"Ja, renn nur nach dem Glück "Der Weg nach dem Sinn ist der Sinn des Wegs“(Morgenstern, Christian: Tagebuch eines Mystikers, in: Werke, III, München 1979, S. 77). Identitätsbildung setzt voraus, dass Identität nicht ist, dass es etwas gibt, was identitätslos, was nichtig ist. Doch dieses gibt es nur in der Negation, also durch die Abwesenheit von dem, was eben wesentlich nicht da ist und sie sucht gegen dieses abwesende Dasein, gegen die Langeweile Anwesenheiten zu finden, die für ihre Empfindungen einverleibt und dadurch als Identität stiftend wahrgenommen werden können. Doch aus dem Nichts heraus entsteht keine Bildung, sondern ein unumstößlicher Trieb, der sich durch Einverleibungen von Erlebnissen befrieden kann. Von daher handelt es sich bei dem, was mit Identitätsfindung bezeichnet sein soll, um das Gegenteil von dem, was dabei besprochen wird: Um einen Verlust der Selbstwahrnehmung, der zu Ereignissen treibt, die das Verlusterleben jenseits der Wahrnehmung durch eine leibliche Wiederholung seines Erlebens wahrnehmbar macht und also auch Wahrnehmung vergegenwärtigen kann, die in der Erinnerung untergegangen war. Daraus erklärt sich die Gewalt des getriebenen Strebens, die nicht aus dem Nichts kommt, sondern aus dem Vakuum, das in der Wahrnehmung durch eine ganz wesentliche Bedrohung oder Verletzung und Schmerz entstanden war und verdrängt wurde (siehe auch Trauma). Identität unterstellt Gegensätze (siehe Dialektik), ist die Vorstellung von der Einheit einer entzweiten Beziehung, die aus einer Entfremdung heraus zu sich, zu ihrem eigentlichen Wesen findet (siehe auch Eigentlichkeit). Sie ist die Idee einer Reinheit, eines sich selbst schon wesentlichen Gleichseins und Gleichbleibens und wendet sich gegen eine Abtrennung des Eigenen durch etwas Fremdes, gegen das Auseinanderfallen einer somit unterstellten Ganzheit (siehe auch identitäres Denken), die sich durch Aneignung des fremden wiederherstellen ließe (siehe hierzu auch Fremdenfeindlichkeit). Von daher ist Identität ein Begriff der Konservative, da er das Bestreben formuliert, sich aus den Widersprüchen der Wirklichkeit herauszunehmen bestrebt sind (siehe hierzu auch heile Welt). Identität wird von daher als substanzielle Einheit der Gegensätze eines widersprüchlichen Verhältnisses verstanden, aber auch ideell (siehe Ideologie) als persönliche Einheit gegen einen Bruch der Selbstverwirklichung, gegen eine Gebrochenheit der Selbstwahrnehmung im Leben gefordert, die als ein Auseinanderfallen erlebt wird. Im Selbsterleben erscheint dies als Verlust einer heilen Ganzheit, als ein Schmerz einer Gespaltenheit (siehe hierzu auch Trauma), der einer inneren Trennung entstammt und als Verlangen fortbesteht, die Zerteilung zu einer subjektiven oder objektiven Einheit aufzuheben (siehe hierzu auch identitäres Denken). Von Identitätsbildung wird gerne gesprochen, wo man sich nicht eins mit sich ist, sich "identitäslos" findet und sich hieraus die eigene Selbstentfremdung erklärt. Damit ist ein Zweck gesetzt, sich selbst zu verwirklichen, sich wiederzufinden, ganzgleich, wiie sie entstanden war. Identitätsbildung ist das Ziel eines identitären Denkens,die Idee eines Heils, die Ideologie vom großen Ganzen. Als die Ideologie einer Heilung verfolgt sie die Vorstellung von einer heilen Welt, mit der sich Widersprüche und Bewschwernisse der eigenen Lebenswelt allgemein auflösen lassen sollen, die Gebrochenheiten der eigenen Peraönlichkeit oder der Welt durch die Versöhnung ihrer Gegensätze zu überwinden, indem ihnen eine Einheit im Autoritativen einer Totalität, ein Gemeinsinn, eine Rasse zugewiesen wird, die durch eine Verblendung, durch die Reize der Moderne nicht erkannt ist, die durch eine starke Selbstbehauptung abgewießen und bekämpfbar sei. Wo ein Ganzes auseinanderfällt und in isolierte Teile auseinanderstrebt, scheint dies durch eine Identitätsbildung der eigenen Persönlichkeit,aufzuhalten sein. Das ist das Ziel von autoritären Charakteren, die sich aus ihrer Selbstgerechtigkeit heraus als Überwinder des Übels, zum Helden einer Erlösung veredeln wollen. Doch das ist der Irrtum eines totalitären Denkens, das völlig wesenlos ist und sich nur selbst für wesentlich halten kann. Es entgeht seinem Selbstverlust über das Geltungsstreben einer Selbstüberwindung, durch die Selbstlosigkeit des eigenen Wirkens gegen den Verblendungszusammenhang einer fremden Wirklichkeit und Macht, durch die alles Wesentliche auseinandergetrieben wird. Identitätsbildung ist die Sehnsucht einer Vereinzelung die sich durch sich selbst aus ihrer Isolation überheben, sich selbst allgemein machen will und in einer voraussetzungslosen Gemeinschaft der Verallgemeinerungen unter prominenten Persönlichkeiten sich wiederfinden, sich darin reflektieren und wieder erkennen und darin vor allem sich selbst empfinden will, indem sie sich ihr selbst im Allgemeinen voraussetzt (siehe auch Egomanie). Es geht dabei im Grunde nur um die Macht einer allgemeinen Selbstwahrnehmung, die in der Kraft einer verallgemeinerten Selbstverwirklichung zu einem Selbstgefühl einer mächtigen Kultur verweltlicht werden soll (siehe auch Kulturstaat). Es ist die Auflösung der Getriebenheiten des Kleinbürgers, der sich selbst aus seinen Widersprüchen herausstellen will. Nichts kann die Abstraktionskraft eines solchen Triebes aufhalten, solange die zugrunde liegende und treibende Abstraktion nicht durch konkrete Beziehungen aufgelöst wird. Da erscheint es nötig, sich in einer strukturellen Identität zu finden, eine Identität durch bestimmte Maßnahmen oder Arrangements oder sogar durch Politik zu erwerben. Aber damit kann im Grunde nur eine Selbsttäuschung betrieben werden. Das Wesen solcher Probleme wäre eher durch die Frage zu erhellen, warum man keine Empfindung für sich hat, warum die eigene Wahrnehmung nur noch ästhetischen Absichten zu folgen scheint und nur noch darin zu begreifen wäre. Denn Identitätsfindung ist eigentlich ein Widersinn in sich (siehe auch identitäres Denken): Wie kann ich etwas finden, was ich nur selbst sein kann und also nirgendwo zu suchen habe? Identitätsfindung gibt es so wenig, wie es Identität gibt, so als gäbe es eine unmittelbare Selbstgewissheit. Man findet sie nur dort, wo Identität äußerlich, also im Widerspruch vermittelt, ein Unding ist: Im Selbstgewinn. Identitätsfindung ist daher ein Begriff für die Suche nach Mitteln und Vermittlung eigener Identität, also der Prozess eines Selbstverlustes, der sich in Selbstgewinn umzukehren sucht. Dieser kann auch die Umkehrung einer Identitätsangst sein.
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