Wenn etwas zerbrochen ist, ist es nicht mehr heil. Als Gedanke eilt es seiner Wiederherstellung voraus. Vom Standpunkt eines Unheils ist das Heil die Vorstellung seiner Aufhebung als ein Teil im Großen und Ganzen. Vom Standpunkt seines Mangels ist das Heil die Vorstellung einer Überwindung seiner Gebrochenheit, von seinem isolierten Dasein im abstrakten Zusammenhang voneinander getrennter Teile. Deren Abstraktionskraft ist die Wirkung einer antäußerten Beziehung. Sie entsteht im Trieb ihres Unfriedens in einer unbefriedigten Beziehung, die sich sinnlich verselbständigt hat, die also gewalttätig wird, wo und weil sie unsinnig geworden, wo sie substanziell außer sich geraten ist und im Trieb ihrer wesentliche Lebensäußerung entstellt und in ihrer Entstellung entstellt sit, die sie verrückt macht. Vom Standpunkt eines Vorhabens ist das Heil die Vorstellung einer geglückten Ausführung (z.B. Petri Heil). Das Heil ist überhaupt die Vorstellung eines geglückten und gesunden Lebens, die Vorstellung von einem Ganzen, das Ungebrochen und mächtig alle seine Widerspüche in sich aufgehoben hat und ihnen gedanklich also durch Vorbildliches (Heiliges) als Erwartung eines glücklichen Endes entgegengehalten wird. Das Wesen des Heils ist das Positive schlechthin, die Position einer fiktiven Ganzheit, eines Unwesens, ganz gleich was es in Wirklichkeit auch sonst noch sein mag: Der Positivismus. Krankheit, Elend, Siechtum, Verwahrlosung, Barbarei und jede andere Gestalt von Schmerz hat Gründe, die oft nicht unmittelbar erkennbar sind (siehe praktisches Bewusstsein) und die dann ohne näheres Eingehen auf die einzelne und allgemeinere Geschichte nicht begriffen werden können. Ohne die Kenntnis und Erkenntnis ihres wirklichen Gehalts entsteht aus ihrem fort getriebenen Prozess eine immer abstrakter werdende Notwendigkeit der Veränderung. Aus der Vorstellung eines heilen Zustands entsteht eine Heilsvorstellung. in der alles als schön und gut gilt. Und mit dieser wird das Leben zur Hoffnung auf Erlösung, bestimmt, zum Prinzip einer Hoffnung auf Auflösung aller Schmerzen. Diese schlechte Negation kehrt sich von wirklicher Veränderbarkeit, von einer Heilung im Sinne von Wachstum, Erneuerung und auf sich selbst kommen (siehe Revolution) ab und wendet sich durch den Begriff des Heils zur Behauptung eines reinen glücklichen Andersseins, zur Lösung und ihrem finalen Prinzip, zur Endlösung schmerzhafter Existenz, zur Selbstbehauptung durch Selbstveredelung. Es ist die Ablösung von jedem Grund und daher auch von jeder Begründung durch ein Wissen, also Propaganda für das Ungewisse, dessen Inhalt selbst nicht mehr wirklich sein kann und daher meist seelischer Natur ist. Wo etwas unheil, also beschädigt ist, da ist es nicht mehr ganz. Das Ganze kann nicht sein, weil es unheil ist, nicht funktioniert und daher auch ein Unheil darstellt. Heil ist die Vorstellung einer funktionierenden Ganzheit, in der die Teile eingegliedert sind, selbst wenn sie nicht wirklich existieren oder als Teile sogar unvorstellbar sein können. Das Heil ist also auch ein Begriff für das Ganze, das unteilbar ist oder als unteilbar behauptet wird. Alle Ideologien enthalten die Vorstellung einer abgeschlossenen Ganzheit (z.B. die Freiheit an sich), die nicht bestimmt und auch nicht bestimmbar ist. Das Heil ist der Inbegriff einer Glücks-Ideologie, die sich gegen das Unglück der Wirklichkeit wendet und daher selbst gegen dessen Wahrnehmung sich stellt. Wieweit ihr das gelingt, hängt davon ab, wie das Unglück im konkreten Leben eines Menschen gegenwärtig ist oder die Seele selbst schon dessen Aufhebung konkret betreibt, also in seelischer Gestalt wahrmacht, was sie nicht mehr wahrhaben kann. Weil durch die Ideologie des Heils Wirklichkeit gleichgeschaltet, also gleichgültig gemacht ist, dient der Begriff des Heils auch als Leitmotiv von Gesinnungsbewegungen, die darin ihren Zusammenschluss und ihre Geschlossenheit betonen oder propagieren, um neue Wirklichkeit politisch zu bestimmen. Als Zielvorstellung solcher Bewegungen wird der Heilsgedanke eine Heilsvorstellung von Politik, welche notwendig einem Willen der Macht folgt. Praktisch entsteht das Prinzip des Heils aus einem notwendigen Verlangen in der Zerstörung von bestehenden Verhältnissen, aus ihrer Paralyse, die zur Überlassung jeder Macht zwingt, die deren Auflösung verspricht (siehe Vernichtungslogik). Solche Macht begründet sich poltisch allerdings nicht mehr durch wirkliche Verhältnisse, sondern durch Urteile und Aburteilung nach Begriffen einer Lebenssophistik. Letztlich ist es die Sortierung des Lebens selbst, um die es im Heilsgedanken geht. Seine finale Konsequenz ist daher der NS-Begriff des "lebensunwerten Lebens", aus dem als konsequente Praxis die Euthanasie der Kranken und Verkrüppelten vom obersten Arzt der NS, Karl Brandt, entwickelt wurde. | ![]() |