»Kam endlich eine Zeit, wo alles, was die Menschen bisher als unveräußerlich betrachtet hatten, Gegenstand des Austausches, des Schachers, veräußert wurde. Es ist dies die Zeit, wo selbst Dinge, die bis dahin mitgeteilt wurden, aber nie ausgetauscht, gegeben, aber nie verkauft, erworben, aber nie gekauft: Tugend, Liebe, Überzeugung, Wissen, Gewissen etc., wo mit einem Wort alles Sache des Handels wurde. Es ist die Zeit der allgemeinen Korruption, der universellen Käuflichkeit oder, um die ökonomische Ausdrucksweise zu gebrauchen, die Zeit, in der jeder Gegenstand, ob physisch oder moralisch, als Handelswert auf den Markt gebracht wird, um auf seinen richtigsten Wert abgeschätzt zu werden.« (Karl Marx: DasElend der Philosopie, 1817, MEW 4, S. 63) Die bürgerliche Kultur ist das Verhältnis von Menschen, die sich in ihren Sinnbildungen unmittelbar vermittelt und unbedingt unmittelbar verhalten. Das unterstellt einen Sinn, der schon da ist, bevor er entstehen kann und doch gebildet sein muss, um da zu sein (siehe hierzu auch Ästhetik). Die Sinnbildung der Menschen hebt in solchen Verhältnissen zugleich ihre Unmittelbarkeit darin auf, dass sie bedingt ist. Sie beruht auf einer Bildungsgeschichte des Bildungsbürgertums, die an sich unbedingt sein soll, um für sich geschichtlich ein objektiv bestimmtes Subjekt zu sein, ein Subjekt, das sich objektiv auf sich selbst bezieht, in seiner Selbstvewirklichung reine Selbstbeziehung sein soll. Das ist an und für sich ein Widersinn, ein Unding, das nichts werden kann, weil es in seiner Selbstwahrnehmung nur bedingt etwas ist, das unbedingt sein soll. Es ist in seinem Werden bereits vergangen, in seiner Subjektivität bereits objektiv, bevor es entstehen, wirklich wahr sein kann (siehe Logik). Es ist ein Leben zwischen allem was ist (siehe Dazwischensein), ein Erleben zwischen den Sachen und zwischen den Menschen (siehe Zwischenmenschlichkeit), ist als eine bloße Wirklichkeitskonstruktion ein Widersinn in sich: Wirklichkeit als Konstrukt eines endlosen Dazwischenseins, als Vorstellung und Einbildung, die schon durch ihr schlichtes Dasein Wirkung haben soll ohne wirklich das zu sein vorstellt können, was es vorstellt (siehe hierzu Konstruktivismus). Solche Kultur ist ein rein ideell bestimmtes Lebensverhältnis, das im Einzelnen voller Erlebnisse ist, im Allgemeinen aber nicht die Identität ihrer Wahrnehmung zulässt, die sie behauptet (siehe hierzu auch Selbstbehauptung). Sie erscheint sich selbst gegenständlich, weil sie nur sich zum Gegenstand hat. Das beruht auf einer Selbstbestimmung, die gegenstandslos ist, keinen Gegenstand hat und also für sich nichts anderes sein und werden, keine wirkliche Geschichte haben kann. Weil sie nichts Gegenständliches erzeugt und also sich zu sich selbst gegenständlich verhalten muss, ist sie den Menschen äußerlich, tatsächlich unvermittelt entgegen stehend, äußerer Gegenstand. Sie gründet nicht auf ihrem Leben, sondern dient ihm dazu, unmittelbar und unbedingt in Einem, einzeln und zugleich allgemein, abstrakt allgemein zu sein. Sie ist nicht ihr Lebensausdruck, sondern der einer Arbeit, die Fremdarbeit ist, auf einer Lebensproduktion von fremdem Leben beruht. Solche Kultur kann nur aus der Enteignung von Natur und Leben, allgemein aus der der Aneignung von hieraus gepresstem Geld, durch Geldbesitz bestehen, in welchem die Menschen ihre wesentliche Existenzbestimmung (siehe auch Existenzwert) und das einzige Potenzial ihres Glücks erfahren und in welchem sich vor allem das Interesse des Kapitals fortbestimmt, der Lebenszusammenhang der Menschen also von Geldvermögen getragen wird, das sich zur Vermehrung dieses Vermögens forttreibt (siehe Trieb) und fortbestimmt. Menschliche Beziehungen bestehen unter solcher Bedingung nicht durch ihre Bedürfnisse, ihr notwendiges Verlangen und die Notwendigkeiten ihrer wirklich gesellschaftlichen Vermittlung, nicht durch ihr konkretes Leben und dem Bedürfen und Erzeugen von menschlichem Leben und dessen Lebensmittel. Geldvermögen lässt Leben nurmehr jenseits von seiner Gesellschaft, also nur unmittelbar zwischen den Menschen selbst zu. Ihre gesellschaftliche Arbeit hat für für die Menschen darin keinen konkreten Sinn, erscheint ihnen für ihr allgemeines Fortkommen, ihre Entwicklung und Geschichte sinnentleert, weil sie nur für Geld und Dienstleistiungen und durch Ausnutzung der eigenen Lebenskräfte, durch Selbstausbeutung geschieht. Geld ist eine rein abstrakte gesellschaftliche Identität, in welcher sich allein die Wertgröße menschlicher Verhältnisse formuliert. Es ist für sich völlig ungegenständlich, rein abstrakte Sache ohne jeden menschlichen Gegenstand. Als einzige gegenständliche Form menschlicher Beziehungen wird unter der Bestimmung des Geldverhältnisses Kultur selbst bestimmt zu einer Vermittlung von Menschen, die darin die gesellschaftliche Identitätslosigkeit, die Lebensangst des Geldbesitzers aufhebt. Sie wird zur Formbestimmung eines Zusammenhangs der Selbstbezogenheiten, der nur zwischen den Menschen, nicht durch sie geschaffen ist, in welchem sie sich nicht gegenständlich als Wesen ihres Lebens erkennen können, sondern sich nur in dem Wahrnehmen, was sie voneinander haben. In ihrer Wahrnehmung können sich die Menschen aber nur damit identifizieren, was sie voneinander wirklich wahrhaben, nicht was sie sind, sondern was sie für ihre Wahrnehmung sind, was ihnen also eine äußere Identität verschafft, eine in ihrer unter solchen Verhältnissen gebildete Selbstwahrnehmung zusammengefügte Wahrheit ihrer Wahrnehmungen, ihrer Empfindungen und Gefühle. Die Logik der Kultur verläuft als äußeres Identifikationssystem der Menschen, als die Bewegungsform ihrer Zwischenmenschlichkeit in ihrem Dasein als zwischenmenschliches Verhältnis, das menschliches Leben nutzt, um leben zu können, das Sinn dadurch hat, dass es seine Körperform genießt (siehe Körperfetischismus) und sich in einer allgemeinen und wechselseitigen Entleibung entfaltet. Diese Entwicklung umfasst den ganzen Kulturbegriff, alle Bereiche der Selbstwahrnehmung: die eindrückliche, die ausdrückliche und die ästhetische Selbstwahrnehmung. Sie hat demnach drei wesentliche Formen: 1. Der Selbstwert und die Selbstverwirklichung, der Entwicklungsprozess der bürgerlichen Persönlichkeit von der Wahrnehmung in alle Formen der Selbstwahrnehmung, worin sie diese ihre Verhältnisse zwischen Sinn für sich und Sinn für andere, zwischen Empfindungen und Gefühlen gründet und sich durch die Absicht der Gefühle in abstrakter Sinnlichkeit entfaltet und eine Welt voller Selbstgefühl als Charaktere privater Persönlichkeiten bis zur flexiblen Persönlichkeit errichtet. 2. Die zwischenmenschlichen Beziehungen der Personen, in welchen sich Lebensburgen bilden als geschlossene Welt der Selbstgeborgenheit, worin Lebensschuldigkeiten zu objektiven Gefühlen werden, zum privaten Raum einer heile Welt der Gewohnheiten und Wohnlichkeiten in einem Gemeinschaftswesen von eigener Wirklichkeit (Familie, Gemeinde usw.). Allerdings werden darin die Lebensschuldigkeiten zu einer erziehenden Beziehung, welche hörige Verhältnisse bestimmt, welche die Selbstwahrnehmungen in zwingende Sinnlichkeit pervertieren, in Lebensangst versetzen, sie verrückt machen und zum Irrsinn treiben. 3. Gesellschaft wird hierdurch zu einer Überlebensnotwendigkeit, in welcher nicht die Menschen sich durch ihre kulturellen Beziehungen erhalten, sondern diese von der Not, in welche menschliche Identität geraten ist, politisch bestimmt werden. Die Sinne werden hierbei selbst entäußert und ihrer Substanz enthoben. Die Erlebniswelt der Sinnesmächtigkeit vergesellschaftet Sinne in einer Selbsttäuschung, als Masse übermenschlicher Sinnlichkeit, die sich bis hin zum Menschenpark und Tittytainment entwickelt. Sie begründet sich auf dem Glauben an das Erleben, der die Selbstbehauptung durch einen gesellschaftlich erforderten Willen in ein ästhetisches Verhältnis treibt, weil er sich als Form von objektiven Gefühlen selbst nötig hat und haben will. Darin wird die Selbstwahrnehmung beseelt zu einem ästhetischen Willen, der sich darstellen und beeindrucken, erleben will und Erlebniswerte schafft und Ereignisse nur zu diesem Zweck produziert (Ereignisproduktion). Dieser Wille beherrscht die Eindrücklichkeiten des Seelenlebens, und entfaltet sich von daher als dessen notwendige Negation, als prinzipielle Verneinung des darin Wahrgehabten, das sich von daher in nichts mehr ausdrückt, als Produkt der Selbstwahrnehmung zugleich ihre ausdrückliche Verneinung ist. Hierdurch wird das Bestehende selbst zu einer notwendigen Bestandsaufnahme seelisch verbliebener Erlebnisse, zu einer allgemeinen Seele, die Unheil verspürt, zu einem Heilsprinzip, welches die Selbstwahrnehmung zur Selbstverborgenheit treibt und diese objektiviert zu einem Volkskörper, der sich zur Volksseele fortbildet. Die Kultur ist damit total geworden in gemeinhin kultivierten Menschen, die sich durch ihre Kulturgemeinschaft selbst als Kultur bestimmen, somit eine Wiederkunft des abstrakt Menschlichen sind, das sich in der Abstraktion von wirklicher Gesellschaft als selbständige und allmächtige Erlebniswelt wahrhat. | ![]() |