"Nach der Lektüre eines Buches über die Geschichte der Philosophie äußerte sich Herr K. abfällig über die Versuche der Philosophen, die Dinge als grundsätzlich unerkennbar hinzustellen. „Als die Sophisten vieles zu wissen behaupteten, ohne etwas studiert zu haben“, sagte er, „trat der Sophist Sokrates hervor mit der arroganten Behauptung, er wisse, daß er nichts wisse. Man hätte erwartet, daß er seinem Satz anfügen würde: denn auch ich habe nichts studiert. (Um etwas zu wissen, müssen wir studieren.) Aber er scheint nicht weitergesprochen zu haben, und vielleicht hätte auch der unermeßliche Beifall, der nach seinem ersten Satz losbrach und der zweitausend Jahre dauerte, jeden weiteren Satz verschluckt.“ (Bertolt Brecht, Geschichten vom Herrn Keuner, Sokrates) Sophismus entspringt einem Weltbild, das einen wesentlichen Zweifel an einem Bewusstsein als ein wahres Wissen über das Sein der Welt, als Skepsis gegen die Wahrnehmbarkeit ihrer Wirklichkeit formuliert. Es ist der Argwohn einer totalen Philosophie, die vor allem aus der Behauptung besteht, dass alles, was im Einzelnen gewiss sein kann, durch jede andere Gewissheit zu relativieren sei. So wollte sich Martin Heidegger z.B. von der Philosophie, von ihrer Metaphysik durch einen sophistischen Pragmatismus emanzipieren, indem er sich gegen ihre humanistischen Ideale wendete und sie auf eine platte Wahrnehmungstheorie mit einem elitären Hintergrund reduzierte. Ohne auf die Lebenswirklichkeit der Menschen zurückzukommen behauptete er, dass eine Erkenntnis von Wirklichkeit nur als eine auf "je meine" endliche Perspektive inmitten des Realen zu verstehen sei. Damit war eine Phänomenologie begründet, die ihren eigenen Objektivismus nicht mehr wahrhaben wollte und ihn als eine allgemeine sophistische Perspektive dem einzelnen wahrnehmenden Menschen auferlegte und ihn dieser Allgemeinheit unterwarf (siehe heirzu auch Neoliberalismus). Der Heideggegersche Existenzialismus ist das Prinzip der Skepsis eines radikalen Objektivismus, das ein Erkenntnisinteresse anleitet, dessen Ziel nicht der Nachweis eines objektiven Lebenszusammenhangs vereinzelter Subjekte, sondern der Nachweis einer Unmöglichkeit subjektiv begründeter Erkenntnis ist (siehe hierzu auch Fundamentalontologie), weil in der Unendlichkeit eines immer zu relativierenden Wissens im Einzelnen eben keine Wahrheit sein könne. Doch in Wahrheit handelt es sich hier einzig um den unendlichen Zirkel einer intellektuellen Selbstbeziehung, um den fortgesetzten hermeneutschen Zirkel eines aristokratischen Erkenntnisinteresses einer Selbstveredelung (siehe auch Platon), das seinen Verstand in einem ästhetischen Nominalismus schon vor aller Erfahrung verloren hat, um die schlechte Unendlichkeit einer abstrakten Vernunft einer beliebig freien Verständigkeit als intellektuelle Mode eines kritischen Rationalismus dagegen zu setzen. Dieses Interesse gründet schon ursprünglich auf der aristokratischen Leitvorstellung Platons, wonach die Weisheit des gedachten Ideals über aller Realität steht, da Reales als Verfälschung der Idealität ihrer eigenen Ursprungsideale angesehen wird (siehe hierzu Anthroposophie). Dies ist die theoretische Formulierung einer allgewaltigen Ursprungssehnsucht, welche die Behauptung einer menschlichen Identität in einem abstrakten Subjekt zu ihrem ausschließlichen Antrieb hat (siehe hierzu auch Dogmatisms). Die Begrifflichkeit der Sophistik betreibt damit die zu einer fiktiven Form gebrachte Wesenslogik, die sie nicht mehr wirklich beweisen muss, weil sie sich schon mit der Abweisung der Möglichkeiten der Erkenntnis gegen ihrer Wirklichkeit bestimmt hat. Sie ist praktisch die Grundform ihrer schlechten Unendlichkeit, die sich selbst schon durch ihren Zweifel an jeder objektiven Erkenntnis gegen jedwede Gegenständlichkei überhöht. Dieses Verhältnis betreibt eine Verkehrung der Bedeutung eines analytischen Begriffs mit der allgemeinen Reflextion einer darin isolierten Wirklichkeit. Durch Verfüllung mit einer beliebigen Wesenbehauptung (siehe Phänomenologie), die lediglich verallgemeinert was sich mit einer abstrakt allgemein begründeten Schlussfolgerung ableiten lässt (siehe hierzu auch Konstruktivimus) wird dise absolut, also auch nicht hinterfragbar und eine nur in sich selbst reflektierte, eine totale Ideologie eines gegen ihre Wirklichkeit ermächtigten Eskapismus. Die gegen jedes besondere Erkenntnisinteresse gleichgültige und abstrakte Behauptung des sophistischen Skeptizismus hat indes allemal jene Intellektalität angregt, die im Scheitern ihres Dogmatisms einen Sinn durch die Austauschbarkeit einer jeden Beziehung der Erkenntnis gestiftet bekam, der zur Grundlage ihres Konstruktivismus wurde: Dem Unsinn der alles versöhnenden Freiheit gedankenloser individuen, die aus ihren beliebigen Vorstellungen schon ihre Welterklärung beziehen, bevor sie überhaupt über deren Gegenstände in ihren wirklichen Verhältnissen nachzudenken hätten (siehe hierzu auch Systemtheorien). "Gemeint ist die ebenso grundlose wie gleichzeitig alles begründende Skepsis als Dogma. Als jenes Dogma, das behauptet, dass wir weder die Welt noch irgendeinen winzigen Teil derselben jemals wirklich zu begreifen imstande sind, so wenig wie uns selbst. Jene Skepsis, die bestens Bescheid weiß um unser Nichtbescheidwissenönnen, die Beweise fiir das Nichtsbeweisenkönnen ins Feld ftihrt, die selbst noch das von ihr erfundene Begriindungstrilemma zu. begriinden Jene Skepsis, die ein elaboriertes Arsenal an Argumenten, Methoden, Hypothesen, Theorien und anderen gedanklichen Versatzstücken auf ihrem Bauchladen hochmütig mit sich führt und sich gleichzeitig in der Pose der Bescheidenheit anpreist." (Christian Christiansen, "Was heißt Objektivität im Denken?" in "Unsichtbare Intelligenz", Mittelbaumverlag 2009) Sophistische Begriffsbildung erzeugt eine intellektuelle Systematik, die politisch besonders im Zweck des Populismus funktioniert. Hierbei wird der Begriff lediglich nominell (siehe Nominalismus) aufgenommen und mit Werten ausgestattet, deren Ideologie sich in dieser so erzeugten Anschaulichkeit nicht befragen lässt, besonders, weil sie einem praktischen Bedürfnis der Kultur in Krisenzeiten entgegenkommt. "Wir können nicht mehr miteinander sprechen", sagte Herr K. zu einem Manne. "Warum?" fragte der erschrocken. "Ich bringe in Ihrer Gegenwart nichts Vernünftiges hervor", beklagte sich Herr K. "Aber das macht mir doch nichts", tröstete ihn der andere. - "Das glaube ich", sagte Herr K. erbittert, "aber mir macht es etwas." (Bertolt Brecht, Geschichten vom Herrn Keuner) Besonders verhängnisvoll ist daher jeder Bezug der Politik auf sophistische Philosophie, weil sie die philosophische Weisheit des Humanismus mit der Wesensschau auf eine menschliche Identität zu einer übermenschlichen Begründung aufrüstet (siehe auch identitäres Denken) und zur Grundlage einer Heilserwartung durch die Versöhnung der einzelnen Menschen mit ihrem kosmischen Geist verkehrt. Sie behauptt sich hierduch als politisches Prinzip gegen die Unmenschlichkeit des gegenwärtigen Menschseins. Und von daher spricht sie die einzelnen voneinander isolierten Menschen an und versetzt ihre iIndividultität in das Weltenmaß einer kosmischen Ganzheit, die schon in ihrer persönlichen Identität auszumachen sei und einer Endlösung der schicksalhaften Entzweiungen entgegenstreben würde. Es war dies eine der Grundlagen der nationalsozialistischen Gesinnung, wie sie besonders von Himmler vertreten und publiziert wurde. Wo politische Möglichkeiten obsolet sind, treten immer wieder Sophisten auf, die Vorstellungen eines in sich reinen Staatswesens als Aristokratie einer Optimatenherrschaft einbringen, die in ihren implizierten Heilsvorstellungen dem platonischen Staat ähneln und in ihrer Konsequenz den Ausschluss des Unversönbaren als Abart und Untermenschentum einbegeifen muss. Die hieraus entwickelte Moral und Sittlichkeit kann nu totalitär sein. Der Rassebegriff (siehe Rassismus) ist von daher auch das wichtigste Beispiel für eine solche Umkehr vom Begreifen zu fanatisierten Bekenntnssen (siehe hierzu auch Populismus). Auch das Aufnehmen von allgemeinen Ressentiments wird hier massenpsychologisch genutzt (siehe z.B. Antisemitismus). Sophistische Begriffsbildung erzeugt eine intellektuelle Systematik, welche die Legitimationsgrundlage von Faschismus ist, auch wenn sie sich selbst antifaschistisch dünkt oder gibt. (siehe z.B. den radikalen Anti-Antisemitismus der Antideutschen). | ![]() |