„Wie man wird, was man ist" (Vielfalt und Identität in Egon Schieies Selbstdarstellungen) Getrennt von dem was sie wahrhat vollstreckt Wahrnehmung als bloße Kognition einen Sinn, der sie einfach "überkommt"", weil sie sich darauf nur äußerlich und also nicht wirklich beziehen kann. Solche Wahrnehmung bezieht sich auf die menschlichen sinne indem sie diese bewegt wie eine Außenwelt, die keine Welt kennt. Was sie mit einem Menschen macht bleibt ihm daher wesentlich verborgen und bewegt ihn je nach den Wirkungen einer ihm äußerlichen Wirklichkeit, denen er praktisch so folgt, wie es ihm darin durch deren Gegebenheiten geboten erscheint. Die Wahrnehmuneg nimmt die unterschiedliche Gegebenheiten im Zusammenhang ihres Auftretens für wahr und kann daher durch sich und für sich nicht wirklich wahr sein. Im Verlauf ihrer Selbstbezogenheit widerspricht sie daher immer mehr selbst ihren Empfindungen und vereint ihre Gefühle so, wie sie nicht durch sich wahr sein können. Weil es Wahrheit nur in der Konsistenz von Aussagen geben kann, gibt es keine Wahrheit an sich und also auch keine wirkliche Wahrnehmungsidentität, keine in sich konsistente Wirklichkeit. Diese kann nur im Jenseits hiervon, also nur abstrakt wahr sein und sich im Nachweis ihrer Wirkung (Kraft) ihrer Abstraktion zeigen lassen (siehe auch Abstraktionskraft). Hierüber wird meist aber mehr oder weniger nur nach Gefühl geurteilt (siehe auch ästhetisches Urteil), wodurch man auch unversehens ihrer Wahrheit näher kommen kann. Denn Gefühle bilden sich in Stimmungen, worin Empfindungen aufeinander bezogen und ausgetauscht werden. Erkenntnisse unterstellen eine Wahrnehmung, die sich nicht täuschen lässt, die mit dem übereinstimmen, was sie wahrhaben. Das verlangt, dass die Gefühle hierin ihre Empfindungen verstehen und als Gedächtnis in ihren Erinnerungsnbildern bewahren können. Gefühle entstehen also in den gesellschaftlichen Gewohnheiten aus einer allgemeinen Übereinstimmung in den Verhältnissen einer Ansammlung von Stimmungen in der Beziehung von einzelnen Empfindungen in zwischenmenschlichen Verhältnissen (siehe Wahrnehmungsidentität). Alle Wahrnehmungen haben ihren Sinn in ihren Empfindungen, in denen sich ihre Gefühle aus dem entwickeln, was sie aus den Stimmungen ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen versammeln und erinnern, also das, was sie aus ihren zwischenmenschlichen Wahrnehmungen in ihrem Gedächtnis verinnerlichen. Jede Wahrnehmung besteht objektiv aus Empfindungen und subjektiv aus Gefühlen. Weil sich Gefühle aus Empfindungen bilden, weil sie also allgemeiner bestimmt sind als diese, können sie nicht mit ihnen identisch sein, kann die Wahrnehmung nicht unmittelbar mit sich identische Wahrnehmung, also nicht unmittelbar wahr sein. Sie erzeugt in der Abstraktion von ihrer Wahrheit ein notwendiges Bestreben nach einer Wahrnehmungsidentität, einen Willen, sich in ihrem Gegenstand im Ganzen zu erkennen, eine ganze Wahrnehmung für sich wahr zu machen, auch ohne dass ihre Empfindungen darin wahr sein können. Dieses Verlangen stellt einen ästhetischen Willen dar, der aus dem Jenseits der Gefühle die Wahrnehmung bestimmt, so dass sie ihre Gefühle in der Abwesenheit ihrer Empfindungen, im Nichts ihrer Empfindungen verdoppelt. Von daher spaltet sich die Wahrheit der Wahrnehmung in eine unmittelbar gegenständliche der Empfindung und eine unmittelbar persönliche als Form ihrer Selbstbezogenheit (siehe hierzu Teilung der Wahrnehmung). Ohne Begriff der Beziehungen und Gründe ihres gegenständlichen Daseines bleibt Wahrnehmung eine bloße Tautologie, die schlechte Unendlichkeit einer sinnlosen Wahrheit, eine unendliche Vertauschung von Empfindungen mit Gefühlen, unstete Wechselwirkung einer subjektiven Objektivität mit einer objektiven Subjektivität, die sich in einer abstrakten Identität erschöpfen. Darin bewegt sich lediglich der Glaube an ihre abstrakte Wirklichkeit, und diese wird hierdurch zu einer verselbständigten Abstraktion ihrer selbst, zum abstrakt Allgemeinen ihrer Suibstanzlosigkeit (siehe auch abstraktes Denken). Solche Methode der Erkenntnis betreibt lediglich eine Verdopplung ihrer Substanzlosigkeit, wie sie durch positivistische "Erklärungen" bestens veranschaulicht wird, weil sie darin letztlich nur ihre Selbstbezüglichkeit totalisiert (siehe auch hermeneutischer Zirkel), die letztlich durch ihre Angst um ihre Wahrheit in der Bodenlosigkeit ihrer Selbstwahrnehmung, durch ihre Lebensangst bewegt wird. Der Glaube taugt nur zur Moral. Und die kann nur in ihrem Recht von und durch sich, in Selbstgerechtigkeit aufgehen. Dieses aber verlangt im Streit um seine Wahrheit nach Wissen und kann nur über dessen Inhalte, über das Bewusstsein der Menschen als menschliches Bewusstsein überwunden werden. Ohne dieses haben schon die ursprünglichsten Philosophen, die Sophisten, zu ihrer Selbstbehauptung ihr Wissen nicht aus einander gesetzt und vereint, sondern es vor allem gegeneinander abgegrenzt. Die Wissenschaften entzweien sich seitdem immer wieder in dem, was sie für wahr halten, was als bewiesen gilt und was nur Tatsache für sie ist. Und gerne wird die Tatsache als bloßes Fakt selbst schon zum Beweis hergenommen, ihre "Empirie" als Erkenntnis verstanden (siehe hierzu Positivismus) und dementsprechend hiervon auch nur das hergenommen und ausgesucht, was sich hierfür nutzen lässt. So gilt die Wahrheit schon durch eine Wahrnehmungsidentität der Betrachtung, eben so, wie sie durch die Wahrnehmungsorgane und ihre Werkzeuge schon gegeben und gewiss sein soll. Damit besteht allerdings auch schon seit den ersten Begründungsversuchen für die Wahrheit einer Erkenntnis ein Streit um das richtige Organ, den richtigen Verstand und das richtige Wissen - um das Erkenntnisinteresse überhaupt. Und nur wenn die Menschen sich hierüber offensichtlich grundlos zerstreiten, erkennen sie überhaupt die Frage um das Wesen ihres Erknntnisinteresses, ihrer Wahrheit an. Aber gerade die kann nicht dort beantwortet werden, wo sie gestellt wird. Denn sie wird schon anders gestellt, wo die Verhältnisse anders sind. Wahrheit ist von daher immer schon Ausdruck unterschiedlich bestimmter Existenz und erscheint von daher erst mal dem Standpunkt einer bestimmten Existenzweise entnommen, einer Klasse von eigener Gewissheit (siehe auch Selbstgewissheit) und einem dem entsprechenden Klassenbewusstsein. So müssen z.B. Soldaten unter Kampfbedingungen unentwegt damit rechnen, dass ihr Leben schnell beendet ist, wenn sie nicht darum kämpfen. Entscheidend ist, dass nur der überlebt, der den Gegener vernichtet. Soldaten verlieren daher auch schnell die gewohnten Gewissheiten ihres Lebens, ihrer Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung. Sie müssen mit dem Tod leben können, schneller und mächtiger sein, als die Feinde, immer bereit zum Töten ohne konkretes Wissen um die Gründe ihrer lebensgefährlichen Konfrontation, dem Gegenübersein zu anderen Menschen, die sich von ihnen kaum unterscheiden. Und oft haben sie auch massive Schwierigkeiten mit dem, was danach kommt wenn es vorbei ist, was sie in Friedenszeiten mit ihrem Leben anfangen können sollen. Die Texte von Soziologen wie z.B. Jan Phillip Reemtsma, die Studien über die Wahrnehmungsprobleme ehemaliger Wehrmachtssoldaten nach dem 2. Weltkrieg angetrieben haben, belegen dass die Veränderungen der Wahrnehmungsidentität unter wesentlich veränderten Überlebensbedingungen zu einem wesentlichen Problem des ganzen Menschen werden kann. Was unter dem Begriff "posttraumatische Belastungsstörungen" bekannt geworden ist, beschreibt die oft noch umfassenderen, weil länger wirkenden Lebensvernichtungen im Überleben, die zerstörerischen Lebenshaltungen und Selbstwahrnehmungen, mit denen Psychologen und Psychiater auch in Friedenszeiten konfrontiert wurden. Aber die sind nichts Ungewöhnliches überhaupt. Es wird unter den Traumata wesentlicher Vernichtungserfahrungen lediglich besonders deutlich, dass Wahrnehmung kein selbständiger, unabhängiger Prozess der Erkenntnis ist, indem er schon unter außergewöhnlichen Bedingungen seine Herkunft und Gründe nicht leugnen kann. Den über alle Erfahrung erhabenen frei entscheidenden Menschen der Aufklärung gibt es offenbar nicht wirklich. "Die materialistische Lehre, daß die Menschen Produkte der Umstände und der Erziehung, veränderte Menschen also Produkte anderer Umstände und geänderter Erziehung sind, vergißt, daß die Umstände eben von den Menschen verändert werden und daß der Erzieher selbst erzogen werden muß. Sie kommt daher mit Notwendigkeit dahin, die Gesellschaft in zwei Teile zu sondern, von denen der eine über der Gesellschaft erhaben ist. (Z. B. bei Robert Owen.)" (3. Feuerbachthese, in MEW 3, Seite 5) Das wesenseigene Erkenntnisinteresse des bürgerlichen Subjekts hat keinen monokausalen "guten Kern", der von einer "schlechten Umwelt" bedroht, bedrängt und verkehrt wird (siehe hierzu auch den Verblendungszusammenhang bei Adorno). Und es ist auch nicht wesentlich der Wolf der anderen, wie es Hobbes beschreibt. Es ist immer zunächst ein Resultat seiner individuellen wie gesellschaftlichen Geschichte und ihrer Bedingtheit, aus der es sich nicht so einfach durch metaphysische Spitzfindigkeiten seiner Selbsterkenntnisse emanzipieren kann. Deutlich wird dabei aber, dass es schon durch die Umstände der Wahrnehmung, den Bedingungen der Selbstwahrnehmung selbst schon negative oder positive Bestrebungen gibt, die sie außerstande versetzen, auf eine allgemein vermittelbare gesellschaftliche Wahrheit zurückzukommen. Das bürgerlichen Subjekt ist und bleibt eben der Kleinbürger, der seinen Himmel auf Erden haben will, und der seine Tugenden gegen das Böse der Welt zu wenden sucht und für seinen Frieden jeden Krieg riskiert. Die Tugenden des Friedens sollen den kriegerischen Tugenden der Verderbnis, der Raubsucht, Gewalt und List auf ewig (siehe Religion) widerstehen (siehe hierzu auch heile Welt). „Nun sind sicher beide Sätze wahr: Der Mensch ist ein Gott für den Menschen, und: Der Mensch ist ein Wolf für den Menschen; jener, wenn man die Bürger untereinander, dieser, wenn man die Staaten untereinander vergleicht. Dort nähert man sich durch Gerechtigkeit, Liebe und alle Tugenden des Friedens der Ähnlichkeit mit Gott; hier müssen selbst die Guten bei der Verdorbenheit der Schlechten ihres Schutzes wegen die kriegerischen Tugenden, die Gewalt und die List, d. h. die Raubsucht der wilden Tiere, zu Hilfe nehmen.“ (Hobbes) So auch der Lebenstrieb, den S. Freud als grundlegenden Antrieb der menschlichen Psyche und der individuellen wie auch der allgemeinen Geschichte unterstellt hatte. Er musste angesichts der Eindrücke vor, in und nach den Weltkriegen seine Einsichten in die menschliche Psyche relativieren und mit einem Todestrieb konfrontiert verstehen, der nach seiner Auffassung in jedem einzelnen Menschen verwurzelt sei. Und damit geriet ihm alles, was an seiner anfänglich emanzipatorisch gemeinten Psychoanalyse und ihrer metaphysischen Grundlagen befreiend erschienen war, zu einer dionysischen Katastrophe, die sein Lustprinzip gnadenlos relativierte - bzw. "null und nichtig" machte. Die Menschen unterscheiden sich eben nicht nur durch ihre Herkunft, Klasse, Alter oder Geschlecht, sondern auch in dem, was für sie als wahr gilt, was sie zwischen Wahrheit und Täuschung unterscheiden. Immerhin entsteht durch alles, was ihre Wahrnehmung mit sich identisch werden lässt die entscheidende Substanz der Sinnbildung und des darauf gründenden Urteilskraft, den Verstandes, der Urteilskraft des Gefühls in einer Welt, in der die unmittelbare Gewissheit, die wahre Selbstgewissheit des Lebens unentwegt gebrochen wird. Die Empathie hierfür wird daher in einem wie selbstverständlich scheinenden Dasein (siehe auch Scheinwelt) zersetzt, welches die Empfindungen der Menschen nur abstrakt zusammenführt (siehe auch abstrakt menschlicher Sinn) und sie durch den Glauben an ihre Ewigkeit ersetzt. Darin wird es unmöglich ihnen dessen wahre Zusammenhänge zu eröffnen, die ihre Seelen aus den dumpfen Ahnungen ihrer naturgetrübten Gedankenwelt heraustreibt und zu einem menschlichen Bewusstsein emanzipiert. Denn nur dieses kann die gesellschaftliche Voraussetzung und der Inhalt eines menschliche Selbstbewusstseins sein. Und von da her hat dies strenge Folgen für jegliche "Informationsverarbeitung" in allen Lebensbereichen, den persönlichen, zwischenmenschlichen und politischen überhaupt. Alles, was ihre lebendige wahrnehmung (siehe auch tote Wahrnehmung) ausmacht, ist die Wahrheit ihrer Wahrnehmung für sich, das für wahr nehmen ihres Lebens und seiner Gründe in dieser Welt in ihrer Geschichte und Gegenwart. Was für die einen ein Glaube an das Glück auf Erden oder an einen Gott der Schöpfung oder an das Vaterland ihres Heils ist, mag für die anderen ein Glaube an die "Freiheit der Wissenschaft", an die Vernunft eines Weltgeistes oder an die Botschaften des Internets, der Werbung, den Weltuntergang usw. sein. Letztlich bestehen ihre Erkenntnisse daraus, was sich ihnen als Wahrheit für ihr Leben eröffnet hat, was für sie sich über dessen verschiedene Momente als das bewahrt hat, was für sie gültig geworden ist, was Geltung in ihrem Lebensbereich bekommen hat, die so allgemein wie auch einzeln stimmig ist und sich über ihre Stimmungen hinweg erheben kann. Eine Wahrnehmungsidentität ist von da her die Wahrheit einer Wahrnehmung, wie sie sich im Lebenszusammenhang der Menschen bewährt und bewahrt und sich darin durch die Umstände ihrer gesellschaftlichen oder zwischenmenschlichen Beziehungen erschlossen hat oder auch verschlossen bleibt. Es ist, was sich als Ganzes auch in einer gebrochenen Wahrnehmung erwiesen hat, auch für das gilt, das nicht wahrnehmbar ist. Allerdings ist die Wahrheit der Wahrnehmung davon abhängig, was sie aus ihrer sinnlichen Gewissheit auf das beziehen kann, was nicht da ist, was nicht als das da ist, als was es erscheint (siehe auch Dasein). Durch die Abwesenheit ihrer Lebenszusammenhänge entsteht sonst für die Menschen ein Zustand der Wahrnehmung, an dem sie zweifeln oder auch verzweifeln müssen, weil sie an etwas leiden das sie nicht leiden können, weil es in ihren Selbstwahrnehmungen keinen Platz hat, keinen Raum gewinnen kann, weil es keinen Körper für sich hat, und durch sich, durch die Form seiner Existenz isoliert ist und gegen ihre entleerte Selbstgewissheit auf sich verworfen wurde und mit der Auflösung ihrer symbiotischen Selbstbehauptung ihre gewohnte (siehe auch Wohnen) Identität, ihre Wahrheit für sich und durch sich verloren hat. Ihre Selbstbeziehung hat hierdurch einen wesentlichen Selbstverlust erlitten. Sie fühlen fortan, was sie nicht wirklich empfinden können (siehe auch Unbewusstes). Es ist hierdurch ein Verhältnis der Selbstwahrnehmung entstanden, worin sich Wahrheit nicht nehmen lässt, in sich oder durch sich keinen Widerspruch mehr erfahren kann und auch nicht mehr erfahren muss. Die Eindrücke, die auf einen Menschen einwirken, der diese Verhältnisse nicht mehr gegenständlich auszudrücken in der Lage ist, lassen sich auch nicht mehr erkennen und können sich also auch nicht mehr leiden. Weil die psychologische Diagnostik meist individualpsychologisch denkt, wird ihr dann auch noch ein "abweichendes Verhalten", eine Falschheit in seinem Verhalten zugewiesen, das in seinem "Krankheitssymptom" auftritt und als solches zu beheben wäre. Es treibt sich darin ein Gefühl aus sich heraus und verselbständigt darin enthaltene Empfindungen in einer "schlechte Unendlichkeit", einen subjektiven Zirkel. Die Wahrnehmung erscheint durch sich selbst beherrscht, bedrängt (siehe Angst) und bestimmt in ihrer Selbstentfremdung. Das wird dann meist als "psychische Krankheit" bezeichnet. In einem Wahrnehmungszustand ist für die Wahrnehmung keine Wahrheit möglich, keine Gewissheit über das, was sie wahrnimmt. Ihre Empfindung wird durch die Kraft eines Gefühls formbestimmt und hierdurch wird das entsprechende Gefühl zu einer unendlich gewordene Empfindung, zu einem Zustand, worin das Gefühl durch sich selbst bestimmt erscheint, in welchem sich also Gefühle einfinden, die erst dann erkennbar werden, wenn man ihre Umkehrung zu denken versteht. Daran erweist sich schließlich, dass in einem Wahrnehmungszustand die Wahrnehmung selbst eine Verkehrung darstellt, eine abstrakte Allgemeinheit in ihrer besonderen Form veräußert und hierdurch unendlich bestimmt wird. So erweist sich z.B. der Angstzustand einer Platzangst erst dann erkennbar, wenn man ihn von seiner gegenständlichen Beziehung her umkehrt, nicht auf Platz sondern auf unendlichen Platzbedarf bezieht, der dadurch entsteht, dass man Angst hat, zu platzen, dass man also aus seiner Lebenssituation heraus so aufgestaut ist, dass jede gefühlte Einengung zum ausschließlichen Lebensproblem in der Wahrnehmung wird. Ähnlich verhält es sich bei allen Ängsten: Z.B. Angst vor öffenlichen Plätzen aus einem durch Vereinsamung unendlich gewordenen Bedürfnis der Selbveröffentlichung; Höhenangst aus einem durch absolute Bindung unendlich gewordenen Bedürfnis nach Bodenflucht usw. Auch in den Gefühlen selbst kann ihre Beziehung zu einander zu einer ausschließlichen Negation, zu einer Paralyse des Gefühlslebens führen, wenn sich ihre einfachen Entgegensetzungen nicht wirklich leben lassen (siehe z.B. Depression). Selbst in dem gegen Nichtigkeit und Vernichtung gerichteten reflexhaften Zwangsverhalten ist die Umkehrung der Wahrnehmungsidentität noch erkennbar. Erst in der Sucht erscheint die Selbstaufhebung vollkommen und diese nicht mehr als Wahrnehmungszustand, sondern als wirklich anderer Zustand des Wahrnehmens, als Zustand des Andersseins. In jedem Wahrnehmungszustand ist die Wahrnehmung umgekippt in ein bestimmungsloses, also unendlich aufgehobenes Gefühl (Bestimmung) ohnmächtiger Wahrheit. Er setzt also eine Machtfrage voraus, welche die Gewohnheiten eines Verhältnisses der Erkenntnis entzogen haben, z.B. durch einfache Überlastung oder durch systematische Beherrschung mit einer mächtigen Identifizierung in einem eingebürgerten Lebensraum (siehe auch Lebensburg). Ein Wahrnehmungszustand entsteht also meist nicht durch einen bestimmten Anlass; oft ist es die reine Anwesenheit eines unbegründeten Gefühls, eines grundlosen, also unendlichen Gefühls, das Lebensangst macht und das die Selbstwahrnehmung nicht erträgt, weil es ihre Identität streitig macht. Die Empfindungen werden durch solche abstrakten Gefühle, die sich aus ihren Umständen ergeben, schlagartig zu einer Fremdidentität, die sie vollständig beherrschen. Dies gründet auf einer die Wahrnehmung beherrschende Konfliktlage der Empfindungen und Gefühle, die sich in einer Selbstwahrnemung aufgehoben hatte, weil sich ihre seelischen Grundlagen und Absichten ausgeschlossen haben. Dies setzt Konflikte von Menschen voraus, die sich in ihrem Lebensraum ihre Wahrheit betritten haben oder noch bestreiten, indem sie sich in der Form ihrer Gefühle Wahrheit nehmen (Formbestimmung) und sich darin entleiben. Die entwirklichte Wahrheit tritt als fremde Kraft in einem Menschen in Erscheinung, die seine Wahrnehmung in der selben Weise beherrscht, wie sie den Lebensraum bestimmt hat (z.B. als Eltern-Kind-Beziehung in der Familie). Der eigentliche Grund für den Wahrnehmungszustand ist die durch diese seelische Kraft permanent ausgeschlossene Bildung eines bestimmten Erkenntnisvermögens. Durch die Formbestimmung des Verhältnisses bleiben die Inhalte der Erkenntnis dem betroffenen Menschen und seinem Gedächtnis unzugänglich, weil sie in den Gewohnheiten dieses Lebensraums ausgeschlossen bleiben müssen, um ihn zu bewahren - solange, bis er sich hierdurch zerstört oder verlassen wird. Ein Wahrnehmungszustand gründet also auf einen Selbstverlust, der in einer Entwicklung stattgefunden hat, die zugleich ein Gewinn für die Lebensform und Selbstgewinn der darin Bestimmenden war. Zwei Momente der Selbstwahrnehmung wirken darin zugleich: Eine seelische Absicht, welche die Selbstwahrnehmung bedrängt (z.B. Gewohnheiten ursprünglicher Lebensräume und des dort entwickelten Sinns für sich - Familiensinn, elterliche Implikationen für die Selbstwahrnehmung wie z.B. abstrakte Selbstbedrohung, welche die Verarbeitung von Wahrnehmungen bestimmt) und eine Fremdbestimmung (Form), welche die Selbstwahrnehmung abweist (z.B. Urteile, Vorurteile, abgewiesene Selbstbestätigung). Hierdurch wird seelische Absicht Form für sich in der gesellschaftlichen Negation. Ein Mensch erfährt dann also seine Wahrnehmung als seine eigene Form. Er empfindet sich, wo er sein Leben nach seinen Gefühlen gestaltet - und kann genau dies nicht ertragen. Die Seele ist in der Klemme und hat Angst. In Angstverhältnissen erdrückt sie sich (Depression), wo sie sich dem entgegenstellt und als Überlebensmacht begründet. In depressiven Verhältnissen flieht sie ihren Sinn (Sucht), um sich gegen ihre Wirkungen zu setzen. Und in süchtigen Verhältnissen bezwingt sie ihren Selbstverlust (Zwang). Unter zwanghaften Bedingungen kann sie nur als selbständige Seele, als rein fühlendes Selbstgefühl im Wahnsinn hervortreten. So wie die Seele als Absicht der Wahrnehmung zwischen menschliche Beziehungen tritt, nehmen sich die Menschen in der Wahrnehmung ihre Wahrheit (Identität): Als Selbstauflösung (Angst, Depression, Sucht) oder Selbstbehauptung (Zwang) oder Selbstzbezwingung (Verfolgungsangst, Wahnsinn). Es entstehen hierdurch Verrücktheiten, die solange anhalten, wie die Lebensverhältnisse seelische Kräfte abverlangen und als objektive Macht vermittels subjektiver Bedrängung (als objektive Gefühle) wirksam sind. Objektive Macht ist prinzipiell unpersönlich und unerreichbar und verschafft dem Vorteile, der sie zu nutzen versteht. Solange solche Macht bestritten wird, besteht ein Streit um die Macht, besteht also ein Interesse an Macht, ein Interesse an der Machterhaltung durch Besitzwechsel. Erst durch die Erkenntnis ihrer Objektivität kann Macht wirklich aufgehoben und die verschlossene Erkenntnis frei für ihre Wahrnehmungstätigkeit werden. | ![]() |