"Wollt ihr den totalen Krieg?" (Joseph Goebbels, Februar 1943) Gefühle entstehen und leben durch Empfindungen, aus denen sich die Substanz ihrer Wahrnehmung fortbildet. In den befriedeten Beziehungen von Bildungsbürgern, die ihre Verhältnisse auf der Vergemeinschaftung ihrer Erlebnisweisen gründen, werden die Empfindungen existenziell ausgeschlossen. Die Empfindungen, aus denen sich ihre Gefühle entwickelt hatten, sind dadurch abwesend und wirken in ihrer Abwesenheit durch ihre Abstraktionskraft als Selbstgefühle verselbständigte Empfindungen, die eine ihnen selbst äußerliche, eine in sich und durch sich verkehrte Selbstvergewisserung ihrer leblos gewordenen Gefühle betreiben (siehe auch Selbstgewissheit). Die Selbstverständlichkeit der hierdurch abgetöteten Wahrnehmungen verlangt für ihren Selbsterhalt nach einer psychischen Gemeinschaft (siehe auch Gemeinsinn), die in sich keinen Sinn finden kann und auch außer sich völlig entgegenständlicht ist. In dieser absoluten Entwirklichung der Selbstwahrnehmungen entsteht eine Massenpsyche aus einer Lebensangst ihrer Gefühlsmasse, die ihre Selbstgerechtigkeit im Trieb ihrer Masse ernährt. Das löst schließlich die Gewissheiten ihrer einzelnen Wahrnehmungen aus den ängstlichen Selbstwahrnehmungen in den Lebenswelten zwischenmenschlicher Verhältnisse durch ihren ästhetischen Willen in einem politischen Verhältnis zu sich selbst auf. In ihrer Selbstentfremdung wirken hierdurch die persönlich fremden Massengefühle und erzeugen die Gesinnung einer Sehnsucht nach einem übermenschlichen Sinn, der über die Mystifikation ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen zu einem allen gemeinen psychischen Subjekt wird (siehe hierzu Volk), das ihrer Kontrolle entgeht, wiewohl sie sich als Teil hiervon verstehen und sich darin zugleich verallgemeinert finden. Aber in Wahrheit ist diese Allgemeinheit für ihren einzelnen Verstand unerreichbar und folgt daher der allgemeinen Selbstverständlichkeit gemeiner Gesinnungen. Darin verschmilzt ihre objektiv gewordene Subjektivität zu einer subjektiven Objektivität, die ihre tatsächliche Ohnmacht mit Bildern von Feindlichkeiten verfüllt. Darin vermitteln diese eine subjektive Macht einer scheinbaren Wahrnehmungsidentität durch die Selbstgerechtigkeit ihrer bloßen Masse (siehe Fremdenhass), die sich fortan überall vergegenwärtigen kann, wo ein störendes Objekt den Bildern ihrer übermenschlich gewordenen Gesinnung unterstellt werden kann (siehe auch Judenhass). Alles wird somit zu einem politischen Gegenstand der vielen gemeinschaftlich versammelten einzelnen Psychen in der Verelendung ihre einzelnen Seelen sich hiergegen ermächtigen (siehe auch autoritärer Charakter). Die Massenpsyche tritt daher überhaupt nur im Zusammensein von Menschen in den politischen Beziehungen ihrer Gemeinschaften auf und scheint von den einzelnen Menschen völlig unabhängig zu sein. Sie besteht ja auch nur aus dem Bündnis von kollektivierten Abstraktionskräften (siehe auch Trieb), die sich in einem Verlangen nach einer ihnen persönlich fremden Wahrnehmungsidentität in ihren Gemeinden und durch sie zu befriedigen suchen um ihrer Selbstentfremdung zu entkommen. In seiner "Massenpsychologie des Faschismus" hatte Wilhelm Reich in den 1930er Jahren eine psychische Gewalt entdeckt, die er aus einem "Missverhältnis" von sexueller Energie und Arbeit begründet sah, das sich in einer Charakterpanzerung der Individuen allgemein vermitteln könne (siehe hierzu auch autoritärer Charakter). Dadurch könne sich in der Masse der Gefühle eine Gefühlsmasse bilden, die sich wie eine "emotionale Pest" ausbreiten, die Abgrenzungen und Abscheidungen und Hass und Fanatismus provoziert, die eine Staatsgewalt in Gang setzen, die eine Hörigkeit an jede Ordnungsmacht schon über ihre Bürokratie durchsetzen kann (siehe hierzu auch Heinrich Mann: "Der Untertan"). Wilhelm Reich wollte mit seiner massenpsychologischen Theorie eine "triebökonomische" Begründung für eine Massenpsychologie liefern, durch welche sich der "subjektive Faktor" aus den psychischen Zwängen der Individuen in eine objektive gesellschaftliche Gewalt kehrt, welche die Politik als Ordnungsmacht ihres emotionalen Gemenges nach einer eigenen Art von Verwaltung verlangt, die als politischen Gewalt der Bürokratie in jeden einzelnen Menschen die Bürokratenseele eines Blockwarts verpflanzt. Ein jeder Mensch, der seine Angst (siehe auch Lebensangst) darin aufhebt, verwaltet sich demnach selbst im Sinne eines Staatssystems und überantwortet seine Selbstbeziehung der Funktionalität eines faschistischen Staats (siehe hierzu Systemtheorie). Was der Staat in wirtschaftlichen Krisen nicht bewältigen kann, lässt sich so über psychische Mutationen einer Massenpsyche überwältigen. "Die Bürokratie ist der imaginäre Staat neben dem reellen Staat, der Spiritualismus des Staats. Jedes Ding hat daher eine doppelte Bedeutung, eine reelle und eine bürokratische, wie das Wissen ein doppeltes ist, ein reelles und ein bürokratisches (so auch der Wille). Das reelle Wesen wird aber behandelt nach seinem bürokratischen Wesen, nach seinem jenseitigen, spirituellen Wesen." (MEW 1, Seite 248*ff) Wilhelm Reich wollte eine psychoanalytische Erklärung (siehe auch Aufklärung) für eine Massenpsyche liefern, mit der er sich allerdings von Sigmund Freuds Todestrieb-Theorie abgesetzt hat und daraufhin von der Psychoanalytischen Gesellschaft ausgeschlossen wurde. Ein "triebökonomisch" begründetes Verhältnis der gesellschaftlichen Subjekte ist in der Tat ein widersinniges Verhältnis, das eine Gesellschaft von triebbestimmten Individuen diese selbst als triebhaft im psychoanalytischen Sinn verallgemeinern müsste und damit als Erklärung zirkulär wäre (siehe schlechte Unendlichkeit). Was an seinem Erklärungsansatz aber dennoch interessiert ist die Beobachtung, dass sich in der Masse von Menschen nicht einfach ein "Unbehagen der Kultur" durchsetzt, sondern in der Masse der Gefühl sich eine eigenständige Energie einer Gefühlsmasse entfaltet, die an und für sich die gegen die Politik ihres Landes gleichgültige Menschen so politisieren kann, wie es politisch gewollt ist. Hierdurch werdem aus den Menschen leicht radikale Staatsbürger macht, die durch ihre Bürokratenseele unter einer jeden Obrigkeit folgsam sind (vergl. Hannah Ahrendt: "Die Banalität des Bösen"). Hierzu genügt dann schon die Erzeugung einer Prominenz einer alles versöhnenden Verständigkeit an der sich die Menschen vereinigen und einen reaktionären Gemeinsinn durch populäre "Anmutungen" beziehen - besonders wenn sich dieser in den Zweck einer allgemeinen Gesundung stellt, sich als Heilserwartung in Krisenzeiten z.B. durch Kulte oder Rituale vermitteln lässt. Tatsächlich werden über die Kulturalisierung der Masse (siehe auch Massenkultur) Energieen frei, die sich praktisch an alles binden lassen, was heilsam erscheinen kann (siehe hierzu auch religiöser Fanatismus) oder als Heil der Menschheit darstellbar ist (siehe hierzu auch Elias Canetti: "Masse und Macht - Zähmung der Massen in Weltreligionen"). Die Masse ist ein Gemenge abstrakter Beziehungen, deren Sinn sich im Zweck einer körperlichen Verdichtung aufhebt und zu einer leibbhaftgen Abstraktionskraft wird. Darin vereinigt sich die Kraft der Menge im Maß der Dichte ihrer Ungewissheit, der Abwesenheit ihrer wirklichen Bezogenheiten durch die Gegenwärtigkeit bzw. Anwesenheit ihrer abstrakten Elemente, ihrer Begriffssubstanz. In der Masse herrscht das abstrakt Allgemeine in seiner bloßen, aus beliebigen Inhalten abgezogenen Energie. Vieles wird auf diese Weise zu einem Gemenge, das als etwas Ganzes erscheint, das aber nichts Ganzes zum Inhalt hat, weil es im Wesentlichen abwesend ist und gerade hiervon im Allgemeinen abstrahiert. In der Masse herrscht das abstrakt Allgemeine in seiner bloßen, aus beliebigen Inhalten abgezogenen "freie" Energie (siehe hierzu auch Quantität). Es gehen darin daher die einzelnen Unterschiede nicht einfach unter. Sie heben sich in ihrer Bestimmtheit auf und verwandeln sich in eine Kraft, die der Formbestimmung ihrer Verhältnisse die Energie ihrer Abstraktionskraft verleiht. ihr abwesender Lebenszusammenhang macht sich darin geltend, indem er in der Form seiner abstrakten Anwesenheit als bloße Masse im Gemenge (siehe auch Menge) eines kulturell wirksamen Geltungsstrebens mächtig wird und in ihrem Sinnverlust seine Beziehung auf andere begründet (siehe auch Zwischenmenschlichkeit). Das Sinnlose ihrer Beziehung wird zur Grundlage einer widersprüchlichen Vermittlung, sodass diese in deren Verselbständigung selbst zum Antrieb einer gemeinen Menge werden kann, die jeden Sinn für sich - und damit ihren Verstand - verloren hat (siehe auch tote Wahrnehmung). Wenn eine massenhafte Ansammlung psychischer Absichten sich in einer hohen Dichte ihrer Gefühle versammelt, bildet sie sich zu einer Gefühlsmasse aus, in der sich deren Massengefühl zu einer Gemeinschaftspsyche aufbaut, die ihre Ziele aus der Aufsummierung der Abstraktionskraft der ihrer Selbst verlustig gegangen individuellen Selbstwahrnehmung fanatisiert (siehe auch Selbstverlust). Dies hat auch eine unmittelbar gesellschaftspolitische Bedeutung als Massenpsyche besonders dadurch bekommen, dass sie im Populismus reaktionärer Interessen Verwendung findet. Darin werden aus Massengefühlen politisch wirksame Ressentiments, wodurch sich die Kultur der zwischenmenschlichen Verhältnisse als politische Kultur einer allgemeinen Zwischenmenschlichkeit (siehe Massenkultur) durchsetzen muss. Die Massenpsyche ist daher eine gegen die Vielfalt ihrer gesellschaftlichen Beziehungen verallgemeinerte Psyche, die sich gegen die gesellschaftliche Wahrnehmung der Menschen normativ verhält. Massenpsyche entsteht nicht aus einer Masse von seelischen Absichten (siehe Massenpsychologie); sie ist ein für sich wirkliches Massenphänomene des Seelischen, das durch Massengefühle eine suggestive Macht erfährt. Sie hat ihren Grund also nicht in der Aufmassung von individuellen menschlichen Eigenschaften, sondern in den Verhältnissen der Masse an Selbstverlust im Maß ihrer Verdichtung der Anwesenheiten zu einem körperlichen Raum, zu einem Körperrraum, der durch die Dichte des Zusammentreffens von Menschen psychisch bestimmt ist, die zur Erzeugung einer Gefühlsmasse z.B. durch Populisten politisch oder zu Werbezwecken genutzt wird. Sie begründet sich nicht aus der Masse als Aufsammlung, sondern durch die Abstraktion von Sinn durch die Masse abstrakter Sinnlichkeiten. Weil die Substanz dieser Abstraktion körperliche Dichte im reinen Raum, die bloße Anwesenheit von Körpern ist, ensteht die Massenpsyche (siehe Volksseele) unmittelbar körperlich als eine Absicht, welche die Masse bewegt - gleichgültig, wie sich dies begründetn lässt (damit soll natürlich nicht jeder Massenbewegung per se jeder wirkliche Grund abgespochen, sondern lediglich auf die Bestimmung seelischer Gründe hingewiesen werden). Die vereinigte und sich zugleich bedrängende Masse benötigt ein Zentrum, um welches sie sich bewegen kann. In ihr entsteht durch die endlose Verdopplung verlorener Selbstgefühle, ein eigenständiges Massenwesen entschwundener Selbstwahrnehmungen (siehe auch tote Wahrnehmung), an dem sich dessen Selbstlosigkeit als Gefühlsmasse in einer schlechten Negation ordnet und ausrichtet, einen Kult entwickelt, in welchem sie ihren Ausdruck findet, um sich darin in ihrer Selbstentfremdung zu empfinden, diese also zu verdoppeln. Nicht weil die einzelnen Menschen dieses Massenwesen (siehe Masse) aus sich heraus nötig hätten, sondern weil sie sich darin aufheben können, weil sie ihre Isolation gemeinschaftlich zu einer Wahrnehmungsgemeinschaft wenden können, weil ein solches Massengefühl eine notwendige Bestimmung gegen ihre Isolation ist (siehe auch Fan-Kult). Eine Massenpsyche als solche gibt es nicht; aber eine Masse, die Menschen in Bewegung versetzt hat eine psychische Substanz, eine Absicht, die nicht als Absicht ist, die unbeabsichtigt sich ereignet: Es ist die Vermassung von Isolation in einem gegensinnigen Interesse zwischen einer Einheit als massenhafte Absicht und gemeiner Gegensinnigkeit der Körper, die in der Masse ästhetisch aufgelöst ist als ästhetischer Wille und körperliche Eintracht, als Massenbewegung (siehe auch Massenmensch). Es ist dies die Einheit einer massenhaften Widersprüchlichkeit menschlicher Isolation, die in der Masse aufgehoben ist, aber durch sie auch nicht wirklich aufgehoben werden kann. Es entstehen in diesem allgemeinen Isoliertsein eigene Phänomene der Macht, wie sie etwa Canetti in "Masse und Macht" beschreibt. Macht bekommt, was bewegt: was Richtung weist, Angst ableitet, Sehnsucht stillt und Flucht ermöglicht. Die Macht über die Masse ist nur in der Gegensinnigkeit der Menschen selbst zu verstehen, die sich in Masse bewegen. Jeder erlebt sich allgemein, sich als Teil einer Allgemeinheit, über die er sich zugleich erhebt. Er braucht sie als Mittel seiner Überhebung, wie er sich auch ihr unterwerfen muss, um ihr anzugehören - Nietzsches Übermensch verschleiert diesen Widerspruch zu einem Gegensatz der "Menschenrassen". Macht ist somit nur Ausdruck davon, dass Masse Selbstvermittlung auf höchster Ebene ist und von daher nur abstrakte Selbstbezogenheit befriedigt. In ihr erscheint das Selbst ursprünglich und allgemein zugleich. Massenpsychologie formuliert Macht und ist daher auch immer die Anwendung von allgemeiner Selbstbezogenheit, Vermittlung einer Ursprungssehnsucht an das allgemein isolierte Individuum - in, durch und gegen die Vermassung. Das ist ihr Bedürfnis und auch der Trick in ihrer Handhabung: Die Masse sehnt sich nach einem Führer, weil der Führer ihre Ursprungssehnsucht verkörpert und handhabt (siehe Hellinger), Wege und Welten kennt, worin Wahrheit ohne Welt sein soll (siehe Heidegger), Heil ohne Unheil. Und er ist nur solange Führer, wie ihm diese Trennung zur Wirklichkeit gelingt, also solange, wie er diese hierfür nutzen kann. Das hat wenig mit einem autoritären Charakter zu tun, viel aber mit dem Glauben, den abstrakte Verhältnisse nötig haben. Die psychischen Phänomene des Kapitalismus, soweit sie nicht nur die entsprechenden Interessen einer Formation der notwendig egoistischen Bedürfnisse des Privateigentums entsprechen, sondern tatsächlich eine eigenständige Subjektivität der Selbstbezogenheit entfalten, lassen sich nicht unmittelbar aus den Existenzformen einer Waren produzierenden Wirtschaft, aus dem Verhältnis der Waren und dem Fetisch ihrer geselschaftlicihen Erscheinungsform erklären, wie das die so genannte Subjektkritik versucht. Das verlangt nach einer kritische Theorie der politischen Kultur, die aus der Zirkulation des Geldes und seiner Kapitalfiktionen und der hieraus begründeten Ohnmacht der Menschen begründet ist (siehe hierzu Feudalkapitalismus). Dort erst lassen sich psychisch begründete Beziehungen aus dem Entzug der Selbstachtung des bürgerlichen Subjekts und ihre Verkehrung zu einem Geldungsstreben, zu einem Treiben der Selbstwertoptimierung erklären. Weil unter den Bedingungen fiktiver gesellschaftlicher Verhältnisse (siehe fiktives Kapital) diese sich nurmehr in zwischenmenschlichen Beziehungen der Erlebensformen der Wahrnehmung einer durch lebensbestimmende Ereignisse zwischen den Menschen wirkenden Gesellschaftlichkeit darstellen können, treiben sie ihre widersprüchliche Objektivität in die Subjekte dieser gesellschaftlichen Form. Die hat zwar noch den zirkulierenden Geldwert zu ihrer Bedingung, aber nicht mehr die realwirtschaftlichen Verhältnisse zu ihrer Grundlage. Die Menschen machen sich selbst zur Formation ihrer Zwischenmenschlichkeit, zum Material ihrer Lebensbedingungen und betreibn hieraus ihre Selbstbeziehung zu ihrem Gegenstand durch die Ästhetik ihrer Gefühle. Sie gründen somit auf einer anderen Substanz, als jene der wirtschaftlich nur noch fiktiven Geldbeziehungen eines Schuldgeldsystems (siehe hierzu Pfreundschuh, "Die Kultur des Kapitals - Zur Kritik der politischen Kultur"). |
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