"Mag das Leben sterben: der Tod darf nicht leben." Im Tod des Individuums überlebt seine Gattung. Dies ist sein Tribut an das Leben schlechthin. Darin erfüllt sich ihr Wesen als Notwendigkeit seiner Verwesung, seiner endgültigen Abwesenheii. Das Leben wird mächtig, ween und weil es im Tod aufgehoben und zugleich verwirklicht, in seiner Vielfalt eingeschmolzen, über jede Einfalt erhaben ist (siehe auch Dummheit). Für sich genommen – getrennt vom Sein des Lebens ist der Tod das unbegreifbare Nichts schlechthin, die totale Abstraktion in der Abwesenheit von allem, eine unendliche Endlichkeit, das "schwarze Loch" des burgherrlichen Verstandes. Und hierdurch ist er für jeden Dogmatismus der Lebensmächtigkeit der Kern seines Erklärungsanpspruchs, die Hervorkehrung der Verbindlichkeit von Lebenpflichten gegen die Lebensangst des Bürgerlichen Subjekts. Der Tod ist dessen finale Konstruktion zur politischen Gegenwart von Krieg und Frieden, von Sein und Werden und eben auch einer allgemeinen Verpflichtung im "Sinn des Seins" gegen die "Seinsvergessenheit" des modernen Menschen geworden sei, dem jede Existenz im "Sein zum Tode" lediglich als "Platzhalter des Nichts" wesentlicher als alles andere sein soll: Die "wissende Entschlossenheit zum Wesen des Seins". Der Geist im "Sein zum Tode" sei die "Macht der tiefsten Bewahrung seiner erd- und bluthaften Kräfte als Macht der innersten Erregung und weitesten Erschütterung seines Daseins." (Martin Heidegger in seine Freiburger Rektoratsrede im Mai 1933 unter dem Titel: "Die Selbstbehauptung der deutschen Universität")" - und damit als ein allgemeines Subjekt gegen die Vernichtung schlechthin über das Leben erhaben (siehe Martin Heidegger). Der Tod ist aber nur ein verschwindendes Moment des Lebens, schon mit ihm geboren und zugleich die Kraft seiner Fortbestimmung als Abschluss eines bestimmten Lebens, das Überleben seiner Bestimmtheit: Geschichte. So ist der Tod nicht das Ende des Lebens, sondern die Erneuerung von Leben, wie es sich kulturell zu überleben vermag. Ohne Tod kann Leben nicht sein. Er erscheint allerdings als Kränkung des Individuums, das sich durch seinen Tod in seinem Gattungswesen sowohl als körperlich existierender Mensch verliert, wie es sich darin zugleich aufhebt, das heißt: Als Kultur fortbesteht, indem es aus dem Leben scheidet. Das bekräftigt seinen Geist um den Verlust des Körpers. Wo aber der Tod schon die Lebensverhältnisse beherscht, das "lebt" er im Prozess des Abstrahierens als absolute Abstraktion, in der alles wirkliche Leben durch seine Wirklichkeit aufgehoben wird (siehe z.B. tote Arbeit, tote Wahrnehmung). Erkenntnis gründet auf der Gewissheit des Lebens, das sich gegen das Tote bestimmt, begründet sich also auch im Zweifel über das Leben, wenn es tot empfunden wird. Sie ist die Sensibilität des Lebens, alle Empfindung, alle Gewissheit, Tätigkeit und Leiden als Wahrheit in einem, Leidenschaft. Nicht die Frage nach Sinn macht Erkenntnis aus, sondern das erkennende Fragen, das schon dadurch Sinn hat, dass es die Beziehung eines Subjekts auf einen Gegenstand, auf ein Objekt formuliert. Die Antwort auf diese Frage ist die Kenntnis dieser Beziehung und ihre Bestätigung, die sich fragend fortbestimmt und ihre Wahrheit in ihrem Fortgang immer wieder erneut finden, empfinden muss. Erkenntnis hat Wahrheit nötig. Der Puls des Lebens schlägt von selbst; sein Niedergang ist nicht der Tod. Wo sich Leben nicht im Tod aufhebt, erscheint der Tod als Lebensmacht mitten im Leben. In dieser Form ist er der wichtigste Gegenstand der Erkenntnis, die wissen will, was ist, was lebendes Sein ausmacht. Was immer sie vom Leben kennt, erkennt sie in jener tödliche Macht, die sich darin auftut: Die Herrschaft des Vergangenen über das Gegenwärtige, des Toten über das Leben. "Der Tod scheint als ein harter Sieg der Gattung über das bestimmte Individuum und ihrer Einheit zu widersprechen; aber das bestimmte Individuum ist nur ein bestimmtes Gattungswesen, als solches sterblich." (MEW 40, S. 539). Wieweit es sich darin wirklich aufgehoben haben kann, das macht sein wirkliches Gattungsleben aus, die Individualität seiner Gattung, wie sie darin verwirklicht und wie darin ihre Wirklichkeit bewahrheitet ist - also nicht seine Privatheit und nicht irgendeine Übermenschlichkeit. Der Tod ist unmittelbar gesellschaftlich, ist die Endlichkeit des Einzelnen, der seiner Allgemeinheit im Tod vertrauen muss, weil er nur darin objektiv fortlebt, darin als ein Objekt des Lebens weiterhin durch die lebenden Generationen existiert. "Die Tradition der toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf den Gehirnen der Lebenden." (Karl Marx, MEW 8, 115). Alles Leben gründet auf seiner natürlichen Intelligenz, die sich mit seinem Stoffwechsel entwickelt hat und wodurch es sich als Wesen der Natur in Bewegung gesetzt hat und darin seine Energie erfährt. Leben ist Freiheit, die sich aus ihrer Notwendigkeit als Einheit von Materie und Geist hervortut, sich im Allgemeinen wesentlich über Tod und Verwesung hinaus bestimmt, wiewohl der Tod des einzelnen Wesens als Tribut an seine Gattung nötig ist, sich wie von selbst aus der stofflichen Endlichkeit der Natur, aus der natürlichen Beschränktheit der Chromosomen-Replikation ergibt. In der Abstraktion vom Leben aber ist der Tod das Ende aller Geschichte, in welchem sie verselbständigt erscheint als Aufhäufung vergangenen Lebens. In dieser Form ist der Tod nichts anderes, als die Begründung einer Lebensmacht, einer Herrschaft des Toten über das Lebendige (z.B. tote Arbeit als Kapital), Zweck einer Herrschaft des Gewordenen zur Bestimmung des Werdens. Darin erscheint das Tote lebensnotwendig, zur Gesundung aller Nöte heilsam, dem Heil der Menschen verpflichtet. Aber Sterben ist keine Krankheit, wiewohl diese es oft begleitet. Aber nicht die Krankheit führt allgemein zum Tod, sondern der Lebensverlauf, in welchem die Schwäche des Alters die Kraft des Lebens verlöschen, die Sinne schwinden lässt, und ihre Naturempfindung in die Gewissheit eines gewesenen Lebens überführt, das zur Verwesung kommt. Dass das Lebende das Tote in sich selbst auch erzeugt, zeigt sich an den urtümlichsten und einfachsten Verhältnissen des Stoffwechsels und der Assimilation. Die Fähigkeit, Stoffe für sich adäquat aufzunehmen und zu verdauen und die Schlacke abzusondern, macht den ersten Sinn in der Natur für die Natur aus. Indem Maße, wie lebende Zellen die Asche der Sauererstoffverbrennung nicht ausscheiden können, altern sie und nähern sich ihrem Tod. Dass dies notwendig so ist, begründet sich schon in der Masse der Stoffwechselprozesse. Nur gesellschaftlich wirksame Erkenntnisse können sich als Entwicklung der Produktivität hiergegen stellen - wenn auch nicht unendlich. Das Entschwinden eines Lebens ist schon begründet in seiner Geburt. Dies beides, Geburt und Tod macht Sterben aus. Alleine der Idealist kann im Sterben eine Krankheit, also eine Unangemessenheit gegen die allgemein verwirklichte Idee erkennen. So z.B. Hegel: "Seine Unangemessenheit zur Allgemeinheit ist seine ursprüngliche Krankheit und der angeborene Keim des Todes. Das Aufheben dieser Unangemessenheit ist selbst das Vollstrecken dieses Schicksals." (Hegel, Enzyklopädie § 375). Und als dieses "Schicksal" wird es sogleich zur Ontologie, zur Seinsbestimmung, die als Sein für sich begriffen wird, nicht als Tätigkeit und nicht als Leiden, Ereignis ohne Menschlichkeit, geschichtslos und unwirklich. Demnach wäre Tod weder erkennbar, noch wirklich daseiend, vom Dasein enteignet, schlichtes Abtauchen eines Lebens ins Ungewisse, Rückführung der Seele in ihre Unwirklichkeit, in ihren See, ins Reich der Ahnen, in die Genealogie. Das Leben selbst wäre im Grunde unwirklich, ohne Grund und Sinn, nur durch Geburt gegeben, ein Glück der Gegebenheiten, der Vorfahren oder der Gotteskindschaft. Der Existenzialismus hingegen, wie er von Heidegger eingeführt wurde, gründet dagegen auf dem Sein, das sich wesentlich im Tod erfährt als Existenz gegen ihn aber doch nur durch ihn gegenwärtig, als "Sein zum Tode" (Heidegger). Hiernach ist menschliche Geschichte ausschließlich durch das bestimmt, was sie herausragen lässt (ek-sistieren) aus dem Meer des Nichts, nicht selbst wirklich und geschichtlich seiend und damit seiner Natur beraubt. Natur selbst verändert sich, indem sie verwest - also nicht, indem sie ein "Wesen der Natur" entfaltet, sondern in ihrem Verwesen sich selbst auch wesentlich erhält, sich durch das entwickelt, was sie absterben lässt. Indem sie ihr Sein hat, ohne wesentlich zu sein, erneuert sie ihr Wesen, erschafft sie sich selbst immer wieder neu in einem Sinn, der aus dem Entwesentlichten entsteht. Das Verwesen ist ein natürlicher Akt, der jeder Begrifflichkeit einer reinen Naturgeschichte widerspricht, weil Natur keinen Begriff haben kannn, selbst nur Prozess des Lebens ist. Im Tod bringt sich Leben selbst zur Welt; - er ist das verschwindende Moment des Lebens, "Kränkung des Individuums" (Marx) und Frucht der Gattung zugleich, ihre Natur im Werden. Tod hat nichts mit Untergang und Vernichtung gemein (dies gegen Heideggers "Sein zum Tode"). Ein "Sein zum Tode" wäre das Nichtig setzen des Lebens, Nichtung, nicht bloßes Wissen um das Sterben. Es beinhaltet einen Allmachtsanspruch des Menschen über die Natur, deren Endlichkeit nurmehr zum Existenzial gereicht, indem es als Lebensgrundlage genommen und als solche zu behandeln ist, - also zur Nichtigkeit auch bestimmt werden kann. Naturvernichtung ist Vernichtung des Lebenden, reines Nichtig werden, Verwesen als Ende von allem, ohne wesentlich zu sein. Tod als Vernichtung ist kein Mittel der Naturaneignung. Wäre Tötung lediglich ein "Umgang mit der Natur", so als ob wir dann halt mal ohne sie wären, ein ander mal sie wieder haben könnten, so wäre der Mensch selbst schon wesentlich tot, weil er sich ohne sie zu erzeugen und zu bezeugen hätte (siehe hierzu auch Gentechnik), Der Existenzialismus begreift das menschliche Leben nicht in seiner Naturgeschichte, sondern in der augenblicklichen Existenz und bezieht von daher seinen Grund aus der Selbstvergegenwärtigung des Lebens durch den Tod, durch die schlichte Endlichkeit des "In-der-Welt-seins". Von daher droht der Tod nicht nur dem Individuum, sondern der Zeitlichkeit des Existierens überhaupt. Das Individuum ist im Tod allgemein zu verstehen, - seine Einheit mit dem Menschsein findet im Tod sozusagen seine "Wahrheit". So wird diese auch von seiner individuellen Existenz abgeleitet, soll eine Wahrheit im Tod sein, im "Sein zum Tode" (Heidegger). Als Mensch schlechthin wird es also eine zum Untergang bestimmte Wesenheit und kann von daher nur ein individuell herausragendes, ein einzelnes Wesen in der Allgemeinheit des Seienden haben. Der Tod wird somit hinterrücks zum Subjekt des Lebens. Von daher ist der Existenzialismus eine Geisteshaltung, welche von jeglicher gesellschaftlichen Bestimmung des Lebens gerade durch die Entgegensetzung zum Tode abstrahieren kann - auch wenn er darin nicht immer konsequent ist (vergl. Sartre). Auf diese Weise sei die Selbstverantwortlichkeit des Lebens hervorgehoben, sagt man dort. Aber der Tod erweist dem Leben schon dadurch Respekt, dass er es als Geschichte bewahrheitet, dass er es über das Erleben erhebt und einzig seine Wahrheit als bestimmtes Gattungswesen fortleben lässt. Wo das Individuum sein Gattungswesen nicht kennt, stirbt es schon in seinem Leben, ist es der lebende Tod der Selbstanmaßung seiner unendlichen Selbstbestimmung, die nur als Vorstellung überhaupt sich auf das Leben bezieht. In der bloßen Selbstwahrnehmung des Lebensendes wird der Tod zu einer beständigen Lebensgefahr, in welcher er absolut wird und von daher auch Leben verabsolutiert. Das Leben eines Individuums wird darin zu einer Totalität, die sich gegen alles ausschließt, was lebend ist und wovon es sich daher auch ausgeschlossen fühlt und in seiner Lebensangst schon den Tod bestätigt und betätigt. Natürlich ist das Leben eines Individuums immer ein ganzes Leben; aber eben auch ein Leben in der Geschichte des Lebens. Leben ist in der Vorstellung des Todes ist nur eine Theorie über das Leben, das den Tod erleidet, weil es sich aus ihm begründet. Es hat den Tod als Theorie über sich selbst, wodurch es nicht praktisch werden kann und wodurch schon das Leben selbst als Unmöglichkeit des Lebens gelitten ist. Jede Theorie, die vom Leben abstrahiert, die also nicht vom wirklichen Lebens ausgeht, wie es ist, dient letztlich der Vorstellung von einem Tod, den sie zu vermeiden sucht, bevor ihr Leben überhaupt begonnen hat. Im Antlitz des Todes erscheint das Leben schön und gut, ist aber nichts anderes, wie das abgeschottete, sich selbst zur Vorstellung gereichende, das in sich gute Leben. Der gute Mensch sucht das Leben, indem er ein Leben lang alles tut, um sich gegen den Tod zu stellen, die Mächte der Vernichtung dort zu sehen, wo es Nichtigkeiten des Lebens gibt, Scheinwelten, deren Gebilde durch jedes wirklliche Leben schon beendet sind. Es ist ein Aufbäumen, das seine Leblosigkeit nicht begreifen will und sich in seiner Nichtigkeit einteilt, abgrenzt und für sich absolut nimmt, alles, was es im Tod nur ist. Der Tod macht für die Abgetrenntheit immer Sinn, da er selbst nur theoretisch ist und selbst zur Substanz der Endlichkeit gegen eine vorgestellte Unendlichkeit des Lebens wird. Darin wird das Leben zu einer Vorstellung der Ewigkeit, dem der Tod Einhalt zu gebieten hat. Im katholischen Beerdigungsritus wird das ewige Leben im Tod als das schlechthin Separate dargestellt: "Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub". Der Trost wird aus dem wirklichen Leben genommen und in die Verherrlichung des Ewigen gebracht - ein Prinzip, dessen sich jedes reaktionäre Denken bedient. Natürlich ist der Tod das Ende jeder Selbstverwirklichung des einzelnen Menschen, so wie er in seinem Leben war: als gesellschaftlicher Mensch und einzelner zugleich. In der Abgetrenntheit von seinem wirklichen Leben, allgemein und für sich ist der Tod nichts. Als Nichts ist er in allem bloß verschwundenes Sein, unendlich leer, undenkbar, unnötig, unfassbar, unwirklich, unsinnig usw.. Allgemein ist das Leben alles, was es bewirkt hat und in seiner Geschichte wahr gemacht hatte. Es steht im Tod nicht vor einem Gericht (Schopenhauer), sondern vor seiner eigenen geistigen und sinnlichen Kraft, die als Dasein seines Wesens verbleibt und nicht verwesen kann. Ganz im Gegensatz zu Marx, der den Tod als Kränkung des Individuums begreift, fasst sich für Heidegger im Tod die Erkenntnis der Zeit, die Endlichkeit von allem Sein zusammen. Und diese ist durch den Tod für ihn das Wesentliche des Seins - auch dies ganz im Gegensatz zu Marx, der die Zeit als Erscheinungsweise des Seins begreift. Am Tod unterscheiden sich die Geister wie im Leben: Die subjektive Philosophie, die Phänomenologie Heideggers, war nicht ohne Grund sehr förderlich für den Nationalsozialismus, der den Tod als Drohung des Staates gegen das Individuum als Zucht- und Züchtigungsmittel für ein national bestimmtes Leben zu nutzen verstand, das Lebenswert bestimmte und "lebensunwertes Leben" vernichtete. Und nicht ohne Grund fällt es dem Marxismus schwer, den lebenden Tod in Zeiten nachzuweisen, die nur noch von Überlebensinteressen beherrscht sind. Die Grundlage der marxistischen Theorie ist die Erkenntnis der Geschichte als Prozeß der Lebenserzeugung und Lebensentfaltung in der Aus-einander-Setzung des Menschen mit seiner Natur, im Arbeitsprozess. Dass die tote Arbeit als Kapital die lebende beherrscht, ist das Diktum des Klassenklampf: "Alle bisherige Geschichte war eine Geschichte von Klassenkämpfen." (Marx) Die Entfaltung der lebendigen Arbeit als gesellschtliche Tätigkeit und Wirklichkeit steht erst noch an. Wenn sie nicht gelingt, so wird der Tod die menschliche Entfaltung, den Entwicklungsprozess seiner Sinne, Bedürfnisse und Begabungen überwältigen; es wird ein Fortgang der Menschheit in die Barbarei sein. | ![]() |