"Was Prügel sind, das weiß man schon; was aber die Liebe ist, das hat noch keiner herausgebracht. Einige Naturphilosophen haben behauptet, es sei eine Art Elektrizität. Das ist möglich; denn im Momente des Verliebens ist uns zumute, als habe ein elektrischer Strahl aus dem Auge der Geliebten plötzlich in unser Herz eingeschlagen. Ach! diese Blitze sind die verderblichsten, und wer gegen diese einen Ableiter erfindet, den will ich höher achten als Franklin. Gäbe es doch kleine Blitzableiter, die man auf dem Herzen tragen könnte, und woran eine Wetterstange wäre, die das schreckliche Feuer anderswohin zu leiten vermöchte. Ich fürchte aber, dem kleinen Amor kann man seine Pfeile nicht so leicht rauben wie dem Jupiter seinen Blitz und den Tyrannen ihr Zepter. Außerdem wirkt nicht jede Liebe blitzartig; manchmal lauert sie, wie eine Schlange unter Rosen, und erspäht die erste Herzenslücke, um hineinzuschlüpfen: manchmal ist es nur ein Wort, ein Blick, die Erzählung einer unscheinbaren Handlung, was wie ein lichtes Samenkorn in unser Herz fällt, eine ganze Winterzeit ruhig darin liegt, bis der Frühling kommt und das kleine Samenkorn aufsprießt zu einer flammenden Blume, deren Duft den Kopf betäubt. Dieselbe Sonne, die im Niltal Ägyptens Krokodileneier ausbrütet, kann zugleich zu Potsdam an der Havel die Liebessaat in einem jungen Herzen zur Vollreife bringen – dann gibt es Tränen in Ägypten und Potsdam. Aber Tränen sind noch lange keine Erklärungen – Was ist die Liebe? Hat keiner ihr Wesen ergründet? hat keiner das Rätsel gelöst? Vielleicht bringt solche Lösung größere Qual als das Rätsel selbst, und das Herz erschrickt und erstarrt darob, wie beim Anblick der Medusa." (Heinrich Heine, Reisebilder, Die Bäder von Lucca, Kap. VII, S. 256-257) Liebe sei die schönste Sache der Welt, wissen die Medien zu berichten. Solange sie Sache ist, solange man sie wie ein Objekt der Gefühle, also objektiv handhaben kann, mag das stimmen. Jedenfalls passt sie da ganz gut zu all den anderen Sachen, die hierzulande geboten werden. Diese sammeln sich ja auch so schon als Angebot für das Erleben und zur Beglückung derer, die lieber etwas erstehen, als es selbst hervorzubringen. Liebe soll das eigentliche Glück sein, das die Erkenntnis selbst ist und sie auch abschließt, ausschließlich macht, damit sie ihre Ruhe und ihren Frieden findet. So zumindest verstehen das die frühen Sozialisten der "Heiligen Familie" und viele Religionen, die ihre Liebe im reinen Geist oder in der Gotteskindschaft suchen. Diese verlangt allerdings Andacht, geistige Ruhe und Besinnlichkeit, eine Ruhe der Erkenntnis, und also eine Abweisung der wirklichen Verhältnisse, die solche Ruhe stören, weil sie Leidenschaften enthalten und verwirklichen, die ungebändigte Subjektivität ausdrücken. „Um sich zur 'Ruhe des Erkennens' zu vollenden, muß die kritische Kritik vor allem sich der Liebe zu entledigen suchen. Die Liebe ist eine Leidenschaft, und nichts gefährlicher für die Ruhe des Erkennens als die Leidenschaft." (MEW 2, Seite 22) Eine kritische Theoriem die das praktische Leben verachtet, verbleibt jenseits aller Leidenschaften und es bleibt für die wirkliche Liebe alles bei der Anschauung einer Theorie, die ihr den Rang einer Erbauung zuweist, die Menschen durch eine bloße "Gefühlsaffektion" einnimmt und deren Erkenntnisse "stört", weil nach Anschauung des aufgeklärten Bürgers Erkenntnis nur jenseits der Gefühle möglich sei, nur im bloßen Verstand einer funktionalen, einer instrumentellen Vernunft (siehe hierzu auch Strukturalismus) wahr sein könne. „Der geistreiche, vielsinnige, vielsagende Gegenstand der Liebe sagt der Ruhe des Erkennens nur das kategorische Schema: "dieses äußere Objekt der Gemütsaffektion", wie etwa der Komet dem spekulativen Naturphilosophen nichts sagt als die "Negativität". Indem der Mensch den Menschen zum äußeren Objekt seiner Gemütsaffektion macht, legt er ihm zwar nach dem eignen Geständnis der kritischen Kritik "Wichtigkeit" bei, aber eine sozusagen gegenständliche Wichtigkeit, während die Wichtigkeit, welche die Kritik den Gegenständen beilegt, nichts anders ist als die Wichtigkeit, die sie sich selbst beilegt, die sich daher auch nicht in dem "schlechten äußeren Sein", sondern in dem "Nichts" des kritisch wichtigen Gegenstandes bewährt. Wenn die Ruhe des Erkennens in dem wirklichen Menschen keinen Gegenstand besitzt, besitzt sie dagegen in der Menschheit eine Sache. Die kritische Liebe "hütet sich vor allem, über der Person die Sache zu vergessen, welche nichts anders ist als die Sache der Menschheit". Die unkritische Liebe trennt die Menschheit nicht von dem persönlichen individuellen Menschen." (MEW 2, Seite 22) So wird für einen strukturalisierten Intellekt die Liebe durch das bloße Erleben schon zu einer ganz allgemeinen "Affektion" (siehe auch Gefühl) ganz ohne Leidenschaft, zum bloßen Erleben. Denn Liebe, das weiß man eben, ist was ganz was Tolles, praktisch für das Selbstgefühl, weil sie notwendig für die Wahrnehmungsidentität abgehobener Gefühle durch assoziierte Empfindungen ist, die ihren Sinn erst fnden müssen, um Selbstwert zu erlangen. Und das hat schließlich der Liebe die Sehnsucht nach der höchsten Leidenschaft des reaktionären Bewusstseins der existenzialistischen Phänomenologie und zugleich die Behauptung der tiefsten "Wahrheit" der "Hellsichtigkeit" eingebrockt. "Liebe ist nie blind, sondern hellsichtig; nur Verliebtheit ist blind, flüchtig und anfällig, ein Reflekt, keine Leidenschaft. Zu dieser gehört das weit Ausgreifende, sich Öffnende Dieser Ausgriff in der Leidenschaft hebt uns aber nicht einfach über uns weg, er sammelt unser Wesen auf seinen eigentlichen Grund, er eröffnet diesen erst in der Sammlung, so dass die Leidenschaft jenes ist, wodurch und worin wir in uns selbst Fuß fassen und hellsichtig des Seienden um uns und in uns mächtig werden." (Martin Heidegger Zit. nach Düttmann, Alexander Garcia über Friedrich Nietzsches Genealogie Kontingenz). Mit solchem Verständnis von Liebe ist allerdings nur ihre Sehnsucht im Jenseits des wirklichen Lebensalltags verfasst, die schon im Vorhinein der Verwirklichung ihrer Enttäuschung vorgreift, dem Verlust der Selbstachtung, wo sie zur Sache vertauscht und ihre Versachlichung, ihr objektiver Nutzen für isolierte, im Herzen einsame Menschen nicht als Demütigung des Menschen durch seine eigene Zwischenmenschlichkeit erkannt werden kann, solange sich der Mensch selbst nur als Sache und Mittel seiner Verhältnisse erachten muss, sich nicht in der Welt seiner wirklichen Gegenstände wiederfinden und empfinden kann, sich also selbst nicht wirklich erkennen kann, solange er nicht als Subjekt seiner Wirklichkeit existiert, stattdessen sich selbst hierfür verbürgt und sich als bürgerliches Subjekt wesentlich fremd bleiben muss (siehe auch Entfremdung), solange er sich nicht kritisch zu dieser verhält. Liebe ist von da her mit der Feudalisierung der zwischenmenschlichn Verhältnis zu einem Element der Selbstverwertung geworden, das nach Wert verlangt, Wertschätzung ersucht, wo Selbstachtung enteignet ist. Was übrig bleibt, ist Narzissmus, eine Liebe der Selbstbespiegelung entwirklichter Menschen in der unendlichen Geschichte glückloser Glücksverheißungen, wie sie nur durch die Religionen vermittelt werden können. Die modernen Religionen, die keine Naturreligionen mehr sind, sehen daher die letztliche Quelle der Erkenntnis in Gott und verlocken zu einer Anmaßung der menschlichen Erkenntnis über den Tod hinaus. Die religiöse Menschenliebe darf allerdings nicht wirklich menschlich zu begreifen sein, denn Gottes Liebe zieht den Menschen in Zweifel. Die christliche Religion hat daher in der Erkenntnis der menschlichen Liebe als eine Anmaßung an die Liebe Gottes gesehen, als die Erbsünde des Menschen, wodurch das Leben der Menschen gegen Gott durch ihren Tod beschränkt werden müsse und die Freiheit seiner Natur in der Ewigkeit Gottes aufgehoben sei. Durch die Bedrohungen mit der Erbsünde sollen sie einer Gotteskindschaft ergeben sein und deren Menschenverachtung teilen. Denn mit dem Gottesglauben sollte die Drohung des Alten Testaments stehen, vom Baume der Erkenntnis zu essen, die über das Verhältnis der Geschlechter ergehen, damit die Liebe der Menschen die Liebe Gottes nicht überwinden könne. Durch die Verführung der geschlechtlichen Beziehungen sei die Liebe Gottes bedroht und sollte deshalb durch SchamTod und Arbeit bestraft werden. Nur der Gottes Sohn könne durch seinen Tod am Kreuze die Menschen wieder durch seine menschlich transzendierte Gottesliebe befreien. Die Metaphorik enthält eine tiefe Wahrheit: Solange die Menschen das Gottesgebot befolgen, sich der sinnlichen Erkenntnis durch selbstlose Liebe bis hin zur Selbstaufopferung zu enthalten, sei ihr Leben paradiesisch, Moment allgegenwärtiger Göttlichkeit und nur durch ihn, durch Gott gegeben und Gott ergeben in der absoluten Bejahung der Gegebenheiten - aber ohne jede Erkenntnis und also ohne wirkliches Leben. Marx hatte die "Kritische Kritik" seiner Zeit in der Selbstlosigkeit ihrer "Liebe" kritisiert, das in der "Ruhe der Erkenntnis" sich als Wahrheit für sich selbst, als wahres Selbstgefühl gefunden haben will, das sich dem "falschen Gefühl" entgegenstellt (siehe hierzu auch Negative Dialektik): "Endlich macht die Liebe gar den einen Menschen zu "diesem äußern Objekt der Gemütsaffektion" des andern Menschen, zum Objekt, worin sich das selbstsüchtige Gefühl des andern Menschen befriedigt, ein selbstsüchtiges Gefühl, weil es sein eignes Wesen im andern Menschen sucht, und das soll doch nicht sein. Die kritische Kritik ist so frei von aller Selbstsucht, daß sie den ganzen Umfang des menschlichen Wesens in ihrem eignen Selbst erschöpft findet. ... Der geistreiche, vielsinnige, vielsagende Gegenstand der Liebe sagt der Ruhe des Erkennens nur das kategorische Schema: "dieses äußere Objekt der Gemütsaffektion", wie etwa der Komet dem spekulativen Naturphilosophen nichts sagt als die "Negativität". Indem der Mensch den Menschen zum äußeren Objekt seiner Gemütsaffektion macht, legt er ihm zwar nach dem eignen Geständnis der kritischen Kritik "Wichtigkeit" bei, aber eine sozusagen gegenständliche Wichtigkeit, während die Wichtigkeit, welche die Kritik den Gegenständen beilegt, nichts anders ist als die Wichtigkeit, die sie sich selbst beilegt, die sich daher auch nicht in dem "schlechten äußeren Sein", sondern in dem "Nichts" des kritisch wichtigen Gegenstandes bewährt." (MEW 2, Seite 22) Wo Liebe selbst zur Sache geworden ist, müssen sich Menschen eben nicht mehr in und zu ihrer Sache erkennen, sich nicht als gesellschaftliches Wesen lieben. Sie werden selbst zur Sache ihrer Liebe, weil sie durch sie ihre Liebe erst erst in irer Selbstlosigkeit erfahren, wodurch ihr Objektsein subjektiv wird, ihre Empfindungen mit Gefühlen versorgt werden, die sachlich gegeben sind (siehe auch Ästhetik). Aber damit begründen sie aus ihrer Liebe eine Geborgenheit, eine Lebensburg ihrer Lebenspflicht, durch die sie sich liebend erziehen müssen, um darin miteinander zu verkehren (siehe erzieherische Beziehung). Ihr zwischenmenschliches Verhältnis existiert dann erst durch die Verkehrung von dem, was für ihr Leben wesentlich ist, zu dem, was sie in ihrer Liebe fortwährend aus ihrem Leben versachlichen müssen, was aus dessen Eigenschaften genutzt wird, um für sich Mensch zu sein, um sich selbst wenigstens als Sache zu lieben, seine Verdinglichung zu veredeln, sich eben sachlich zu erleben und also als Mensch sich als das Objekt seiner selbst, sich in seiner Selbstbeziehung ganz selbstlos zu verleben. Menschen mögen sich oder können sich nicht leiden. Ihre Liebe kann aber nur wahr sein, wo sie sich in der Kritik ihrer ihnen fremden und übermächtigen Lebensverhältnisse finden, in "dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." (MEW 1, Seite 385) In der Symbiose der Liebenden ist dann auch tatsächlich alles eins, ist die ganze Welt verschmolzen und das beruhigt und verschafft Selbstgewissheit gegen all die Anfechtungen der herrschenden Verhältnisse, gegen die Minderwertigkeiten und Isolationen, welche schon vor aller Erfahrung in dieser Welt der konkurrierenden Kräfte einer alles verwertenden Gesellschaft gegeben sind. Da ist Liebe sowohl ein Moment sinnlicher Gewissheit des Lebens, seine Sinnbildung, als auch der Inbegriff aller Sehnsucht und Selbstbehauptungen, die der Gottverlassene - ob nun gottgläubig oder nicht - ganz allgemein in sich errichtet, um nicht von allen guten Geistern verlassen zu sein. Liebe ist letztlich die Substanz aller Beziehungen der Menschen (siehe auch zwischenmenschliche Beziehung), auch wenn sie sich fremd geworden sind und nurmehr in ihrem Wert, in einer ihnen äußerlichen Gegenständlichkeit formatiert existieren, wodurch sie nurmehr in der Gesellschaftlichkeit ihrer Sachen haust. "Unser wechselseitiger Wert ist für uns der Wert unsrer wechselseitigen Gegenstände. Also ist der Mensch selbst uns wechselseitig wertlos. Gesetzt, wir hätten als Menschen produziert: Jeder von uns hätte in seiner Produktion sich selbst und den andren doppelt bejaht. Ich hätte 1. in meiner Produktion meine Individualität, ihre Eigentümlichkeit 'vergegenständlicht und daher sowohl während der Tätigkeit eine individuelle Lebensäußerung genossen, als im Anschauen des Gegenstandes die individuelle Freude, meine Persönlichkeit als gegenständliche, sinnlich anschaubare und darum überallen Zweifel erhabene Macht zu wissen. 2. In deinem Genuß oder deinem Gebrauch meines Produkts hätte ich unmittelbar den Genuß, sowohl des Bewußtseins, in meiner Arbeit ein menschliches Bedürfnis befriedigt, also das menschliche Wesen vergegenständlicht und daher dem Bedürfnis eines andren menschlichen Wesens seinen entsprechenden Gegenstand verschafft zu haben, 3. für dich der Mittler zwischen dir und der Gattung gewesen zu sein, also von dir selbst als eine Ergänzung deines eignen Wesens und als ein notwendiger Teil deiner selbst gewußt und empfunden zu werden, also sowohl in deinem Denken wie in deiner Liebe mich bestätigt zu wissen, 4. in meiner individuellen Lebensäußerung unmittelbar deine Lebensäußerung geschaffen zu haben, also in meiner individuellen Tätigkeit unmittelbar mein wahres Wesen, mein menschliches, mein Gemeinwesen bestätigt und verwirklicht zu haben. Unsere Produktionen wären ebenso viele Spiegel, woraus unser Wesen sich entgegenleuchtete." (MEW 40, S. 462f.) So ist dann die Lebe eine Kraft, die aus dem Nichts zu kommen scheint, weil sie alles sein soll, was nicht sein kann, alles, worin der Zwischenmensch endlich als hausgebackener Narzisst auch wirklich Mensch sein kann, wenn er sich nur in seinem bloßen Edelmut unendlich zu bestärken versteht. Ohne diese edelmütige Bestärkung ihrer Selbstverwertung würden sie sich zwischenmenschlich nur minderwertig fühlen und ihre persönliche Identität bedroht sehen. Folglich ist es eine innige Notwendigkeit der narzisstischen Liebe, alles gebannt zu wissen, was Liebe ihrer Natur entsprechend sein kann. Sie gilt einer narzisstischen Persönlichkei als bloße Verführung, sich auf ein anderes Wesen einzulassen, das Anderssein eines Menschen überhaupt zu akzeptieren. So z.B. Herr Edgar aus der "Heiligen Familie" (Nach Marx): "Um die Liebe in den "Moloch", in den leibhaftigen Teufel zu verwandeln, verwandelt Herr Edgar sie vorher in eine Göttin. Zur Göttin, d.h. zu einem theologischen Gegenstand geworden, unterliegt sie natürlich der Kritik der Theologie, und überdem liegen bekanntlich Gott und Teufel nicht weit auseinander. Herr Edgar verwandelt die Liebe in eine "Göttin", und zwar in eine "grausame Göttin", indem er aus dem liebenden Menschen, aus der Liebe des Menschen den Menschen der Liebe macht, indem er die "Liebe" als ein apartes Wesen vom Menschen lostrennt und als solches verselbständigt. Durch diesen einfachen Prozeß, durch diese Verwandlung des Prädikats in das Subjekt, kann man alle Wesensbestimmungen und Wesensäußerungen des Menschen in Unwesen und Wesensentäußerungen kritisch umformen. So z.B. macht die kritische Kritik aus der Kritik, als einem Prädikat und einer Tätigkeit des Menschen, ein apartes Subjekt, die sich auf sich selbst beziehende und darum kritische Kritik: ein "Moloch", dessen Kultus die Selbstaufopferung, der Selbstmord des Menschen, namentlich des menschlichen Denkvermögens ist." (MEW 2,S. 21) Und in der Tat ist Liebe eine Kraft, Kraft schlechthin, denn sie erscheint als reine Energie, die Menschen zu einem eigenen Leben aktiviert. Ganz gleich, woraus sie sich begründet: Du wirst anders, hast ein anderes Leben in dir und lebst als Anderer durch Andere auch anders, nicht verlassen von Gott und der Welt, bist selbst Welt und verschmolzen mit allem was lebt. Du erscheinst dir wie ein Kosmos der Gefühle und siehst dich selbst "als Teil des Teils der anfangs alles war, ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar, das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht, den alten Rang, den Raum ihr streitig macht" Wenn man es dem Teufel überlaßt, seine negative Substanz, die Energie seiner negativen Dialektik, in den Seelen der Menschen zu entfalten, dann wird auch die Liebe des Teufels und der liebende Mensch fährt zur Hölle. Gott und Welt stürzen den Liebenden in den Abgrund eines wesenlosen Selbstgefühls, wenn er nichts mehr von sich wissen kann, wo ihm alles ungewiss geworden ist, was seine Liebe ausmacht. Dies widerfährt jedem einzelnen Menschen schon mit seiner Geburt, durch die er dort zur Welt kommt, wo er vor aller Erfahrung zugehört (siehe hierzu auch Familie). Das Kind kann nicht anders, als seine Eltern zu lieben, wie immer sie es auch behandeln und wozu und warum sie es bekommen haben. Sein Leben ist schon darin bestimmt, was seine Geburt ihm als Liebe so mitgeteilt hat, wie das Verhältnis seiner Eltern sein grundlegendes Lebensverhältnis, seine ursprünglichste Wirklichkeit ist (siehe hierzu auch erzieherische Beziehung). Seine Sinne verkörpern zuallererst mal nur die Formation seiner Entstehung, als sei diese "vom Himmerl gefallen". Was es daraus machen kann, hängt dann allerdings von seinen Fähigkeiten, dem Vermögen seines Bewusstseins im Lauf und den Umständen seiner Entwicklung ab (siehe auch seelische Entwicklung). Und von daher ist die Liebe auch der Sinn einer jeden Kultur, wo sie ihre Substanz hat: sich als Geschlecht des Gatungswesens, als geschlechtliches Wesen des Menschen erkennt, die Degradation seiner Selbstsucht, seiner Selbstbezogenheit erfährt. "In dem Verhältnis zum Weib, als dem Raub und der Magd der gemeinschaftlichen Wollust, ist die unendliche Degradation ausgesprochen, in welcher der Mensch für sich selbst existiert, denn das Geheimnis dieses Verhältnisses hat seinen unzweideutigen, entschiednen, offenbaren, enthüllten Ausdruck in dem Verhältnisse des Mannes zum Weibe und in der Weise, wie das unmittelbare, natürliche Gattungsverhältnis gefaßt wird. Das unmittelbare, natürliche, notwendige Verhältnis des Menschen zum Menschen ist das Verhältnis des Mannes zum Weibe. In diesem natürlichen Gattungsverhältnis ist das Verhältnis des Menschen zur Natur unmittelbar sein Verhältnis zum Menschen, wie das Verhältnis zum Menschen unmittelbar sein Verhältnis zur Natur, seine eigne natürliche Bestimmung ist. In diesem Verhältnis erscheint also sinnlich, auf ein anschaubares Faktum reduziert, inwieweit dem Menschen das menschliche Wesen zur Natur oder die Natur zum menschlichen Wesen des Menschen geworden ist. Aus diesem Verhältnis kann man also die ganze Bildungsstufe des Menschen beurteilen. Aus dem Charakter dieses Verhältnisses folgt, inwieweit der Mensch als Gattungswesen, als Mensch sich geworden ist und erfaßt hat; das Verhältnis des Mannes zum Weib ist das natürlichste Verhältnis des Menschen zum Menschen. in ihm zeigt sich also, in[wie]weit das natürliche Verhalten des Menschen menschlich oder inwieweit das menschliche Wesen ihm zum natürlichen Wesen, inwieweit seine menschliche Natur ihm zur Natur geworden ist. In diesem Verhältnis zeigt sich auch, in[wie]weit das Bedürfnis des Menschen zum menschlichen Bedürfnis, inwieweit ihm also der andre Mensch als Mensch zum Bedürfnis geworden ist, inwieweit er in seinem individuellsten Dasein zugleich Gemeinwesen ist." (Marx-Engels-Werke Bd. 40, S. 535) Die im Allgemeinen ursprünglichsten Bedingungen des Lebens, seine Materie als Material, als Stoff seiner Entfaltung, mag sich rein zufällig gebildet haben (siehe Evolution), seine Geschichte ist es jedoch nicht. Nichts darin kann zufallen (siehe hiergegen Existenzialismus), gerade weil es dem Einzelwesen Mensch als seine ursprünglichste Gegebenheit, als ganz konkrete Lebensbedingung zukommt. Liebe erscheint eben gerade durch diese übersinnlich scheinende Substanz wie eine übermenschliche Energie. Und das ist auch die wesentliche Täuschung in der Selbstwahrnehmug. Solche Esoterik ist zwar teuflich, stärkt aber auch die Seele, wenn man Liebe einfach so sein lassen und nehmen kann, wie sie kommt, wenn man also auch von seinem Sein lassen kann, weil "die Liebe über einen gekommen" ist wie ein kosmisches Subjekt, dem man dankbar sein muss. Aber eben auch das Kosmische kann ungeheuerlich endlich sein, wenn es wahr und wirklich werden muss. Und das weiß auch der Teufel selbst, wenn er es ausspricht: "Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt, Jenseits ihrer Esoterik ist Liebe einfaches und zugleich höchstes Glück: Sein für andere und Sein durch sich, eben Menschenglück, immer auch Menschenliebe. Und die ist immer in Gefahr, weil Liebe selbst gefährlich ist, so gefährlich wie das Leben selbst, weil Liebe nur sein kann, wo sie frei ist. Und sie ist immer gefährdet durch ihre Verschmelzung, durch den Selbstverlust, die Symbiose, die Anfechtungen. Missachtungen und Beteuerungen, durch Wahrheit und Täuschung - durch ihr Lebendigsein eben. Sie verunsichert, ist Unsicherheit schlechthin. Denn: "Die Lebensgefahr für jedes Wesen besteht darin, sich selbst zu verlieren. Die Unfreiheit ist daher die eigentliche Todesgefahr für den Menschen." (K. Marx, MEW 1, 60) Es gibt nichts, was die Liebe retten kann, außer sie selbst. Die Prothesen des Glücks verschaffen Einheit, wo nichts eins sein kann. Identität ist nur gefragt, wo sie nicht sein kann, weil ihr Dasein eine Kunst ist, die sich nicht erwerben lässt. Leicht kommt da immer wiede die Frage auf: Wie kann man das Glück festhalten, wie kann solches Liebesglück gefestigt werden, wovon zehrt es und was höhlt es aus? Was lässt es zu einer Gewalt werden, in der Menschen auch untergehen, sich selbst verlieren können, wenn sie aus ihrer Verschmelzung nicht herausfinden, nichts mehr auseinander halten und voneinander scheiden, weder sich und den anderen, noch Wahrnehmen und Tun, Gefühl und Empfindung, wesentlich sein und wirklich sein? Wenn sie nichts mehr unterscheiden können, was ist dann die Welt und das wirkliche Leben, Wirklichkeit für sie? "Wenn Du liebst, ohne Gegenliebe hervorzurufen, das heißt, wenn Dein Lieben als Lieben nicht die Gegenliebe produziert, wenn Du durch Deine Lebensäußerung als liebender Mensch Dich nicht zum geliebten Menschen machst, so ist Deine Liebe ohnmächtig und ein Unglück!" (Karl Marx in MEW 40, S. 567) Liebe ohne Gegenliebe verzehrt nicht sich, sondern den liebenden Menschen, der sich darin verliert, vielleicht im Hass aufzehrt, nur um seine Liebe zu nichten. Im Liebesglück ist das Leben auf den Punkt gebracht und zugleich in seiner Totalität fremd für sich selbst, wo es bloße Wahrnehmung bleibt. Sofern sich keine Geschichte hieraus begründet, keine Verbindung sich verwirklicht, sofern Liebe ein schönes Ereignis und Gefühl ist, das nur erlebt wird, eben ohne Wirkung auf das Leben selbst bleibt, ist sie vor allem ein gutes Gefühl, so eine Art lebendig sein inmitten der Wüste, in seiner Gefühlswelt irgendwie geborgen, in seinem Bedürfnis dem Tod entronnen. Doch gerade darin steckt ihr Verhängnis und in diesem wird Liebe auch zur Todesmacht (siehe auch Todestrieb). Wer schon sollte das Leben hiergegen bestimmen können? Natürlich will dem niemand widersprechen, dass Liebe ein Glück für die Menschen ist. Und wer auch sollte dieses Lieben kritisieren? Ganz im Gegenteil. Als reines Gefühl verzaubert es die Menschen, sobald sie darin ihr Selbstgefühl gewinnen. Das bringt sie in eine andere, in eine bunte und lebendige Welt, ohne dass ihre wirkliche Welt sich hierdurch ändern müsste. Sie sind also auch nicht bloß auf Wolke sieben, sondern wirklich anders, in sich verändert, über ihr menschliches Sein hinausgetragen, fast übermenschlich beseelt. Als reines Gefühl, das eben vor allem Selbstgefühl ist, hat sie sich ihrem Herz übermächtigt und es in ihren Dienst gestellt. Ein jeder dient seinem Gefühl, um etwas von seinem Herz wieder zu gewinnen, das er verausgaben musste, soweit er in seinen zwischenmenschlichen Verhältnissen sich selbst einverleibt und entäußert hat. Es ist eben zu einer Angelegenheit des guten Glaubens und seiner Güte geworden. Nein, natürlich ist Liebe in dieser Hinsicht auch so schon keine Sache, aber eben auch keine Herzenssache mehr, wo das Herz verschmolzen, seine Symbiose zur Wirklichkeit, seine Beziehung auf einen anderen Menschen zu einem Verhältnis seiner Wirkungen auf sich selbst, seine Leiblichkeit zur Einverleibung des Lebens geworden ist. Durch die Liebe gerät der Mensch dieser Welt in die reine Welt der Seele, einer Welt voller Kraft und Wahrheit, eine Welt unbeschränkter Gefühle, Menschliebe schlechthin - aber auch in Gefühle symbiotischer Unendlichkeit, wie durch Gott bestellt und nurmehr psychisch erfahren und gelitten, Leidenschaft, die sich ihres Leidens erst im Nachhinein bewusst werden kann. Und Gott scheint das zu wissen – zumindest die Religion, die Verbundenheit durch ihn. Sie ist ja die eigentliche Theorie über höhere Gefühle und Güte. Liebe zeige uns, was eigentlich Leben sei, was Gott darin den Menschen schenkt: Gottesnähe durch göttliche Gefühle, durch eine Menschliebe im Jenseits des menschlichen Lebens, Übermenschlichkeit durch Zwischenmenschliches. Im Diesseits kommt das nicht immer so gut, muss doch solch gewaltige Liebe auch gewaltig sein - und von daher Gewalt haben und durchsetzen. Im Geschenk des Übersinnlichen, im Liebeswahn bergründet sich auch der Schrecken übersinnlicher Wesenskräfte, wenn sie nicht menschlich ergriffen und begriffen werden. Das geheime Wissen der Liebenden, ihre Esoterik, schließt sie dort ein, wo sie sich verlassen müssen um darin auch gelassen zu bleiben. Ihre Wirklichkeit hat bloß innere Wirkung und verschmilzt gegen die Welt in eine Eigenwelt voller Glück und Schrecken, in der sie auch wirklich verschmolzen sind im Ozean ihrer Gefühle - bis der ihnen schließlich als Pfütze einer Stimulation im Grauen der Wirklichkeit gewahr wird. Aber vielleicht ist Liebe tatsächlich nichts anderes, als das Leben selbst, das Wesen des Lebens, das durch sich selbst bewahrheitete Leben, das sich erzeugende und bewahrende und erhaltende und entwickelnde Leben, Selbsterkenntnis des Menschen im Menschen. Schließlich ist sie die einzige wirklich Frucht bringende Beziehung, sowohl zwischen den Menschen wie auch in der Beziehung auf ihre Sachen, auf die Natur und Kreatur überhaupt. In der Liebe begegnet sich das Leben unmittelbar - und vor allem unser eigenes. Wir lieben das lebendige Sein und sind so lebendig, wie wir im Leben liebend sind. Nur ist das Leben selbst schon nicht ohne Tod. Nicht aber weil es den Tod gibt, kann Liebe selbst tödlich werden, sondern weil wir darin selbst vergehen können, ohne dass wir dem Tod wirklich begegnen. In der Wirklichkeit liebender Verhältnisse verhält sich auch das Unwirkliche wirklich, indem das Leben nur erlebt wird. Liebe wird dabei zu einem Moment der Selbstwahrnehmung, zu einer Art und Weise des Fühlens, zu einem Reich schöner Gefühle, die keine andere Geschichte mehr haben, als den Moment der Begegnung selbst, das Wahrnehmen und Auffassung dessen, was dabei menschlich wahr gehabt wir. Von da her spricht man heute auch immer weniger von der Liebe, sondern eher objektiv von einer Beziehung. Darin wird Liebe in eine bloße Beziehungsgeschichte von Zuneigungen eingereiht und ihre Geschichte auf einen Zustand des Bezogenseins gebracht. Eine zugeneigte Liebe ist für die Gefühle eben in Wirklichkeit auch nur das, was sie diesen erbringt, was sie also dafür erbringt, wie man sich dabei selbst fühlt: Selbstgefühl durch Neigung, Liebe in der Verneigung. Doch darin wird im Grunde vom Leben als einem wirklichen Prozess abgesehen. Man sieht von den Gründen und Bedingungen der Liebe ab, indem man nur ihre Gefühle beabsichtigt, indem man den geliebten Menschen als Gegenstand seiner Gefühle auch wirklich haben will. Die Liebe soll ausschließlich für diese Welt eigener Bessenheit sein und bleiben: wechselseitiger Lebensbesitz an Menschennähe, Menschen als anwesende Lebensgegenständlichkeit. Als solche werden sie zu deren Leib. So wirkt das Abstrakte ihres Liebeslebens, welches die Beziehung der Selbstgefühle ausmacht, also das Erleben von Liebe, wie eine Macht der Entleibung, wie eine Sinnlosigkeit inmitten der Sinnentfaltung der Liebe. Sobald Menschen darin wirklich sein müssen, sind sie auch das, was sie wirklich sind. Die große Enttäuschung beschließt die Täuschung. Liebe wird lebensgefährlich, wo sie wirklich in der Welt ist. Wer liebt, ist darin irgendwie auch verloren, wie zur Liebe verurteilt. Wo sie nicht im anderen Menschen aufgehen kann, keine Gegenliebe erreicht, wird sie zu einer selbstzerstörerischen Gewalt. Liebe ist der Sinn einer leidenschaftlich bestimmten Beziehung, ein Verhältnis, das jede Gleichgültigkeit überwindet, weil sie ihren Gegenstand in Gänze erfasst und ergreift. Wer eine Sache mit Liebe erzeugt, einem Menschen mit Liebe begegnet oder sein Leben durch Liebe bejaht, der kann nicht einfach hiervon lassen, als wäre es plötzlich nicht mehr, als hätte seine Liebe einfach nur abgelassen und bliebe hiervon unverändert. Liebe ist auch der Sinn von Geschichte überhaupt, die Geschichte der Erfüllung eines Seins durch seinen wesentlichen Inhalt. Nur von daher kann sie ihr Leben identifizieren und Erkenntnis sein. Liebe ist im Hebräischen dasselbe Wort und wer vom "Baume der Erkenntnis" gegessen hat, der hat im Wesentlichen auch die Welt der Götter überwunden, ihre unbestimmbare Schöpfungsallmacht ad absurdum geführt, weil er seine eigene Natur verwirklicht hat, die Natur, die sie ihm nicht lassen können. Nur deshalb hat er eine Erbsünde gegen sie begangen. Jesus ist am Kreuz nicht "für die Menschen" gestorben, weil er die Menschen geliebt hätte, sondern weil er ihre Liebe durch sich vergöttlichen wollte. Er trieb die Erbsünde dadurch in die Wesensnot ihrer Liebe, dass er sie von der Erbsünde "befreien" wollte, durch sein Leiden Gottes Allmacht über alle menschlichen Leidenschaften stellen, ihr wirkliches Leben zu ihrer Sünde herabsetzen und damit sie letztlich in einem ohnmächtigen Leiden zur Selbstlosigkeit zwingen und verabsolutieren wollte. Er hat eine Religion gestiftet, die ihr Unglück in ihrem wirklichen Leben zum Urteil gegen sie gewendet, ihre wirkliche Liebe zur Versündigung gegen Gott isoliert und entmenschlicht hat. Wer nicht in Gottesliebe lebt, ist für Gott verloren, weil er auf seine Selbsterkenntnis gestoßen ist. Wer durch Gott lebt, erscheint sich hiergegen seines Geistes versichert, weil er in seiner Moral im Glauben an Gott verewigt, unendlich selbstgerecht sein kann, übermenschliches Menschenrecht zum Maß seiner Beziehungen auf Menschen macht. Am besten, er verfügt dann über das, was er liebt. Besitz ist ja auch sonst der Inbegriff bürgerlicher Selbstverbundenheit, die Glückseligkeit des allseitigen und auch allzeitigen Habens. Besitz ist das Recht des Besetztens und verschafft auch den Besessenen Sicherheit, weil er eine "feste Beziehung" herstellt, nicht nur das himmliche, sondern vor allem das irdische Glück der freien Verfügung, der willkürlichen Handhabe beschert - auch den geregelten Umgang mit den Liebesbedürfnissen, den Lebensformen gegen die menschliche Isolation. Die durch Besitz versicherte Anwesenheit von Menschen macht besonders die besessen, die schon längst alles besitzen. Durch die Identität mit sich schützen sie sich vor dem, was sie nicht sind, was ihnen schon als Fremdes zur Entfremdung wird. Weil sie sich nicht selbst von ihm unterscheiden, macht dies den einzigen Unterschied. Und so kann nurmehr das Identische sich zur Wehr setzen gegen das schlechthin Andere. Aber es macht dies auch seine Einfalt aus: Das Haben müssen seiner Selbst als Schutz vor anderem. Und also wird auch die Liebe schnell zur Bessenheit, zur Obsession, die alles andere vergessen lässt und vor allem das vergessen macht, woraus sie entstanden ist, die erkennende Beziehung zwischen Menschen, in deren Anwesenheit sich Liebe wie von selbst erzeugt und bezieht. Es wäre zu trivial, bliebe es alleine dabei, dass die Anwesenheit von Menschen schon ihre gesellschaftliche Isolation aufheben würde. Aber ohne sie besteht die Unmöglichkeit jedweder Erkenntnis. Im Verlangen nach anderen Menschen zeigt sich aber nicht als erstes ein Verlangen nach Erkenntnis, sondern eine Notwendigkeit ihrer Anwesenheit. Das unterstellt schon eine menschliche Beziehung, worin keine Erkenntnis ist, worin Erkenntnis wesentlich abwesend ist. So erweist sich der Schmerz der Abwesenheit als Angst vor der Nichtung seiner selbst, dem Selbstverlust, in welchem die Beziehung auf sich selbst zunichte wird, - einer Beziehung, worin eine große Selbstbedrohlichkeit dadurch entsteht, das ohne andere Menschen der Mensch ein verlorenes Wesen ist, weil es eine Beziehung ist, worin dieses schon ausgeschlossen war, bevor sie sein konnte. In der Besessenheit auf menschliche Anwesenheit verkehrt sich die menschliche Beziehung zu einer Beziehung ohne Wesen, zu einer bloßen Räumlichkeit und Dichte. So wird diese irgendwann auf einem Altar der menschlichen Nähe zelebriert, der Verbundenheit höherer Kulturen, die sich zu einem Gefühl der trauten Zweisamkeit erheben, zur Vorstellung von einem paradiesischen Leben, des von der Welt isolierten Glücks. Es ist dies dann auch das Glück der Isolation, das Leben wie auf einer Insel: Geborgenheit der Seele gegen die Stürme des Lebens, das gebunkerte Herz, das im "Innersten" fest sei, in seinen Gewohnheiten fixiert für die Ewigkeit, heile Welt. Aber auch die Ödnis, die solche Auffassungen begleiten, sind zur Genüge bekannt, so dass neue Liebesgründe ausgemacht werden müssen: Liebe sei Spaß an der Freud, Sex pur. Erleben der Körperform als totales Erlebnis, die Eruptionen der Natur als Ersatz für gesellschaftliche Beziehungen, der Hort ihrer Extase. Dem Körper wird daher meist die Naturalform der Liebe zugesprochen. Er wird hierfür dramatisiert, etikettiert, ästhetisiert und seine Signale ersetzen, was ansonsten gegenständliche Wirklichkeit sein müsste. Im körperlichen Erleben wird das Leben selbst zu einer körperlichen Sache. Dem Körper wird daher gehuldigt wie einem Allheilmittel für die Kümmernisse verkümmerter Lebenskenntnis. Seine Ästhetik wird zur Gebetsstätte der Sinnlichkeit schlechthin, zur notwendigen Liturgie des Liebesaktes, zum Körperfetischismus. Liebe macht Mensch und Mensch macht Liebe und alle machen mit. So wundert es nicht, dass sie Jedermanns Sache geworden ist, und Lebenstiefe dort am heftigsten vorführt, wo die Flachheit allseitig ausgebreitet ist. Wer in den Ozean ihrer Hochsee springt, schlägt sich daher leicht den Kopf wund, wenn er in ihrer Pfütze landet. So gibt es wohl auch mehr Verflossenes als Beständigkeit. Feste Bindungen halten meist nicht mehr lange, Familiengründungen werden seltener, und im Maßstab des Privatvermögens wachsen die Single-Haushalte. Liebe als wirkliche und Wirkung habende Verbindung ist selten geworden. Dass sie nun nicht mal mehr demografisch funktioniert, ist inzwischen auch ein Problem für den Sozialstaat: Das Verhältnis von Kindsgeburten zu Erwachsenen ist seit Adenauers Erfindung eines Verrentungsschlüssel des "Naturbedarfs" und seit der Erfindung der Pille beträchtlich geschrumpft. So wurde auch in der Politik die Liebe zu einer Überlebensfrage der deutschen Bevölkerung, die sich ganz im Widerspruch zum sogenannten „Weltproblem der Überbevölkerung“ der Erde entwickelt. Aber auch ohne dies ist Liebe ein ganz grundsätzliches "gesellschaftliches Problem". In der Studentenbewegung war sie ihrer Privatheit entkleidet das zentrale Motiv der Politisierung einer ganzen Generation, die sich ihrer Gesellschaftlichkeit bewusst wurde, sich darin finden konnte, dass sie sich gegen das Lebens- und Liebesverständnis ihrer Elterngeneration wandte ("Make Love, not War!"). So ergab sich damals auch die Frage, was Liebe überhaupt sei, dass sie so weltlich und grundlegend und vollständig die Menschen bewegen konnte, die sich aus den Trümmern des Faschismus herauszuschälen hatten. Sie wurde zum Kern einer emanzipatorischen Bewegung, welche erstmals den "subjektiven Faktor" zum Inhalt hatte und schließlich das ganze Geschlechtsverhältnis zum Ort der Auseinandersetzung machte (s.a. Frauenbewegung). Und auch heute zeigt sie auf wie eh und jeh, welches Leben eine Gesellschaft wirklich befördert und welches sie bedrängt. So wurde sie überdeutlich zu einem wirklichen Ereignis der Kultur, zu etwas, worum sich darin alles dreht: Ihr Glück und Unglück liegt nahe beieinander, fast wie auf des Messers Schneide, beides voller Schmerz verwoben. Nur der Intellekt, der aus ihr heraus seine Wirklichkeit zu begreifen sucht, hat es mit ihr unendlich schwer. Ohne sie ist er nichts, aber durch sie hindurch zu denken, verlangt die Erkenntnis allseitiger Menschlichkeit. Doch wer will nun bestimmen, was Liebe wirklich sei? Ist sie jenes Moment der Wahrheit, das aus dem Verlangen und der Sehnsucht nach Sinn in Augenblicken wirklichen Menschseins hervorbricht; oder ist sie die Beständigkeit, die in zwischenmenschlicher Beziehung sich als Erkenntnis des Lebens bewahrt? Ist sie Glut, die notwendig zu Asche wird oder das Feuer, das uns am Leben hält? Ist sie die Naivität des Herzens oder die Raffinesse einer besonderen Empfindsamkeit, das Schöne im Menschen (Ästhetik) oder die Vollendung eines Mitgefühls, Anmut einer Zärtlichkeit oder Lebensmut und Lebenslust in menschlicher Unmittelbarkleit? Liebe ist zwar nur ein Wort, aber es scheint fast für jegliche Bedeutung gut, die auch allgemein gut befunden wird: Für altruistische Selbstlosigkeit begnadeter Seelen oder für leibhaftigen Selbstgenuss, für die Trautheit gewohnter Gefühle oder das blanke Glück in zwischenmenschlichen Gemeinschaft. Liebe mag sein, was sie will, weil sie nur ist, was sie meint. Sie ist allgegenwärtig und äußert sich in Freud und Leid ebenso, wie in Schmerz, Aggression und Verzweiflung, im Rausch und der Sehnsucht, im Bedürfnis und in der Schöpfungskraft der Arbeit. Aber liebend gern wird sie in der Ideengemeinschaft von Staat und Kirche auf den wesentlichen sozialen Zweck der bürgerlichen Kultur reduziert, zur Prothese einer gesellschatlichen Funktion: Die sittliche Notwendigkeit der Vernunft verantwortlicher Fürsorge gegen die Selbstsucht bodenloser Habgier. Ist Liebe also des Bürgers Pflicht zur Füllung der Löcher einer lieblosen Welt? Politik wäre die mächtigste Liebhaberei, ihr Populismus nicht mehr zu bremsen, ihr Ego das Super-Ego der allgemein verbindlichen Menschlichkeit. Die Zeit der Aufklärung wäre wie neugeboren. Doch die hatte sich doch gerade im Faschismus aufs Ganze als Barbarei völkischer Liebessehnsucht geoutet! Vielleicht lässt sich zunächst eines über die Liebe sagen: Sie ist eine Erkenntnis der Lebensgründe, die in Tätigkeit aufgeht, Leiden und Tätigkeit in einem , worin wir in unserem Leben mit uns eins sind, indem wir uns mit anderen Menschen und der ganzen Welt eins wissen - sei es in Sinn und Geist, sei es in der Erzeugung von Welt, Menschen, Gegenständlichkeit oder Ereignissen. Sie ist menschliche Selbstbildung und Selbsterzeugung, Zusammenhang und Brennpunkt des Lebens, der als Begriff nicht fassbar weil unbegreifbar ist, im Begriff schon verschwunden, im Begreifen schon zerstört, verzerrt, entwurzelt. Liebe ist - wie das Leben selbst - unfassbar, weil sie keine bestimmte Form haben kann, und so sind wir im Brennpunkt des Lebens auf der Spitze unseres Unverstands, wenn er aus seinem Dunkel herausgetreten ist und einzig seine Grundlosigkeit in der Liebe mit Fassungslosigkeit zu erkennen hat. Dennoch hat Liebe den Inhalt all unserer Erkenntnisse und vollzieht auf den Punkt genau, was wir erkennen und was wir erkannt haben und worin unsere Erkenntnis in unserem Leben aufgeht. Sie macht glücklich, verrückt, lebenskrank und überschwenglich, alles, was im Gefühl wahr ist. Wo ihr Glück festgehalten, wird es ihr Unglück, wo sie sich vertieft zu einem überweltlichen Selbstgefühl, wird ihre Unendlichkeit sogleich ein abruptes, schier zufälliges Ende haben. Gibt mit seiner Liebe ein Mensch sich selbst, so verliert er seine Selbstachtung. Gewinnt er sich in ihr, so verfinstert sie sein Leben. Was als Glück erschienen war, muss sich als Selbsttäuschung erkennen, und was darin gewonnen war, das wird zum Selbstverlust. Liebe kann nicht alleine Wahrheit sein. Sie verführt und ernüchtert, täuscht und enttäuscht. Sie trägt manches Leben ein Leben lang, oder sie erfüllt die Momente einer Hoch-Zeit, in der sie erhaben, oder der Verzweiflung, worein sie gefallen ist. Allgemein lässt sie sich nicht fassen. Ein jeder Mensch fasst nur, was er fassen kann und wenn er seine Liebe nicht fassen kann, so ist er deshalb noch lange nicht lieblos. Im Gegenteil. Die Liebe lässt uns leicht erschrecken, wenn wir in die Welt schauen, doch unser Verstummen würde uns vernichten. Sie treibt Menschen zu Menschen und die müssen über sie Reden, Denken, Begreifen, ohne dass sie hierfür wirklicher Gegenstand sein kann. Es ist, wie zu umschreiben es Dichter und Denker seit Menschengedenken versuchen. Alles, was menschliche Kultur wesentlich und substanziell ausmacht, ist letztlich die gegenständliche Form von Liebe, wie immer sie auch in dieser Form sonst noch bestimmt sei. Jedenfalls fasst sich in der Liebe alles zusammen, was unsere Lebensfunken versprühen, und was - gebündelt - Lebenskraft hervorbringt, mal als Licht, mal als Irrlicht und manchmal als Umnachtung. Liebe hat keine andere Wahrheit als das Leben selbst. Sie ist lebendige Leidenschaft, leidet alle Beziehungen, die wir haben, und begründet sie. Sie ist immer konkret, auch wenn Abstraktionen sie vernutzen; aber sie ist auch allgemein, Liebe, die allen gemein ist, weil und solange die Menschen sich darin als Mensch erkennen. Im einzelnen ist sie notwendige Leidenschaft, Leiden als Tätigkeit, deren Not unmittelbare Lebensnot ist. Allgemein sammeln sich die Menschen durch ihre Tätigkeit in dem, was sie auch leiden können, weil es ihr Gegenstand und ihr Leben, ihr gegenständliches Leben ist. Darin bewährt sich ihre Liebe als leidenschaftliche Beziehung von Menschen zu einander und zu ihren Sachen, und nur hierin ist sie unmittelbare Identität aller Erkenntnis und Selbsterkenntnis. "Der Mensch erkennt sich nur im Menschen", so formuliert Marx die Notwendigkeit der Menschenliebe, die nicht nur Not wendet, sondern zugleich auch menschliche Gegenständlichkeit, das Glück des Mensch-Seins als menschlicher Reichtum an Mitteln und Vielfalt des Lebens ist. Darin verkörpert sich Menschenliebe als menschliche Vermittlung, als gesellschaftlicher Zusammenhang und somit als Grundlage menschlicher Selbstachtung und Beachtung alles Seienden, die zur Selbstverachtung gerät, wo sie ihre Liebe den Gegebenheiten überlässt. Liebe ist der Sinn, den Menschen für sich und für einander haben, für ihr menschliches Leben als Tätigkeit und Leiden, als menschliche Leidenschaft im Einzelnen wie auch allgemein in ihrer Gattungstätigkeit - nicht als Trieb von Naturbestimmungen (siehe Geschlechtstrieb), der sie Objekt ihres Lebens sein ließe, sondern als Subjekte, die ihr Leben und ihre Natur erzeugen und hervorbringen als ihre Lebenswelt, als gegenständliches Leben. Die Menschen haben ihren Sinn für sich nur wirklich in menschlicher Geschichte und in dem geschichtlich Werden des Menschen und dem Vergehen als Mensch. Wo sie ihren Lebenssinn hervorbringen und verlieren, im Leben und im Tod, äußern sie ihre Liebe als beständiges Moment ihrer Geschichte. Liebe hat keine Logik. Sie ist unmittelbarer Mut des Lebens in einer jeglichen Kultur, ohne nur für sich zu sein oder nur außer sich. Sie ist wesentlich Subjekt und Objekt der Erkenntnis, der Geist, der Sinn hat, Ununterschiedenheit in ihrem objektiven und subjektiven Sein. Liebe wird zur Selbstverliebtheit, wenn sie sich über das Leben der Menschen erhöht und deren Leben zu ihrer Bestätigung nutzt, wenn sie sich als ausschließliches Subjekt über die Objektivität menschlicher Lebensbedingungung und der Verfangenheit der gewöhnlichen Menschheit darin dünkt. Was die Menschen darin wahrnehmen, das erscheint ihnen als Erkenntnis ihrer selbst, als Schönheit ihrer Seelen, Ästhetik einer wesentlich scheinenden Selbstwahrnehmung, die zur Wahrheit eines Selbst wird, das sich ein Wesen gibt, indem es seine Geistlosigkeit als seelische Allmacht findet und empfindet. Alles Recht der Welt verfängt sich in der Selbstgerechtigkeit solcher Egozentrik, die sich in der bürgerlichen Kultur zur Allmächtigkeit der Selbstgefühle hochtreibt bis auf die Ebene des Menschenrechts und dem "Kampf der Kulturen". Das geschieht ohne Gefahr, wo Geldbesitz die Lebenszusammenhänge bestimmt. So verkehrt sich dort die Liebe zur Lüge der Eitelkeit entrückter Beziehung, zur Erhabenheit der Selbstbezogenheit privater Lebensräume. Bestünde diese auch nur aus Glück oder Schmerz oder Kränkung oder Überschwang, sie wird immer zu einem Dasein in bloßer Geltungssucht, weil sie darauf gründet, was sie aus dem Verhältnis der Menschen heraushebt: Die abgesonderte Besonderheit des Selbstgefühls. Als dies isolierte Gefühl gerinnt das Liebesverhältnis der Menschen zur besonderen Idividualität von Personen, zu einer Identität ihrer Gefühle, die als Seele sich zu einem inneren Wesen zusammenfassen, das seine Lebenssubstanz nur noch aus dem unmittelbaren sinnlichen Verhältnis der Menschen zueinander nimmt und somit ihre Sinnlichkeit vermittel. Die darin bestimmten Selbstgefühle beziehen aus ihrer Liebe den Sinn, den sie füreinander haben und in welchen sie zugleich ihre Selbstverliebtheit zwischenmenschlich entfalten. So wird das Seelische zur Lebenssubstanz zwischenmenschlicher Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung, in welcher sich die Absichten entäußerter Liebe als Lebensform eines sinnbegabten Individualwesens festhalten und durchsetzen. Diesem Wesen sind die Widersprüche seiner Umstände vergangen. Seine Beziehung zu ihnen ist in seinen eigenen Regungen als ein Leben aufgehoben, das seine Lebensverhältnisse selbst als einen Sinn wahrhat, der nicht mehr wahrgenommen wird. Der gesellschaftliche Sinn der Liebe ist in dieser Form desolat und bewahrt sich negativ in der Verleugnung ihrer notwendigen Wirklichkeit, wird zum Träger ihrer eigenen Entfremdung, zum Garanten und zur Legitimation jener Scheinwelt, in welcher sich die Menschen an ihre stumpfe Ergebenheiten gewöhnen müssen. Sind sie sich ihrer Liebe nicht mehr gewiss, so wird sie zum Überträger ihrer Unterwerfung, in welcher sie sich als Menschen nur darin gelten können, in gleicher Verwerfung zu leben. In solcher Negation sind sich die Menschen aber selbst nicht als Menschen, sondern als Objekte einer Liebe, die keinen Sinn mehr durch sie hat, weil sie nurmehr Sinn für alle sein soll, Sinn ihrer Lebenswelt als Lebensnotwendigkeit der Menschen, objektiver Sinn (siehe Übersinn), Gefühl fürs Lebensnotwendige, objektives Gefühl. Darin ist ihre Subjektivität einzig die Kultur einer Zwischenmenschlichkeit, ihre Lebensvorstellung eine Vorstellung von Menschlichkeit (siehe Ideologie), in welcher die Menschen objektiv gebeugt werden, um darin subjektiv überhaupt zu existieren. Subjektiv sind sie selbst zwischen sich und ihrer gegenständlichen Welt, sind also Subjekte, die selbst Objekte sind, Widerspruch in sich. In ihrem Gegensatz ziehen sie sich an, weil sie Menschen sind und stoßen sich ab, weil sie sich wechselseitig als objektives Mittel nutzen und darin ihren Verbrauch und Untergang befürchten müssen. Wo sich Subjekt und Objekt abstoßen, sich Liebe und Leben trennen, da herrscht Zweifel. Zweifelnde Liebe treibt zur Bezweiflung ihres Sinns, treibt ihre Beziehung von sich auf andere auseinander in die Trennung von Eigenliebe und Kultur als Kult von abstrakter Menschenliebe. Die Selbsterhöhung der Liebe dient ihrer Unterwerfung, zur Verallgemeinerung der Eigenliebe gegen Menschenliebe überhaupt und bewirkt zugleich deren Verselbständigung zu einem Ritual des Glaubens und der Frömmigkeit. Darin erstickt jede Liebe, die nur in der menschlichen Äußerung, in der Beziehung auf andere Menschen durch das eigene Menschsein wirklich leben kann. Liebe hat die Achtung anderer Menschen nötig, weil darin auch ihre Selbstachtung besteht. Im Glauben an ihre abstrakte Menschlichkeit verleugnet sie ihre Herkunft, wird selbst zur Negation gegen sich, zu einer Kraft, die ihr eigenes Wesen herabsetzt. Von da her kann Liebe zur Selbstverachtung in ihrer eigenen Versteinerung werden, zur Reaktion gegen sich, wiewohl sie ihrem Grund nach den wesentlichen Sinn für die Kritik aller Verhältnisse hat, die den Menschen "zu einem verächtlichen Wesen machen" (Marx). Die Menschenverachtung, welche barbarische Lebensverhältnisse betreiben, der Lebenszynismus einer objekiven Existenz, die für den Menschen nichts mehr sein kann, würde sich ungebrochen ausbreitzen, wäre die Liebe nicht in der Lage, Verachtung und Entfremdung zu erkennen. Wo sie versiegt , ist das Herz jeder Kritik gebrochen. Sie selbst wendet sich unmittelbar und mit oder ohne Verstand, mit oder ohne Bewusstsein gegen alle Verhältnisse, worin Menschen ausgebeutet, d.h. enteignet (siehe Eigentum) und zu eigenschaftslosen Wesen herabgesetzt werden, sei es in der sachlichen Form des Besitzes, sei es in der geistigen Form der Macht eines Willens. Sie ist Bedürfnis als Verlangen des Menschen nach dem Menschen in der Eigentümlichkeit seines Wesens und Werdens. Liebe ist der Inhalt des Lebens, lebender Sinn und sinnliches Leben der Menschen, absolute Beziehung auf sich und ihre Verhältnisse, aber auch die Scham der Selbstverleugnung, die ihnen in ihrer Selbstentfremdung abverlangt ist. Sie ist die höchste Subjektivität des Menschen durch sich und seinen Gegenstand. Indem er ihn produziert, erzeugt er sich, indem er ihn verneint, verschuldigt er sich an sich selbst. Liebe ist rückhaltlos, jenseits aller Bedingung, unbedingte Erkenntnis und Selbsterkenntnis in einem, Substanz jeder Sinnlichkeit und Grund für ihre Grenze und Begrenzung, Zweck aller Kritik. Ohne Liebe hat der Mensch die Beziehung zu sich, sein Leiden und seine Tätigkeit, seine Leidenschaft verloren, weil er seinen Sinn für andere Menschen verloren hat. Durch sie leidet er sein Glück wie seinen Schmerz wirklich, seine Eigenart in ihrer Eigentümlichkeit. Wo sachliche Notwendigkeiten herrschen, erkennt nur die Liebe menschliche Not. Für sich ist die Herrschaft des Notwendigen der Tod. Die Herrschaft des Tods über das Leben ist der Inbegriff des Sachzwangs, die Vernutzung von Leben, und der Zynismus der sich unabänderlich gebenden Entfremdung des Menschen von sich, seinen Produkten, seiner Lebensäußerung und seinem Sein (siehe auch Warenfetischismus). Der Kern menschlicher Emanzipation ist der Imperativ gegen alles Tote, insbesondere gegen die Herrschaft toter Formen der Macht (siehe auch Formbestimmung) über das Leben der Menschen, toter Arbeit (Kapital) über die lebende, toter Sinne (Entleibung) über die lebenden. "Das Leben mag sterben, aber der Tod darf nicht leben!" (Marx, MEW 1, S. 59). Während Menschen in Liebe fallen und sich darin als Mensch gefallen oder verfallen, wird sie als Inhalt von Kultur subjektiv wie objektiv ergriffen und erfährt darin auch die Geltung, die sie in einer bestimmten Gesellschaft hat (siehe auch Bewertung). So gibt es bürgerliche Liebe als Sinn, den Menschen für einander haben, weil sie durch einander existieren (Zwischenmenschlichkeit) - als Sinn gegenstandsloser, also ungegenständlicher Liebe. Immerhin scheint auch darin das sogenannte Menschliche durch. Von da her ist Liebe immer das Gegenteil von Gleichgültigkeit, immer sinnlich, auch wenn sie von Übersinnlichkeiten getragen wird, denn sie hat den einzigen Sinn, den Menschen für Menschen haben können, den Sinn, der sie vereint und unterscheidet, der ihre Wahrheit ist, - nicht als Sinn der Wahrheit, aber als wahrer Sinn, sinnliche Bewährung. Aber wer liebt, der kann sich darin nicht reflektieren, weil Liebe kein Reflexion ist und hat, weil sie selbst in allen Reflexionen widerscheint, ohne selbst und für sich reflektieren zu können. Aber nicht nur als diese ergreift sie die Menschen, sondern auch als Menschenliebe, wie sie allgemein als menschlicher Sinn für die Menschen ist. Mit ihm werden sie geboren, und wo sie ihn verlieren, vergeht ihnen jegliche Lebenssubstanz. Die Menschen haben daher ein Gedächtnis nötig, das sie in der Einsicht ihrer Liebe verbindet. Solange dieses nicht sinnlich, leibhaftig und wirklich in ihrem Gemeinwesen besteht, wird es nur im Glauben an eine allmächtigen Lebenskraft bestehen können, als notwendige Vorstellung von einer menschlichen Verbundenheit. Als Liebesideologie setzt sich ein Liebesbegriff geistig und politisch um, der sich aus den scheinhaften Wunderwerken des objektiven Geistes aus seinem Bild von sich als allgemeines Menschenbild erklärt, das als menschliches Selbstverständnis verbindlich gemacht und bewahrt werden muss, will eine Gesellschaft auch in ihrer Entfremdung vom Menschsein funktionieren. An ihrer Funktion messen sich daher auch die Vorstellungen des objektiven Menschen. die es immer noch nicht lassen können, sich in Gestalt von Psychologie, Philosophie und Theologie als Inbegriff des Herzensmenschen anzubiedern. Ob in der Ideologie oder in der Religion - dies alles ist nur eine abstrakte Brücke entfremdeter Menschenliebe zu konkreten Lebensverhältnissen. Darin sind sie ins Übermenschliche verklärt, um Anleitungen im Umgang abstrakter Verhältnisse zu stiften, zu befrieden, um Frieden zu geben, wo Auseinandersetzung nötig wäre, zu lähmen, wo ihr Schmerz zum Grauen würde. Liebe selbst wird in dieser Negation übermenschlich, weil sie darin ein hilfreicher Widerschein des Menschen ist, allmächtige Güte und Zeugung des reinen Geistes, der nichts anderes sein kann als der Geist des sich selbst fremden Menschen in den jämmerlichen Verhältnissen seiner Selbstverliebtheit. Dennoch besteht alles, was darin als übermenschliche Erkenntnis der Liebe, als Aufhebung ihres Widerspruchs zwischen ihrem subjektiven und objetiven Sein scheint, auch wirklich, wenn auch anders verbunden. Im Judentum ist Liebe gleichbedeutend (und hat auch dasselbe hebräische Wort) wie Erkenntnis, welche im Zorn der Gottesgebote ebenso wahr gilt, wie im Lebensgenuss und der Selbsthingabe. Im Christentum ist es gleichbedeutend mit der Erlösung des Menschen in der Selbstlosigkeit seiner Seele (Seligpreisungen) und besteht daher als Gebot der Nächstenliebe als Einheit in Gott. Das hat manchem schon das Leben gekostet und ist vielleicht wirklich "die größte Lüge der Menschheit" (Nietzsche). In der Bürgerlichen Gesellschaft ist Liebe Zwischenmenschlichkeit und hat den Zweck der Sorge um den Menschen und den Glauben an ihn (Religion) als einen Nächsten, also einen nicht Fremden, der doch wenigstens als personifizierter Zwischenmensch aufscheint. Darin scheint zugleich die Bessenheit der Habgier überwunden, die Wechselseitigkeit des Habens und Nutzens. In Gott bewahrt der Mensch seine abstrakte Eigentümlichkeit als Eigentum Gottes, das ihm in irdischem Besitz die Selbstentfremdung des Menschen ertragen lässt. Er ist die Versinnbildlichung abstrakt gewordener Selbsterkenntnis. Darin wird das Auseinanderfallen seiner Erkenntnis in Form (Raum, Anwesenheit, Gegenwärtigkeit) und Inhalt (Sinn und Geist) zu einem absoluten Geist, der als Glanz des Zwischenmenschlichen das wirkliche Leben überstrahlt. Die Religion macht ihn zu einem imaginierten gesellschaftlichen Wesen in der Form der Dreifaltigkeit des praktische Menschen, in welchem sich alle Bürger in einem Gott gleich sind, der ihnen ein abstraktes Band ihres geistigen Lebens ist. Sie erscheinen sich darin als Vollendung ihrer Liebe, solange ihnen der Erwerb von Besitz selbstverständlich ist, solange dieser ihnen die Basis ihres privaten Glücks beschert. Insofern entspricht die christliche Religion dem Bürgertum am besten, das sich aus dem Schacher seiner Selbsterzeugung heraushebt und sich vom Judentum mühsam abzustoßen versucht, indem es den Schacher leugnet, der seine Grundlage ist. Hierfür braucht es den hingeschlachteten Menschen, den schmerzensreichen Jesus, der nur im Schmerz überzeugt, dass seine Liebe einen höheren Sinn hat und der verraten war von Judas. Die christliche Liebe ist die Überhebung über den menschlichen Schmerz der menschlichen Liebe, indem sie nur zum Beispiel eines göttlichen Schmerzes von göttlicher Liebe wird, indem sie ihren Sinn enteignet. Der Geist Gottes schwebt über ihr und lößt all ihre Leiden im übermenschlichen Gottvater, dem Gütigen, dem Guten, das nur duch das Böse bedrängt sein kann. Das bürgerliche Leben verewigt sich, indem es in der Dreifaltigkeit des praktischen Menschen (Jesus), des geistigen Menschen (Heiliger Geist) und des Übermenschen (Gott Vater) sich aufgehoben versteht. Diese Formbestimmung ist das Leiden an seiner Geltung. Bürgerliches Streben ist sich in der Form von Fürsorge und Mitleid dem Mangel der Begründung seiner Bewertungen bewusst, die es durch die Anerkennung einer allgemeinen Geltung von Recht, Moral und Sitte aufgehoben haben will. Aber diese gelten dem Bürger als Notwendigkeit für die darin unwandelbar scheinenden Lebensverhältnisse, also als Lebensnotwendigkeit, in deren Erfüllung und Verfüllung er seine Gespaltenheit kulturell bis zur Unkenntlichkeit vollzieht. Ihr beugt er seine Liebe - und gebeugt trägt sie den Schmerz des Bürgers als Sehnsucht mit sich fort und sucht Erfüllung außer ihm. Das Bürgerherz lebt seine Liebesmystik wie einen Roman, den es zu erfüllen gilt und gerät ohne wirklichen Gegenstand von einer Mythologie in die andere. In den Räumen ihrer Liebe machen die Burgherren ihre Gefühle füreinander zu ihrer gewohneten Gefühlswelt, zur Wohnung ihrer Seelen. Im Lebensbunker der abgetrennten Häuslichkeiten bestimmen die Selbstgefühle die Verhältnisse zueiander und zu sich selbst im Maßstab ihrer Vorstellungen, Ziele, Sehnsüchte, Bedürfnisse und Wünsche. Solche Häuslichkeit befreit das klamme Herz von den Ansprüchen der allgemeinen Liebe und ermöglicht ihm endlich die Teilhabe an den Gewohnheiten der Kultur des privaten Glücks. Zugleich aber beengt dieser Schutzwall der Liebe ihren Sinn, drängt ihn dorthin zurück, woraus er sich entwickelt, ohne hierin Wirkung zu bekomen oder Wirklichkeit zu haben. Das Begattungsverhältnisentfremdet sich von der Gattung, das Liebesglück von der Liebe. Durch die Ausgeschlossenheit von wirklichen Auseinandersetzungen in all den vielfältigen Beziehungen von Liebe, Hass, Aggression, Einsamkeit usw. wird Liebe einfältig, zum Eigensinn einer Welt, in der sie in ihrem klienen Glück zugleich den Sinn des Überlebens zu erbringen hat. Somit ist Liebe hier übersinnlich bestimmt. Kein Wunder, wenn ihr die Sinne schwinden, wenn sie die übersinnlichen Notwendigkeiten einer privaten Kultur erfüllen müssen, die sich aus ebensolchem privaten Raum begründen soll, ohne darin einen anderen Grund zu haben, als sich selbst.. So bestimmen sich Lebensnotwendigkeiten wie selbsterfüllende Prophezeiungen aus den Erwartungen und Versprechungen schicksalhaft als die Heimleichkeiten unter unheimlichen, weil ganz und gar öffentlichen Zwecken der Kultur fort. In jeder Liebe sind die Menschen bedingungslos, hier erscheint ihre Bedingungslosigkeit zugleich unbedingt, absolut notwendig zur Erfüllung quasi naturhafter Aufgaben und Rollen (Familie, Generationen, Kinder, Haushaltung usw.) In dieser unbedingt erscheinenden Bedingungslosigkeit kann niemand Bedingungen stellen, er muss aus Liebe sein, was er als Mensch schon ist und war. Er muss dazu erzogen werden (siehe Erziehung). Die Liebe treibt den Widerspruch dieser Bunkerwelt als Selbstwiderspruch fort, in welcher die Selbstverliebtheit geradezu überlebenswichtig ist, um ihren Unsinn zu kaschieren. Alle Gefühle werden auf diese Weise liebesmächtig, erzeugen unmittelbare seelische Pflicht und seelische Schuld, nämlich das Leben zu erfüllen, das hier nötig und zugleich doch nur gegeben ist, wie es erscheint. Schuld- und Pflichtgefühle lasssen die Menschen nur sein, was sie nicht sind, lassen sie werden, was sie nicht sein können. Die seelische Unterwerfung offenbart die Identitätslosigkeit des ganzen und bestimmt das Leben der Menschen zum Arrangement ihrer Verträglichkeit: Vertragen sie sich, so lieben sie ihre Identitätslosigkeit; Unverträglichkeiten eröffnen den Zerfall der gewohnten Lebensstruktur, die alleine Identität gibt (siehe Familie). Lebensangst steckt als unheimliche Öffentlichkeit hinter dem Heim, in welchem Leben nicht nur reflektiert, soindern ganz wesentlich auch erzeugt wird. So sich die Menschen in dieser so subjektiven Objektivbestimmung nicht vertragen, bricht sie in ihnen durch. Darin erkennen sie ihre nackte Objekthaftigkeit in diesen Verhältnissen, in denen sie füreinander sicht entrücken, sinnlich also schon verrückt sind: Was hier sinnlich ist, kann nicht wirklichen Sinn haben. Nur in der Entgegensetzung zu diesen Verhältnissen keimt eigene Identität. Dies aber nur im Widerspruch zu allen Liebesverhältnissen, wie sie hierin bestimmt sind. Es ist ein großer Sprung nach "draußen", denn in der widersprüchlichen Identät wird alle Identität gebrochen, wo sie auftritt. Jeder Sinn ist zugleich entleibt, wo er leiblich wird (siehe Einverleibung), weil er zunächst einmal nur nützlich für etwas sein kann, was nicht ist, sei es als Hass auf das Leben oder als Seitensprung in eine anderes. Alle seelischen Entwicklungen bedrängen sich in ihren Absichten und Zwecken. In den darin fixierten Seelenstrebungen entwickeln die Menschen Scheinwelten, in denen sie ihre Wahrheit aneinander relativieren und ihre Identität ihren Lebensbedingungen überlassen. In solchen Verhältnissen verrücken sich ihre Beziehungen zueinander in einem abstrakt bestimmten Sinn, in welchem ihre Liebe nun auch in ihrer Verneinung besteht, als Lebenswelt eines Lebens durch das Leben, für welches diese Liebesbeziehung steht, welches sie erzeugt und also auch bezeugen muss; - meist ist es das Leben der Kinder und was aus ihnen werden soll. Wo die Älteren, die Eltern sich bestimmt hatten, für ihre Liebe und Kinder da zu sein, muss nun das gelebt werden, was ihnen das Leben überhaupt möglich macht. Die Geschichte hat sich umgekehrt. Was hier gefunden und empfunden wird, das geht an Menschenliebe verloren. Es werden darin Werte produziert, die der Selbstwahrnehmung dienen (siehe Selbstwert), aber jede wirkliche Selbstachtung aufbrauchen (siehe Einverleibung). Diese objektive Selbstverneinung spaltet die Selbstwahrnehmungen in Subjekte und Objekte der Seele und spaltet die Liebe in Anpassungsnotwendigkeiten und Selbstüberhebungen (siehe hierzu auch Körperfetischismus). Das macht jene wirklich verrückt, die in ihrer Anpassung ihre Entleibung als Kraft gegen sich erfahren und zugleich gegen sich auch zu vollziehen haben (siehe Depressionen, Angst, Zwang, Sucht, Wahnsinn). Der Wahn wird so zur äußersten Wirklichkeit bürgerlicher Liebesverhältnisse, zu einer Erkenntnis, in der sie wirklich negiert und bewahrt sind als sinngerechte Negation der Lebenswirklichkeit, als eine Seele, die selbst ihren Sinn formuliert, den sie nicht haben kann und nicht haben darf, solange sie substanziell in diesen Verhältnissen verbleibt. | ![]() |