"[Die kritischen Philosophen] unterscheiden sich in der Art, wie sie die nach ihrer Ansicht so unter der Macht ihrer eigenen fixen Gedanken seufzende Menschenwelt erlösen wollen; sie unterscheiden sich in dem, was sie für fixe Gedanken erklären; sie stimmen überein in dem Glauben dieser Gedankenherrschaft, sie stimmen überein in dem Glauben, daß ihr kritischer Denkakt den Untergang des Bestehenden herbeiführen müsse, sei es nun, daß sie ihre isolierte Denktätigkeit für zureichender halten oder das allgemeine Bewußtsein erobern wollen." (MEW 3, S. 14) Glaube ist die Überantwortung des Ungewissen an die Unwirklichkeit einer Macht, die Unterwerfung an eine wübermenschlich begründeten Instanz verlangt (siehe hierzu Religion). Doch der Glaube taugt nur zur Moral. Und die kann nur in ihrem Recht von und durch sich, in Selbstgerechtigkeit aufgehen. Dieses aber verlangt im Streit um seine Wahrheit nach Wissen und kann nur über dessen Inhalte, über das Bewusstsein der Menschen als menschliches Bewusstsein überwunden werden. Ohne dieses haben schon die ursprünglichsten Philosophen, die Sophisten, zu ihrer Selbstbehauptung ihr Wissen nicht aus einander gesetzt und vereint, sondern es vor allem gegeneinander abgegrenzt. Die Wissenschaften entzweien sich seitdem immer wieder in dem, was sie für wahr halten, was als bewiesen gilt und was nur Tatsache für sie ist. Und gerne wird die Tatsache als bloßes Fakt selbst schon zum Beweis hergenommen, ihre "Empirie" als Erkenntnis verstanden (siehe hierzu Positivismus) und dementsprechend hiervon auch nur das hergenommen und ausgesucht, was sich hierfür nutzen lässt. So gilt die Wahrheit schon durch eine Wahrnehmungsidentität der Betrachtung, eben so, wie sie durch die Wahrnehmungsorgane und ihre Werkzeuge schon gegeben und gewiss sein soll. Glaube ist das Selbstbewusstsein des Konsumenten einer übersinnlichen Begattung (siehe auch Gattung), dem gegeben ist, was er durch sich nicht wirklich erkennen kann, sich aber zu dem bekennen will, was wie "von Gott gegeben" erscheint. Er ist die Spekulation eines an und für sich religiösen Gefühls auf die ihm selbst mystisch verbliebenen Gegebenheiten seiner Existenz (siehe hierzu auch Existenzwert) und zugleich das Maß und Mittel seiner Selbstgerechtigkeit (siehe auch Moral), weil jeder Gläubige immer nur durch die Schuld der Anderen leben kann, der Gläubiger sich durch die Ohnmacht eines Schuldners begründet und erhält. Man glaubt an etwas, das nicht wirklich da, nicht anwesend ist, sich aber nötig gemacht hat, wo die eigene Notwendigkeit nur abstrakt sein kann, sich also nur durch einen Wert ihrer Sehnsucht verhält. Der Glaube verhält sich daher selbst nur abstrakt und sucht in seinen Interpretationen das Reine von dem, was der Wirklichkeit entzogen, wirklich abwesend ist und in ihrem Entzug selbst nur dadurch notwendig erscheint, weil es seinem Wesen entsprechend nicht da, also schon durch seine Wirklichkeit negiert ist. Er sucht das, an das man glauben kann oder glauben muss, um dessen Güte durch sich selbst verwirklicht zu finden, die sich gegen diese Wirklichkeit verhält und durch die ein Verhältnis in deren Verneinung möglich, also eine unmögliche Kritik an ihr ist und in Wahrheit auch unmöglich bleiben soll. Ein Glaube begründet sich also nicht aus Ungewissheiten, sondern gegen sie. Er ist nicht irgendeine Vermutung, sondern ein Standpunkt, der jenseits der wirklichen Probleme und Widersprüche begründet ist, - nicht von ungefähr, sondern als Entgegnung gegen ihre Gefahren und Nöte, als eine Entgegenständlichung, die in ihrer Ungegenständlichkeit entgegenwärtigt, Wirklichkeit gegenstandslos machen will, und von daher nur entwirklicht wirken kann (siehe Realabstraktion). Der Glaube bestärkt sich vor alllem durch die Wahrnehmung, die sich selbst nicht mehr leiden kann und ihre Leidenschaft darin aufgehoben hat, dass sie ihre Neugierde aufgegeben hat und sich von daher auch nicht mehr für ihre Inhalte begeistern kann. Sie bestärkt sich auf der Erde durch Nichtigkeiten, durch die Nichtung ihrer Wahrheit, durch die Erbsünde am Baum der Erkenntnis, während sie in den Sphären des Himmels nach ihrem Heil sucht und entsprechendes Unheit stiftet. Der Glaube versichert sich seiner selbst durch die bloße Behauptung eines außeren Wesens, das allem zu innerst sein soll, das allem Sinn gibt, den es durch sich nicht haben kann und wodurch alles anders gilt, als es ist. Er bewirkt sich selbst durch diese Vertauschung des wirklich Wesentlichen, durch seine Täuschung, durch die Verkehrung seiner Beziehungen und entspricht von daher auch Verhältnissen, worin diese selbst schon verkehrt erscheinen, von ihrem wesentlichen Gehalt getrennt und in ihrer Form hiervon bestimmt sind (siehe Formbestimmung). Glaube herrscht in der Ungewissheit, indem er ihren Schmerz aufhebt. Er verlangt nach der Vorstellung von etwas, das wahr sein soll, etwas Ganzes, das in sich und durch sich selbst schon heil ist, das also sich selbst Grund genug ist und weder Ursache noch Wirkung durch sich haben kann, weil es diese schon außer sich hat. Der Glaube findet sein Herz in den Hochgefühlen, welche den Menschen in einer herzlosen Welt Heil stiftet in den Selbstgefühlen einer entwirklichten Gesellschaft, in der Gemeinschaft der Gläubigen. Diesen Gefühlen opfert er sein weltliches Herz, das in seinen Widersprüchen erstorben war. Substanziell verstanden ist ein Glaube nicht nur ein Nichtwissen, sondern die Behauptung einer Wahrheit, die man nicht wissen muss oder auch garnicht wissen kann (siehe auch Wissenschaft), eine höhere Wahrheit, die höhere Einsicht verlangt und eher durch Erleuchtung zu erfahren ist, als durch Verstand und analytisches Denken (siehe auch Esoterik). Er ist eine Selbsttäuschung. Man glaubt an etwas, das nicht wirklich da, nicht anwesend ist, sich aber nötig gemacht hat, wo die eigene Notwendigkeit nur abstrakt sein kann, sich also nur durch ihre Sehnsucht verhält. Der Glaube verhält sich daher selbst nur abstrakt und sucht in seinen Interpretationen das Reine von dem, was der Wirklichkeit entzogen erscheint, sucht das, an das man glauben kann oder glauben muss, um dessen Güte verwirklicht zu finden, die sich gegen diese Wirklichkeit verhält und durch die ein Verhältnis in deren Verneinung möglich, also eine unmögliche Kritik an ihr ist. Eine Religion verschafft dem Glauben eine Heilserwartung, die Erwartung einer Ganzheit im Jenseits der Wirklichkeit, das sich in ihr auf ewig verhält, also sich niemals in Zeit und Raum erweisen lässt, obwohl es als Antwort auf sie sein soll, sich als ein Heil anbietet, was nur im Heiligen existieren kann. Der Glaube ist ein Gedanke hinter der Gedankenform eines ästhetischen Willens, der sich von der Welt im Ekel abgewendet hat, weil er sich im Zerfall verfallen fühlt und sich im Ritual seiner Liturgie Halt verleiht, in der Gewohnheit des Heiligen wahrnehmbar macht. Er verschafft damit eine "Seinsgewissheit", die über alle Brüche und Gebrochenheiten hinweg zu einer Identität verhilft, die nur außer sich sein kann. Wo Geschichte nur durch Ereignisse begründet wahrgenommen wird, wird ihr Zusammenhang, ihre Ligatur durch einen Glauben, zum Beispiel in einer Re-Ligio gesucht. Er wird zur Grundlage ihrer Genealogie und beruht auf der Hoffnung, in ungewissen Verhältnis eine Gewissheit dadurch zu erlangen, dass ein Subjekt einen höheren Sinn in einer zweifelsfreien Identität durch die Vorstellung findet oder erfindet, die zugleich über alle Zweifel erhaben ist (siehe auch Wahrheit), sei es als Gott (siehe Religion), als Geld (siehe Warenfetischismus) oder Glück durch das Selbsterleben (siehe auch Körperfetischismus). Dem vorausgesetzt sind Lebensbedingungen, die keinen Sinn machen, weil sie widersinnig sind. Unter der Bedingung der Geldverhältnisse, in denen der Geldbesitzer als Käufer alles beherrscht und der Verkäufer zu seiner Entäußerung gezwungen ist, herrscht die Einverleibung, das allseitige Wahrhaben von Lebenszusammenhängen, die nicht wirklich wahr sein können, die in Wirklichkeit nicht sind, als was sie erscheinen. Ihre Widersinnigkeit ruft alle Mächte auf, jeden Zweifel zu beherrrschen, der in der Lage wäre, ihre Verhältnisse wesentlich umzukehren, das Leben der Menschen als ihr lebendiges Eigentum in ihrer Lebensvielfalt, ihrem Rseichtum zu entfalten. In ihrer Eigentumslosigkeit können die Menschen nur an ihre Beziehungen und Verhältnisse glauben, die sie wahrnehmen, um damit leben zu können, was nicht wirklich für sie wahr ist. Ihre Beziehung auf sich selbst als gesellschaftliche Wesen bleibt von daher auch in ihrem Erkenntnisvermögen gläubig, um nicht an sich zu verzweifeln - aber eben auch, um in der Unfähigkeit einer Kritik der Wirklichkeit zu verharren. Der Glaube ist das geistige Prinzip des Kredits, der dem Geldverhältnis entspringt und das Kapital überhaupt in Gang hält und vor allem die Welt der Gläubiger befördert, um den "Rest der Welt" zu verschulden. Ein Glaube begründet sich nicht aus Ungewissheiten, sondern gegen sie. Er ist nicht irgendeine Vermutung, sondern ein Standpunkt, der jenseits der wirklichen Probleme und Widersprüche begründet ist, - nicht von ungefähr, sondern als Entgegnung gegen ihre Gefahren und Nöte, als eine Entgegenständlichung, die in ihrer Ungegenständlichkeit entgegenwärtigt, Wirklichkeit gegenstandslos machen will, und von daher nur entwirklicht wirken kann (siehe Realabstraktion). Der Glaube bestärkt sich vor alllem durch die Wahrnehmung, die sich selbst nicht mehr leiden kann und ihre Leidenschaft darin aufgehoben hat, dass sie ihre Neugierde aufgegeben hat und sich von daher auch nicht mehr für ihre Inhalte begeistern kann. Sie bestärkt sich auf der Erde durch Nichtigkeiten, durch die Nichtung ihrer Wahrheit, durch die Erbsünde am Baum der Erkenntnis, während sie in den Sphären des Himmels nach ihrem Heil sucht und entsprechendes Unheit stiftet. Der Glaube versichert sich seiner selbst durch die bloße Behauptung eines außeren Wesens, das allem zu innerst sein soll, das allem Sinn gibt, den es durch sich nicht haben kann und wodurch alles anders gilt, als es ist. Er bewirkt sich selbst durch diese Vertauschung des wirklich Wesentlichen, durch seine Täuschung, durch die Verkehrung seiner Beziehungen und entspricht von daher auch Verhältnissen, worin diese selbst schon verkehrt erscheinen, von ihrem wesentlichen Gehalt getrennt und in ihrer Form hiervon bestimmt sind (siehe Formbestimmung). Glaube herrscht in der Ungewissheit, indem er ihren Schmerz aufhebt. Er verlangt nach der Vorstellung von etwas, das wahr sein soll, etwas Ganzes, das in sich und durch sich selbst schon heil ist, das also sich selbst Grund genug ist und weder Ursache noch Wirkung durch sich haben kann, weil es diese schon außer sich hat. Der Glaube findet sein Herz in den Hochgefühlen, welche den Menschen in einer herzlosen Welt Heil stiftet in den Selbstgefühlen einer entwirklichten Gesellschaft, in der Gemeinschaft der Gläubigen. Diesen Gefühlen opfert er sein weltliches Herz, das in seinen Widersprüchen erstorben war. Es kann sich dabei nur um eine Heilsvorstellung handeln, um die abgeschlossene Totalität einer Güte, eine sich sebst begründende Unendlichkeit, die dadurch über aller Wirklichkeit steht, dass sie allmächtig sein muss und bestimmen kann, was gut und was böse ist. Von daher ist jeder Glaube eine Herzensangelegenheit, die das Herz der Gläubigen aufspaltet und ihr Leben aufteilt, indem es das Böse von sich ausschließt. In der Wirklichkeit verlangt diese Ausschließlichkeit Opfer, um die an und für sich tote Güte zu beleben und sich ihrer selbst zu versichern. Sie wird durch die damit verbundene Religion zur ausschließlichen Sicherheit, die nur ist, soweit sie unbeschränkt gelten kann. Um Ungewisses zu besänftigen muss dieser Unendlichkeit Gehorsam geweiht, Leben geopfert und das Opfer auch öffentlich zelebriert werden. Es ist die Selbstaufgabe des Lebens, die Tieropfer, Menschenofper und Kriege verlangt, um den rechten Glauben über das wirkliche Menschsein zu erheben: Religion. "Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat." (MEW 1, S. 378) Als Religion der Ungewissheit verlangt solcher Glaube die Verbeugung vor der Macht des Unwissens und ist die Beugung einer jeden Gewissheit, indem er einer höheren Moral, einer übermenschlichen Selbstgerechtigkeit dient, Gehorsam gegen einen jenseitigen Richter einfordert und sich dem Bereinigungsprinzip eines Gottesheils, eines Heilands überlässt. Im Unterschied zum Aberglauben ist er aber zugleich die Beziehung gegen eine Täuschung ohne Gewissheit, also ohne Wissen, welches diese Beziehung wirklich begründen könnte. Wo ich glaube, will ich mich nicht täuschen lassen, weil ich ein ungewisses Wissen aus mir habe, eine Ahnung oder ein Gefühl, das wie eine innere Gewissheit ohne Wirklichkeit ist, das sich nicht faktisch beweisen lässt, aber zumindest innere Wirkung hat. Der Widerspruch von Wahrnehmen und Wahrhaben, der als Gegensatz von Empfindung und Gefühl sich verhält, wird hierin aufgehoben zu einer Seele, die ihre privaten Absichten vergesellschaftet um für sich eine Wahrheit zu finden, die nur jenseitig sein kann. "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben." (Joh 14,6) Und durch diese Wahrheit wird er auch das irdische Jammertal überleben, im Janseits auferstehen. "Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist;" (Joh, 11,25). So formuliert die Bibel, das Glaubensdokument der Christen, dir Überhebung des Glaubens gegen die Welt. In diesem Sinne funktionieren auch die Glaubensinhalte der abrahamitischen Religionen. Jede Wahrheit ist somit in und durch Gott relativiert. Glaube ersetzt die Vermittlung von Realitäten, also dem, was im Menschen konkret nicht aufgeht (siehe auch Trauma), wovon er aber ahnt, dass es zumindest in ihm aufgehen muss. So ist er objektiv auch eine unwissentliche Form der Abstraktionen, die keine konkrete Realität haben (siehe Realabstraktion). Der Glaube wendet sich dann an einen Willen jenseits der konkreten Welt, dem dieses als Sollen, als ein äußeres Gebot entspringt, an einen Gott, und ist Religion. Sie ist der Glaube an den abstrakten Menschen (siehe auch abstrakt menschlicher Sinn) als innere Gewissheit des Werdens eines Andersseins (Erlösung), eines werdenden Wesens, weil werden muss, was in ihm steckt. Und so besteht Religion als ein Glaube, aus dem hervorgeht, dass gemusst wird, was werden soll. Dies verschafft dem Glauben seine ungeheuere sittliche Kraft und Gewalt. Er wird zum Substitut des Realen, weil er dessen Sollen als übermenschliches Sollen, als Gottes Wille und Gottes Gebot vertritt. Je abstrakter die Wirklichkeit wird, desto heftiger der Glaube. In Krisenzeiten feiern Glaube und Aberglaube Urständ. Aus ihnen schöpfen Ideologien ihre wirkliche Kraft gegen die Wirklichkeit (siehe Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus). Soweit der reale Lebenszusammenhang nur durch Geld und dessen Probleme gegeben, also gleichgültig gegen die Menschen ist, ersetzt der Glaube auch wirkliche Lebensbeziehungen. Er ermöglicht die Wende der gesellschaftlichen Probleme zu einer Heilserwartung, wie sie die Entwicklung der bürgerlichen Kultur mit sich bringt (siehe Logik der Kultur, Teil 3). Für den Menschen selbst erklärt sich sein Glaube aus der Beschränktheit seiner Liebe durch die Abwesenheit Gottes, durch die Notwendigkeit, seine Beziehung zu den Menschen überhaupt, seine Menschenliebe, durch einen Gottesglauben aufzufüllen. Von daher verweigert er sich im Glauben seiner Selbsterkenntnis als Wesen von vollständig eigener Natur und Liebe, das erkennen darf, was es erkennen kann. Erkenntnis und Liebe sind im Hebräischen dasselbe Wort und wer vom "Baume der Erkenntnis" gegessen hat, der hat im Wesentlichen auch die Welt der Götter überwunden, ihre unbestimmbare Schöpfungsallmacht ad absurdum geführt, weil er seine eigene Natur verwirklicht hat, die Natur, die sie ihm nicht lassen können. Nur deshalb hat er eine Erbsünde gegen sie begangen. Jesus ist am Kreuz nicht "für die Menschen" gestorben, weil er die Menschen geliebt hätte, sondern weil er ihre Liebe durch sich vergöttlichen wollte. Er trieb die Erbsünde dadurch in die Wesensnot ihrer Liebe, dass er sie von der Erbsünde "befreien" wollte, durch sein Leiden Gottes Allmacht über alle menschlichen Leidenschaften stellen, ihr wirkliches Leben zu ihrer Sünde herabsetzen und damit sie letztlich in einem ohnmächtigen Leiden zur Selbstlosigkeit zwingen und verabsolutieren wollte. Er hat eine Religion gestiftet, die ihr Unglück in ihrem wirklichen Leben zum Urteil gegen sie gewendet, ihre wirkliche Liebe zur Versündigung gegen Gott isoliert und entmenschlicht hat. Wer nicht in Gottesliebe lebt, ist für Gott verloren, weil er auf seine Selbsterkenntnis gestoßen ist. Wer durch Gott lebt, erscheint sich hiergegen seines Geistes versichert, weil er in seiner Moral im Glauben an Gott verewigt, unendlich selbstgerecht sein kann, übermenschliches Menschenrecht zum Maß seiner Beziehungen auf Menschen macht. Der Glaube an die liebende Allmacht Gottes ist seit jeher ein mächtiges Instrument für die Herrschaft der bestehenden Verhältnisse wo sie wesentlich nur als Kultur verstanden werden. Denn im Glauben erscheinen deren Gegebenheiten als übermenschlich fortbestehende Wesenhaftigkeit des Gebotenen - und also als Gebote unendlicher Sinnhaftigkeit in Sinnverheißungen. Damit wusste Martin Luther besonders gut umzugehen, indem er den Aufstand der unterdrückten Menschen seiner Zeit, den Bauern, auflöste, indem er sowohl die Güte des Glaubens wie auch dessen Macht gegen sie zu vereinigen verstand. Er verlangte ihre Unterwerfung aus Liebe zu Gott. Darin kommt die Macht des Glaubens auch wirklich zum tragen. "Luther hat ... die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er hat den Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens restauriert hat. Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von der äußeren Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum inneren Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emanzipiert, weil er das Herz an die Kette gelegt." (MEW 1, S. 385f) Darin klärt sich von selbst der Spruch auf, warum "der Glaube Berge versetzen" kann.
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