungbetrieb von börsennotierten Kanzleien von Rechtsanwälten, die darauf setzen, dass immer mehr teuere Klagen anstehen, die eine enorme Wertsteigerung für sie mit sich bringen.
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