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Rubrik Philosophie: Gebrochene Negativität

von Norbert Trenkle

Erschienen: 15.10.2002
Norbert Trenkle setzt sich in seinem Text Gebrochene Negativität mit der Aufklärungskritik von Horkheimer und vor allem von Adorno - auseinander. Er zeigt, dass diese Kritik trotz ihrer fraglosen Radikalität sich letztlich selbst zurücknehmen muss, weil sie bestimmte Basisannahmen der Aufklärung - teilt und nicht in Frage stellt. Das Grundproblem besteht darin, dass Horkheimer und Adorno mit einem historisch unspezifischen Begriff von Vernunft operieren. Die neuzeitliche Vernunft erscheint als logischer Kulminationspunkt einer Entwicklung, die im Grunde schon mit der Menschwerdung überhaupt, mit der Ablösung des Menschen von der Natur, beginnt. Der qualitative Bruch, den die Aufklärungsvernunft mit ihrem strikten Formalismus und ihrer Subjekt-Objekt-Spaltung gegenüber dem Denken früherer historischer Epochen darstellt und der sie als spezifisch historische, an die Warengesellschaft gebundene Denkform ausweist, gerät darüber in Vergessenheit. In dieser Hinsicht stehen Horkheimer und Adorno mit beiden Füßen auf dem Boden der Aufklärung, die sich bekanntlich ja zum Höhepunkt einer epochenübergreifenden, universellen Entwicklung menschlicher Reflexion mystifiziert hat, um sich damit zugleich der Kritik zu entheben. Spiegelverkehrt pessimistisch reproduzieren die beiden Autoren diese Mystifizierung und kommen daher auch nicht umhin, die bürgerliche Gesellschaft als historisch notwendigen Fortschritt auf dem Weg einer möglichen menschlichen Emanzipation zu verklären. Auch wenn diese Möglichkeit vertan wurde, vermeinen sie doch, in der Aufklärungsvernunft zumindest noch ein 'Residuum von Freiheit' zu entdecken, das Anlass zur Hoffnung gibt. Die Kritik am herrschaftlichen Charakter insbesondere des Kantschen Denkens muss daher ständig zurückgenommen werden – notfalls auch gegen Sinn und Wortlaut des Textes. Dagegen hält Trenkle, dass die 'Begierde der Rettung' nicht in der Aufklärung, sondern trotz ihr fortlebt. Dass es der Aufklärung entgegen aller Anstrengung nicht gelingt, den Gedanken an Befreiung von Herrschaft auszulöschen, ist ihr nicht als Verdienst anzurechnen, sondern verweist nur darauf, dass sie an ihrem eigenen totalitären Anspruch scheitert. Insofern gibt es nichts zu Ende zu bringen, was die bürgerliche Gesellschaft verraten oder verdrängt hätte.

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