„Die schrecklichsten Leiden sind […] aus dem Gerechtigkeitstrieb ohne Urteilskraft über die Menschen gekommen.“ (Friedrich Nietzsche: "Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben") Selbstgerechtigkeit setzt sich durch Übergriffigkeit und Anmaßung durch. Sie betreibt die Selbstbehauptung einer verdoppelten Selbstwertigkeit, will ihr gerecht werden, wo sie ihr Selbstverständnis im Verhalten zu ihren Beziehungen zu verstehen gibt (siehe auch Verstand). Sie folgt der Abstraktionskraft eines unmöglich gewordenen Verhältnisses (siehe hierzu auch Verdrängung). Wo sie herrscht, ist eine Wahrnehmungsidentität verhindert und wird dadurch auch behindert, das Hindernis verdoppelt, die Kraft der Wahrheit einer Beurteilung zersetzt. Es ist allein die Wahrheit eines "Hermeneutischer Zirkel" (siehe auch Hermeneutischer Zirkel), wodurch das Erste immer zugleich das Letzte ist, die ganze logische "Ableitung" nur aus der Tautologie eine begriffslosen wesentlichen Wahrheit sein soll (siehe Genealogie). Sie beginnt mit einem urzeitlichen Anfang (siehe z.B. das Ur-Ich nach Husserl) und endet im Begriff einer sinnlosen Selbstbezogenheit: „Wer hat den ersten Menschen und die Natur überhaupt gezeugt? Ich kann dir nur antworten: Deine Frage ist selbst ein Produkt der Abstraktion. Frage dich, wie du auf jene Frage kömmst; frage dich, ob deine Frage nicht von einem Gesichtspunkt aus geschieht, den ich nicht beantworten kann, weil er ein verkehrter ist? Frage dich, ob jener Progreß als solcher für ein vernünftiges Denken existiert? Wenn du nach der Schöpfung der Natur und des Menschen fragst, so abstrahierst du also vom Menschen und der Natur. Du setzest sie als nichtseiend und willst doch, daß ich sie als seiend dir beweise. Ich sage dir nun: Gib deine Abstraktion auf, so gibst du auch deine Frage auf, oder willst du an deiner Abstraktion festhalten, so sei konsequent, und wenn du den Menschen und die Natur als nichtseiend denkend, denkst,so denke dich selbst als nichtseiend, der du doch auch Natur und Mensch bist. Denke nicht, frage mich nicht, denn sobald du denkst und fragst, hat deine Abstraktion von dem Sein der Natur und des Menschen keinen Sinn. Oder bist du ein solcher Egoist, daß du alles als Nichts setzt und selbst sein willst?" (MEW 40, 545f) Selbstgerechtigkeit ist die wesentliche Ausdrucksform eines ausgeprägten Narzissmus, der sich als moralisierende Selbstbehauptung gegen andere durchzusetzen bestrebt. Er unterwirft sich hierbei aber lediglich ein anderes Sein seiner Selbstbehauptung, die sich ihrer Wahrheit zu entziehen sucht, sich als ein besseres Urteil über eine an und für sich ungewisse und also gewissenlose Selbstbeziehung (siehe Gewissen) ermächtigt und verselbständigt und ihren Sinn entgegenwärtigt, indem sie beliebig wird (siehe hierzu Spießbürger). Sie betreibt ein Urteilsvermögen, das ein Vorurteil über sich selbst als absolutes Urteil zu bewähren sucht. Dies unterstellt Menschen, die über ein höheres Recht verfügen können, wodurch im Einzelnen als richtig gilt was hierdurch sein Recht aus dem Dasein einer abstrakten Allgemeinheit beziehen kann, so dass es Frieden diktiert, soweit es im Allgemeinen anerkannt wird. In Wahrheit ist solches Recht allerdings nur eine Dafürhaltung, die Interpretation einer Meinung über sich selbst, durch die alles schon ausgeschlossen wird, was sie außer sich enthält und reflektiert. So stelt Selbstgerechtigkeit die abstrakte Gewalt einer Befriedungsmacht dar, indem sie diese zugleich als Ideologie einer gerechten Selbstverteidigung nutzt (siehe auch Verteilungsgerechtigkeit). Sie formuliert also einen Bedarf nach Versöhnung, tritt aber nur als Versöhnungsmacht einer politischen Kultur auf, die in der Geschichte des "Abendlandes" deren Weltmächtigkeit bestimmt hatte. In der Geschichte dieses Rechts ging und geht es allerdings äußerst blutig zu und darin zeigt sich zugleich, was durch Blut und Schuld, zwischen Geldmacht und Glaubensschuldigkeit verbunden werden kann. Besonders die Bündnisse des christlichen Glaubens im Ablasshandel mit der weltlichen Macht des Geldes. Selbstgerecht kann heute jeder Geldbesitzer durch die Verfügungsmacht eines bloßen Kaufmittels sein, der durch seine Ausgaben in den Verhältnissen der wirtschaftlichen Verelendung die Wertrealisation befriedet und also in den Krisen der politischen Ökonomie zumindest durch das Vermögen seiner Kapitalakkumulation eine stützende Funktion zum Selbstserhalt (siehe hierzu Reproduktion) des Kapitalismus bereithalten kann {siehe hierzu auch fiktives Kapital}. Man kann sich leicht vorstellen, was solches Vermögen in den Interpretationen zur Entscheidung zwischen Krieg und Frieden bewirken kann. Innerhalb der Verhältnisse von Kulturkonsumenten (siehe auch Tittytainment) ist die Selbstunterscheidung das notwendige Mittel einer Selbstveredelung gegen einen dort angelegten Selbstverlust. Von daher wird das Geltungsstreben der Selbstwahrnehmungen von der Ausschließlichkeit ihrer Selbstgerechtigkeit getragen und befördert. Es liegt ja schon in der Natur der Selbstbeziehung, dass sie sich durch den Konsum zwischenmenschlicher Beziehungen füllen muss (siehe Selbstgewinn) und mit der Masse ihrer Einverleibungen sich selbst verdichtet und zugleich sich von deren Einfluss auf sich abgrenzen muss. Von daher erstrebt solche Beziehung durch die Beurteilung ihrer Wirkungen sich aus ihnen herauszunehmen, ohne sie wirklich für sich aufzuheben. So verändert sich das Geltungsstreben durch die Selbstgerechtigkeit seiner Gesinnung in der Beziehung auf Andere: Es muss ihre Wirkung auf sich herabsetzen und leugnen, um sich selbst moralisch zu bestärken, um sich selbst gerecht zu sein. Selbstgerechtigkeit bezieht ein allgemmeines Recht aus sich selbst, ist also beliebig und gleichgültig gegen Andere, gegen wirkliche Verhältnisse und Beziehungen überhaupt und objektiviert sich über die eigene Selbstwahrnehmung, folgt dem Trieb der Selbstverwertung, um sich aus seiner isolierten Existenz seiner vereinzelten Einzeheit zu verallgemeinern, sich gemein zu machen und sich hierdurch allgemeine Geltung zu verschaffen. Selbstgerechtigkeit verfolgt also das Ziel des Geltungsstrebens, um einer edelmütigen Selbstwahrnehmung gerecht zu werden, um die ihr nötige Selbstveredelung zu vollstrecken und zu erneuern, - um der Notwendigkeit ihrer Selbstbehauptung Macht zu verleihen. Deren Not entsteht eben immer wieder durch den Mangel an den Empfindungen, die der Behauptung ihrer Selbstgefühle unterliegen und ihre Unterlegenheit durch eine verallgemeinerte Selbstwahrnehmung in ihrem Narzissmus einzubeziehen und darin aufzuheben. Hierbei totalisieren sich ihre Gefühle zu einem sich selbst fremden Wesen der Abstraktion ihrer hierdurch entäußerten Selbstgefühle, die zum Inhalt einer totalen Selbstwahrnehmung werden müssen. Darin können sie sich nurmehr in einem objektien Selbstgefühl einigen, sich in einem Gefühl fremder ästhetischer Indealisierungen zu einer Selbstentfremdung genötigt sind. die nach einer fiktiven Gemeinschaftlichkeit (siehe auch heile Welt) verlangt, der sie schließlich auch gerecht werden müssen. In ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen stehen daher die Zwischenmenschen zueinander durch die ausschließliche Position ihrer Person, die sich unentwegt durch Selbstbehauptung bewähren muss. Selbstgerechtigkeit ist daher die Form einer narzisstischen Beziehung, wodurch sich das Dilemma ihrer Selbstwahrnehmung gegen andere Selbstverwertungen über eine zwischenmenschliche Moral zu behaupten und durchzusetzen sucht. Dadurch wird das allgememein beanspruchte Recht der Selbstwahrnehmung dazu getrieben andere Menschen und Verhältnisse aus dem Meinen und Fühlen seiner selbst zu beurteilen. Deren Moralismus wird aus einem Selbstgefühl bezogen (siehe auch ästhetisches Urteil) und durch seine Abstraktionskraft ausschließlich. Das nützt einer Selbstfindung durch die Angleichung fremder Eindrücke an die Selbstempfindung. die dadurch zum Generator des Kraftwerks einer Moral wird, die sich durch sich selbst verstärkt und verallgemeinert, ihre Selbstwahrnehmung verselbständigt und mit zunehmender Selbsterfahrung abgehoben hat, sowohl durch ihren Selbstverlust, als auch durch ihren Selbstgewinn. Es ist die Fürsprache eines ohnmächtigen Daseins zur Ausbildung des Edelmuts einer Selbstveredelung, die hierüber erhaben scheinen will. Indem sich die Menschen durch ihre Selbstbehauptungen verwirklicht haben (siehe Selbstverwirklichung), haben sie sich gegen einander entwickelt und ihre wirklichen Wahrnehmungen für sich behalten, ihre Selbstgefühle totalisiert und als wechselseitige Totalitäten von eigenständigen Gefühlswelten gegen einander isoliert. Von daher zerfallen ihre Selbstwahrnehmungen in verschiedene Fragmente ihrer Entwicklung, sind durch die Geschichten ihres Selbsterlebens in einzelne Strukturen der Wahrnehmung aufgeteilt. Sie können durch sich nicht mehr richtig sein und einander nicht gerecht werden, benötigen daher eine ihnen äußerlich bestimmte Selbstbehauptung, eine Selbstbestätigung durch andere. Sie haben sich persönlich von der Wechselseitigkeit ihrer Gefühle abgesetzt und eine Person geschaffen, die sich wie die Ausgeburt ihrer individuellen Entwicklung, wie ein zwischenmenschliches Naturwesen ganz seiner selbst gerecht versteht und verhält. Allerdings kann sie durch die Zerteilung ihrer Selbstwahrnehmungen sich nicht mehr in der Geschichte ihrer Selbstverwirklichung erkennen, denn sie hat sich darin über sich selbst erhoben und muss sich doch im ständig wechselnden Verhältnis der Personen verhalten, sich als Persönlichkeit ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse darstellen und äußern. Dies setzt ihre Selbstwahrnehmung allerdings den unentwegten Gefahren der Abstraktionskraft fremder Selbstbehauptungen aus, die sich zu einer fremden Kraft ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen veräußert und verallgemeinert und ihr Geltungsstreben zum Antrieb eines absoluten Narzissmus werden lässt und totalisiert. Die Selbstgerechtigkeit von narzisstischen Moralisten begründet sich gerne durch Ressentiments. Ein Ressentiment ist ein gefühltes Vorurteil, das sich am Aussehen und der Haptik von nominierten Eigenschaften von Menschen (z.B. Typ, Hautfarbe, Charakterzüge) festmacht (siehe Nominalismus). Oder es sind kulturelle Verhaltensweisen (z.B. Mode, Geschlechtsverhalten, Sitten und Gebräuche), die dadurch eine formbestiemmte verwesentlicht entwickeln, dass sie durch phänomenal assoziierten Zusammenhänge verallgemenert, aus ihrer bloßen Anschauung zu etwas abstraktes Ganzes verfremdet werden, das in seiner Abstraktion totalisiert wird, weil durch die Gleichgültigkeit der Selbstgerechtigkeit gegen jeden wesentlichen Inhalt der Wahrnehmung keine besonderen Teile oder Momente unterschieden und in dieser Form nicht Bewahrheitet werden skönnen, sodass sie als abstraktes Ganzes fortentwickelt, mitgeteilt und verbreitet oder auh nur gemobbt werden können. Sie werden damit in einer nach Belieben errichteten Verallgemeinerung von den Absichten eines ästhetischen Urteils bestimmt und dem entsprechend entwertet (siehe z.B. Rassismus), minderwertig gemacht, ohne Sinn für einen ihnen fremden Zweck gekränkt (siehe auch tote Wahrnehmung). Als ein bloßes Ressentiment ist Selbstgerechtigkeit das Mittel eines Geltungsstrebens der Selbstbehauptung eines Selbstwertgefühls, das seine Gewissheit als "Erfahrungsschatz" seiner Selbstgefühle aus einer verallgemeinerten Selbstbezogenheit schöpft (siehe hierzu auch Über-Ich). Sie ist damit eine psychische Notwendigkeit der Selbstbezogenheit seiner Erinnerungen, die über jeden Zweifel erhaben gemacht wird, weil sie für sich - und nur für sich - richtig sein muss keine Falschheit dulden kann. Sie setzt die Akkumulation von Selbstwahrnehmungen voraus und spricht der darin verschlossenen Allgemeinheit eine abgeschlossene Richtigkeit zu, die sie durch sich nicht haben kann, die also die Allgemeinheit ihrer Wahrnehmungen durch ihre zwischenmenschlichen Beziehungen objektiviert und ihre Gegenwärtigkeit dadurch verdoppelt und für sich selbstverständlich macht. Damit wird eine Selbstbeziehung absolut gemacht, die ihre einzelne Beschränktheit durch sich selbst verallgemeinern, bzw. durch die Art und Weise ihrer Gegenwart und Macht überwinden will, indem sie diese als "Macht der Gewohnheit" zu ihrer sich selbst bestärkenden Selbstbehauptung fixiert, um darin sich schließlich zu einem Charakter ihrer Persönlichkeit auszuprägen und zu verfestigen. Selbstgerechtigkeit entsteht in der zwischenmenschlichen Konkurrenz der Selbstgefühle um ihre persönliche Integration und Akkumalion zu einer Persönlichkeit der Psyche. Sie formuliert eigenes Recht zur Selbstbehauptung gegen andere, gibt sich selbst also als Subjekt zugleich ein objektives Recht in der Bewertung eines Verhältnisses durch die eigene Wirklichkeit, die sich aus der Selbstbezogenheit (siehe Egozentrik) seiner Entwicklung, aus seiner Selbstverwirklichung wie selbstverständlich auch allgemein gültig durchsetzen soll. Die Selbstverwirklichung als objektives Subjekt befördert hierfür das Geltungsstreben ihres Selbstwerts durch einen Edelmut, der sich zwangsläufig gegen andere Menschen wendet, denn nur dadurch verwirklicht sich ihr Grund: Die Befriedung ihrer Selbstveredelung. Selbstgerechtigkeit sucht den Selbstwert der eigenen Persönlichkeit durch ein Recht zu bestärken, das als allgemein abstrakt richtig wahrzunehmen ist und sich hierdurch über etwas Geltung zu verschaffen (siehe Geltungsbedürfnis) das in der Lage ist, die Selbstachtung von Menschen zu beherrschen und das Verhältnis zu ihnen zu bestimmen. Doch was ist in solcher Allgemeinheit richtig, was kann daran wahr sein? Letztlich kann das nur etwas allgemein Anerkanntes sein, etwas, das man anerkennen muss ohne es erkennen zu können, - in der Regel eine Moral, die nicht mehr hinterfragt werden soll. Und das ist der Kern der Selbstgerechtigkeit: Die Herstellung einer allgemeinnen Fraglosigkeit, um den in der Selbstveredelung gewonnen Edelmut abzuschotten, die isolierte Selbstwahrnehmung mit zwischenmenschlicher Macht auszustatten (siehe hierzu Polical Profiling). Zwischenmenschliche Verhältnisse erzeugen in ihrem Kampf um die Selbstgerechtigkeit, um das Recht von Zwischenmenschen auf den Wert ihrer Selbstgefühle, um einen eigenständigen und doch allgemein gültigen Selbstwert, einen unauflösbaren Konflikt zwischen sich und anderen. In ihren hierbei immer allgemeiner werdenden Geltungsbedürfnissen entstehen bizzare Formen der Selbstbehauptung, in denen sich zwangsläufig ein Lebensverhältnis zwischen Missachtung und Selbstachtung verfestigt und formatiert, das eine Selbstsicherheit gewährt, die nicht von dieser Welt ist. Wo ein Mensch sich in seinen Produkten zweilsfrei erkennt, wo er also über den Zweifel erhaben ist, ob die von ihm geschaffenen Gegenstände die seinen sind, kann er auch beurteilen, wie ihm diese gelungen, wie richtig oder falsch sie geraten sind. So weiß er auch sich selbst, bezieht in dieser Gewissheit sein Gewissen aus der Erkenntnis seiner Fähigkeiten und Eigenschaften, - eben so gut oder schlecht, so widersprüchlich oder kritikwürdig, wie er sich vergegenständlicht hat. Im Eigenen erkennt das Individuum die Güte und die Mängel seiner Äußerungen und Erzeugnisse unmittelbar. Das isolierte Individuum, der Bürger oder die Bürgerin, der Privatmensch, der sich nur über seinen Besitz auf andere Menschen bezieht, erfährt darin nichts wirklich Eigenes, sondern nur das, was er besetzt hält, wodurch er andere auschließt und was ihn von anderen trennt. Darin hat er die ausschließliche Grundlage seiner Erkenntnisse, - die Einzigartigkeit der von allen anderen abgeschiedenen Selbstwahrnehmungen, die wesentliche Substanz seiner ausschließlichen, also einzigartigen Eigentlichkeit. Eigentlich kann sich Nichts über die Beziehung zu seinen Sachen bestimmen. Aber der Besitz ist das in seiner Form bestimmte und bestimmende Eigene. Darin gilt alles in seiner Selbstbestimmung, denn vor jeder anderen Entschließung entscheidet die Eigentumsform über die zwischenmenschliche Ausschließlichkeit seiner Lebensverhältnisse, die Güte seiner Selbstbezogenheit, die Eitelkeit seines Edelmuts, dem Produkt seiner Selbstveredelung. Schließlich versammeln sich darin die Gewohnheiten seiner Selbstgestaltung, der Wohnraum seiner Selbstgefühle. Die werden gut empfunden, wo sie für sich sein und bleiben, wo sie sich gegen die Fremdwahrnehmungen behaupten können. Das macht die einzigartige Selbstgewissheit der Egozentrik aus und sucht sich daher auch immer durch die Herabsetzung des Fremden zu ermächtigen. Indem eigene Gefühle auf diese Weise für sich selbst gegenständlich, also objektiv werden, können sie bei sich bleiben und verbinden und verschließen sich so in sich selbst wie zu einer inneren "Wahrheit". Sie kann in ihrer Ausschließlichkeit in allem anderen nur Unwahrheit erkennen, eben die Lügen und Monster der Ungewissheiten. Selbstgerechtigkeit emanzipiert sich unaufhörlich durch die Behauptung, dass sie als Lebensburg gegen das so genannte Böse zu bestehen hat, als Hort eines gütigen Avantgardismus, in dem sich die Avantgardisten der Güte zusammenfinden. Selbstgerechtigkeit sucht ihre Verbindlichkeit durch die Selbstdarstellung der Güte der Selbstgefühle zu verfestigen, also ein allgemeines Selbstgefühl außer sich zu einer notwendigen Allgemeinheit zu bringen, sich in seinem objektiv gemachten Selbstgefühl zu ermächtigen. Selbstgerechtigkeit ist der Ausdruck eines Selbstgefühls, das sich vollständig objektiviert hat und die Gefühle anderer Menschen hiergegen unterordnet, sich durch sie für sich einrichtet. Ein derart objektives Selbstgefühl sucht seine Stütze und seinen Bestand in jedweder Objektivität und betreibt von daher eine Abschätzung und Abschätzigkeit gegen andere. Die Basis hiervon sind zwischenmenschliche Verhältnisse, in denen die Einverleibung von zwischenmenschlichen Beziehungen Gewohnheit ist. Von daher ist Selbstgerechtigkeit als Ausübung eines Rechts zu verstehen, das sich ausschließlich auf den Ausübenden als Subjekt einer allseitig einverleibten Objektivität, als Subjekt einer objektiven Selbstbezüglichkeit, als allgemein veräußertes Subjekt von Sitte und Moral verhält. Durch dieses Selbstgefühl, das seine Inhalte nicht mehr fühlen kann, weil sie ihm selbstverständlich sind, ist eine Rechtsprechung beansprucht, eine Theorie, die zu einem Recht wird (siehe Ideologie), das die Gewohnheit seiner Egozentrik als ihren Selbstwert darstellt, d.h. für sich veräußert. So ist dies natürlich eigentlich gar kein Recht, weil es kein Unrecht kennt außer dem, was nicht für sich selbst spricht. Es ist das "Recht" der Selbstbehauptung, das Recht seiner Ausschließlichkeit, das einen Selbstwert bedient, der sich nur in der Person bestärken kann, die sich durch ihre zwischenmenschlichen Beziehungen zu veredeln versteht (siehe auch Selbstveredelung). Weil dieser Wert einerseits total auf sich selbst gründet, also auf dem, was der oder die Ausübende für sein bzw. ihr Recht hält und sich in der Beziehung auf andere zugleich als allgemein gültig behauptet, ist es das Recht einer Selbstbehauptung, die allgemein selbstverständlich sein soll - ein Widersinn in sich. Es ist im Grunde der Widersinn eines Selbstverlustes, der eintritt, wo Selbstwert seinen Grund verliert, wo er also kein Selbstgefühl hat, weil es keinen Sinn außer sich findet, also keinen Sinn empfinden kann. Von daher ist das Streben nach Selbstgerechtigkeit der Notwendigkeit einer Selbstveredelung geschuldet, die in Auflösung begriffen ist. Man könnte auch sagen, dass dies eine Krisenrektion in Bezug auf Sinnlosigkeitsgefühle ist, die dadurch aber nicht mehr refflektiert und also inhaltlich unkritisierbar gemacht werden. Selbstgerechtigkeit ist von daher die wesentliche Reaktion eines Bewusstseins, des reaktionären Bewusstseins, das seine eigen Kritikunfähigkeit perpetuiert, indem es sich über jede sinnliche Gewissheit dadurch erhebt, dass es sie gegen sich selbst aufhebt, doppelt negiert: dadurch bestärkt, dass es sich selbst (z.B. als eine "höhere Gewissheit") schon als ihr Überwinder veräußert und damit Kritik schon allgemein beantwortet, bevor sie überhaupt auftreten könnte. Doch zunächst werden die meisten Kritikpunkt und damit verbundene Konflikte erst mal in zwischenmenschlichen Verhältnissen mit Selbstgerechtigkeit beantwortet, was eine schlechte Unendlichkeit in Gang setzt, solange sie von allen Beteiligten durchgesetzt wird, denn darin zirkuliert das Verständnis von einer Gerechtigkeit, die aus der Verallgemeinerung der Selbstwahrnehmung zu einem allgemeinen Recht der ausschließlichen Selbstbezogenheit gewonnen wird, um diese zu veredeln. Es ist der Kampf um die Selbstveredelung, die sich letztlich in der Autorität einer schlechthin gültigen Güte in einem besonderen Edelmut aufheben muss, an dem jegliches Anderssein gemessen wird (siehe auch autoritärer Charakter), meist indem das Ausgeschlossene als Böses schlechthin zu einem Monster mythologisiert wird. Selbstgerechtigkeit unterstellt also ein unhinterfragbares (also auch unkritisierbares) allgemeines Recht, das durch sich selbst oder durch die es vertretende Person oder die Lebensverhältnisse selbst schon gegeben ist, sich wie ein hoch veredelter kategorische Imperativ von selbst versteht und worüber daher nur aufgeklärt werden müsse, um es zu befolgen (siehe Aufklärung). Sie ist das unmittelbar praktische und sich seines Seins unendlich bestätigende Bewusstsein der Selbstbezogenheit, das diese meist aus einem verallgemeinerten Altruismus heraus affirmiert und sich aus dem Befinden errichtet. Es ist das Selbstbewusstsein des Selbstgefühls, das sich als Gefühl für andere im Einsatz gegen das Schlechte und Böse verwirklicht sehen will, um sich selbst als anderes hiervon bestätigt zu wissen. Die Entdeckung des Bösen ist sein Hauptanliegen, aus dem es seine Kraft schöpft und deshalb oft selbst alles das zum Monster des Unmenschen macht, was sich seinem Bedürfnis nach Selbstbestätigung entzieht. In der Selbstgerechtigkeit ist die Allgemeinheit gedoppelt als eine, die für sich allgemeine Ansprüche und für andere sich selbst allgemein stellt, also eine gegensätzliche Allgemeinheit hat. Durch Selbstgerechtigkeit setzt sich ein Mensch für die Richtigkeit seiner Selbstwahrnehmung dadurch ein, dass er sie dem allgemeinen Menschsein gleichsetzt, sein Bedürfnis auf Selbstbestätigung als Menschenrecht schlechthin behauptet (siehe Selbstbehauptung). Jede Selbstgerechtigkeit hat ihren ideologischen Kern in einer Theorie von einer richtigen, von einer wahren Zwischenmenschlichkeit, meist in der Psychologie, wo sie als Love-Story des Bürgertums firmiert. |
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