Not herrscht in der Isolation eines wesentlichen Zusammenhangs in einem unverbindlichen Dasein verselbständigter Beziehungen, deren Wesen darin unkenntlich, weil abwesend ist. In der Isolation getrennt von seiner eigenen Wirkung wird es von seiner Lebenswirklichkei bedrängt und negiert sich selbst, wenn es seine Not nicht wendet, notwendiges Handeln bewirkt (siehe Dialektik). Not ist der Begriff einer Lebensbedrängung, einer Unterlegenheit gegenüber dern Wirklichkeit, die Differenz des Lebens zu seiner Welt, des Subjekts zu seiner Objektivität - der Gegensatz von Wesen und Erscheinung. Not ist von daher überhaupt der Begriff der Lebensbedingung der Emanzipation, der Begriff für das, was Entwicklung überhaupt bestimmt, der substanzielle Begriff der Geschichte (siehe historischer Materialismus). Eine Not entsteht nicht einfach nur aus einem Mangel. Sie besteht aus dem, was einem Menschen nötig ist, sei es objektiv in Ermangelung der gewöhnlichen Mittel, also als Mangelgefühl seiner Gewohnheiten, oder auch aus einem Verlangen, das eine Angemessenheit erstrebt, die der Sinnbildung nötig geworden ist, weil ihr Sinn in seiner Entwicklung gegen sich selbst unangemessen geworden war. Gewöhnlich entwickelt sich Geschichte aus der Beziehung von Mangel und Reichtum, aus der Arbeit in der Überwindung des Mangels zum Fortschritt eines neuen Lebensstandards. Not entsteht aus einem wesentlichen, aus einem substanziellem Mangel, der subjektiv als Bedrohung empfunden wird und nur objektiv gewendet werden kann (siehe Notwendigkeit). Substanz ist das Sein in dem, was hiervon da ist (siehe Dasein), was bleibt, wenn man von allen Inhalten, von allem da Seienden absieht, wenn es in Wirklichkeit abwesend ist. Not ist nichts anderes als das, was Not tut, wenn es nicht ist. Sie ist Lebensbedrängnis, die unabdingbar und unabweisbar ist und Not wendendes Handeln erfordert. Dies allerdings begründet sich nicht aus ihrer Substanz, sondern aus ihrer Geschichte, wie sie hier und da wirklich wird. So kann hier ein Ereignis oder eine Technik Not hervorrufen, wo es zuvor oder anderswo keinerlei Wirkung hat (siehe auch notwendige Arbeit). Wo z.B. eine Maschine alte Nöte (z.B. der Mobilität) aufhebt, kann sie anderswo zugleich Notwendigkeiten (z.B. Pünktlichkeit) erzeugen, die zuvor unnötig waren. Jede Not ist die Grundlage für eine Notwendigkeit des Fortschritts der Freiheit, der schließlich die aufgehobene Bestimmung einer Bedrängung ist, und deshalb den Möglichkeiten des Handelns, dem Zufall der Gegebenheiten folgt, also nicht objektiv determiniert sein kann (siehe hierzu auch Geschichtsdeterminismus). Im Unterschied zum Zwang ist Not aber nicht drängend sondern dringend. Sie ist nicht subjektiv, sondern ein zwingender Mangel am allgemein Nötigen, also an dem, was nötig ist, um den objektiven Zusammenhang des Einzelnen in seinem ganzen Lebenszusammenhang zu gewährleisten. Doch das Not wendende Handeln ist deshalb nicht objektiv bestimmt. Es erfordert die ganze Subjektivität der betroffenen Menschen, deren Leben darin objektiv in Beziehung steht. Dieser Zusammenhang wird erst zu einem Zwang, wo das Nötige ausgeschlossen, das Ganze also gebrochen ist (siehe Schmerz) und keine Entwicklung mehr finden kann. Not entsteht daher aus einer Unangemessenheit gegen ein Ganzes, das zerfällt, wenn sie nicht gewendet wird. Sie führt in einen Totalitarismus, wenn sie in der Not um das Ganze das ganz Andere nicht mehr erkennt, hierzu keine Beziehung in ihren Verhältnissen mehr hat. Dann wendet sie sich gegen die Verhältnisse selbst, die ihren Schmerz bestimmen und sich in ihm abarbeiten und zubereiten, um total zu bleiben (siehe Totalisierung). Die Notwendigkeit ist daher innerlich und kann nicht äußerlich behoben, bzw. abgewendet werden, nicht auf Beseitigung von Umständen abzielen, da sie die Bedrängnis im Leben selbst ist, die auf einem wesentlichen Mangel an Lebenswirklichkeit beruht, einer Wirklichkeit, die der Not vorausgesetzt ist und nach Änderung verlangt. Schon die Natur kennt dies aus sich selbst heraus und hat sich auch wesentlich aus einem Verbund von Notwendigkeiten gebildet. Sie lässt kein Wesen in bloßer Not zur Welt kommen. Ausgestattet mit allem, was nötig ist, tritt ein Lebewesen in die Welt, bis seine Natur ihren Mangel durch die Zeit erfährt, in der sich Energie verbraucht und nach Stoff begehrt. Das Nahrungsbedürfnis ist daher auch das erste Bedürfnis aller Lebewesen, weil es ihrer natürlichen Not entspringt und aus ihrem Stoffwechsel ihre natürliche Intelligenz entwickelt hat. Not verliert die Chance zu ihrer Befreiung (siehe Freiheit) und wird zum Zwang, wo sie getrennt wird von ihrem Gegenstand, wo der Gegenstand dadurch verinnerlicht wird, dass er nicht mehr äußerlich erscheint, also nur in seiner Abwesenheit wirksam sein kann. Er wirkt daher als verkehrte Not, als Negation von dem, was wirklich nötig ist, von ihm getrennt und abstrakt für sich. Solche in Zwang vertauschte Not hat sich gegen das Bedürfnis verkehrt, dem sie entsprang. Das macht sie zur stumpfen, zu einer verdummten Not, welche ihre Befreiung, ihre Emanzipation in einem Zwang sucht, der sie von ihrem Leben entfremdet und geradezu verhindert, was nötig ist. Als Lebensinhalt ist Not ein notwendiges menschliches Verlangen, ein Bedürfnis, die Welt zu gestalten und darin das Leben als eigene Lebensäußerung zu genießen. In der Not ist der Mensch Subjekt seines Leidens, das ihn tätig sein lässt. In der ihm notwendigen Tätigkeit äußert er sein Wesen nötig und also leidenschaftlich. Not muss zuerst ohne Notwendigkeit gedacht werden, unmittelbar und direkt. Wird Notwendigkeit nur objektiv gedacht wie eine sachliche Gegebenheit, die erfüllt sein muss, so wird der Mensch gerade dort, wo er wesentlich subjektiv betroffen ist, zum Objekt der Gegebenheiten und lebt dies als seinen Schmerz, nicht sein zu können, wie er ist. Die als notwendiges Fakt anerkannt, macht Notwendigkeit zu einer Bürgerweisheit, die unendlich gegen die Menschen gerichtet werden kann. "Was nötig ist, das fügt sich." Das ist der Zynismus der Logik, menschliche Not als Notwendigkeit auszugeben, die erzwungen ist, und auch so sein muss. Es ist das Ende menschlicher Selbstachtung und menschlichen Denkens, wenn Menschen ihre wirkliche Wesensnot, ihre wesentlichen Notwendigkeiten nicht mehr erkennen. | ![]() |