Wenn etwas zerbrochen ist, ist es nicht mehr heil. Als Gedanke eilt es seiner Wiederherstellung voraus. Vom Standpunkt eines Unheils ist das Heil die Vorstellung seiner Aufhebung. Vom Standpunkt eines Mangels ist das Heil die Vorstellung seiner Überwindung. Vom Standpunkt eines Vorhabens ist das Heil die Vorstellung einer geglückten Ausführung (z.B. Petri Heil). Das Heil ist überhaupt die Vorstellung eines geglückten und gesunden Lebens, die Vorstellung von einem Ganzen, das Ungebrochen und mächtig alle seine Widerspüche in sich aufgehoben hat und ihnen gedanklich also durch Vorbildliches (Heiliges) als Erwartung eines glücklichen Endes entgegengehalten wird. Das Wesen des Heils ist das Positive schlechthin, die Position einer fiktiven Ganzheit, eines Unwesens, ganz gleich was es in Wirklichkeit auch sonst noch sein mag: Der Positivismus. Dessen Abstraktionskraft ist die Wirkung einer antäußerten Beziehung. Sie entsteht im Trieb ihres Unfriedens in einer unbefriedigten Beziehung, die sich sinnlich verselbständigt hat, die also gewalttätig wird, wo und weil sie unsinnig geworden, wo sie substanziell außer sich geraten ist und im Trieb ihrer wesentliche Lebensäußerung entstellt und in ihrer Entstellung entstellt sit, die sie verrückt macht. Wo aus einem Unheil heraus kein Weg führt, weil dessen Grund nicht erkannt ist, vom Standpunkt einer helen Welt auch nicht erkannt werden kann, da wird die Vorstellung von einem Zustand des Heils tragend, eine Heilsvorstellung, die nur negativ zu einem Zustand des Lebens steht, ihn zumindest geistig eröffnet, um ihn ertragen zu können, seine Isolation zu durchbrechen. Die Heilsvorstellung ist eine Hoffnung aus dem Jenseits dessen, was zu, was verschlossen ist, ohne dieses je gekannt oder erkannt zu haben.. Eine Heilsvorstellung ist also die Vorstellung von einem heilen Zustand, in welchem alle Negativität dieser Welt aufgehoben ist indem alles als schön und gut gilt, letztlich als Vorstellung einer heilen Welt. Sie gründet zum einen auf einem Erlösungsgedanken, welcher auch den meisten Religionen unterlegt ist, zum anderen auf einem Ideal, das sich aus den Mängeln von Wirklichkeit ableitet und sich darin notwendig ergeben soll. Letzteres macht die Sophistik aus, welche von der beständigen Unangemessenheit der Realität gegen ihren idealisierten Begriff ausgeht. Wo Sophistik mit Religion verschmilzt oder selbst religiös wird, da verwirklicht sie sich als Sekte. Heilsvorstellungen können sich in einer Menschenmasse als Sehnsucht nach einem Heil des Volkes auch als eine durch die Masse erregte Selbststimmulation wahr machen, die konkreten Sinn dadurch erlangen, dass sich Menschen in ihrer bloß massenhaften Anwesenheit erlöst fühlen gegen die Wirklichkeit und von ihr (siehe auch Sekte). Ohne eine Vergemeinschaftung von Menschen kann eine Heilsvorstellung nichts anderes als irgendeine Phantasie sein; durch sie aber wird sie zur Richtung für eine Masse, die gegen die Erfahrung von Elend und Sinnlosigkeit ihnen abstrakten Sinn gibt und hieraus Kraft schöpft. Dieser Sinn vermasst sich zu einer Wirkung, die nur aus der Masse kommt und daher von Propagandisten und Populisten genutzt wird. | ![]() |