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Rubrik Zwischenmenschl.: Über das Töten auf offener Bühne

von Martin Altmeyer

Erschienen: TAZ 2.5.2002
Ja, die Polizei hat Gewalt-Computerspiele in seinem Zimmer gefunden. Ja, er war ein Fan von Heavy-Metal-Musik und Actionfilmen. Ja, er war Mitglied in einem Schützenverein. Doch das allein unterscheidet Robert Steinhäuser, der am vergangenen Freitag im Erfurter Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen erschossen hat, nicht unbedingt von anderen Jugendlichen.
Wer war Robert Steinhäuser? Ein Schüler, ein Handballer, ein Sportschütze. Ein Mörder. Viele Menschen in Erfurt haben ihn gekannt. Doch niemand wusste, was er in den Monaten vor seinem Amoklauf gemacht hat. Er hatte sich aus allen sozialen Bindungen herausgezogen. Eine Annäherung an die komplexen Eindrücke von einem Menschen, der einen mörderischen Amoklauf durch die Kultur der Jugend und die Bildungsmacht Schule mit allen Konsequenzen der Selbstzerstörung durchgezogen hat, versucht Barbara Bollwahn in der TAZ (Fremd in der eigenen Welt).
In derselben TAZ schreibt Martin Altmeyer über die kulturellen Beweggründe, über das Töten als Bühnenereignis, das besonders augenfällig zeigt, wie groß die Schluchten zwischen den allgemeinen Bildungserfordernissen, dem Selbsterleben und der Familie sind. Was bleibt, ist die Bühne einer Tat, die Macht und Ohnmacht in einem einzigen mörderischen Akt nicht für sich, nicht in irgendeinem Nutzen, sondern als Inszenierung zeigt und zeigen soll. Bei den Schul-Amokläufen der jüngeren Geschichte geht es den Tätern ganz offensichtlich darum, gesehen zu werden: Videor ergo sum. Die übliche Ursachenforschung ist bei diesem Tatmuster an ihre Grenze geraten. Erhellend ist die Frage nach den Wirkungen, auf die der Täter mit der Tat abzielt.

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