»Ist die Konstruktion der Zukunft und das Fertigwerden für alle Zeiten nicht unsere Sache, so ist desto gewisser, was wir gegenwärtig zu vollbringen haben, ich meine die rücksichtslose Kritik alles Bestehenden, rücksichtslos sowohl in dem Sinne, daß die Kritik sich nicht vor ihren Resultaten fürchtet und ebensowenig vor dem Konflikte mit den vorhandenen Mächten.« (Brief von Karl Marx an Arnold Ruge 1843, MEW 1, S. 344) Der Ausdruck „Kritik“ leitet sich ab aus dem griechischen Wort „krinein“, was soviel bedeutet wie „unterscheiden“, „prüfen“, „beurteilen“. Dialektische Kritik wendet sich gegen die Vereinigung von Form und Inhalt der Anschauung und unterscheidet sie über ihre Formbestimmungen, um sich gegen die abstrakte Macht ihrer Wirklichkeit als Macht der Abstraktionen (siehe hierzu Realabstraktion) zu emanzipieren. Das macht es notwendig, die hiervon beherrschten Inhalte zu verwirklichen, sie aus fremder Macht zu befreien (siehe Entfremdung). Sie folgt der inneren Notwendigkeit einer eigentümlichen Wahrheit, muss sich aus dem Doppelcharakter ihrer Wirklichkeit heraussetzen und deren Sinn finden, gegen abgetötete Wahrnehmungen ihre wahre Wirklichkeit empfinden. "Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt." (MEW 1, S. 379) Weder als Negation noch als Position kann eine Kritik durch sich selbst wesentlich sein. Sie steht immer im eigenen praktischn Zusammenhang mit ihrem körperlichen Dasein in ihrer Wirklichkeit. "Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, d. h. die Wirklichkeit und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen." (siehe 2. Feurbachthese) Kritik ist eine Notwendigkeit der Selbsterkenntnis, soweit sich diese in ihrer Selbstwahrnehmung verliert, soweit ihr Erkenntnisvermögen im Zweifel steht und zum Selbstzweifel wird. Aus diesem begründet sich das Erkenntnisinteresse nach einer sinnlichen Gewissheit. Denn das Erkenntnisinteresse eines Menschen ist nicht einfach nur Neugier oder das Bedürfnis, etwas erklären oder aufklären zu können. Kritk ist nötig, wo inhaltliche Beziehungen von den Formbestimmungen ihrer Verhältnisse beherrscht werden. Sie sucht ihre Emanzipation gegen formelle Macht und Gewohnheiten. Deshalb verhält sie sich selbst schon unmttelbar praktisch zu den Inhalten ihres organischen Wesens, ihrer Natur und folgt der Notwendigkeit des Begreifens, das Begreifen-Müssen von Widersinnigkeiten, die das Erkenntnisvermögen einer sinnlichen Gewissheit des Menschn in Frage stellen, die er aus sich als Widerpruch seiner Wahrnehmung heraussetzen muss, indem er sich in die Lage versetzt, sie auch wirklich zu kritisieren, deren abstrakte Wahrheit zu konkretisieren, gegen ihre Verkehrungen zu verkehren und in ihre substanzielle Wahrheit zu wenden. Solche Kritik wird dem Menschen die Auflösung seiner Widersprüche und die seiner Verhältnisse ermöglichen und befähigen, aus einer abstrakt menschlichen Gesellschaft sich zu einer konkreten Gesellschaft der Menschen zu entwickeln, indem er die ihren inhaltliche Beziehungen adäquate Form findet und damit ihre Formbestimmung unterläuft und bekämpften kann. Von daher ist es auch möglich, in den Widersinnigkeiten der Wirklichkeit eine besonderte Vernunft zu erschließen und deren Unvernunft in eine vernünftige Form zu bringen. "Die Vernunft hat immer existiert, nur nicht immer in der vernünftigen Form. Der Kritiker kann also an jede Form des theoretischen und praktischen Bewußtseins anknüpfen und aus den eigenen Formen der existierenden Wirklichkeit die wahre Wirklichkeit als ihr Sollen und ihren Endzweck entwickeln. Was [aber] nun das wirkliche Leben betrifft, so enthält grade der politische Staat, auch wo er von den sozialistischen Forderungen noch nicht bewußterweise erfüllt ist, in allen seinen modernen Formen die Forderungen der Vernunft. Und er bleibt dabei nicht stehn. Er unterstellt überall die Vernunft als realisiert. Er gerät aber ebenso überall in den Widerspruch seiner ideellen Bestimmung mit seinen realen Voraussetzungen." (MEW 1, S. 345) Solche Kritik entsteht in der Notwendigkeit, die Wahrheit seiner Wahrnehmung zu finden und zu erkennen. In der kritischen Beziehung auf eine Widersinnigkeit, ist immer ein Grund zu ent-decken, der in dem was da ist, abwesend zu sein scheint und den man in seiner Begriffsbildung entdeckt und der erkannt werden kann, indem man Ungewisses durch seinen Begriff aus der Wahrnehmung heraussetzt und mit dem hieraus gebildeten Verstand aufzuheben versteht. In dieser Notwendigkeit schon unterscheidet sich aber das Erkenntnisinteresse von der wirklichen Beziehung des Wissens auf seinen Gegenstand, in einem Bewusstsein also, das ihm aus bisheriger Wissensbildung zu eigen ist und dem es vor aller Erkenntnis solange folgt, wie es durch diese nicht in Zweifel gestellt wird. Kritische Gedanken mögen auch schon als Gedankenwesen erhellend sein, finden ihre Wahrheit aber erst in der Analyse der Lebenswirklichket, der sie entsprungen sind und auf die sie sich beziehen und worin sich auch Täuschungen über Identität und Nicht-Idntität von Gegensätzen (siehe Dialektik) durch ihren offen gelegten Widersinn erklärlich machen. Dialektik kann nicht von einer äußerlichen Identität ausgehen ohne selbst in ein identitäres Denken zu geraten. Gegensätze lassen sich mit der Erkenntnis der Täuschung weder von ihrem Sein abtrennen noch darin aufheben. Ein Begriff kann lediglich eine abtrakte Identität an seinem Gegenstand beschreiben und somit deren Verallgemeinerung kritisieren. Und von daher kann begriffliches Denken auch nur in seiner Wirklichkeit wahr oder unwahr sein wenn es auch wirklich kritisch ist (siehe auch Logik). Es formuiert jeder Begriff immer schon Gedanke und Wirklichkeit in einem, bringt Wirklichkeit auf ihren Begriff um ihren Widerspruch praktisch und also körperlich aufzulösen, er kann auch Täuschung sein, wo er das Wesen der wirklichen Verhältnisse selbst nur zum Schein aufklärt und dort in seiner schlechten Unendlichkeit unendlich wirksam, in eine leibhaftige Tautologie gerät (siehe auch Scheinwelt). Kritik setzt Zweifel voraus und arbeitet gegen ihre Verzweiflung, indem sie sich durch ihren Verstand hiervon zu unterscheiden, sich aus ihm herauszusetzen beginnt, um aus dem Herausgesetzt-Sein, aus einem bloßen Zweifel eine Veränderung, ein anderes Dasein zum Objekt ihrer Erkenntnis zu machen (siehe hierzu auch Dialektik). Um sich hierzu als Subjekt zu verhalten, kann Kritik zu allererst nur subjektiv und negativ zum Dasein sein, seiende Negation (siehe auch Kritische Theorie), die aber zugleich wahr sein muss und von da her als leibhaftige Position körperlich positiv da ist. Indem ich mich von etwas unterscheide, unterscheide ich dieses auch von mir und mache es zum Gegenstand meiner Erkenntnis. Subjektiv werde ich hierdurch ein anderer Mensch, weil ich mir meine Welt zum Gegenstand mache. Ich kann aber erst wirklich Subjekt werden, indem ich mein kritisches Dasein objektiviere, die Subjektivität meines Zweifels außer mir erkenne. "Größer noch als die äußern Hindernisse scheinen beinahe die inneren Schwierigkeiten zu sein. Denn wenn auch kein Zweifel über das "Woher", so herrscht desto mehr Konfusion über das "Wohin". Nicht nur, daß eine allgemeine Anarchie unter den Reformern ausgebrochen ist, so wird jeder sich selbst gestehen müssen, daß er keine exakte Anschauung von dem hat, was werden soll. Indessen ist das gerade wieder der Vorzug der neuen Richtung, daß wir nicht dogmatisch die Welt antizipieren, sondern erst aus der Kritik der alten Welt die neue finden wollen. Bisher hatten die Philosophen die Auflösung aller Rätsel in ihrem Pulte liegen, und die dumme exoterische Welt hatte nur das Maul aufzusperren, damit ihr die gebratenen Tauben der absoluten Wissenschaft in den Mund flogen. Die Philosophie hat sich verweltlicht, und der schlagendste Beweis dafür ist, daß das philosophische Bewußtsein selbst in die Qual des Kampfes nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich hineingezogen ist. Ist die Konstruktion der Zukunft und das Fertigwerden für alle Zeiten nicht unsere Sache, so ist desto gewisser, was wir gegenwärtig zu vollbringen haben, ich meine die rücksichtslose Kritik alles Bestehenden, rücksichtslos sowohl in dem Sinne, daß die Kritik sich nicht vor ihren Resultaten fürchtet und ebensowenig vor dem Konflikte mit den vorhandenen Mächten." (MEW 1, Seite 343) Indem ich diese Subjektivität in diesem Unterschied erkenne, bin ich in meiner Beziehung hierauf schon Subjekt. Denn indem das Subjekt in seiner Abgrenzung von einer ihm äußerlichen Welt seine Unterworfenheit verneint und abstreift (siehe Emanzipation), kann es sich Objektives zu eigen machen, und somit erkennen, was sein Gegenstand auch wirklich, seine gegenständliche Wirklichkeit außer sich ist. Von daher erschließt sich der Gehalt der Kritik in der Logik einer widersinnigen Wirklichkeit, die durch fremde Kraft bestimmt ist und somit deren Wirkungen zum Gegenstand einer wesentlichen Erkenntnis der wirklichen Lebensverhältnisse wird. Es ist daher zunächst nur der Kopf, der sich dazu verhalten kann, indem er seine Kritik als Theorie formuliert. Eine kritische Theorie kann nur logisch sein, weil Logik selbst die Entfremdung der Wirklichkeit erschließt. Ihre Ansage geht gegen die Reduktion und Nichtung von Wirklichkeit, gegen die Abstraktion von Wirklichkeit schlechthin: "Abstraktionen in der Wirklichkeit geltend machen, heißt Wirklichkeit zerstören." (Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie III, Werke Bd. 20, S. 331) Was dieses "geltend machen" allerdings heißen kann, hat Karl Popper dahin getrieben, jedes dialektische Verfahren selbst als unkritisch zu behaupten und sich dem Ratioalismus gegen eine Kritik der Wirklichkeit zuzuwenden: »Es kann nicht deutlich genug betont werden, daß Widersprüche sofort jede Art von Fruchtbarkeit verlieren müssen, sobald wir ... uns entschließen, Widersprüche zu dulden; sie würden dann keinen Fortschritt des Denkens mehr hervorbringen. Denn wenn wir bereit wären, Widersprüche zu dulden, könnte ihre Offenlegung in unseren Theorien uns nicht mehr veranlassen, diese zu ändern. Mit anderen Worten: Alle Kritik (die in der Herausstellung von Widersprüchen besteht) würde ihre Kraft verlieren. (...) Dies aber würde bedeuten, daß die Kritik und damit jeder Fortschritt des Denkens zum Stillstand kommen müßte, falls wir bereit wären, Widersprüche zu dulden.« (Popper in Was ist Dialektik? [1949] 1965, S. 267) Da Popper seinen Fortschritt als den seiner Vernunft ansieht, lässt er die Anerkenntnis einer widersprichlichen Wirklichkeit, also ihre unwirklichen Wirkungen nicht zu und setzt seine wissenschaftliche Vernunft dem entgegen. Das allerdings zerstört wirkliches Denken, also die Rückführung des Denkens auf das denkende Subjekt, das sich ja nur erkennen kann, wenn es sich aus der Vernunft wirklicher Widersprüche zu emanzipieren versteht. Mit seinem kritischen Rationalismus fordert er die radikale Abweisung gerade der subjektiven Erkenntnis, welche die menschliche Substanz einer Kritik ausmacht, das Interesse an der Aufhebung wirklicher Widersprüche - nicht durch die Abweisung aus dem Positivismus einer rationalistischen Wissenschaft, sondern durch menschliche Praxis, durch die praktische Veränderung des kritisierten Gegenstands. Und deshalb verfestigt seine "Kritik" vor allem die Widersprüche seiner Objekte, weil er sie - eben ganz undialektisch - schon in der Einheit seiner Methode für aufgelöst erklärt. Das macht ihn überheblich gegen jedes wirkliche Denken, das im Begreifen seiner Wirklichkeit sich nicht rein akademisch im Sinne bürgerlicher Wissenschaft, sondern vor allem praktisch begründet: »Die Dialektik entspricht (...) nicht den Anforderungen an strenge Wissenschaft (...) Auch noch in anderen Hinsichten verstößt die Dialektik gegen die Regeln guten wissenschaftlichen Benehmens: Sie kann mit einer strikten Subjekt-Objekt-Trennung nichts anfangen; sie formuliert keine Hypothesen, die empirisch verifiziert oder falsifiziert werden könnten; sie hält sich nicht an das Gebot der Widerspruchsfreiheit; sie gibt nicht an, wie ihre zentralen Kategorien zu operationalisieren seien; und sie operiert überhaupt in jeder Hinsicht auf einem hoffnungslos vorwissenschaftlichen Niveau.« (Popper, Ebenda, S. 18) Es ist ein sonderbares Verständis von Kritik, die ja schon vor der Analyse ihres Gegenstands sich abgeschlossen und abgeschottet gibt - eben als Operator der herrschenden Vernunft. Die marxistische Analyse ihrer Widersprüche in der Wirklichkeit als Grundlage aller Prognosen ist der schlagende Beweis, dass die Verifikation von Vorstellungen über sie durch die empiristische Bestätigung ihrer Hypothesen nur der Bestätigung ihrer Herrschaft dienen können. Aussagen über ihre Entwicklung lassen sich aber gerade aus der Erkenntnis ihrer widersprüchlichen "Vernunft", aus der Logik dieser Widersprüche vom Subjekt und Objekt der Geschichte als substanziellen Grundlagen ihrer Wahrheit, als ihre Begriffssubstanz erschließen. Inzwischen beweist die Empirie des Kapitals längst an fast jedem Ort der Welt, dass der Widerspruch des Geldes, sein Widerspruch als Objekt wie Subjekt der Märkte zwischen seinem Dasein als Wertmaß und Maßstab der Preise, sein Widerspruch zwischen Wertbildung und Preisbildung (siehe auch Wertwachstum und Wirtschaftswachstum) die ganze Geschichte des Kapitalismus bis heute noch bestimmt. Popper hatte mit seinem "kritischen Rationaismus" einfach nur den Menschen "vergessen", den Widerspruch seiner Lebensäußerung in seinen gesellschaftlichen Verhältnissen, seine objektive Subjektivität, seine Selbstentfremdung unterschlagen. Denn schon durch ihr theoretisches Bewusstsein ist Kritik immer auch ein Akt der Selbsterkenntnis. Erst indem ich etwas kritisiere, setze ich es ja nicht einfach nur wie etwas mir völlig Fremdes aus mir heraus, sondern ich erkenne vor allem meine Beziehung hierzu, werde mir erst hierdurch meiner selbst gewahr. Und wie ich darin für mich wahr werde, kann jeder Mensch für sich wahr werden, wenn Kritik wahr ist, wenn kritische Theorie sich verwirklicht, materiell wird, indem sie die Täuschungen der wirklichen Verhältnisse analysiert und ihre Erkenntnisse so subjektiv mitteilt und vermittelt, wie sie objektiv sind. "Die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift. Die Theorie ist fähig, die Massen zu ergreifen, sobald sie ad hominem <am Menschen> demonstriert, und sie demonstriert ad hominem, sobald sie radikal wird. Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst. Der evidente Beweis für den Radikalismus der deutschen Theorie, also für ihre praktische Energie, ist ihr Ausgang von der entschiedenen positiven Aufhebung der Religion. Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." (MEW 1, Sie 385) Der Umsturz durch die Kritik verächtlicher Lebensverhältnisse ist kein Krieg, kein Kampf äußerlicher Gewalten, auch wenn er zur Verteidigung gezwungen sein kann. Er geschieht subversiv in den Verhältnissen selbst, in denen Kritik wahr wird, denn er begründet sich in der Verachtung solcher Verhältnisse, die allerdings nicht schon dadurch aufgehoben sind, dass sie kritisiert werden. Auch wenn ich z.B. Geld kritisiere, bin ich nicht von ihm befreit, habe ich Geld immer noch nötig, um in einer bestimmten Gesellschaft existieren zu können. Aber im Heraussetzen eines Gegenstands wird Kritik zum Wissen eines fremden Gegenstands und ist von daher notwendig zur Bildung von Bewusstsein, das Wissen um eigenes Sein und Entfremdung zugleich, als Traum vom Wesen einer Sache, die nicht wirklich sein kann, weil und solange ihre Wirklichkeit unwirklich ist: "Es wird sich ... zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen. Es wird sich zeigen, daß es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, daß die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zustande bringt." Kritik hat nichts mit der Verweigerung einer Bezugnahme zu tun, hat nichts äußerliches, sondern kann nur innerhalb einer Beziehung wahr sein. Alles andere wäre bloße Abweisung. Kritik ist also zunächst die Selbstunterscheidung in einer Beziehung, die Bedingung, dass diese zu einem Verhältnis wird. Sie erkennt den Unterschied des Bezogenen und kann sich daher als Moment seiner Dialektik verhalten - allerdings vor allem dadurch, dass sie auch Äußerlichkeit für sich erkennt, das Äußerliche als verkehrtes Innere weiß. So erkennt Kritik in der Selbständigkeit von Gegebenheiten das darin Verkehrte, die Verkehrung, in welcher die Natur seiner Beziehung auch verkehrt erscheint, also als Form ihres Inhalts entzogen (abstrahiert) und daher fremde Form ist. In dieser Formbestimmung wird die Wesenskraft der eigenen Natur als Substanz einer fremde Kraft erkannt und in dieser Entfremdung kritisiert. Ohne Erkenntnis dieser Entfremdung wird das fremde um so mächtiger, wie es dadurch zugleich bestätigt ist, wie es also selbst Wirkungsmacht über das Subjekt durch die Gedankenabstraktion gewinnt, von der es kritisiert wird, indem das Unwesentliche darin wesentlich wird, die verkehrten Äußerungen der Kritik von ihrer Subjektivität enthoben, von ihrem Inhalt abgetrennt werden. Kritik wird dann selbst zum Mittel der Abstraktion, für sich unendlich und zur Selbstvernichtung bestimmt. "Es gibt kein kritischeres Mittel, um die verkehrten Äußerungen einer menschlichen Wesenskraft loszuwerden, als die Vernichtung dieser Wesenskraft. Es ist dies das christliche Mittel, welches das Auge ausreißt, wenn das Auge Ärgernis gibt, die Hand abschlägt, wenn die Hand Ärgernis gibt, mit einem Wort, den Leib tötet, wenn der Leib Ärgernis gibt, denn Auge, Hand, Leib sind eigentlich bloß überflüssige, sündige Zutaten des Menschen. Man muß die menschliche Natur totschlagen, um ihre Krankheiten zu heilen. Auch die massenhafte Jurisprudenz, mit der kritischen hierin übereinstimmend, findet in der Lähmung, im Paralysieren der menschlichen Kräfte das Gegengift gegen die störenden Äußerungen dieser Kräfte." (Marx in MEW 2, 188f) Anders ist die Kritik eines äußeren Ganzen. Diese erkennt einen qualitativ andren Unterschied, nämlich den zu einer Fremdbestimmung, die Formbestimmung einer äußeren, einer fremden Macht. Es ist nicht einfach die Erkenntnis eines Unterschieds von Eigenem und Fremdem, sondern die Erkenntnis eines fremd bestimmten Seins. Verhalten zu Fremdem wird in dieser Kritik daher auch als Verhalten der Entfremdung erkannt, als Befangenheit in entfremdeten Verhältnissen. Indem Kritik an die Bestimmung der Fremdheit gelangt, wird sie zum Bewusstsein der Entfremdung, dem Wissen, dass ich mich nicht menschlich zur kritisierten Sache verhalten kann, weil sich die Sache nicht sachlich zu mir, also nicht als meine Sache verhält. Die Sache erscheint dann dem Menschen so selbstverständlich, wie die Selbstverständlichkeiten unmenschlich sind. Als solche sind sie nurmehr etwas für den Menschen Notwendiges. Kritik setzt also den Zweifel voraus, das etwas so ist, wie es erscheint. Das Selbstverständliche ist nur dann kritikabel, wenn es sich nicht von selbst verstehen lässt, wenn Menschen also ihre Fragen hierzu haben. Zugleich ist Kritik ein Bezug auf dieses, keine Abwesenheit von ihm und keine Abweisung von Bezogenheit. Sie setzt das Kritisierte auseinander, indem sie sich mit ihm auseinandersetzt. Kritik ist eine Auseinandersetzung über die Wahrheit dessen, was selbstverständlich erscheint, aber für den Kritiker nicht selbstverständlich sein kann, weil es ihm nicht wesentlich so ist, wie es erscheint. Was an ihm ist, ist nicht für ihn. Er ist in der Frage nach dem Wesen dessen, was ihm kritikabel erscheint und von daher die Voraussetzunmg einer Analyse. So kann z.B. die Kritik der politischen Ökonomie nicht die bloße Abweisung von Ökonomie sein, wohl aber die Kritik von politischen Funktionen der Ökonomie, die Auseinandersetzung einer Ökonomie, die politisch agiert. |
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