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Rubrik Politik: Die verhütete Gesellschaft

von W. Pfreundschuh

Erschienen: 11.02.2011
Niemand hatte es für möglich gehalten, dass die Verhältnisse im Norden Afrikas sich so schnell aufbrechen lassen, wie es im Augenblick möglich erscheint. Egal was daraus entstehen wird: Die Aufstände in den nordafrikanischen Ländern Tunesien, Ägypten, Algerien und Marokko und den vorderasiatischen Ländern Jemen, Jordanien und Syrien und teilweise auch in Saudi-Arabien gegen Armut, Verteuerung der Grundnahrungsmittel, korrupte Eliten und politischer Verfolgung und Folter hatten schlagartig die Verhältnisse in Frage gestellt, die man durch ihren Glauben verfestigt angesehen hatte. Ägypten hat wie auch Tunesien den Islam als Staatsreligion. 90 - 98% der Bevölkerung bekennt sich zum sunnitischen Islam. Das islamische Recht, die Scharia, ist die Hauptquelle der Gesetzgebung in Ägypten. Wie auch in Tunesien sind dort Leichtindustrie, Tourismus und Landwirtschaft die bedeutenden und bescheidenen Wirtschaftsfaktoren. 34% der Ägypter sind unter 21 Jahren, die Tunesier sind im Durchschnitt 28,3 Jahre alt. Jeder Dritte kann weder lesen noch schreiben. Man war gewohnt, von den Ländern des Islams zu erwarten, dass sie sich nicht zu einer Demokratie entwickeln können, weil Demokratie irgendwie dem Christentum zugeordnet war. Wie verhält sich das nun, dass hier die Menschen auf die Straße gehen und für ihr Recht und ihre Demokratie eintreten und sich hierüber auch noch bei ihren Freitagsgebeten besprechen? Ändert sich hier das Verhältnis von Religion und Politik ganz grundlegend oder war es vielleicht schon immer anders, als man es sich angewöhnen sollte? Vor was hütet sich die europäische Politik und was will sie verhüten?

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