"Nur das unverstellte Grauen ist das verklärte, und nur 'als ästhetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt' (Nietzsche, "Die Geburt der Tragödie", WW I, S. 40)" (S.117). Das Grauen ist allmächtig, weil es ausschließich ist und zugleich nichts ausschließt. Es ist Leben und Tod in Einem: Krieg schlechthin, die Wirklichkeit des Opportunimms, der eben dadurch herscht, dass er unwirklich wirkt, als unwirkliche Macht alles nichtet, allgemeine Ohnmacht erzeugt (siehe auch faschistische Ideologie). "Heinrich! Mir graut's vor dir" ruft Gretchen aus, als sie erkennt, dass sie Objekt eines Pakts von Faust mit dem Teufel geworden war. Ein Grauen ist das Gefühl einer teuflichen Macht, einer Macht, die sich nicht aus der sachlichen Wirklichkeit dieser Welt begründet, sondern aus den Abgründen ihrer Täuschungen, aus der unbestimmbaren Masse ihrer Vertauschungen. Es ist die ohnmächtige Wahrheit in Verhältnissen, worin Vertauschungen hinter dem Rücken ihrer Objekte herrschen. Und von daher ist die subjektive Wendung ihrer Gewalt die Grausamkeit von Menschen, die sich als deren Objekte subjektiv ermächtigen - zum Beispiel als Soldaten, die in einem Krieg nur noch verheizt werden und sich zum Töten getrieben fühlen (siehe auch Todestrieb). Dessen Abstraktionskraft ist die Wirkung einer antäußerten Beziehung. Sie entsteht im Trieb ihres Unfriedens in einer unbefriedigten Beziehung, die sich sinnlich verselbständigt hat, die also gewalttätig wird, wo und weil sie unsinnig geworden, wo sie substanziell außer sich geraten ist und im Trieb ihrer wesentliche Lebensäußerung entstellt und in ihrer Entstellung entstellt sit, die sie verrückt macht. Die allgemeine Voraussetzung für das Entstehen des Zeit ist eine abgetötete Wahrnehmung, die sich von ihrer sachlichen Bedingtheit nicht unterscheiden kann (siehe reaktionäres Bewusstsein). Wo selbstlose Menschen das gegen andere Menschen durchsetzen, was in ihrer sachlichen Not geborgen ist, wird jede Reaktion zu einer persönlichen Gewalt über das Selbstgefühl danderer Menschen, die hiervon abhängig sind (siehe hierzu auch erzieherische Beziehung). Die Aufhebung ihrer Anstimmung wird gerne in den Stimmungen intimer Gemeinschaften aufgehoben (siehe hierzu auch autoritärer Chararkter). Ihre "gut gestimmte" Gewalt erscheint dann allerdings auch oft im Zwangsverhalten von unterordneten Menschen, die ihre grausamen Ahnungen und mystische Stimmungen und Lebensängste darin auflösen müssen. Grau ist farblos, Resultat einer Entfärbung, Reduktion der Vielfalt auf das Einfache der Einfalt. Das Grauen ist das Gefühl einer unerkennbaren Ungeheuerlichkeit, Erinnerung des Todes, ein Wissen um eine tödliche Ungewissheit. Es ist das Gefühl einer Abstraktion, der Sinnlosigkeit des Zeitverlaufs und die Empfindung einer Aufhebung, die keine Entwicklung macht, nur noch Nichtung betreiben kann, ein Gefühl der Ausweglosigkeit der Zeit, Morgengrauen im Abendrot, die Ahnung einer Zeit, die keine Wunden heilt, sondern selbst Verwundung ist, Schmerz ohne Sinn. Es ist die Aufhebung aller Farbe zu einer Gleichgültigkeit der Ödnis, Auflösung von Sein und daher auch die Ahnung einer unendlich bestimmten Wesenlosigkeit, eines Verwesens, Untergang von Leben, Todesahnung, Todestrieb. Grau entsteht, wenn eine Farbe sich mit ihrer Gegenfarbe mischt. Und so ist auch das Grauen nicht passiv, nicht einfache Ahnung einer Tatsache, sondern Ahnung einer Tätigkeit, nicht das Bangen vor dem Tod, sondern das Erschrecken angesichts der Ungeheuerlichkeit einer Tötung, Lebensangst. Was dem Grauen an konkreter Gewissheit abgeht, das hat es allgemein als Erkenntnis von Barbarei. Und in der Erkenntnis der Gründe, die darin prozessieren lässt es sich auch zumindest im Bewusstsein gegen diese wenden, indem ihre Tautologie, als Verkehrung von Grund und Folge begreifbar werden kann, wenn ihre Regression ihren wahren Begriff bekommt. Bei Nietzsche wird das Grauen zur Rechtfertigung der Grausamkeit, die als Lebenstatsache naturnotwendig bestünde. Damit setzt er sie zwar als Stachel gegen den Unsinn bürgerlicher Eitelkeiten, zugleich aber sich als Subjekt einer Anstachelung, sich als vollendete Subjektivität. Von daher kennt er keine Objektivität hiervon. Er kennt nur die Ästhetik des Grauens, welche ein wesentlicher Teil seiner philosophischen Psychologie ist. Als Philosoph des Grauens sozialisiert er das Grauen in der Gesinnung, welche über es als Bekenntnis zum Herrenmenschen (siehe auch Übermensch) hinauswächst (siehe auch Faschismus). |
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