"Indem im Rahmen der subjektivistischen Erkenntnisweise letztendlich die alltäglichen Primärerfahrungen unkritisch-distanzlos reproduziert werden, wird nicht nur der Schein der „Naturgegebenheit“ der für das Alltagshandeln relevanten Realitätsausschnitte befestigt, sondern darüberhinaus die sinnlich-konkret nicht unmittelbar einsichtige gesamtgesellschaftliche Vermitteltheit des subjektiven Lebensstandorts ausgelöscht. Auf diese Weise verflüchtigt sich auch die mehrdimensionale, z.B. „klassenwidersprüchlich“ konstituierte Sinnstruktur der Lebenspraxis. Da nämlich die Phänomenologie die Frage nach den gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen des Glaubens an die ‚unmittelbare‘ Wirklichkeit außer Acht läßt, befestigt sie die darin beschlossene ‚Kontingenz- bzw. Möglichkeitsauslöschung‘, d. h. das „Aussetzen des Zweifels hinsichtlich der Möglichkeit, daß die Welt der natürlichen Einstellung auch anders sein könnte“ (Hartmut Krausse: "Zwischen Subjektivismus und Objektivismus. Zum Erkenntnisgehalt der theoretischen Konzeption Pierre Bourdieus""). Martin Heidegger, der eine wahre menschliche Identität aus ihrem Dasein begründen wollte und daher die Vergessenheit des Seins (siehe Seinsvergessenheit) in den Oberflächlichkeiten des modernen Lebens als Selbstverlust des Menschen aus seiner Lebensangst zu beklagen hatte, musste die wahre menschliche Identität aus ihrem objektiven Dasein begründen. Er wandte sich 1929 in seiner Freiburger Antrittsvorlesung "Was ist Metaphysik?" entschieden gegen die Philosophie als Geistesströmung der Moderne, die sich den Gegebenheiten des Verstandes überlassen und von daher ihre Kraft verloren habe und geistlos geworden sei. "Geist ist die ursprünglich gestimmte, wissende Entschlossenheit zum Wesen des Seins. Und die geistige Welt eines Volkes [...] ist die Macht der tiefsten Bewahrung seiner erd- und bluthaften Kräfte als Macht der innersten Erregung und weitesten Erschütterung seines Daseins." (Martin Heidegger in seine Freiburger Rektoratsrede im Mai 1933 unter dem Titel: "Die Selbstbehauptung der deutschen Universität") Objektivismus beruht auf der Behauptung einer allem vorausgestzten Bestimmung, dem die Entwicklungen jenseits vom subjektiven Vermögen der Menschen folgen müssen. Im Unterschied zum Determinismus werden diese Bestimmungen aus einer absoluten und unvermittelten Substanz eines Zwecks allen Lebens nicht nur als Seinsbestimmung (siehe Ontologie), sondern als objektiv geschichtsbestimmende vorausgesetzte Macht einer im Allgemeinen übernatürlichen Gewalt bezogen, die jeder subjektiven Lebensäußerung schon als ihrem Leben äußerlich und unabhängig vorausgesetzt sein soll (siehe z.B. das "Sein zum Tode" bei Martin Heidegger). Heidegger trat von diesem Standort gegen alle bisherige Ontologie der Subjektivität des Lebens an (siehe z.B. dialektischer Materialismus), weil diese sich einseitig an der Gegenwärtigkeit orientiere und die grundlegende Zukünftigkeit des Daseins nicht ins Auge fasse. Seine hieraus begründete Fundamentalontologie wollte einen "Sinn des Seins" begreifen, der einem "ursprünglichen Denken" entstamme, das über Raum und Zeit erhaben sein soll und also in Ewigkeit gültig wäre (siehe hierzu auch den Gegensatz von historischem Materialismus und dialektischem Materialismus). Dieses Denken ließe sich in seiner "Ekstase" (siehe Existenz) erfassen und eus einen radikalen Existenzialismus entwickeln, der in jedem Ereignis schon das Wesen seines Daseins zu erkennen habe (siehe Konstruktivismus). Und an dieser Grundlage scheiden sich auch bis heute noch die Geister seiner Lehre (siehe auch Jacques Derrida und den Dekonstruktivismus). Die "Frage nach dem Sinn des Seins", wie sie Martin Hedegger gestellt hatte, ist ein Widersinn in sich, weil sie sich selbst schon mit der Nichtigkeit ihres Grundes verleugne, weil die Frage schon selbstevident beweist, dass es Sinn gibt und das Fragen nur dadurch wahr sein kann, dass es selbst schon Sinn hat und diesen formuliert, um einen bestimmten Inhalt darzustellen und zu erkunnden. Die Frage selbst ist daher selbst schon ein rein formelles Understatement, philosophische Rhetorik sophistischer Gepflogenheiten. Descardes hatte die Selbstevidenz einer Fragestellung nach dem Sein mit dem Satz beantwortet: "Ich denke, also bin ich". Mehr ist dazu dann auch nicht zu sagen. Alles andere wäre Inhalt, der eine unsinnig gestellte Frage zu beantworten hätte, die der widersinnigen Selbstinterpretation einer phänomenologischen Philosophie entstammt. Eine Philosophie beginnt meist mit einer Fragestellung des Menschseins, die mit bisheriger Philosophie nicht aufgegriffen oder in einer Beziehung begriffen war, die zu bezweifeln blieb. Ihre Weisheit bezog sich auf das Menschliche schlechthin, auf das Wesen der Humanitas im Verhältnis ihrer Subjektivität zu ihrer Objektivität. Nicht so bei Martin Heidegger. In seiner frühen Phase vor der sogenannten "Kehre" befand Heidegger die kulturelle Überformung der Moderne als ein Projekt und Produkt des humanistischen Opportunismus, im Grunde verantwortungslos gegen die Dinge des Lebens und gegen das Wesen der Selbstbestimmung des "eigentlichen" Menschseins, das sich nur in den existenziellen Beziehungen seines Daseins als "Lichtung des Seins", de facto wie eine Erleuchtung verstehen lasse (siehe auch Platon) , die als objektives Phänomen keinen subjektiven Grund zulassen kann. Seine "Frage nach dem Sinn des Seins" entspringt im Grunde einem ungeheuerlichen Selbstverlust und war zu einem radikalen Objektivisus einer verselbständigten Intellektualität geworden, die Humanismus zu einer bürgerlichen Haltung herabsetzte (vergl. den Humanismusbrief) und eine fundamentale Logik eines sophistischen Prinzips hervorkehrte, wonach das Denken eines Subjekts unmöglich ist, weil es von selbst dem folgen würde, was als schlichte Notwendigkeit vorgegeben sei (siehe Determinismus). Denken und Verstehen werden nicht mehr als Lebensäußerung des Menschen, sondern als Ereignisse des Seins objektiv gedeutet, denen jeder subjektive Sinn abgesprochen wrd; nicht der Mensch denkt, sondern es denkt im Menschen. Logische Folgerung hieraus ist die Grundbehauptung einer Fundamentalontologie, einer Hochform eines akademistischen Selbstverständnisses, nach dem Menschen im Wesentlichen keine Individualität haben, sondern das Denken selbst immer einem objektiven Wesen von selbst folgen müsse, wie es die tödlichen Konsequenzen als Wesen der Objektivität ihrer Entscheidungen vorgeben würden, eben wie es das "Sein zum Tode" als wesentliche Notwendigkeit der Erkenntnis des Seienden von selbst erwirken würde. Was wir unter Erleben verstehen, ist hiernach lediglich ein Ereignis des Seins, “Seinsgeschichte". Über das Sein läßt sich daher nichts mehr aussagen; es ist einfach es selbst, das Heile durch sich selbst, durch sein ganzes Sein, durch seine Totalität (siehe auch Totalitarismus). Es offenbare sich dem Menschen, der in der “Lichtung des Seins" steht, genauer in das Sein hinaussteht, ek-sistiert. Das beängstigende In-der-Welt-Sein wird zum “Haus des Seins", in dem uns das uns Zukommende zugeschickt wird (“Seins-Geschick"). Aus der Freiheit des Sein-Könnens, wird ein "dankendes Sein-Lassen". Es geht um das Offenbarwerden, um die Unverborgenheit (=Wahrheit) des Seins, die sich als geschichtliche Tatsache, sich nicht als kritische Einsicht erweist, sondern dieser immer schon geltende Wahrheiten vorausgesetzt ist. Die "Frage nach dem Sinn des Seins" ist nicht hinterfragbar, weil ihr Sinn nur durch die Fragestellung selbst gegeben, wodurch eine Übersinnlichkeit des Fragestellers vorab schon gesetzt ist, der die Wahrheit einer Wahrnehmung zu begründen verstehen wollte. Weil er diese aber nicht als seinen Gegenstand begründen wollte, setzte er sie als ein Phänomen des Geistes voraus und konnte nich erkennen, dass sie durch sich selbst begründet, also selbstevident und zugleich die Antwort ist, die sie zu entwickeln vermeint. Sie hat ihren Sinn allein dadurch, dass sie gestellt wurde, auch wenn sie widersinnig ist, denn sie offenbart, dass dem Fragenden der "Sinn des Seins" selbst fremd geworden ist. Sie kann nur gestellt werden, weil er weiß, dass es Sinn gibt. Sie enthält also schon die Erkenntnis, dass ihr Sinn den Menschen fremd geblieben, dass sie unsinnig und dass Wissen hierüber nötig ist, um bewusst sinnlich, um selbstbewusst zu sein. Und genau hiergegen richtet sich der Objektivismus des Martin Hedeggers, der sich durch die Verweigerung jeglicher Subjektivität der Erkenntnis (siehe auch Erkenntnisinteresse) mit seinen Existenzialien über die ganze Natur der Welt stellt. Das Verhängnis der Totalität einer gesitigen Unterdrückung hat zwei Gründe, die sich in der Einheit einer kulturellen Deformation (Dekadenz) und der Endzetideologie einer Heilserwartung wie die allgemeine Notwendigkeit einer übermenschlichen Größe und Macht durchsetzt, wenn sich darin Staat und "Volk" in einem Gemeinsinn ihrer Art und Natur einig werden (siehe Rassismus), wenn ihre geistige Zerteilung, ihre allgemeine Vereimzelung und Isolation in der Geimeinseligkeit eines Kulturstaats verenden und sich in dessen Gefühlsmasse zu einem Ntionalgefühl (siehe auch Massengefühl) herausstellen und totalisiren. Esi st ein subjektiver Objektgivisms, in dem sich die Menschen gemein machen und der Staat die Subjektivität der Gesinnung voll und ganz objektivieren, sich darin selbst wie ein absolut notwendiges Allgemeinwesen durchsetzen kann. Das Selstbewusstsein eines verelendeten Kleinbürgertums (siehe auch Kulturbürgertum) trift sich mit den Verwerfungen einer Geisteswissenschaft, die ein absulutes Allgemeinwesen gegen die "Erschütterungen ihres Dasins" (Martin Heidegger) zu begründen sucht. Karl Marx hatte solche philosophische Selbstlosigkeit trefflich beantwortet, indem er der Kreisbewegung einer objektivistischen Fragestellung die Subjektivität der Natur selbst entgegenhielt: "Du mußt auch die Kreisbewegung, welche in jenem Progreß sinnlich anschaubar ist, festhalten, wonach der Mensch in der Zeugung sich selbst wiederholt, also der Mensch immer Subjekt bleibt. Allein du wirst antworten: Diese Kreisbewegung dir zugestanden, so gestehe du mir den Progreß zu, der mich immer weitertreibt, bis ich frage, wer hat den ersten Menschen und die Natur überhaupt gezeugt? Ich kann dir nur antworten: Deine Frage ist selbst ein Produkt der Abstraktion. Frage dich, wie du auf jene Frage kommst; frage dich, ob deine Frage nicht von einem Gesichtspunkt aus geschieht, den ich nicht beantworten kann, weil er ein verkehrter ist? Frage dich, ob jener Progreß als solcher für ein vernünftiges Denken existiert? Wenn du nach der Schöpfung der Natur und des Menschen fragst, so abstrahierst du also vom Menschen und der Natur. Du setzest sie als nichtseiend und willst doch, daß sie ich als seiend dir beweise. Ich sage dir nun: Gib deine Abstraktion auf, so gibst du auch deine Frage auf, oder willst du an deiner Abstraktion festhalten, so sei konsequent, und wenn du den Menschen und die Natur als nichtseiend denkend, denkst, so denke dich selbst als nichtseiend, der du doch auch Natur und Mensch bist. Denke nicht, frage mich nicht, denn sobald du denkst und fragst, hat deine Abstraktion von dem Sein der Natur und des Menschen keinen Sinn. Oder bist du ein solcher Egoist, daß du alles als Nichts setzt und selbst sein willst?" (MEW 40, Seite 545*f) Heideggers Philosopie lässt kein subjektives Urteil zu. Sie setzt mit der Frage nach einer überhistorischen Netur, mit einer absoluten Natur der Seinsbestimmung ein. Seine Philosopie positioniert sich gegen den Humanismus der westlichen Phlosophie mit der Frage einer überhistorischen Seinsbestimmung ein, die "jenseits von Gut und Böse" (Friedrich Nietzsche) Geschichte nach einer objektiven Bedeutung für einen "Sinn des Seins" beurteilen und bewerten soll (siehe hierzu auch Moral). Nicht "das Gute im Menschen" könne das Böse beherrschen, sondern das Sein als solches enthalte schon als Vorlauf zum Tode alle Notwendigkeiten vom Werden und Vergehen, von Macht und Ohnmacht und auch von Gewalt. Die "Frage nach dem Sein" steht somit vor aller Geschichte (siehe auch dialektischer Materialismus im Verhältnis zum historischen Materialismus), müsse selbst also schon ihre wesentliche Bestimmung als Fundamentalontologie enthalten. Diese Behauptung ist die Grundlage seiner Humanismuskritik - wie auch seines Beitrags zur Ideologie des Nationalsozialismus. Eine Philosophie beginnt meist mit einer Fragestellung des Menschseins, die mit bisheriger Philosophie nicht aufgegriffen oder in einer Beziehung begriffen war, die zu bezweifeln blieb. Ihre Weisheit bezog sich bis dahin auf das menschliche Leben schlechthin so, wie es sich selbst unschlüssig ist, auf das Wesen der Humanitas im Verhältnis ihrer Subjektivität zu ihrer Objektivität, kurz: auf die Zwiespältigkeiten des Menschseins (siehe auch Wesensnot), die sich in der Sphäre des Denkens auflösen sollte. Philosophie ist für Martin Heidegger aber "ein menschlich-übermenschliches Erstes und Letztes wie die Kunst und Religion, d.h. sie steht - gerade weil klar geschieden von beiden und doch mit beiden ein gleich Erstes - notwendig im Glanz des Schönen und im Wehen des Heiligen" (Martin Heidegger zitiert nach "Grundriss Heidegger" von Helmuth Vetter, Felix Meiner Verlag Hamburg 2014, S. 22) Heidegger folgt ganz im Sinne Platons einer Philosophie, die eine hohe Einheit der Erkenntnis als eine wahre menschliche Identität in seinem Dasein begründen sollte, indem er das methodische Verständnis von einem "hermeneutischen Zirkel" zur Vertiefung des Denkens zur "Lichtung" seiner Erkenntnisse hernahm. Nach seiner Auffassung verläuft Denken überhaupt in einer "natürlichen" Kreisförmigkeit, durch den es sich von selbst und durch sich selbst "vertieft" und in seinen Gegenstand vordringt, von einem unbestimmten Ganzen ausgeht und daraus eine wachsende Kenntnis seiner Teile bezieht. Doch diese Kenntnis kann nur in der Ewigkeit der Kreisbewegung sich bewahren. Und das sollte sie auch. Das Rätsel der Geschichte löste sich für Heidegger in seiner Fundamentalontologie auf, die nichts anderes war, als die Existenz einer Gedankenform, eines auf sein Kreisen reduzierter Geschichtsobjektivismus (siehe auch Gedankenabstraktion). "Philosophie ist universale phänomenologische Ontologie, ausgehend von der Hermeneutik des Daseins, die als Analytik der Existenz das Ende des Leitfadens alles philosophischen Fragens dort festgemacht hat, woraus es entspringt und wohin es zurückschlägt." (Heidegger, Sein und Zeit, S. 436) Darin zeigt sich der im Grunde fraglose Ausgangspunkt, der selbst schon metaphysisch ist als "Frage nach dem Sinn des Seins" und lediglich seine Aufteilung der Welt als Teile des Seins vorstellen konnte und damit jede philosophische Vorstellung zu bereichern schien, indem er der Phänomenologie eine beliebige "Tiefe", eine Eidetische Reduktion als Hochform der Interpretation nicht einfach als Ontologie, sondern als Fundamentalontologie des Denkens überhaupt verschaffte. Aber diese Hochform beweist lediglich die Kritiklosigkeit eines Denkens, welches das Dasein nicht selbst befragen wollte, sondern es dadurch bestärkt, dass es mit der "Frage nach dem Sein" schon beantwortet wäre. Von daher unterstellte Heidegger den Menschen, die dieser Frage nicht folgen, eine Unfähigkeit bzw. Unwilligkeit zum Denken, machte ihnen ihre Seinsvergessenheit zum Vorwurf und schloss daraus die Notwendigkeit eines Führers, der auf die "Tiefe des Seins" pocht (siehe z.B. seine Rektoratsrede). Als Mensch der Moderne kritisierte Heidegger deren Metaphysik und als moderner Denker verlieh er ihr schließlich die finale Metaphysik einer Endzeit, einem "Sein zum Tode", eine Fundamentalonologie, die über alle Ontologie hinaus gedacht sein will. So wurde Philosophie durch Heidegger schließlich "streng katholisch". Heidegger wollte die absolute Philosophie erschaffen. Und das ist ihm in soweit gelungen, wie er "die Wahrheit" als Schlussfolgerung in der Suche nach dem Wesen der Welt und der Sinne befand, als innigster Trieb der Philosophie, die zu diesem Zweck "eine wesenhafte Seinsart des Daseins" ("Sein und Zeit", §44.c) zu erschließen hat. Sinn und Zweck dieser Ausführungen ist die Reduktion der Philosophie auf die Grundlagen seiner Phänomenologie: Philosophie soll durch ihre Schlussfolgerung, durch ihr Urteil der Wahrheit zur Macht verhelfen, da nur sie sich durch sich selbst als wahr erweisen könne. Das ist in der Tat die Aufhebung der ganzen Diskussion um das Philosophieren selbst, aber dies überwindet im Durchgang dann auch schließlich das Denken von Platon, Kant , Hegel bis über Marx, der aber natürlich sowieso schon als Antiphilosoph kein "Denker" gewesen sein konnte. Immerhin bot dieser Wahrheitsbegriff einen Bogen um die ganze bisherige Welt und ihre Geschichte, wie man sie enzyklopädisch verstehen kann: Schon Platon hatte seine Staatsaristokrie aus einem qualitativen Wahrheitsverständnis begründet. Das sollte die philosophische Logik zum Richter über Geschick und Geschichte des Volkes machen und mit ihrem unveränderbaren Telos das Wesen des menschlichen Geistes fortführen. So ähnlich war es auch das Ziel der Vernunft bei Kant - wenn auch nicht als Telos, sondern als Vorstellung einer Sozialgenese - und so war es ja auch schon von Hegel im Begriff der Selbsterkenntnis angelegt worden - freilich nicht ontisch, sondern idealistisch. Solche "Wahrheit" sollte die Menschheit nun durch die von Heidegger totalisierte Wesensfrage im "Fluss der Zeit" (§82.a) aus ihrer Verblendung und Selbstvergessenheit befreien, sich als"begreifende Begriffenheit des Selbst" entwickeln, wodurch erst erwiesen werden könne, was "das Selbst eigentlich ist" (§82.b). Für das eigenliche Selbstsein wandte sich Heidegger von jeglicher geistigen Gegenständlichkeit der Philosophie (wie etwa Weltgeist oder Geschichte) ab und suchte das "reine Denken" (siehe Reinheit), mit dem freilich auch die weltlichen Probleme zu bereinigen sein sollten. Die darin bezogene Grundbehauptung war von da her, dass es eine absolute Wahrheit des Seins schon vor dem Seienden gebe und dass von da her die Welt zu einer Änderung zu erziehen sei. In der Fundamentalontologie seiner frühen Phase vor der so genannten "Kehre" befand Heidegger die kulturelle Überformung der Moderne als ein Projekt und Produkt des humanistischen Opportunismus, im Grunde verantwortungslos gegen die wahren Dinge des Lebens und gegen das Wesen der Selbstbestimmung des "eigentlichen" Menschseins, das darin begründet sei, dass es eigentlich in seiner Eigenheit nicht da, dass es also in Beziehung auf das wahre Wesen abwesend ist, weil das Dasein nicht bewusst sei. Dasein und Bewusstsein waren für ihn identisch und von daher schon in der Sprache fundamental, so vergessen, wie sie eben nicht eigentlich, das gesprochene Wort unwentlich sei. Diese Seinsvergessenheit des modernen Menschen sei den Irritationen seines Daseins geschuldet, sein Bewusstsein also selbst der Grund seiner Weltvergessenheit und also der Mangel in der Grundlegung seiner Weltbezogenheit. Im Grunde ist Heidegger ein Kulturkritiker, der die allgemeinsten Denkformen der Reaktion als Philosophie der Subjektivität schlechthin formuliert hat. Indem er eine sinnliche Unmittelbarkeit der Dinge des Lebens als Wesen der Selbstbestimmung behauptet, wird ihm der Mensch selbst zur absoluten Persönlichkeit einer Seinsfrage, die sich nicht relativieren lasse und daher jede Person unmittelbar eine Menschheitsfrage darstelle und in diesem Sinne auch zu erziehen sei. Nicht sei der Mensch in seinem Gattungswesen als gesellschaftlicher Mensch, sondern als Individualwesen schon unmittelbar bestimmt und bestimmend. Dieser radikale Individualismus als allgemein behauptete objektive Wesenhaftigkeit des Menschseins ist wohl auch der Grund, warum Heidegger bis zum heutigen Tag auch in einer linken Szene anklingt und für Theorien zur Kultur und Kunst immer noch so tauglich ist wie auch für das gehobene Kulturbürgertum und dessen reaktionären Lebensvorstellungen (siehe auch Kulturchauvinismus). Die Dekonstruktion des Bestehenden kann hier als politische Gesinnung zur Grundlage einer Selbstverwirklichung radikaler Individualität werden, indem sie sich als politsches Konzept eines destruktiven Konstruktivismus verallgemeinert. Dessen Wahrheit sei nämlich die Angst, die Lebensangst, die einem Wissen um den Tod entstammt. Geschichtlich werde das Leben durch den Tod. Und diese Erkenntnis sei deshalb die Grundlage der Lebensverantwortung, der "wahren Besinnung auf sein Sein", auf sein kulturelles Wesen, seine "Existenzialien". Wer darin sein finales Dasein denkt, die tödliche Endlichkeit als Seinsbestimmung begreift, sieht sich selbst darin allgemein bestimmt, sich in allgemeiner Selbstbezüglichkeit ergriffen - nicht in seinen Eigenschaften und Fähigkeiten, sondern als ein Wesen seiner Eigentlichkeit, die nur uneigentlich existiert, als Erscheinung "seiner erd- und bluthaften Kräfte", das seine Endlichkeit als unendliche Bestimmung seines "In-der-Welt-Seins", seines Daseins erkennen müsse. Es tritt der Mensch hierin in eine Lichtung, einen Moment unendlich möglicher Erkenntnis, der selbst schon notwendig beschränkt ist, eben weil er nur (vorübergehend) seiend ist. Und solche Phänomenologie mündet in einer Wesensbehauptung, in welcher das isolierte Dasein des Alltags verwesentlicht wird, selbst als Verwirklichung seines Wesens gilt, indem es nur in seinen Gegenständen nicht verwest. Die Absicht einer solchen Philosophie ist, die Lust am Leben, seine Wirkkraft und Neugier, als Gefahr, als Vergessen des Wesentlichen hinzustellen, die Subjektivität des Menschen ihm als objektive Bedrohung vorzustellen. Nur in seinen Gegenständen liegt es demnach, das zu werden, was sie schon vor aller Erfahrung eigentlich sind. Das Besondere seiner Existenz wird sich hierdurch selbst allgemein, weil in ihm schon sein Werden bestimmt ist. Und dieses wiederum ist selbst erst in seiner Nichtung wirklich wahr - eben weil es vergänglich, die Welt aber ewig ist. Genau dies aber ist die Grundlage einer jedweden Heilsbotschaft, die aus dem Sinnfälligen, eben dass Geschichte auf der Vergänglichkeit ihrer sie bildenden Momente beruht, einen Übersinn des Lebens ihm entgegenhält. Das Heil der Menschen, ihr wesentliches Glücksversprechen, steht demnach dann auch über ihrem Leben und sie können es lediglich durch ihren selbstlosen Dienst an den Existenzialien des Lebens erhoffen (siehe Heilserwartung). Eine solche Sichtweise des Lebens ist aber gerade die Verkehrung von jedweder Geschichte, die aus der Tätigkeit von Subjekten erst ergeben kann, was sie in ihrem Dasein verwirklichen können (siehe historischer Materialismus). Sie wurde daher auch zur Grundlage des Rassismus der Nationalsozialisten, die sich auf Heidegger bezogen und er selbst war ein Nazi mit hoher Abstraktionskraft, wie es sich in seiner Rektoratsrede erwies. Das Eigentliche - als das allgemein Eigene verfasst - ist die philosophische Grundlage des Heideggerschen Rasseverständnisses, das als Vorwurf jederzeit und beliebig ex negativo gegen die Uneigentlichen, die Seinsvergessen gewendet werden kann. Das "Sein zum Tode" ist eben nur durch dieses "wahre Wesen" zu leben. So weist schließlich auch der "Snnspruch" an den Toren einigen Todeslager der Nationalsozialisten ganz in dieser Auffassung darauf hin, das hier "Jedem das Seine" geboten wird. Wer seine Bestimmung, sein eigenes Wesen nicht gefunden hat, dem wird dann eben der Tod geboten, um Eigen zu sein. Nach der späten Distanzierung von seiner nationalsozialistischen Position, die er aus der Kritik der Moderne entwickelt hatte, wurde Heidegger erst zum richtigen Existenzialisten, indem er die Ereignishaftigkeit als einzige geschichtliche Wahrheit erkannt haben wollte. Es war keine grundsätzliche Abwendung seiner Analytik, aber eine Wendung ins vereinzelt Wesentliche, das seiner Allgemeinheit phänomenal enthoben wurde, die seinen Rassismus ausgemacht hatte und von daher aus der Erfahrung selbst nur einbezogen wurde. Bei Heidegger ist ein Ereignis dasjenige Geschehen, das Mensch und Sein einander übereignet. Die Nähe des Menschlichen erschließt sich ihm aus dem Teilwort Eigen, das ihm als Wesensbegriff nutzt, da es im Dasein die Eignung der Welt für den Menschen erweist.. Darin überwindet Heidegger die Existenzialien seiner Fundamentalontologie, durch die ein Wesen vor aller Erfahrung behaupet war Das Ereignis wurde so zum Schnittpunkt der Geschichtsbildung bei Heidegger, das zwischen Dekonstruktion und Konstruktion in einer Wesensgleicheit von Subjekt und Objekt im Dasein aufgeht, also keinen objektiven Bestand hat und von daher auch nicht dem Menschen entfremdet sein, wohl aber in Vergessenheit geraten kann (siehe Seinsvergessenheit). Überhaupt kreist sein ganzes Denken nach seiner Abwendung von seiner Fundamentalontologie um die Nähe von Sein und Menschenwesen in der Zeit selbst, dessen Herkunft aus dem »Ereignis«, das ihm die Vereinigung von Zeit und Sein als »Anwesen« erbringt. Doch gerade diese bloße Anwesenheit macht ja die Abstraktion jeder sinnlichen Beziehung aus (siehe abstrakt menschlicher Sinn). Folgerichtig kommt Heidegger dahin, den Sinn des Seins in der Zeit zu verstehen, also das Sein selbst als zeitbestimmt, als Wissen um die Endlichkeit des Daseins, um das Sein nur im Antlitz des Todes im Leben des Menschen zu begreifen, in welchem sich das Wesen zwischen Verbergen und Entbergen bewegt und daher auch jedes Ereignis eine Verwesentlichung darstellt, sowohl objektiv wie subjektiv in Einheit und daher nur durch ein finales Ereignis begreifbar sein kann. Sein ist im Begriff seines Untergangs dadurch wertvoll, dass es sein Ende erkennt, und kann von daher als wertbestimmtes Sein auch unendlich wertvoll sein. Von daher ist Heidegger unendlich nutzbar und implizit schon ein moderner Vertreter der Event-Kultur (Ereigniskultur) wie auch ihr Kritiker in einem. Das war für die "Überwinder" des Marxismus (Foucault, Derrida, Hellinger usw) von großer Bedeutung, da sie in der Dekonstruktion die Bedingung der Konstruktion theoretisch angehen konnten, weil solche Theorie immer doppelt begründbar ist. Sie hat ja nur noch die Geschichte einer objektiven Subjektivität zu beschreiben, die sich zu sich selbst wie Sein und Vergessen verhält, also nur als Bewusstsein zu begreifen hat, das dann selbst ausschließliches Dasein sein soll. Im "Ereignis" lässt sich auf wundersame Weise alles zusammenfügen, was nicht zusammenpasst: Bedeutung, Sprache und Sein, wie auch Macht, Ohnmacht und Schicksal. Ereignis ist die logisch erscheinende Aufhebung der Logik - eben Zufall, der Zusammenhänge stiftet (bei Heidegger: Seinsgeschick, Schicksal): Genealogie. Allgemein der Endlichkeit seiner Existenz verpflichtet, verlangt dies nach einem Allgemeinwesen der persönlichen Seinsbestimmung, die persönliche Allgemeinheit als innere Stimme des Gewissens. Sie impliziert eine im einzelnen nur erscheindende, also abstrakte Allgemeinheit, die der Person eine totale Moralität abverlangt, im Grunde eine Gesinnung, die aus einer fundamentalen Ontologie abgeleitet ist, aus dieser heraus "transzendiert". Alles Sein ist in seinem Dasein in seiner wesentlichen Beschränktheit begrifffen - wesentlich nur durch den Tod bestimmt. Heidegger nennt dies das "Sein zum Tode". Dadurch sei Leben selbst daran relativiert, also nichts, was darin im Einzelnen zu Ende geht, sondern schlechthin und allgemein endlich, in einer schlechten Unendlichkeit ist, die nur in ewig momenthafter Existenz sein könne. Das "eigentliche" Leben rage darin nur hie und da hervor, was ja die Wortbedeutung von Ek-sitieren ist. Es ist notwendig also auch nur vereinzelt da und kündet zugleich von einer Allgemeinheit, die nicht von Menschen geschaffen, nicht von dieser Welt ist, die aber in ihr wirkt. Der Tod, der in dieser Unbezüglichkeit keine substanzielle Erkenntnis mehr erbringen kann außer dem Postulat eines bloßen Nichts, das nichts mehr werden kann, wurde mit diesem Gedanken zum Subjekt einer Philosophie, die im Grunde gar keine mehr ist, weil die Phänomene ihres Denkes selbst als Vorwurf gegen das lebende Subjekt taugen. Damit ist ihre "Weisheit" lediglich die Wahrnehmung einer bestimmungslosen Endlichkeit, die zugleich völlig bestimmend gegen die Unzulänglichkeit des Menschen in seiner Selbstverantwortung ist. Der Tod als Subjekt der Erkenntnis befördert jede Fragestellung in eine Endlösung des Denkens, in eine Psychologie der Selbstverantwortlichkeit, die natürlich nur eine hintergündige Pädagogik sein kann, ein Belehrungswille zur Bewältigung der Seinsvergessenheit der Menschen, der nur noch psychologisch argumentiert. Und das war der Kern der neuen Ontologie Heideggers, die das Ontische im Phänomen eines unendlichen Daseins im Gegensatz zur platonischen Seinsbegrifflichkeit, aber auch als deren konsequente Weiterführung verstehen wollte. Heidegger wollte sich (wenn auch etwas verspätet) dem verselbständigten Rationalismus von Descartes entgegenstellen und dem Sein "wieder" sinnliche und unmittelbare "Existenzialien" zusprechen, deren wesentlichste die Angst des "In-der-Weltseins" des Menschen sei, eben das "Sein zum Tode". Darin ist jeder Augenblick schon beendet aufgefasst, als Existenzial verschwindend, so dass das darin scheinende Wesen auch unendlich verlängert werden kann. Das Wesen solcher Phänomene wird nicht nur überhistorisch, sondern jenseitig, ohne als Grundlage einer absoluten Religion kenntlich zu sein. Heidegger hat damit die Trickkiste der Philosophie entdeckt, sich selbst unendlich zu machen, selbst zum totalen Denken zu werden. Alle Gegenwärtigkeit entschwebt, weil in ihr sich Unendliches Sein so vorstellt, wie es von der Heideggerschen Phänomenologie vorgestellt wird. Eine Beweisführung in der Wirklichkeit wäre hiergegen nur noch vulgär, bleibt solche Philosophie doch notwendig immer ein Vorwurf gegen sie. Es sollte eine radikale Erneuerung des Seinsbegriffs werden, der vor allem auf der Kritik des schlechthin Objektiven, aber auch als Verneinung des objektivierten Subjekts beruhte. Er verwarf daher sowohl die in der objektiven Philosophie verwendeten Begriffe eines der Erkenntnis vorausgesetzten Seins und dessen Dinglichkeit, wie auch die subjektiven oder subjektbeschreibenden Begriffe wie Mensch, Leben, Gewissheit, Leiden, Entfremdung usw., also alle bis dahin für die Erkenntnis von Wahrheit geläufigen Grundlagen. Zunächst war dies eine Abweisung der Erkennbarkeit von Gegenwärtigkeit und Geschichte, eine transzendentale Fundamentalontologie, die sich vom Standpunkt einer allumfassenden Seinswahrheit an das Seiende gewendet hatte, an das Sein, das sich im Seienden "lichtet", aus einer eigentlichen Wesenhaftigkeit entschlüpft ist und in die Welt hinein "west". Das Sein ist das Prinzip einer Ganzheit, die nicht wirklich und an und für sich grundlos ist, die aber lediglich in der Einzigartigkeit und Ausschließlichkeit des Seienden hervorragt (ex-istiert) und sich in jedem einzelnen "Schicksal" verwirklicht. Es ist, weil sonst Nichts ist, weil alles andere nur tot ist. Alles ist nichts, was sich nicht selbst hervorbringt und hierin seiend wird - und das heißt bei Heidegger: über den Tod hinausragen, sich über das Verwesende als Wesen setzt. Hieraus ergibt sich die Seinsnotwendigkeit, das Wesentliche zu bergen, um es dem Tod zu entziehen. "Bergen" ist daher ein fundamentaler Begriff der Heideggerschen Gedankenwelt (siehe Lebensbergung). Sie kennt keine Bedingtheit oder Vorausgesetztheit, weder Geschichte noch Wirklichkeit, sondern bloße Zeit als abstrakte Form der Geschichte. Mit dem Begriff des Ereignisses vereinigt Heidegger die Phänomenologie mit einem konservtiven Existenzialismus. Hierdurch wird das, was dem Existenzialismus widerstrebt, der wesentliche Sinn, den etwas schon vor aller Erfahrung hat, zugleich zu einem Phänomen, das sich als wesentliches Sein in seiner Existenz offenbahren soll. Damit gerät ihm die Dialektik von Wesen und Erscheinung zu einem Einerlei von Begriff und Sein, in welchem das eine sowohl das andere ist, Sein selbst für Wahrheit steht, für sich schon wahr ist. Mit einem monströsen sprachlichen Apparat, welcher der Umgangssprache unzugänglich ist, muss dieser doppelte Boden seines Denkens überbrückt werden. Aber auch die Geschichte von Heidegger selbst zeigt, wie beliebig sich seine "Wahrheit" wenden lässt, taugt doch das "wahre Sein" sowohl zur absoluten Selbstbegründung, als auch für jeden Vorwurf gegen andere (z.B. der Seinsvergessenheit des modernen Menschen), denen im Sinne der Philosophie gleiche Selbstbegründung zugestanden werden müsste. Aber wo es weder Subjekt noch Objekt gibt, überlebt nur das Geborgene, das sich zu einem ganzen einzelnen Wesen emaniert, das sowohl in und außer den Menschen besteht. Das Nichts ist damit sehr wohl etwas, - nämlich das Reich einer Wahrheit, die den Kosmos zumindest als Prinz des wahren Ganzen, des entkommenen Unheils, ausfüllt. Das darin implizierte Heilsprinzip sollte (in der Zeit nach dem Nationalsozialismus) durch die sogenannte "Kehre" überwunden werden, in welcher das Sein selbst nicht inneres und gestaltendes Wesen einer Wahrheit ist, sondern nurmehr wesentlich seiend sich im Menschen denkt. Auf diese Weise entstand eine Philosophie der Hermeneutik, ein "An-Denken des Seins" in den Ereignissen der Existenz, die ein reines Verstehen des Seins im Seienden sein wollte. Darin war jede Voraussetzung und Bedingung der Lebensereignisse ebenso abgestritten wie ihr Sinn, soweit er sich nicht ontologisch herleitet. Sie selbst seien das Wesen, das west, geschichtliche Faktizität des "Seins-Geschicks" und damit einzig dem Geschick der Menschen und ihrem Schicksal geschuldet. Jedweder Bezug eines Subjekts auf ein Objekt oder eine durch Objektivität bestimmte Subjektivität gab es für dieses Denken nicht mehr. Solche Begrifflichkeit sollte als Entweichen aus menschlicher, aus ontischer Selbstverantwortung aufgefasst und abgewiesen werden, als Unschuld einer rationalistischen Begriffsdeterminierung beschuldigt werden. Solches Sein sei von der Philosophie unnötig zerdacht und deren Begriffe seien es daher nicht mehr wert, verwendet zu werden. Jeder Begriff müsse sich ontologisch ausweisen lassen: "Dinglichkeit selbst bedarf erst einer Ausweisung ihrer ontologischen Herkunft, damit gefragt werden kann, was positiv denn nun unter dem nichtverdinglichten Sein des Subjekts, der Seele, des Bewußtseins, des Geistes, der Person zu verstehen sei. Diese Titel nennen alle bestimmte, »ausformbare« Phänomenbezirke, ihre Verwendung geht aber immer zusammen mit einer merkwürdigen Bedürfnislosigkeit, nach dem Sein des so bezeichneten Seienden zu fragen. Es ist daher keine Eigenwilligkeit in der Terminologie, wenn wir diese Titel ebenso wie die Ausdrücke »Leben« und »Mensch« zur Bezeichnung des Seienden, das wir selbst sind, vermeiden." (Heidegger, Sein und Zeit, § 10, S. 46) Was bereits als Gegenstand der Erkenntnis objektiv aufgegriffen und bedacht (und von Marx in den Historischen Materialismus gewendet) war, wurde von ihm neu bedacht, weil es subjektiv als ontische Wahrheit begriffen sein und das Eigentliche als das besondere Sein im Seienden hervorgekehrt werden sollte. Hierfür wurde der Ausgangspunkt des Denkens nicht mehr im denkenden Subjekt, sondern in seinem Sein genommen, das als Phänomen im Dasein zu begreifen sei, in welchem es selbst nur seiend zu lassen sei, Bestandteil des Daseins als "Lichtung des Seins". "Das Dasein ist zwar ontisch nicht nur nahe oder gar das nächste - wir sind es sogar je selbst. Trotzdem oder gerade deshalb ist es ontologisch das Fernste. Zwar gehört zu seinem eigensten Sein, ein Verständnis davon zu haben und sich je schon in einer gewissen Ausgelegtheit seines Seins zu halten. Aber damit ist ganz und gar nicht gesagt, es könne diese nächste vorontologische Seinsauslegung seiner selbst als angemessener Leitfaden übernommen werden, gleich als ob dieses Seinsverständnis einer thematisch ontologischen Besinnung auf die eigenste Seinsverfassung entspringen müßte. Das Dasein hat vielmehr gemäß einer zu ihm gehörigen Seinsart die Tendenz, das eigene Sein aus dem Seienden her zu verstehen, zu dem es sich wesenhaft ständig und zunächst verhält, aus der »Welt«." (Heidegger, Sein und Zeit, § 5, S. 15) Auch dieser "eigentlich" doch eher objektivistische Ansatz wäre nicht sonderlich neu, wäre er von Heidegger nicht geleugnet und zugleich subjektivistisch umgesetzt worden, indem ihm nur die Qualität des Sein-Könnens zugesprochen wird, das auch Sein-Lassen enthält, Dankbarkeit angesichts der Gegebenheit, Entlastung aus dem beängstigenden In-der-Welt-sein bietet, ohne dabei aus der Welt zu sein. Die Welt wird zum Raum, zum "Haus des Seins", das Ontische zum Ereignis des Ontologischen, das Denken zur Bestätigung des Gedachten. Denken selbst wird als Bestandteil der so gedachten Welt zirkelschlüssig. Das geschieht bei Heidegger dadurch, dass er subjektives Denken für identisch mit objektiven Gedanken, Bewusstsein selbst für seiend hält und das Geschöpf als Schöpfer in der Welt allein sein lässt, im "Geviert von Erde und Himmel, Göttlichem und Sterblichen". Der dreieinige Gott wäre hiergegen leicht zu verstehen, aber als selbst seiende Einigkeit einer sich im Gegensatz produzierenden Welt wird eine Ganzheit unterstellt, die wie das verbliebene Unwesen des überwunden geglaubten Heilsgedankens sich phänomenologisch forttreibt und "west", zersetzt, was es gebiert, sich seiner Ohnmächtigkeit bewusst wird, indem es seinem Schicksal dafür dankbar ist, dass es dies alles denken kann. Es ist die reaktionäre Emanzipation eines abgrundtiefen Nihilismus gegen das Nichts, in das es alles versetzt, was es nicht ist. Es ist ein Denken, das sich zur fortwährenden Selbsterläuterung aufmacht, um sich wesentlich zu scheinen. Wahrheit ist für Heidegger durchaus subjektiv (wenn auch ontisch), während die Gegenstände des Denkens entweder Naturdinge oder Umweltdinge, und als solche nur leere Objektivität des "Angeschauten" sind. Er beschrieb eine Ontologie subjektiver Wahrheit, die als eine besondere Art von philosophischer Psychologie rezipiert wurde, besonders dort, wo Subjektivität selbst objektiv, wenn auch menschheitsgeschichtlich begründet werden sollte (z.B. bei C.G. Jung, Binswanger, Derrida, Foucault, Hellinger). Und darin ist er verfänglich, thematisiert er doch ein umfängliches Phänomen des Erkenntnisprozesses in der bürgerlichen Kultur, von der er zugleich vollständig absieht und stattdessen zum Grundleger einer Diskurstheorie wird (Habermas war ihm hierfür dankbar): "Das ist der phänomenologische Sinn der Rede, daß ich in evidenter Wahrnehmung nicht die Wahrheit dieser Wahrnehmung selbst thematisch studiere, sondern in der Wahrheit lebe. Wahrsein wird erfahren als ein ausgezeichneter Verhalt, ein Verhalt zwischen Vermeintem und Angeschautem, und zwar im Sinne der Identität." (Heidegger, Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, S. 70) Das haben sie alle aufgegriffen, die sich auf ihn beziehen: Das Gemeinte im Gegensatz zum Angeschauten, die Evidenz der Wahrnehmung im Widerspruch zu ihrer Wahrheit. Nun war dies zwar allemal Grundlage des Denkens. Aber in dieser Selbstreflexion wird es zu einer unendlichen Selbstreferenz einer Identität im Gedachten, wenn "ich nur in der Wahrheit lebe": Was an Gegensätzlichkeit zu erklären wäre aus der Gegenständlichkeit der Verhältnmisse der Menschen wird als Erklärung genommen für die Notwendigkeit der Selbstbestimmung des Denkens. Wie für viele vor ihm war Entfremdung des modernen Menschen auch sein Thema, jedoch rein implizit als eine Selbstgenügsamkeit der Wahrheit an sich, die er ontologisch verstand und daher als Unangemessenheit des Menschen zu seinem Sein den Menschen selbst zum Vorwurf machen konnte. Damit wird jeder Gedanke zugleich wirkmächtig für das, was er zu verneinen vorgibt, denn er muss nicht erkennen, was er zum Gegenstand hat, er wird selbst zum Maß für das Vorgeworfene, mit dem er die Menschen ihm unterwirft. Damit hatte Heidegger einen doppelten Ausgangspunkt für eine umfängliche Kritik der Welt: Kritik des Seienden mit all seinen Aufwänden der Moderne (z.B. Technik) und Kritik des Menschen, der in seiner Seinsvergessenheit das Vermögen zur Wahrheit verloren habe. Damit gab es für seine Philosophie kein wirkliche Problem mehr, keine wirkliche Frage, denn er hatte alle Antworten im Begriff der menschlichen Existenz, in welcher dies Doppelte sich widerstreiten müsse - aus Furcht vor dem Tod. So reduzierte Heidegger alle Entfremdung, welche das Problem der Erkenntnis ausmacht, auf die Form der existentialen Selbstentfremdung. Wirklichkeit besteht in diesem Denken eben nur als schlichte Erfindung, als Mache von unmittelbar und voraussetzungslos, also geschichtslos tätigen Menschen, als Konstruktion (Wirklichkeitskonstruktion), die ebenso relativ ist, wie sie auch nicht ist. "Dies schlechthin Andere zu allem Seienden ist das Nicht-Seiende. Aber dieses Nichts west als das Sein", "was jedem Seienden die Gewähr gibt, zu sein", weil "niemals ein Seiendes ist ohne das Sein." (a. a. O., S.46). Indem es "west", sich "lichtet", "zuschickt" oder sonst irgendetwas Geheimnisvolles tut, wofür es keine angemessene Sprache gibt" (zitiert nach Türcke). Aber Heidegger ist heute erfolgreicher denn je. Auch die Linke hat entdeckt, dass die objektiven Bedingungen so objektiv nicht mehr auftreten wie sie sind. Wirklichkeit hat wenig Wirkung. Das Auseinanderfallen von Subjekt und Objekt, von Mensch und Welt, von Außen und Innen, von Schrift und Stimme war deshalb auch für Derrida nurmehr an Ort und Stelle anzugehen. Da wird "die Wahrheit" dann plötzlich äußerst unmittelbar: Wirklichkeit selbst sei nur ein Konstrukt des logozentrischen Verstandes. Er mache alles zu einem System und bekämpfe bloß, was er sich so geschaffen habe: Gesellschaft als eine Ganzheit, die als Ganzes genommen werde. Dies selbst sei schon totatlitär. Weil sie bloße Konstruktion sei, müsse jede Konstruktion bekämpft werden. Der Dekonstruktivismus, der die Wirklichkeit als Konstruktion angreift, geht auf Heideggers Denken in aller Konsequenz zurück. Wirklichkeitskonstruktion oder Dekonstruktion haben gemeinsam, dass sie Struktur subjektiv wie objektiv begreifen, d.h. hier: als daseiende Existenz von Gedanken ohne wirkliche Notwendigkeit, ansehen. Das hat zur einfachen Folge, dass das Nachdenken über wirkliche Lebensverhältnisse, dass eine Gesellschaftkritik als solche keinen Sinn mehr machen soll. |
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