"Außer durch dies rein physische Element ist der Wert der Arbeit in jedem Land bestimmt durch einen traditionellen Lebensstandard. Er betrifft nicht das rein physische Leben, sondern die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse, entspringend aus den gesellschaftlichen Verhältnissen, in die die Menschen gestellt sind und unter denen sie aufwachsen. Der englische Lebensstandard kann auf den irischen Standard herabgedrückt werden; der Lebensstandard eines deutschen Bauern auf den eines livländischen. Welche bedeutende Rolle in dieser Beziehung historische Tradition und gesellschaftliche Gewohnheit spielen, könnt ihr aus Herrn Thorntons Werk von der "Overpopulation" ersehn, wo er nachweist, daß der Durchschnittslohn in verschiednen Ackerbaudistrikten Englands noch heutigentags mehr oder weniger bedeutende Unterschiede aufweist je nach den mehr oder minder günstigen Umständen, unter denen die Distrikte aus dem Zustand der Hörigkeit herausgekommen sind." (Karl Marx, Lohn, Preis und Profit, MEW 16 Seite 148) Im Lebensstandard stellt sich das Potenzial der Reproduktion einer allgemein gewordenen Kultur der gesellschaftlichen Naturmacht im Verhältnis ihrer Lebensnotwendigkeiten (siehe auch Lebenspflicht) und Lebensgewohnheiten dar. Darin äußert sich die allgemein gewordene Reichhaltigkeit der Lebensmöglichkeiten zu einer bestimmten Zeit im Lebensraum einer bestimmten Gesellschaft (siehe Reichtum), wie sie im allgemeinen Lebensalltag durch die bisherige Geschichte der Reproduktion bereits mit deren Existenzwert erreicht wurde. Er besteht aus den sachlich gegebenen Gewohnheiten und Zusammenhängen einer gesellschaftlichen Produktivität, welche die Lebensverhältnisse zwischen Arbeit und Konsum aufrecht erhalten und als gesellschaftlichen Organismus ohne Not existieren lassen kann. Alle Aufwände hierfür sind daher Not-wendig und alle darüber hinaus bilden neue Grundlagen für künfigen Reichtum, ganz gleich ob dieser natürlich als kulturller Reichtum von Sinn und Nutzen oder durch den Wert einer unbezahlten Arbeit in Geldform existiert. Im Reichtum unterscheiden sie sich allerdings grundlegend in ihrer gesellschaftlichen Bezogenheit darin, ob sie notwendig zum Erhalt des Gegebenen, Produkte einer notwendigen Arbeit als bezahte Arbeit (Lohnarbeit) sind oder seiner Bereicherung als Mehrwert aus einer unbezahlten Arbeit für ein Mehrprodukt nützen. Es war beispielsweise zwar sehr nützlich aber nicht notwendig, eine Dampfmaschine oder einen Computer zu erfinden. Es war einfach unter bestimmten Bedingungen wirtschaftlich und von daher in einem bestimmten Lebensraum nützlich und förderlich. Nachdem das aber in die gewöhnlichen Lebenszusammenhänge eingeführt ist, ensteht eine Not, wenn der gesellschaftliche Lebenszusammenhang eines bestimmten Leebensstandards nicht funktioniert, weil ihm notwendige Produkte abgehen. Von daher unterscheidet sich notwendige Arbeit und die nützliche Arbeit für gesellschaftliche Entwicklung und Fortbildung. "Die Summe der Lebensmittel muss ... hinreichen, das arbeitende Individuum als arbeitendes Individuum in seinem normalen Lebenszustand zu erhalten. Die natürlichen Bedürfnisse selbst, wie Nahrung, Kleidung, Heizung, Wohnung usw., sind verschieden je nach den klimatischen und anderen natürlichen Eigentümlichkeiten eines Landes. Andererseits ist der Umfang sog. notwendiger Bedürfnisse, wie die Art ihrer Befriedigung, selbst ein historisches Produkt und hängt daher großenteils von der Kulturstufe eines Landes, unter anderem auch wesentlich davon ab, unter welchen Bedingungen, und daher mit welchen Gewohnheiten und Lebensansprüchen die Klasse der freien Arbeiter sich gebildet hat. Im Gegensatz zu den anderen Waren enthält also die Wertbestimmung der Arbeitskraft ein historisches und moralisches Element. Für ein bestimmtes Land, zu einer bestimmten Periode jedoch, ist der Durchschnitts-Umkreis der notwendigen Lebensmittel gegeben." (Karl Marx, MEW 23, Seite 185) Von daher ist in einer Gesellschaft alles, was ihre Mitglieder allgemein und durchschnittlich von ihrem Leben haben, was ihnen an Entfaltungsmöglichkeiten geläufig ist als Lebensstandard anzusehen und macht die Grundlage einer gesellschaftlichen Reproduktion aus. Es umfasst alle Arten der Reproduktion (Ernährung, Wohnen, Fortpflanzung, Bildung, Verkehr, Kommuniklation, Gefahrenvorsorge und -abwendung usw.). Was als Mehrprodukt ensteht und sich gesellschaftlich als Fortschritt bewährt, ist eine gesellschaftliche Bereicherung, die im Lauf der Amortisation ihres Aufwandszu einer neuen Ebene von Gewohnheiten wird. Die Arbeit für diese Entwicklung, also die Arbeit für ein Mehrprodukt, ist immer anders als die nur notwendige Arbeit. "Mehrarbeit überhaupt, als Arbeit über das Maß der gegebnen Bedürfnisse hinaus, muß immer bleiben." (Karl Marx Kapital III, Marx-Engels-Werke Bd. 25, S. 827) Marx sieht dies als den historischen Fortschritt an, den auch schon der Kapitalismus - wenn auch in widersprüchlicher Form - zustande gebracht hat: „Es ist eine der zivilisatorischen Seiten des Kapitals, dass es diese Mehrarbeit in einer Weise und unter Bedingungen erzwingt, die der Entwicklung der Produktivkräfte, der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Schöpfung der Elemente für eine höhere Neubildung vorteilhafter sind als unter den früheren Formen“. (Karl Marx Kapital III, Marx-Engels-Werke Bd. 25, S. 827) Der Lebensstandard ist in der bürgerlichen Gesellschaft sehr davon abhängig, was die Wertlage ihres Landes ausmacht (Bruttosozialprodukt), was hiervon an Kapital einvernommen wird (z.B. Miete, Mehrwert) und was ihnen Technologie (z.B. Produktionsmittel, Gesundheitssicherung usw.) ermöglichen kann. | ![]() |