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Rubrik Psychologie: Ein Heiland der herrschenden Ordnung

von W. Pfreundschuh

Erschienen: 2004
Bert Hellinger ist vielleicht mit seiner öffentlichen Hitlerversöhnung 'zu weit gegangen', wie es einige seiner abtrünnig werdenden Anhänger sehen. Vielleicht war es eine 'Dummheit', 'Liebe' für eine Geschichtsfigur des 'Bösen' zu verlangen, die als Mensch gewürdigt werden müsse, eben weil sie in uns allen stecken würde, weil wir alle 'von gleicher Ursache' seien und wir umgekehrt uns auch wie Hitler verhalten würden, wenn wir ihn als Unmenschen ansehen.
Aber es war konsequent, logische Folge seines Lebensverständnisses und seiner Wirkung auf Menschen, die in seinen Betriebs- oder Familienaufstellungen die Versöhnung mit ihrer 'Lebens- und Liebesordnung' erfahren. Und es war von ihm auch genauso konsequent, eine 'Würdigung' Hitlers von 'den Juden' zu verlangen, die von Hitler und seinem System massenweise verfolgt, gedemütigt, gefoltert und mit industrieller Funktionalität geschlachtet worden waren und auch noch heute für alles herhalten müssen, was an Bosheit auf sie projiziert wird, um die Güte der eigenen Nation oder Selbstbefindlichkeit zu sichern und außer Frage zu stellen. Es ist die Konsequenz eines bodenlosen Zynismus gegen jede gesellschaftliche Wirklichkeit und Wirkung.
Die Menschen geraten darin zu Seelchen einer großen Seele, mit der sich Hellinger als Philosoph des Weltgeistes drapiert. Und bezogen auf den Zeitgeist liegt er damit nicht mal so falsch. Unsere Kultur folgt mehr oder weniger deutlich, dafür aber sehr allgemein, dem Bedürfnis nach einer Gemeinschaftsseele, welche zur Unterlegung einer Wirkmächtigkeit der modernen 'flexiblen Persönlichkeit' (Sennett, Richard: 'Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus') Verwendung findet. Diese erreicht darin ihre Identität, dass sie sich dem 'Schicksal' ihrer Lebensbedingung in 'Demut' ergibt, um hierfür in esoterischen Selbstgefühlen gegen diese Existenz sich aufzurichten und zu überheben, indem sie sich gegen die Schwachheiten der Welt als wesentlicher Mensch mit einer Allgemeinseele, als Allgemeinmensch behauptet.
Von da her kommt der massenhafte Erfolg Hellingers nicht von ungefähr. Er ist zum einen das Resultat der Resignation einer absurden Verständigkeit gegenüber den Entwicklungen in der Welt ('Da kann man nichts dran ändern'), zum anderen der Bedarf an Durchsetzungsvermögen durch eine seelische Identität (Hellinger: 'Kraft der Versöhnung'), welche psychologische Handlungsfähigkeiten erwerben will, um sich gegen Konkurrenten durchzusetzen (Methode Hellinger: 'Es ist gut, dass du so böse bist!'). Besonders die Berufstätigen in Heilberufen und in sozialer Arbeit treibt es in die Aufstellungs-Shows, durch die sie sich auch besondere Befähigung für ihren Job versprechen. An vielen Hochschulen und Fachhochschulen wird seine Lebensbewältigungstechnik bereits als Teil der Ausbildung geboten. Aber die Anwendungen von Hellingers Erfolgsprinzipien werden sich auch noch weiter ausbreiten, als es Hellinger selbst vermag, denn Psychotechnik ist aus vielerlei Gründen gefragt. Von daher ist er auch nur ein Beispiel in der Entwicklung einer Psychokratie, die George Orwells 'Großem Bruder' in nichts nachstehen wird.

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