Wolfram Pfreundschuh (9.5.2014)

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Zur politischen Kultur des Feudalkapitalismus
1. Teil: "Work Easy - Play Hard"

Treffender hätte der Kulturwandel, den die Globalisierung des Kapitals mit sich gebracht hatte, nicht beschrieben werden können, als mit dem Werbespot von Microsoft: "Work Easy - Play Hard!". Arbeit ist eben "easy" geworden, wenn man einen Job hat und kein "Looser" ist. Man kann ihn immer öfter mit einer Technologie bedienen, die auch in den eigenen vier Wänden funktioniert und eine höchst komfortable Produktion ermöglicht, die bereits zu einem mächtigen Anteil durch Funktionsalgorithmen automatisiert ist. Wer einen solchen Job hat, kann auch zu Hause bleiben, Familie und Freizeit und Arbeit miteinander verbinden. It's easy. Aber es ist ein Glücksspiel, an einen solchen Job zu kommen. Und dieses Glück kommt nicht von ungefähr: Es resultiert aus dem Glück der Glücksspieler in den Casinos des Kapitals, aus den Wetten über Marktentwicklungen, die gerade gewonnen wurden, weil sie für andere verloren waren. Auf dem Parkett an den Börsen wird es entschieden. Wo noch Mehrwert zu erwarten ist, steigt der Kurs. Wer richtig setzt, gewinnt. Und er kann dabei glauben, dass es seine persönliche Fähigkeit ist, die ihm dieses Recht verschafft hat. Aber Winner ist gerade, wer nicht am Verlieren ist, wer also diesmal kein Looser ist. Das Spiel um dieses Glück ist allerdings ein hartes Spiel. Da gibt es eben nur Verlierer oder Gewinner - das ist die binäre Logik dieser neuen Welt. Binär, das heißt: Alles oder Nichts. Und das wird immer stringenter, teilt die Existenzen auf und die Kluft zwischen ihnen, vor allem die Kluft zwischen Armut und Reichtum, - weltweit, im eigenen Land und außer Landes. Im Rampenlicht stehen die Winner; die Looser fallen einfach nur heraus. Wer keine Arbeit findet, dessen Spiel ist aus. Wer auf einer Glückssträhne schwelgt, weil sich sein Leben gerade mal gut zusammenstellen lässt, Arbeit und zwischenmenschliche Kultur zusammenkommen, der wird es als die besondere Befähigung seiner Persönlichkeit wahrnehmen und sich wie ein guter Sportler im Wettkampf der Leidenschaften und Eitelkeiten verstehen. Doch der Wechsel zwischen solchem Glück und Unglück ist objektiv bestimmt und das wechselt schnell, weil die großen Entscheidungen eben auch auf den großen Märkten, besonders auf den Finanzmärkten fallen, wo Glück und Unglück nur noch aus Prognosen über den Wirtschaftsverlauf gewonnen werden. Und das kann schon in Sekundenbruchteilen entschieden sein.

Die Globalisierung des Kapitals ↓(1) hat die Spekulation allmächtig gemacht und die Realität in die einzelnen Lebensräume abgedrängt, in die Nationalstaaten, die Länder und Kommunen und in die Privathaushalte, die letztlich das ganze Leben erhalten müssen, die Verwüstungen der Willkürlichkeiten auszubaden haben und durch ihre Beiträge die Wertvernichtungen durch Spielsucht ausgleichen müssen. Daran hat sich alles auszurichten ↓(2). Es ist eine Welt der Glaubenssätzen und Lobpreisungen entstanden, der Lebensängste und Glücksillusionen, der Verheißungen, um die man Wetten abschließt, auch wenn leicht abzusehen ist, dass man mit der Wette im Großen und Ganzen nichts anderes erzeugt als Schulden. Es ist das Hütchenspiel der Wetten, die gar keine sind, weil schon der verloren hat, der an einen Gewinn glaubt, denn er kann nur gewinnen, was ihm früher oder später wieder verlustig gehen wird, weil es als Ganzes eine Fiktion ist. Gewinner ist letztlich immer der Glaube an das Geld, das nur Wert hat, wenn es verwendet, dem Finanzmarkt rechtzeitig entwendet wird. Wo Geld durch Wetten je nach Konjunktur nur mal dahin und dann dorthin ohne Anwendung bewegt wird, verliert es mit der Zeit im Verweilen in diesem Casino insgesamt den Wert, mit dem es dort eingebracht wurde. Was als Finanzmacht des Kapitals erscheint ist im Grunde nur mehr der Kreislauf einer Entwertung der wirklichen Lebensverhältnisse, die den Wert erzeugen müssen, der nicht mehr in sie zurückkommen kann, weil die Arbeit dort vor allem nur noch dem Werterhalt des Geldes dient.

Der Neoliberalismus formuliert die Mythologie der Verheißungen eines Wertwachstums durch Geldaufhäufung, so als ob Geld mehr Geld erzeugen könne, als ob die Spekulation mit Geld selbst den Gewinn einbringe und nicht das Leben der Menschen, die dafür zu arbeiten haben. Er will die Spekulation legitimieren, zur Normalität machen, um die Ressourcen des Lebens zu vernutzen, die mit dem Wertverlust des Geldes verbraucht werden. Der Neoliberalismus ist die Ideologie, die Glaubenslehre, die Idee, wie man darin eine gute Entwicklung sehen könnte, indem man sie idealisiert, darin einen höheren Sinn behauptet, eine Selbstbefruchtung des Geldes vortäuscht, die durch die "unsichtbare Hand" der Märkte jedem zugute kommen könne, der Geld hat. Aber real ist das Gegenteil. Es ist der Handel mit Prognosen, die als Pflichtschuldigkeit auf die Märkte gelangen, wo wirkliche Waren gehandelt werden, die Preise ohne Wert erzeugen, weil der Wert erst durch Arbeit beigebracht werden muss, weil er nur in eine Zukunft spekuliert ist, wie sie für den Spieler sein soll, für sein Geld, seine "Geldschöpfung" sein muss, um nicht als Geldschuld zu verbleiben, um das Geld nicht auch wirklich zu entwerten. Die Spekulation auf eine Zukunft ohne Gegenwart ist ein ganz reales Geschäft mit Spielschulden. Und das wissen sie auch, die Spieler. No risk, no fun! Das sind ihre Sprüche. Und das meinen sie auch so. Aber es ist nicht ihr Risiko, es sind nicht ihre Schulden, - es ist ihr Spiel, ihr Spaß, ihr Lebenselexier, für das die am Ende die haften, die das Geld in Wert halten müssen, die Nationalstaaten.

Wie alles, mit dem sich Geld machen lässt, ist auch das Schuldgeld aus dem Leben gegriffen, aus den Mängeln, die sich im praktischen Leben zeitigen, aus der Ödnis, die Geld in den wirklichen Lebensverhältnissen hinterlässt, wenn daraus Mehrwert gezogen wird, der sich nicht mehr für die Menschen wirklich vergegenständlichen kann. Es ist immer noch der Kapitalismus, wie er die Geschichte schon lange bestimmt. Aber es ist ein Kapitalismus, in welchem die Mehrwertproduktion gegen die Verschuldung, gegen eine Negativverwertung konkurrieren muss, einer Wertproduktion, die nur auf Schuldenausgleich zielt. Nichts hat darin wirklich Sinn, nichts kann dabei wirklich für die Menschen entstehen, nichts hat wirkliche Geschichte. Es ist lediglich der Geldumlauf, der damit unterhalten wird. Und nirgendwo wird deshalb mehr Geld gemacht, als durch Unterhaltung, Spiele und Communities und Werbung. Und wer sich im Spiel zu hohen Punkten befähigt, punktet auch überall in einer Kultur, in der das bloße Quantum zu einer Eigenschaft fast aller Verhältnisse geworden ist.

Es ist absurd: Was den Menschen nutzen könnte, hat sich zu ihrem Schaden entwickelt. Die steigende Produktivität hat die Arbeit der Menschen immer wertloser gemacht und ihre Abhängigkeit von ihrem Lebensunterhalt totalisiert. Die Angst und Sorge um den Arbeitsplatz bestimmt die Arbeitsverhältnisse mehr als alles andere und beschränkt jede Auseinandersetzung um die Anteile an der Produktion und ihrer geschichtlichen und gesellschaftlichen Inhalte. Gegen die spielerische Verfügung über ihr Leben kommen sie nicht an, weil selbst die Vernichtung ihrer Arbeitsstätten die Gewinner bereichert. Die klassische Ökonomie der bürgerlichen Gesellschaft hat sich in einen Feudalkapitalismus hinein entwickeln, einem Kapitalismus, der auf einer Schuldverpflichtung beruht, die nicht auf einem realen Vorschuss, sondern auf dem Glauben an eine allgemeine Verpflichtung "gegenüber Volk und Staat", auf Fiktionen gründet (siehe fiktives Kapital). Das Resultat der Globalisierung des Kapitals war nicht, dass die Staatsgewalt "dereguliert", sondern dass der Staat in den Dienst eines Weltmarkts gestellt wurde, der seine eigenen Regeln hat und vor allem auf einem weltweiten Kreditsystem beruht, das Schulden durch Spekulationen erzeugt, Spekulation auf Währungen und Kapitalvermarktung, durch welche die Staaten gezwungen sind, diesem System frisches Geld aus Steuermittel zuzuführen, wo die Spekulation verfehlt. Und das geschieht inzwischen systematisch, weil es auf Dauer nicht mehr gelingen kann, die Schuldenbilanz, die Negativbilanzen der Staaten durch eine reale, hoch automatisierte Arbeit zu tilgen, ihren Negativwert auszugleichen. Wert wird noch aus der Armut gezogen, aus der Arbeit von Menschen, die ihre Arbeit unter dem Weltniveau verrichten müssen, die durch Zuschüsse und Kredite abhängig gemacht werden von einem Weltmarkt, der ihre Arbeit unter Billiglohn eintreiben kann und hierdurch alle Löhne bestimmt. Die Staatsverschuldung ist zum Prinzip der Finanzwirtschaft geworden, weil sie die Abhängigkeiten von der Produktivität nationaler Arbeitsstätten geldwertig umverteilt zwischen den armen und den reichen Ländern, den reichen Geldwert einbringt, den die armen verlieren. Jeder Staatsbürger ist von daher von Geburt an ein Bürge für das Währungs- und Finanzsystem "seines" Staates oder der zugehörigen Staatengemeinschaft. Er ist qua Geburt ein Lehensempfänger aus höherer Gewalt (siehe Feudalismus), der pflichtschuldig für eine Schuld zu arbeiten und zu leben hat, die er selbst nicht verursacht hatte.

Doch er soll es dafür dem Staat danken, dass seine Arbeit leichter geworden ist, wo die Technologie Fortschritte machen kann, sein Land zumindest geldwertig bereichert. Klar, IT-Technologie ist wie Spielen: leichte Arbeit mit Eventcharakter, Dienstleistung ohne Hardware, ohne nennenswerten Aufwand an Kraft und Bildung. Und man kann damit alles machen, nicht nur Verwalten und Organisieren, auch wirklich Hartes im Business oder vom 3D-Drucker oder im Drohneneinsatz in fernen Kriegsregionen. Man muss nur an den Job kommen, an die Hebel, an die Tasten. Es kann dem jungen Menschen daher nur um eines gehen, um einen flotten Start in den unerbittlichen Kampf um einen guten Arbeitsplatz, der für immer weniger Menschen zur Verfügung steht. Wer ihn erreicht, hat leichte Arbeit und viele Erfolgschancen. Doch die meisten fallen beim Wettlauf um diesen Platz hinten runter. Ihnen bleiben die Routinearbeiten, die man nur macht, um existieren zu können.

Lebensziel: Abschlussnote 1,5

Mit seiner Werbung hat Microsoft tatsächlich den Nagel auf den Kopf getroffen: Das Leben ist hart. Drum nimm es als Spiel. Deine Perspektive ist simpel: "Work easy" - if you can. "Play hard" - It is Yours. Und das heißt schlicht: Du hast eigentlich kaum eine Chance, drum nutze sie. Lerne Kämpfen, weil es ein Spiel ist, ein Spiel mit Dir, an dem Du nur beteiligt wirst, wenn Du Dich hoch kämpfst. Kämpfe hart um jeden Preis. Kämpfe, auch wenn Du nicht genau wissen kannst, wofür und wozu. Dein Leben ist wie ein Kampfsport, der Dich irgendwie tüchtig machen soll, der Dich für eine Zukunft ertüchtigt, von der man sich eigentlich nichts Gutes mehr vorstellen kann, aus der sich aber schon irgendwie immer was machen lassen muss. Es ist Deine Zukunft und es geht deshalb doch eigentlich nur um eins: Um Deinen Job. Hast Du einen schlechten, so hast Du schlechte Bedingungen, schlechte Verbindungen, eine schlechte Zukunft. Hast Du eine gute Arbeit so hast du zumindest auch die Vorstellung von einer guten Zukunft und machst damit vielleicht irgendwann einmal viel Geld, wenn du die irgendwie verkaufen kannst. Und Du kannst es, wenn Du den Job bekommst, wenn Du die Nummer eins auf dem Arbeitsmarkt bist.

Der Arbeitsmarkt sollte Arbeitskraft anbieten und ihre Nachfrage befriedigen. Diese klassische Funktion hat sich mit der Entwicklung des Feudalkapitalismus allerdings stark reduziert. Bei einer Preisbildung - wie sie auf einem Markt üblich ist - sind Angebote genauso unterstellt, wie ihre Nachfrage. Die gängige Theorie der Volkswirtschaft, die Grenznutzentheorie, geht von einer vergleichbare Menge von beidem aus, wodurch ein Ausgleich von Käufer und Verkäufer entstehen würde, eine Einigkeit im Preis zwischen Bedarf und Produkt. Doch das ist nur die Romanze der Marktwirtschaft. In Wirklichkeit zählt das Mengenverhältnis der Produktion, der Arbeitswert, der blindlings und anarchisch im Durchschnitt der Angebote und Nachfragen als Preis für die aufgewendete Zeit zur Herstellung der Waren realisiert. Das gilt für den Wert der Arbeitskraft, für die Herstellung und Reproduktion ihres Lebensstandards, als auch den Wert der Produkte. Zwar wird Arbeitskraft nach wie vor wie eine Ware gehandelt, aber ihr Wert relativiert sich am Weltdurchschnitt ihrer Produktivität und ist von daher international bestimmt, wohingegen der Lohn sich am nationalen Lebensstandard ausrichtet und die Konkurrenz der sich anbietenden Arbeitsleute in dem Maß verschärft, wie die nationale Wertlage sich mindert. Auf den Arbeitsmärkten geht es inzwischen weniger um den Lohn, als um den Arbeitsplatz selbst, vorwiegend um Arbeit haben oder nicht haben überhaupt, um eine Scheidung zwischen allem und nichts, um eine Existenz im Diesseits der Gesellschaft oder im Jenseits, um Himmel oder Hölle. Indem Arbeit als Trophäe erscheint, hat sie einen eigenartigen Glanz bekommen, besonders für die Generationen, für welche die Zukunft auf den Märkten immer ungewisser ist, weil die Darstellung von Wert dort zunehmend unsicherer sein wird.

Das wissen die bereits heute schon. In einem Artikel der Süddeutsche Zeitung wird über eine neue Marktexpansion berichtet, über den Markt des privaten Nachhilfeunterrichts.

"Nur eine Minderheit [der Nachhilfeschüler] bräuchte die Unterstützung tatsächlich, viele wollen ihren Schnitt nur veredeln oder ihre sehr guten Noten halten. Talia Örs aus Planegg etwa hat sich für den zweiwöchigen Kurs in Waldkraiburg, 65 Kilometer östlich von München, angemeldet. Die 18-Jährige steht zwischen 1,8 und 1,9. "Meine Hoffnung ist, mich noch auf 1,5 zu verbessern", sagt sie. ... Das Lernen in der Gruppe gebe ihr die nötige Sicherheit, nehme ihr die Angst vorm Abi - eine Angst, die sie bei ihren Noten nicht haben müsste." (Süddeutsche Zeitung vom 22. April 2014)

Der Numerus Clausus ist weit entfernt davon, eine Aussage darüber zu sein, wie gut geeignet ein Mensch für ein Studium oder Beruf ist. Guter Arzt durch 1,5? Nein, es geht einfach um eine Auswahl für die Fähigkeit einer beliebigen Wissensaneignung, die man eben routinieren können muss, um die Fähigkeit der Anpassung an ein Wissen zu gewährleisten, das nicht mehr gewiss sein kann, das beständig als Information aufgefrischt werden muss, eben weil man damit nichts wirklich weiß, weil es heute noch als Wissen gilt und morgen schon überholt sein kann. Grundlagen gibt es natürlich nach wie vor. Sie werden jedoch nicht mehr erworben in einem praktischen und aufwendigen Nachvollzug, sondern durch bloßes Einpauken in einer verfügbaren, also marktgerechten Zeitspanne, aufbereitet durch gut bebilderte Lernprogramme, in denen die Bilder Verbindungen vorstellen, die komplexe Zusammenhänge so vereinfachen, dass das Wissen keine Gewissheit erfahren kann. Wissen wird dann eben als Information zubereitet, als geschlossenes Thema, als Frame für beliebige Verbindungen. Gelernt und abfragbar wie bei einem Einstellungsgespräch, Begriffsbildung in Vorstellungen, mit denen man etwas vorstellen, vor allem eben darbieten kann.

Im Grunde ist das ganze Verhältnis von Wissen und der Arbeit inzwischen äußerst theoretisch, obwohl es doch immer mehr in "Praxisnähe" vermittelt werden soll - eine Nähe, die es allerdings nicht gibt, weil diese Praxis nicht aus wirklichem Entscheiden und praktischem Handeln besteht. Sie bleibt ein Spiel mit Vorstellungen. Wissen ist immer mehr nur eine Möglichkeit, die nicht mehr aus einer praktischen Geschichte heraus vermittelt ist, sondern als reine Instruktion höchstens zu einer Phänombehandlung taugt. Im Spiel ist ja auch Arbeit nicht mehr eine Notwendigkeit des Lebens, um dadurch Bedürfnisse befriedigen zu können, weil dafür Arbeit selbstverständlich wäre. Arbeit ist inzwischen eine abgehobene Selbstverwirklichung, das hohe Ziel einer Existenz, um die man kämpfen muss, um jemand oder etwas zu sein. Sie wird zu einer intrinsischen Lebensgröße, indem sie eine optimale Effizienz des Lebens verspricht, wenn man die richtige findet, nämlich die, bei der man nicht verödet. Es erscheint daher auch als Spiel, was nötig ist, und das Spiel ist hart ↓(3). Work easy, play Hard! Wer nicht raus fällt bleibt dran. Wer nicht dran bleibt hat es nicht nur verloren: Er ist verloren! Es ist das Spiel um Macht und Ohnmacht schlechthin.

Das Spiel mit der Ohnmacht erzielt allgemein immer nur ihre Bestärkung, ihre Armut. Und es ist das Spiel mit der Armut, das alle süchtig macht, weil alle darin finden, was sie nicht haben können. Es ist das Spiel um die Ausschließlichkeit, die totale Konkurrenz, die aber in Wahrheit gar keine Konkurrenz mehr ist, weil der Ausgeschlossene dabei einfach nur ausfällt, nicht mehr wirklich mitspielen kann. Man spricht bei der Marktwirtschaft schon immer gerne von Wettbewerb, so als ob sie sportlich, ein ganz nützliches Spiel wäre. Doch wo und weil es dabei um Geld geht, geht es nicht um Sieger und Verlierer, die sich vielleicht gerade mal durch Sekundenbruchteile in ihrem Erfolg unterscheiden und dabei ihre Kraft und Leistung bemessen und intensivieren, sondern um Existenzen, um Sein und um Nichtsein. Das ist mit "Play Hard" dann wohl auch gemeint. Leichte Arbeit haben von vornherein die Geldbesitzer oder die Inhaber einer guten Arbeitsstelle. Für alle anderen ist es ein hartes Leben. Und das ist es dann auch für die meisten. "Work Easy, Play Hard" ist eine Neuformulierung dessen, was Klassenkampf eigentlich schon immer war. Jetzt findet er aber nur noch spielerisch statt.

Die unendliche Zerteilung der Arbeit und die Kulturmacht der Trivialisierung

Das Spiel ist hart, weil es kein Spiel ist, sondern ein ganz eng vorgegebenes Regelwerk für Leistungen, die nicht nur den Menschen Kraft abverlangen, sondern ihre ganze Persönlichkeit, ihr ganzes Leben einfordern. Im Spiel wird ein Einsatz abverlangt, der sich nur noch durch den Gewinn lohnt. In diesem "Spiel" sollen die Menschen sich dabei in ihrer isolierten Existenz durch ihre Leistungen unmittelbar vergesellschaften, sich selbst vollständig einbringen und ihren Teil zu einer Existenz beitragen, die ihnen immer weniger Leben lässt, weil darin Freizeit und Arbeitszeit, Privates und Öffentliches ineinander verschmelzen ↓(4) und fordern den ganzen Menschen ein. Nicht der Preis der Arbeit, der Lohn für eine Tätigkeit oder ein Produkt bestimmt ihr Verhältnis, sondern ihre allseitige und allzeitige Verfügbarkeit, ihre Beweglichkeit für einen Auftrag, der jetzt als Herausforderung bezeichnet wird, ihr grenzenloser persönlicher Einsatz für einen beliebigen Nutzen, für den sie sich gänzlich vergessen müssen, um dafür da sein zu dürfen, um sich als ganze Existenz auf dem Markt zu vergegenwärtigen, um sich gegen andere durchzusetzen, um überhaupt Geld verdienen zu können. Die arbeitenden Menschen versammeln sich nicht mehr an ihrem Produktionsmittel; sie sind selbst Arbeitskraft und Produktionsmittel in einem, in ihrer unmittelbar persönlich gewordenen Konkurrenz isolierte Menschen. Die Arbeit ist so weit in ihre Privatexistenz vorgedrungen, dass sie sich selbst als Arbeitsteil verstehen müssen, als Produkt und Werkzeug ihrer eigenen Verwertbarkeit. Sie ist so endlos auf individuelle Existenzen zerteilt, wie die Individuen grenzenlos auf sich verwiesen werden. In einer unendlichen Verflechtung von Teilarbeiten und in den Verhältnissen der Subunternehmungen wird ihre Arbeit selbst unendlich teilförmig. Das Partikulare wird für sich immer weniger, immer ohnmächtiger, bis es nichts mehr ist, sich in einer Nichtigkeit verhält, bei der ihm alles gleich gut oder gleich schlecht gilt, völlig gleichgültig ist. Unendlich zerteilt wird alles zu nichts und das Nichts zu einer alles bestimmenden Macht. Es ist die Aufhebung jedweder Synergie.

Doch das Aufgehobene verharrt in seiner Vereinzelung als vereinzelte, als unendlich bedürftige Regung, als eine Erregung, die sich eine Welt für sich sucht. Nichtig gemachte Zusammenhänge verwandeln sich in die Zusammenhanglosigkeit hochgespitzter Ereignisse, werden zu lebensentscheidenden Akzidenzien, die eine quasi triebhafte Schicksalhaftigkeit durchsetzen, die alle Wirklichkeit für sich zu verschlingen sucht. Leben als Erlebnis wird zu einem Schicksal von höherer Gewalt, zu einem Teil im System eines Ganzen, das seinen Sinn nicht mehr erweisen muss, weil es ihn gar nicht erweisen kann. Es erscheint rein zufällig, und das eigene Leben wird dadurch auch wie ein Zufall empfunden. Man muss darin einfach aufgreifen, was irgendeinen Sinn verspricht, auch wenn der sich nicht wirklich sinnlich erweisen kann. Das Leben wird so trivial wie eine Küchenschublade. Du kriegst eben nur, was Du bekommen kannst, was sich mit Dir ereignet und zuträgt.

Die Kultur der Ereignishaftigkeit, die Eventkultur, ist eine Kultur der Nichtigkeiten. Darin hat alles Größe, was Erregung abführt und sie durch Reiz begütert, eben als Lebensanreiz funktioniert, wie er sich vorstellen und auch als Vorstellung erfüllen lässt. Doch auch die Vorstellung ist nur eine Prominenz der Nichtigkeiten, ein Parcour der Abwechslung, in der ein Sinn mit dem anderen wechselt, weil er schon immer Unsinn ist, wenn er vorgestellt wird, weil ihm dabei nur zufällt, was nicht wirklich sein kann. Der beständige Sinneswandel ist die Kultur einer Sinnentleerung. Und diese ist wesentlich depressiv, ist der Grund für Kraftlosigkeit und Widerstandslosigkeit, weil sie schon in ihrer Ausweglosigkeit ihre Kraft aufbraucht. Das Leben wird unendlich trivial, wechselt zwischen Apathie und Unterwerfung, nur um am Leben zu sein. Alles wird selbstverständlich weil alles im Grunde nichts ist, weil es nicht wirklich das ist, was es ist; im Grunde ist alles nur scheinbar da, weil es sich als Lebensbedingung von selbst versteht, weil es als Bedingung selbstverständlich ist, Verdingung Normalität schlechthin ausmacht, weil sie in einer Scheinwelt einfach massenhaft auftritt als unbedingte Masse, qualitätslos, weil als Nichts da - und weil da für nichts. Man sucht den Ersatz in prominenten Ereignissen, die Veranstaltung mit großen Emotionen, in den Arenen, in denen man zumindest auf den Rängen einen Rang hat, wenn man sich an seiner Gemeinschaft berauschen kann, wenn man sich mit seinen Gefühlen besäuft.

Dass die Menschen dennoch ihr Leben zu "meistern" haben, ihres "Glückes Schmied" sein sollen, wird als Hohn einer schal gewordene Ideologie einer darin absurden und zugleich allmächtigen Selbstbezogenheit offenkundig. Doch das ändert gar nichts, solange ihre sachliche und existenzielle Unterwerfung die Gettos selbst zufriedener Existenzen ermächtigt, sich an anderen, an der Außenwelt schadlos zu halten. Es ist das Prinzip der Trivialisierung, die alles an seiner Nichtigkeit relativiert. Das Leben hat keinen anderen Sinn als den, dass Du es erleben kannst, also nutze es dazu! Spiel Dein Leben denn das Leben ist Dein einzig wahres Spiel. Kapitalismus, Lohnarbeit, Billiglohn - alles nur noch eine Frage des Glücks. Gesellschaft, wie sie menschlich als Zusammenwirken der Menschen, als Ergänzungsverhältnis ihrer Lebenskräfte entstanden war, gibt es nicht mehr. Der Kapitalismus ist selbst zu einer Religion geworden, zu einem Glücksspiel ohne Ende, wo natürlich auch das Verlieren ganz normal ist. Da hilft man sich gerne, um Mitspieler zu haben. Aber man will sie auch nur haben, um sich bereichern zu können, um gegen sie zu gewinnen, ihre Not als eigenen Vorteil zu erfahren, durch ihre Abhängigkeit und Ohnmacht das Recht der Guten zu bestärken, die allgemeine Selbstgerechtigkeit der Winner zu versichern, um sich vom Looser zu unterscheiden, der in der Konkurrenz gegen sie ausgeschieden ist.

Was nötig ist, das fügt sich. Man nennt das jetzt Herausforderung. Man will sie "meistern", eben weil man durch sie gefordert ist, will effizient sein, ohne zu berechnen, was es wirklich wird und einbringt. Denn was sich fügt, öffnet sich ja immerhin auch den Vorteilen dieser sonderbaren Effizienz, die zumindest gute Geldeinkünfte verspricht, - zumindest für die, die es geschafft haben. Es ist die Flucht in eine Pflicht, die nur Sinn haben kann, weil die eigene Existenz als sinnlos empfunden wird. Im Nichts wird alles gut, weil es immer schon irgendwie etwas ist, wenn es nicht Nichts ist. Aber was sich nur in dieser Form dagegen stellt, muss sich auch mit Sinn füllen lassen, muss seine Sache zumindest gut machen. Sinnerfüllung wird zur Pflichterfüllung einer Tätigkeit für das Ganze, für den ganzen Job, für ein ganzes Unternehmen, für eine ganze Aufgabe. Ist jedes Individuum, wie isoliert und abgeschottet es auch existieren mag, sich dieser Pflicht bewusst, so wird es als Mensch in diesem Ganzen auch fassbar, von einer allgemein menschlichen Notwendigkeit erfasst, denn es ist letztlich immer die Ressource der Wertschöpfung, das Humankapital des Geldes, das man erdient, indem man sich ihm beugt. Doch es soll selbstbewusst geschehen, um in einer Welt der Selbstdarstellung auch zu funktionieren. Es geht daher um eine subtile Uminterpretation des Notwendigen zu einer Selbstentfaltung, zu einer Möglichkeit persönlicher Befreiung durch eine Arbeit, in der man immerhin Mitspieler ist, Player im System der Egozentrik.

Carmen Losmanns, Regisseurin und Autorin eines derzeit laufenden Dokumentarfilms "Work Hard, Play Hard", hat dieses Prinzip einer allgemeinen Selbsttäuschung in seiner Abgründigkeit gut dargestellt. Sie porträtiert darin die neuen Welten des "Human Ressource Management" und den Wandel der Arbeit unter dem Vorzeichen ihrer Entgrenzung. Denn das ist das eigentliche Ziel der neueren Feudalverhältnisse: Arbeit soll wieder der allgewaltige Sinn des Lebens, Lebenserfüllung sein, denn durch sie erleichtert sich für jeden die Last seiner Verpflichtungen, seiner "angeborenen" Lebenspflichtigkeiten, seiner Lebensschuld, die ihm schon durch sein Dasein als Bürger dieser Welt wie eine Erbsünde auferlegt ist.

Von der lohnarbeitenen Arbeitskraft zur "Human Ressource"

Schon in der einfachen Marktwirtschaft war Arbeit Wert bildend und Mehrarbeit über die lebensnotwendige Arbeit hinaus stellte für das Kapital Mehrwert dar. Lohnarbeit beruhte auf dem Preis der Arbeit, dem Lohn, der die Reproduktion der Arbeitskräfte, ihren Selbsterhalt durch Lebensmittel sicher stellen sollte, und darüber hinaus ihnen auch durch unbezahlte Arbeit im Verlauf der vertraglich festgelegten Arbeitszeiten Mehrarbeit abverlangte. Die Arbeitsleute konnten im Kampf um Arbeits zeit und Lohn noch als Händler und Vertragspartner des Kapitals auftreten und durch die Nachfrage nach ihrer Kraft um deren Preis, um den Verkaufspreis ihrer Angebote kämpfen. Mit der zunehmenden Entwertung der menschlichen Arbeit durch die Produktivitätssteigerung und Automatisierung wurden auch diese Angebote entwertet und ihre Nachfrage gemindert, während sich die Lebenshaltungskosten durch Mieten, Steuern, Vorsorgebeiträge und Gebühren erhöht haben. Der arbeitende Mensch, der seine Kraft noch wie eine Ware angeboten hatte, wurde als Händler seiner Ware dadurch aufgehoben, dass er selbst sich als arbeitendes Subjekt einbringen musste, um seine Lebenshaltungskosten als Staatsbürger und lebendes Objekt der Verwertung von Lebensressourcen, der Naturstoffe und Lebensräume zu erhalten. Seine Mehrarbeit konnte sich nicht mehr durch Mehrprodukte aus einer bestimmten Arbeitszeit, aus unbezahlter Arbeit auf dem Markt realisieren, sondern wurde als Geldwert aus Einkommen direkt über Gebühren für Mieten und Lizenzen eingezogen. Er wurde zunehmend zu einem Bürger, der einen Mehrwert durch seine Abgaben an die Inhaber von Eigentumstitel und Agenturen zu bezahlen hatte, der objektiv seine eigene Verdingung als arbeitendes Individuum, als ICH-AG oder dergleichen unmittelbar zu betreiben hatte. Er wurde selbst zu einem objektiven Subjekt seiner Arbeit, zu einer sich selbst reproduzierenden Arbeitsressource. Sie erschien wie eine Eigenarbeit, die allerdings in ihren Selbsterhaltungskosten allerdings totaler von den Marktrisiken abhängig war, als es Lohnarbeit sein könnte, denn der gesellschaftliche Ort dieser Arbeit fiel aus und der sich selbst ausbeutende Unternehmer hatte sich als isolierter Anbieter nach der Konkurrenzlage der Angebote unmittelbar zu bewegen und zu verhalten, mobil zu sein und seine Lebenszusammenhänge hiernach auszurichten.

Mit den Veränderungen der Märkte haben sich daher zwangsläufig auch die Bestimmungen der Arbeit besonders im Dienstleistungsbereich stark verändert. Der Arbeitgeber tritt hier als Kunde auf, der alles verlangen kann, weil es um keine wirkliche Ware geht, sondern um ein Produkt, das schon bei seiner Produktion verzehrt wird. Arbeit ist hier selbst zu einer Art Marktgeschehen geworden, das während der Produktion weniger ihren Inhalten folgt, sondern unmittelbar optimale Wirkung in Organisation und Design nötig hat, um die dabei tätigen Menschen in kürzester Zeit an ständig wechselnde Erfordernisse anzupassen. Die Zeit wird unmittelbar bestimmend, nicht im Arbeitsverhältnis als Vertragsform der Nutzung, sondern unmittelbar inhaltlich in der Zuwendung zum Arbeitsablauf. Nicht das Produkt als solches zählt, sondern seine Produktion "just in time" und seine Zusammensetzung und Organisation in einer Kette von Subunternehmungen und Leasinggesellschaften mit größtmöglicher Anpassung an die total bestimmende Individualität des Kunden. Dabei rückt der arbeitende Mensch selbst in den Fokus des Interesses, - aber nicht, um auch ihm besser zu entsprechen, sondern um seine Individualität weitgehend aufzulösen, seine Lebensbedingungen und Abhängigkeiten optimal auszunutzen, ihm die Bedingungen zu verinnerlichen, zum eigenen Anliegen zu machen, ihn als Unternehmer seiner Selbstverwertung zu locken und zu verwerten und - wo nötig - auch zu verwerfen. Als eigene Entwicklung, als Selbstentfaltung soll erscheinen, was lediglich Anpassung an das Nötige ist, wie es geboten wird. Der Selbstwert, der den Menschen gesellschaftlich durch permanent drohende Arbeitslosigkeit entzogen wurde, wird hier ersetzt durch Selbstunterwerfung, die im Stolz an das Gelingen einer Anpassung funktioniert. Die Selbstbezogenheiten bürgerlicher Existenzen werden perfekt verschmolzen mit der Gemeinschaft im Notwendigen, mit der Notgemeinschaft der Abhängigen, die permanent um ihren Job kämpfen und bangen müssen und durch ihre Konkurrenzlage in Wahrheit zugleich objektive Gegner sind. Ihre gesellschaftliche Wirklichkeit ist zunehmend ersetzt durch unmittelbare Unterwerfung unter die Verwertungsmacht der gesellschaftlichen Einrichtungen, durch die rein politisch gewordene Macht einer Wertegemeinschaft, die ihre Verwertung, ihre Unterwerfung unter das abstrakt allgemeine Prinzip der Vernutzung von Leben und Lebensressourcen wie eine Selbstverständlichkeit zu ertragen hat.

Mit ihrem neulich angelaufenen Film "Work Hard, Play Hard" hat die Regisseurin Carmen Losmann eine klare Bestandsaufnahme der derzeit sich verändernden Arbeitsabläufe und -zusammenhänge in die öffentliche Wahrnehmung gehoben. Er ist eine Dokumentation und zugleich eine für sich sprechende Szenenmontage der auch in den Etagen des Managements wahrnehmbaren Distanz zur eigenen Wirklichkeit - weniger durch entfremdete Arbeit, sondern durch unmittelbare Selbstentfremdung. Nicht mehr die Arbeit selbst bestimmt die Notwendigkeiten dessen, was ihr zugetragen und beigebracht werden muss, sondern die Anpassungsfähigkeit der daran beteiligten Persönlichkeiten, die in ihren "Talentprofilen" exakt ausgeleuchtet sein müssen, um zu gewährleisten, dass sie im speziell eingesetzten Prozess auch optimal funktionieren. Aus Büros werden "nonterritoriale" Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, die keine Grenzen mehr haben, die Privatheit und Öffentlichkeit zu einer symbiotischen Selbstverleugnung verschmelzen, lediglich noch einer abstrakten Hoheit einer Betriebsstruktur und ihrer Marktkonformität zu entsprechen haben. Es geht nicht mehr so sehr darum, den arbeitenden Menschen in seiner Tätigkeit unmittelbar zu unterstützen, sondern eine Arbeitssynergie zu erzwingen, die nicht mehr durch die Arbeit entsteht, sondern durch die Bestimmung und Bedarfsanpassung und Erfolgsoptimierung der arbeitenden Menschen, aus denen mit den Methoden der Psychologie und Soziologie alles herausgeholt und herausgepresst wird, was dem Erfolg, also der besten Vermarktung des des Menschen von Nutzen ist. Grundlage hierfür ist die Angst der Beteiligten vor Versagen, vor absoluten Ansprüchen, deren Sinn und Zweck nur in geldwertiger Effizienz bemessen ist und die Tätigkeit eines jeden unmittelbar vor eine totale Existenzfrage in einer hierfür nötigen Betriebskultur stellt. Die wird quasi ethisch vermittelt und eingefordert wie die Sittlichkeit eines katholischen Katechismus mit dem absoluten Gebot, das über das Glück der Menschen verfügt und dessen Befolgung entscheidet, ob die Beteiligten noch dabei oder schon out sein werden. Darin sind sie alle gleichgeschaltet, auf eine Augenhöhe der Unterworfenheiten gebracht. Handlanger und die Manager lernen ihren Teamkodex so auswendig und beten ihn in eigens hierfür eingerichteten Seminaren und Gruppensitzungen ab, wie die Priester ihr Brevier; Manager treffen sich im Kloster zum Meditieren oder im Wald zum Outdoor-Training, ihre Personalabteilungen drillen sie in Assessment-Centern oder planen eine "ungeplante Kommunikation" in futurologischen Erholungszonen abgeschiedener Hotels und Wellness-Anlagen.

Die Arbeitswelt soll zu einer totalen Lebenswelt werden, um im Wohlgefühl einer Überwelt den einzelnen Menschen auch besser fordern zu können. Es geht um einen Wechsel zu einer neuen Betriebskultur, in der die Leistungsbereitschaft der Einzelnen durch ein Heimatgefühl für einen Betriebsablauf abgerufen wird. Es geht um einen Wechsel der Arbeitswelt zu einer Betriebskultur der permanentem Leistungsverbesserung. Alles wird dem unterordnet, die Persönlichkeit, die Effektivität, die Belastbarkeit und der jeweilige Selbstwert der Beteiligten. Da müssen viele Menschen rausgefiltert werden, Verschlankung heißt das dann, und da muss die Arbeitshierarchie absolut verinnerlicht sein, Selbstentfaltung in der Arbeit heißt man dies. Das ist in dem Film von Carmen Losmann bestens dokumentiert. So zum Beispiel auf den Manager-Schulungen der Deutschen Post, wo zu einem Projekt zur Verschlankung der Betriebsabläufe, einem "Lean-Management" "gechanged" werden soll:

Audio "Change" (52 sec)

Nicht ganz so bewusst dürften die Konsequenzen für die Betroffenen sein. Denn diese Lean-Management bedeutet auf Deutsch Verschlankung und das hat das zur Folge, dass ihre Arbeit durch permanente Bewertung und Strukturverdichtung intensiviert werden soll um auch die zu entfernen, die es nicht bringen..

Audio "Bewertung"

Und natürlich gibt es dabei auch Konflikte. Nicht jeder akzeptiert es als Herausforderung, wenn er schlicht angetrieben und verschärft funktionalisiert wird. Aber auch dann weiß man weiter, nämlich durch Erzeugung von Leidensdruck:

Audio "Induktion von Leidensdruck"

Das System des "Human Ressource Management"

Die Menschen sind meist störanfälliger als Maschinen. Ihre Eigenschaften blockieren ihre Fähigkeiten, ihre Eigensinnigkeiten und persönliche Schwierigkeiten und Gekränktheiten stören oft komplexe Betriebsabläufe. Und das Unvermögen, im bloßem Funktionieren für einen Zusammenhang, den man nicht kennt, selbständig zu handeln und über einfache Abläufe adäquat zu entscheiden verlangt einen hohen Führungs- und Betreuungsaufwand in den größeren Unternehmungen. Die neue Ideologie des Managements heißt daher dort: "Der Mensch steht jetzt im Mittelpunkt" - und damit ist die Ressource Mensch als Humankapital gemeint. Und darum bemühen sich inzwischen die Agenturen und Unternehmensberatungen, die in der Intensivierung des unmittelbaren Zugriffs auf diese Ressource auch ein Potenzial zur Überwindung der Verwertungsprobleme des modernen Kapitalismus gefunden haben. Das System des "Human Ressource Management" ist die Optimierung der Verfügbarmachung von Menschen für einen Zweck, den sie selbst weder überschauen noch beeinflussen können, wofür sie aber so bestärkt und befähigt werden, dass er als ihr eigener Zweck, zumindest durch die Bestätigung ihrer Selbststeuerung und Selbstbeziehung erscheint. Nicht die Notwendigkeit, einfach nur Geld zu verdienen, sondern die Teilhabe an einer ganz großen Welt ist hierbei das Medium und Mittel, das den isolierten Menschen zu einer "very import person" macht, ihm zeigt und befähigt, dabei zu sein. Es ist ein System von Stellschrauben, welche das Management des Unternehmertums, die Unternehmensberatungskonzerne und die zuliefernden Soziologen und Psychologen erfunden und bereitgestellt haben, damit die Menschen von sich aus das tun, was ein Unternehmen von ihnen verlangt. Es gebe jetzt das Zeitalter des Menschen behaupten die Systemtheorien, indem sie in den Menschen die Natur entdecken, die sich in ihren Systemen eingliedern lässt, die mit Anreizen und Blockaden zu steuern ist wie ein kybernetisches Regelwerk, wie eine Maschine, deren Algorithmus sie notiert haben, um ihn auch jederzeit abzurufen. Der Anspruch des modernen "Human Ressource Managements" ist, einen Zugriff auf den ganzen Menschen in seiner Persönlichkeit zu bekommen. Die Ideologie hierfür ist die Behauptung, dass der Mensch im Mittelpunkt ihrer Bemühung steht. Und das stimmt ja sogar insofern, wie seine Nutzbarkeit optimiert wird und der Schein seiner Autonomie seine Gefühlswelt dahin beflügelt, wo er sich nicht mehr erkennen kann und auch nicht mehr erkennen muss. Er wird zum Mittel eines Zwecks, den er als Selbstzweck betreibt, der ihn vergessen lässt warum und wofür er arbeitet, einfach weil ihm die Arbeit eine Bestätigung für seine Funktionalität gibt. Und das erhöht dann auch wirklich den Wert seiner Arbeit für das Unternehmen, das ihm die Freiheit zur Unterwerfung lässt. Es hat dazu geführt, dass mit der Abschaffung der Stempeluhren die Menschen nicht mehr 40, sondern 60 Stunden arbeiten, weil es eben die Arbeit verlangt, durch sie sich bestätigt fühlen können.

Es lassen sich die "Human Ressources" besser ausloten, wenn professionelle Headhunter aus den Unternehmensberatungen eingesetzt werden oder mit Programmierungen von SAP oder anderen Software-Giganten die optimierte Talentsuche gestartet wird; aber gerade damit spitzt sich die Abschottung der sogenannten Talente von einander und von dem Gesamtinteresse der Arbeit zu. Man hat hochspezialisierte Talente gesucht und gefunden, und musste befinden, dass die immer weniger in der Lage sind, die tristen Organisationszusammenhänge der Arbeiten zu handhaben oder auch als sachlich befähigte Subjekte aufzutreten. Man durchleuchtet die Charaktere in die sublimsten Bereiche ihrer Motive und Schwäche, ohne dass die realen Anforderung mit der psychologischen Ausleuchtung besser bewältigt würden. Im Gegenteil: In den Chefetagen bei den großen Konzernen, in den Verwaltungen und politischen Schaltstellen wird immer öfter registriert, dass vor allem die praktischen Kommunikationen und Befähigungen immer disfunktionaler werden. Was die Menschen bisher aus ihrem konkreten Anschauen und Wissen mehr oder weniger vor Ort in sich gebildet hatten, ist mit der Vorsortierung ihrer Talente immer kraftloser in ihrer sozialen Realität. Das Team, das ihnen vorgestellt wird und das so krampfhaft verbunden werden soll, scheitert immer mehr an der Kontrolle und der darin potenzierten Konkurrenzlage der beteiligten Menschen. Es ist leicht abzusehen, dass von all dem, was da so krampfhaft funktional gehalten werden soll, was von Computerprogrammen gestützt und erfasst und auf einander verwiesen wird, was so total beobachtet, gemessen und begutachtet wird, eben gerade deshalb nicht dauerhaft funktionieren kann, weil es nur noch als Objekt eines undurchschaubaren Ganzen und dessen Psychologie genommen wird, seine Selbständigkeit, die doch so ausgiebig gefördert werden soll, geradezu zerstört. Die Selbstbestärkung durch die Arbeit wird mit der Kontrolle und dem Motivationstrainig vor allem aus dem entfernt, wozu sie von Nutzen sein soll. Nicht die Arbeit macht den Sinn der Befähigung aus, sondern die Eitelkeit entsinnlichter Selbstbezogenheiten.

Arbeit ist eben wirklich auch nur noch Selbstzweck wenn ihr Produkt nur als Arbeitsbedingung funktioniert, sie sich als Ressource ihrer selbst begriffen wird, als Glück, Arbeit zu haben. Arbeit ist bloße Tätigkeit, beschäftigt sein ohne einen unmittelbaren Sinn, wohl aber im Dienst eines großen Ganzen, das immer noch Gesellschaft genannt wird, längst aber vollkommen den internationalen Marktverhältnissen, der weltweiten Aneignung und Sucht nach Mehrwert unterworfen ist und alle Substanzen aufbraucht, die noch verfügbar sind. Am Ende steht Naturzerstörung und soziale Verwerfung. Aber die Menschen, die es bis zur Selbstausbeutung als Humanressource gebracht haben, müssen es nicht mehr spüren - zumindest, solange sie "dabei sind". Dabeisein ist wirklich alles. Doch es sind immer weniger und immer mehr müssen in der Asche ihrer Ausscheidungen vegetieren. George Orwells Visionen waren nur eine Vorahnung. Aber sie haben vieles schon beschrieben, was heute wie selbstverständlich erscheint, z.B. auch die Sprache, die "Newsgruppe".

Carmen Losmanns besondere Sensibilität in ihrem Film gilt dem, was dieses Management unserer Sprache antut. Sie beschreibt es selbst:

"Der mit Anglizismen durchtränke Jargon, dem alles "Challenge" ist, hat einerseits einen Weichspüleffekt, der über Unangenehmes hinwegtäuschen soll. Zugleich ist seine Funktion ideologisch: Neue Worte helfen bei der Gleichschaltung. Tatsächlich haben moderne Unternehmen mit Sekten und politischen Religionen mindestens eines gemeinsam: Die Disziplinierung geschieht nicht durch Zwang, sondern durch verinnerlichte Werte; salopp gesagt: Gehirnwäsche. Wenn dann eine Frau sagt: "Ich will das alles auf die DNA meiner Mitarbeiter einschreiben", dann ist das eben so. ... Diese weichgespülte Sprache, die mit Anglizismen durchtränke Sprache haben die Unternehmen ja schon lange angewandt. Mein Lieblingszitat, das nicht im Film ist, lautet: "Wir müssen da die Business-Units ein bisschen gegeneinander atmen lassen." Was nichts anderes heißt, als die Geschäftsbereiche innerhalb des Unternehmens gegeneinander in Konkurrenz zu setzen....

Da hat sich etwas gewandelt. Unternehmen haben gelernt, dass sie attraktiver werden müssen. Damit junge Leute weiterhin Lust haben, sich in Unternehmen vernutzen zu lassen, muss man ihnen auch irgendetwas bieten.
Ein Siemens-Manager hat neulich gesagt: "People only work for people." Und da ist was dran. Unternehmen müssen Leute dazu kriegen, dass sie Lust haben, zu arbeiten. Darum gibt es die Verführungen mit Corporate Identity: Ihr habt hier die Möglichkeit Teil eines großen Ganzen zu werden. Wir sind toll. Diese interne Kommunikation an die Mitarbeiter, die den Glauben behalten müssen, dass man hier an einer tollen Sache arbeitet, dass es Spaß macht, in dem Unternehmen zu arbeiten, die wird von den Personalabteilungen sehr ernst genommen. ...
Ich habe von Gehirnwäsche gesprochen, von Gleichschaltung. Das ist ja gerade nicht die Individualisierung, sondern Anpassung und Abrichtung von Individuen - um in diesen großen Maschinen noch geschmeidiger zu funktionieren. Man kann sagen: Man bringt das Wohnzimmer an den Arbeitsplatz. Wir wissen aber, dass zur Zeit vor allem die Arbeit ins Wohnzimmer gebracht wird. Sie beschreiben umgekehrt die Entindividualisierung von Arbeitsplätzen. Austauschbarkeit der Arbeitskräfte scheint auch ein ganz klares Ziel der Unternehmenspolitik zu sein....

Die Corporate Identity-Bemühung der Unternehmen setzt klar auf Individualität. Wenn man sich anschaut: Wie rekrutieren große Unternehmen ihre Leute, dann ist das immer mit dem Anspruch: "Du"; "Be a Tiger!"; "Sei Teil einer großen Aufgabe"; "Du als High-Performer passt zu uns." Das hat immer noch einen Glanz von individueller Selbstentfaltung.
Und dann hebt sich diese Gleichschaltung auf eine höhere und subtilere Ebene. Weil dann durch die Unternehmen vom Einzelnen verlangt wird, die Selbstentfaltung nur in dem zu finden, was dem Unternehmen nutzt....

Das ist eine sehr subtile Uminterpretation von Selbstentfaltung. Die Schablonen dessen, was Selbstentfaltung ist, werden zurecht gebaut. Dass klar ist: Du kannst hier bei uns arbeiten und Dein Abenteuer haben. Aber was das Abenteuer ist, bestimmen wir. ....

Ich finde, dass das schon teilweise faschistoide Tendenzen hat. Ich weiß nicht genau, woran ich das festmachen könnte. Am Einfachsten daran ist, dass das übergeordnete Ziel des Unternehmens nicht gefährdet werden darf. Die höhere Idee unter der Du als Einzelner Dich unterordnen darfst.... Dadurch erlangst Du auch Größe und was Höheres, Göttliches. Auch die Rede vom Organismus Unternehmen, der nicht sterben darf - das weckt bei mir faschistoide Assoziationen."

Die Politik der anonymen Selbststeuerung als Kultur einer unendlichen Selbstbereinigung

Das ganze System einer nahezu vollständig entsinnlichten Arbeitswelt funktioniert nicht einfach nur, weil die Beteiligten durch Geld bestochen werden, sondern weil ihnen ihre Arbeit zur Selbstbestärkung nützt, weil es ihr Leben an eine Welt bindet, die einen Sinn hat, auch wenn die Arbeit darin sinnlos sein mag. Sie haben einen ideellen Lebensraum, einen Wert, über den sie sich auf andere Menschen beziehen und durch den sie ihre Rollen in zwischenmenschlichen Verhältnissen definieren, indem sie ihn ästhetisch ausgestalten. Es ist der Umgang, der Kult einer Szene, einer Zugehörigkeit, der sie zu einer Selbstbehauptung ermächtigt, die sich in ihren Beziehungen und Erlebnisse entfaltet und ausweitet. Es ist dieser kultische Lebensraum selbst, der Verbindungen schafft, auch wenn darin keine wirklich menschlichen Beziehungen möglich sind. Man hat es geschafft oder ist dabei, es zu schaffen. Man kennt die Sprache, die Form, die Art und Weise und man findet darin immer auch ein bisschen von dem, was zwar nicht wirklich empfunden werden kann, was aber dem Selbstgefühl Gegenwärtigkeit, eine Anwesenheit von Menschen verleiht, die irgendwie auch gleich sind, gleich ticken und unter die selben Zwänge gestellt wurden. Jeder ist darin so auf sich verwiesen, dass er oder sie er selbst sein muss, dass er so erscheinen muss, wie er darin mit sich auskommen kann, solange er oder sie eben damit zurecht kommt. Jeder kann sich in diesen Verhältnissen immerhin darin bestätigen, dass er oder sie "In" ist, Umgang hat, das tut, was nötig ist und sich mit seiner Rolle schmückt, und sei sie auch noch so absurd. Man erscheint darin immerhin als eine Persönlichkeit und bestärkt sich als solche so, als ob es das eigenste Wesen sei, das darin aufgeht. Es geht vor allem darum, diese Persönlichkeit auszustatten, sie zu deklarieren, zu verfeinern und zur Schau zu stellen. Es ist das Design seiner selbst, das ganze Lebensläufe bestimmt. Und das deckt sich dann schließlich auch mit dem Zeitgeist der Postmodernen, die ganz gegen das Ganze steht, ganz alleine ein Ganzes sein will - ein ganzes Ego gegen gebrochene Welten, ein ganzes Glück gegen das allgemeine Unglück.

Dafür ist freilich auch Geld nötig, um bei wenig wirklich freier Zeit zumindest einen hohen Standard an Möglichkeiten der Selbstdarstellung zu erwerben, wo in Wahrheit Selbstlosigkeit verlangt ist. Aber für das Erleben der Selbstwahrnehmung ist es mehr eine Frage der Prägnanz und Prominenz der Form, des Anreizes, den sie bewirkt, der Ästhetik ihres Auftritts. Ihre Kultur muss auf den Körper konzentriert, für ein Körperbewusstsein begeistert werden (siehe Körperfetischismus), um im Design für die Kosmetik eines im Grunde schwächlichen Selbstbewusstseins doch auch ein wenig übermenschlich zu erscheinen, wenn man sich dadurch selbst helfen kann, wenn man dadurch der besondere Mensch unter den vielen ist, sich wenigstens als das verwirklicht, als was man erscheinen will. Wer sich hierfür selbst hilft, dem hilft Gott. Und Gott ist das Gute und Schöne und die allgegenwärtige Kraft des Lebens, die Kraft der Sinne. Es kommt nur auf den Willen an, um daran teilzuhaben. Und der ästhetische Wille macht hierfür ungeahnte Kräfte frei und lässt in den Kulturveranstaltungen und Sportarenen, den Kultstätten massenhafter Anmache, ganz große Gefühle aufkommen, die dann doch zumindest für den Moment einen Hauch von Verbundenheiten über den öden Alltag der Selbsthelfer ausbreitet. Der Reichtum an egozentrischen Bestärkungen in zwischenmenschlichen Beziehungen soll das Glück einbringen, das den Menschen als Reichtum einer wirklichen Gesellschaft, einem gegenständlichen Lebenszusammenhang entzogen ist. Das globale Glücksspiel mag längst schon seinen Kater haben und durch seine Krisen völlig verlustig gegangen sein, die Finanzblasen können schon geplatzt sein, doch in dieser Kultur überdauert sich jeder Verlust durch einen Gewinn an Selbstbegeisterung, einer Begeisterung für ein Leben, in welchem sich die Selbstdarsteller schier unendlich abfeiern können. Die allgemeine Spielsucht hat immer ihre Party , weil sie alle Untiefen mit ihrem Edelmut verfüllt, weil die unendliche Versuchung durch die Bestärkung der Selbstgefühle eine Übermenschlichkeit verspricht, die Vorstellungen von Ewigkeit beflügelt, die in einer allgemeinen Selbstverwertung versprochen ist. Was dem wirklichen Erleben abgeht, das kommt hier wie eine allgemeine Erleuchtung zum Tragen, die auf den Bühnen und in den Medien vorgestellt wird und als Kulturvorstellung in Mode kommt.

Die Kultur der Zwischenmenschen erscheint sich darin allgemein, als etwas Ganzes, etwas Großes, Höheres, besonders wo das Einzigartige so nahe an die unerfüllbaren Lebenswünsche herantritt. Der Glaube an die Versprechungen der großen Kulturevents soll daher auch den Entzug an wirklichem Leben kompensieren und befördert ihn daher zu einer gesellschaftlichen Kraft, die Kultur selbst wie eine Religion feiert und zelebriert, indem sie mit dem Leben der Menschen überhaupt spielt. Alles wird hierbei zu einer Party, auf der über das entwertete Leben der Menschen der Selbstwert eines beliebigen Beziehungsreichtums ausgeschüttet wird. Das alles erscheint dann voraussetzungslos, ohne eine wirkliche Geschichte wie aus sich selbst heraus zu entstehen, wie aus einer Vernunft gesteuert, die einem jedem Menschen zur Entfaltung seiner persönlichen Erlebenswelt dient, wenn er sich nur seinen Beziehungswelten überlässt, sich darin eingliedert und einfühlt und damit eben auch übereignet. Dies wechselseitige Einverleiben von voraussetzungslos scheinenden Verbundenheiten kann natürlich jederzeit spielerisch verlaufen - wenigstens solange das Spiel von der Bringschuld befreit wird, die ihm vorausgesetzt ist ↓(5).

Doch das gesellschaftlich entbundene Individuum erfährt seine Abhängigkeit in seiner Sucht, in seinem Bedarf an bloßer Anwesenheit von Menschen, die ihm im Grunde immer gleichgültiger werden, deren Abwesenheit es allerdings schwer kränken würde, sehr schmerzhaft ist. Es wird daher nun auch zwischenmenschlich in die Pflicht genommen. Es muss eben vor allem persönlich funktionieren und in diese Kultur der Zwischenmenschen eingehegt werden, sich auch in seiner Psyche einpassen und entsprechend anbiedern. Die Verbindlichkeiten der eingeregelten Lebensspielräume müssen eben auch verbindlich erworben, erdient werden. Die Institutionen, welche Verbundenheit darstellen wie z.B. Religionen und Familie usw. nehmen angesichts eines gesellschaftlichen Zerfalls an Kraft und Zuspruch zu und bestimmen mit konservativen Werten, Sitten und Moralismen auch das Verhältnis im politischen und zwischenmenschlichen Bereich. Sie werden in den Zweck dieser Verhältnisse in dem Maße gestellt, wie deren Verwerfungen um sich greifen, wie deren gesellschaftliche Zerstörung sich auch zwischenmenschlich fortbestimmt. Der Kulturstaat entwickelt selbst eine Staatskultur, in welcher die Menschen hiernach kultiviert werden, um sie in diesem Sinne einzuhegen, um ihnen in einem Menschenpark ihre wohlgemeinte Kulturverordnung einzuverleiben.

Auch die Wissenschaften stellen ihren Beitrag hierzu. Systemtheorien vermittelt ein System von Abhängigkeiten, das wie ein großes Netz einer freien Entfaltung erscheinen soll, wie ein Spinnennetz sich selbst verbindender Sinne, wie ein Sinnennetz einer allgemein gesellschaftlichen Naturverbundenheit. Das allgegenwärtige System vermittelt sich auch theoretisch als Bewusstsein einer höheren Allgegenwärtigkeit. Wo keine Kritik mehr hiergegen auftritt, schließt sich der Kreis. Der Natur entnimmt man den Sinn, den die Menschen für ihre Natur nicht haben, solange ihre gesellschaftliche Natur nur aus Abstraktionen besteht, nur durch Realabstraktionen funktioniert. Und in diesem Unsinn werden Sinne gebildet, die alles mit jedem gleich machen, die ihre Gleichgültigkeit an allem und jedem exerzieren müssen, einfach nur um dabei zu sein, um sich Anwesenheit zu verschaffen. Dann kann auch alles einfach so logisch sein, wie es will, wie es eben auch in seiner Willkür erscheint und sich als Arbeits- und Lebensstruktur durchsetzt. Wie ein weltumspannendes System aus Ausgleich und Fortbestimmung, aus Optimierung und Reduzierung wollen die modernen Wissenschaften die Welt begreifen. Und da lässt sich alles dann auch als simple Notwendigkeit einer Kybernetik abhandeln, die gesellschaftlich ebenso funktionieren, wie in einem Motor. Nur noch die "Stellschrauben" interessieren, nur noch die ideale Einstellung von Input und Output, von Verdichtung und Expansion. Ideologie wird zur Idealogie, zur Begriffsschablone für das sogenannte "gelingende Leben", zu einem Begriff, der selbst schon wie eine Lebensberatung funktioniert: als Fürsorge gegen eine allgemeine Not, als Schirm der Ereignisse vor ihrem Zerfall. Die allgemeine Not wird auch wirklich empfunden, aber sie wird als Not der Allgemeinheit gegen das einzelne besondere Dasein abgewiesen. Und die Sprache wird hierfür instrumentalisiert. Begriffe werden gebildet, die hiergegen förderlich gelten sollen, als "Frame" ↓(6), der alles zusammenhält, was keinen Sinn mehr füreinander finden kann ↓(7) und von daher den Sinn haben muss, der sich quasi übersinnlich nur vermitteln lässt.

Am Ende der großen Täuschungen

Dass das allgemeine Problembewusstsein vor allem um die wirtschaftlichen, politischen und zwischenmenschlichen Dysfunktionen kreist, ist nicht verwunderlich, wenn man nur noch vor den Resultaten einer sich schon lange einschleichenden Entwicklung steht, eben jener Entwicklung, die man unpassender Weise Globalisierung nennt, und die im Grunde vor allem die Aufspaltung der Geldmärkte gegen die Warenmärkte weltweit darstellt. Es hat sich weltweit tatsächlich etwas geändert. Es ist aber nicht die Globalisierung des Kapitals. Das Kapital funktionierte schon immer global. Es ist die reale Subsumtion der Staaten und Nationen unter die internationalen Fiktionen des Finanzkapitals die Vernutzung aller Lebenssubstanzen zur Stabilisierung eines Geldwerts, der spiralförmig abstürzen muss, wo die Produktivität sich mit ihren Märkten überkreuzt, überzählige Produkte hervorbringt, die relativ wertlos sind, weil sie immer mehr von Automaten als von Menschen erzeugt werden. Um das Verwertungssystem des Kapitalismus, seine Geldwerte zu halten, müssen die Menschen selbst entwertet werden, muss menschliche Arbeit selbst unterwertig eingetrieben werden. Aber auch das neigt sich dem Ende zu, seitdem auch die größte produktive Wirtschaft in China sich selbst kapitalisiert . Nicht mehr die realwirtschaftlichen Kapazitäten können den Kapitalismus weiterbringen. Auch nicht die Extraprofite durch den Marktvorsprung technischer Erneuerungen können diese Entwertung auf Dauer aufhalten. Es sind Rechtsverhältnisse, die mit immer mehr politischer Gewalt ein System aufrecht erhalten sollen, das durch sich selbst anachronistisch geworden ist. Es sind die ideellen Formen des Lebens, die weiterhin als politische Form der Lebensverbindlichkeiten, als bloße Rechtstitel des Privateigentums immer stringentere Positionen in ihrer Gewalt, ihrer politischen Formation und Institution einnehmen, die zur Stabilisierung der Lebensverhältnisse hergenommen werden, die immer weniger mit dem wirklichen Leben zu tun haben. Sie werden gegen die Übel eingesetzt, die sie selbst produzieren, die sozialen Verwerfungen, die ökonomischen Krisen und der internationale Terror der Kriege um politische Einflussbereiche. Sie betreiben die stringente Reduktion der menschlichen Freiheitsräume, die Gewalt ihrer politischen Lebensräume, in welche die Menschen hineingeboren sind und durch welche sie politisch als Bewohner eines politisch definierten Lebensraumes oder Grundstücks beherrscht werden können.

Wer die Funktionalität ihrer Krisen nur funktional versteht, nur die Disfunktion behandelt, die dann auch nur durch das wieder eingeregelt werden sollen, was nicht funktionieren kann, der erkennt nicht die Aufspaltung der Substanzen, um die es geht. Es geht im Wesentlichen nicht mehr um Regulationen, nicht um Verstärkung der sozialen oder ökonomischen Regelwerke. Regelungen muss man einfordern, um an das Wesentliche überhaupt zu gelangen, die Gewalt der Eigentumstitel schwächen um sie selbst in Frage zu stellen und sie gesellschaftlich aufzulösen. Dann geht um die Verwirklichung einer gesellschaftlichen Form der Arbeit und der Bedürfnisse, die von Menschen politisch bestimmt wird, damit sie nicht von den Sachzwängen und ihrer Logik beherrscht werden kann. Es geht schlicht um eine Gesellschaft der Menschen, um eine Gesellschaft, die es bisher noch nicht ganz wirklich gegeben hat.

Das wollen die Ideologen der Funktion, die Funktionäre der Ideologie der Selbstveredelung durch Selbstverwertung als "Human Power" für ihre Zwecke ausloten, wollen behaupten, dass deshalb bei ihnen "der Mensch im Mittelpunkt" ihrer Bemühungen stünde. Doch es ist kein wirklich gesellschaftlicher Mensch. Es ist ein Mensch, der nur als Humankapital verstanden wird. Doch dieses Humankapital lässt sich nicht wie eine Maschine unmittelbar verwerten, wo ihm seine Entwertung Tag vor Tag vor Augen geführt wird. Es sind Menschen, die sich immer auch subjektiv verhalten, wo sie objektiv bestimmt werden. Je weniger ihnen ihre Arbeit ein eigentümliches Anliegen ist, desto mehr suchen sie ihre persönliche Eigentümlichkeit zu veräußern ↓(8). Je weniger Sinn ihnen ihre Arbeit vermittelt, desto disfunktionaler werden die Menschen auch hierfür sein.

Funktionalität richtet sich nach dem Nutzen einer Eigenschaft oder Fähigkeit. Doch wo diese ihren Sinn verliert, wird sie substanzlos und verkehrt sich in ihr Gegenteil. Da tritt hervor, was sie wesentlich ist und zu betreiben hat: Geldschöpfung, die irgendwann eben nicht mehr funktioniert. Es ist die Realität von Geldverhältnissen überhaupt, die sich immer in Nichts auflöst, sobald sie an Wert verlieren. Und es ist die Offenbarung der Täuschung, die Geld überhaupt betreibt ↓(9). Es erscheint uns als ein bloßes Zahlungsmittel, vollkommen ohne jede Substanz, aber nützlich als Äquivalent, als Maß der Werte und Maßstab der Preise. Doch jeder Wert hat sehr wohl Substanz, weil er nur wirksam ist, wo jemand etwas oder sich verausgabt, um etwas oder sich zu gewinnen. Nur wo Menschen durch Geld ihre Lebensmittel erstehen müssen, verausgaben sie sich auch für Geld, um diese zu erstehen ↓(10). Ihre Arbeit ist die Substanz dieses Verhältnis, das doch so substanzlos erscheint, weil es auf dem Markt erst im Tausch selbst entsteht als ein bloß quantitatives Verhältnis von Preisen, also völlig abstrakt gegen den Grund, aus dem heraus dort getauscht wird. Der Warentausch selbst täuscht darüber hinweg, dass Geld immer im Grunde abstrakt menschliche Arbeit darstellt, deren Maß eine bestimmte Zeitdauer, also die Arbeitszeit im Verhältnis zur Freizeit ist, also verausgabte Lebenszeit darstellt. Wer sich nicht verausgaben muss, weil er Geld nicht durch Arbeit, sondern durch Wetten oder Erbschaft oder Erpressung oder dergleichen erhält, wird sich nicht dafür interessieren, wird im Geld selbst sein Lebensmittel sehen. Er wird sich und die anderen Menschen gerne darüber hinwegtäuschen, dass er durch Geld an Leben gewinnt, was andere davon verlieren. Und auch wo Geld verwettet wird, als ob es sich um Spielgeld handelt, wir Leben und menschliche Existenz und der Naturstoff der Lebensmittel verwettet. Ob auf den Finanzmärkten oder auf dem Wochenmarkt, Geld ist selbst die Täuschung, dass wirklich das bezahlt werden könne, was wirklich von Menschen verausgabt wurde.

Schon immer ging es bei der Kritik der politischen Ökonomie um die Kritik dieser Täuschung. Es ist vor allem die Täuschung über dieses Leben selbst, das durch eine längst überkommene Rechtsform enteignet wird. Die Privatverfügungen über die Arbeit, die Naturressourcen und die Lebensräume pervertieren den Fortschritt, den die Menschheit durch die Intelligenz und Produktivität ihrer Arbeit machen könnte, wenn sie deren Entwicklung jenseits der Marktmechanismen der Lebensverwertung gesellschaftlich organisieren und aneignen würden. Solange die Menschen den Märkten unterworfen sind, also nur für die Geldwerte arbeiten, die sie dort erdienen und einlösen "dürfen", wenn ihnen Arbeit überhaupt möglich ist, solange arbeiten sie für eine Verwertungsmacht, die als Privatinteresse auch nur die Vertiefung ihrer Abhängigkeit und Eigentumslosigkeit haben kann. Ihr Wertwachstum betreibt die Wertminderung des Lebensreichtums, welchen die Menschen gerade durch den Fortschritt, durch die Produktivität der Arbeit erfahren könnten. Weil die zunehmende Automation der Arbeit die menschlichen Arbeit reduziert und zum Teil ganz ersetzt, vermindert sich ja gerade auch der Marktwert der Arbeit, also die Wertschöpfung von Geld überhaupt, also auch die Privatform ihrer Marktabhängigkeit. Dies erweitert unmittelbar die Realisierbarkeit ihres wirklich gesellschaftlichen Potenzials. Die Privatverfügungen über Wohnraum, Naturressourcen und Arbeitsmittel wird immer absurder und zeitigt eine unabsehbare Totalisierung in der Vernichtung gesellschaftlicher Substanzen. Die Perversion des herrschenden Wertwachstums zeigt sich gerade darin, dass die Verhältnisse sich gegen die Lebensinteressen der Natur und der Menschen wenden, dass weniger Arbeit nicht als Fortschritt, sondern als Bedrohung erscheint, dass hohe Produktivität nicht zur Bereicherung der Menschen umgesetzt wird, sondern sich in die Finanzmärkte und ihre Zwänge verliert und dass der größte Teil dieser Produktion ein grenzenloses Ausbeutungsinteresse bedient und bestärkt, das realiter für die Menschheit völlig unwirtschaftlich ist und letztlich in die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen führt, ihre natürliche, politische und kulturelle Beziehungen ihrer Substanzen beraubt und ihre Verhältnisse zunehmend barbarisiert ↓(11).

Das bisherige Recht verhält sich nur zwischen privater Willkür und öffentlichen Interesse, die bisherige Politik zwischen Repräsentation und Bürgermeinung, die bisherige gesellschaftliche Macht zwischen dem Besitz an Produktionsmitteln und der existenziellen Ohnmacht der einzelnen Menschen. Der Abstand der Gegensätze ist überall immer größer geworden, die Kluft unüberwindbar. Die Auseinandersetzung der Menschen über ihre Lebensgrundlagen findet nicht nur im Arbeitsverhältnis sondern immer mehr auch in den Kommunen und Regionen statt. Es ist dringend notwendig, dass die Formen der Auseinandersetzung und politischen Entscheidungen sich verdichten, in die unmittelbaren Lebensverhältnisse hinein reichen und sich aus ihnen heraus sich erweitern und allgemein machen. Das alles setzt Kommunen und Regionen als politischen Raum voraus, der zu bewirtschaften ist, um eine wirtschaftliche Politik auch möglich zu machen und die Resultate der Auseinandersetzungen, die politischen Entscheidungen darin auch in ihren Wirkungen zu überprüfen. Ein neuer Diskurs hierüber hat längst begonnen. Immer mehr Menschen haben begriffen, dass sie selbst in die Geschichte eingreifen müssen, um sich dem Kreislauf der Zerstörung ihrer Lebensbedingungen entgegen zu stellen.

Es fehlen oft noch die richtige Worte, die Sprache, das Wissen und das Bewusstsein, wodurch diese Auseinandersetzungen immer mehr auf den Punkt gebracht werden, um den es geht. Dennoch sind auch in den Medien die kritischen Stimmen oft schon laut geworden, in kritischen Sendern schon deutlich genug. Das Eigentum der Menschen ist immer zugleich gesellschaftlich wie individuell. Das Privatrecht muss in ein wirklich gesellschaftliches Recht aufgehoben werden. Die Emanzipation gegen die Enteignung der menschlichen Lebensleistung, gegen die Einfalt der Funktionalität, gegen die auferlegte Verdummung, wird durch Kommunikation, also durch Sprache und Wissen, durch Bewusstsein eingeleitet. Die Menschen haben viel miteinander zu tun, sobald sie in Gesellschaft sind. Und das sind sie ganz konkret auch vor Ort, eben dort wo sie leben, aber auch weltweit, nämlich dort, wo sie verkehren. Ist ihr Selbsterhalt durch eine kommunale Subsistenzindustrie gesichert und durch eine internationale Vertragswirtschaft geregelt, wird die Verschuldungsmacht des Geldes nicht mehr funktionieren. Eine internationale Kommunalwirtschaft sollte das große praktische Ziel der derzeitigen Kritik sein.

 

↑(1) Dieses Spiel beherrscht die Welt. Es ist das Spiel mit der Zukunft, mit Erträgen, die noch so ungewiss sind, dass man darum Wetten abschließen kann. Es geht um das Geld, dass es noch gar nicht gibt, weil es noch kein Zahlungsmittel für etwas geben kann, das selbst noch nicht existiert. Es ist das Vermögen der Zukunft und der zukünftigen Generationen, um das hier gespielt wird. Insgesamt ist es ein Glücksspiel, aber eigentlich gar keine Wette. Denn Wetten sind Nullsummenspiele, in denen der Gewinner den Einsatz kassiert, der auch wirklich einbezahlt ist. Insgesamt geht es hier aber um eine Geldvermehrung durch fiktive Geldsummen, eine Anwendung von fiktivem Kapital, das sich selbst nochmal durch Prognosen auf mögliche Anwendungen fiktionalisiert, indem es sich durch solche Wetten immer weiter in den Raum unendlicher Möglichkeiten hinein katapultiert. Niemand hat das mehr im Griff. Die Globalisierung hat das vollkommen verselbständigt. Mit der Allgegenwärtigkeit von Geldbedarf und dem Versicherungssystem der Kreditvergabe bis hin zum "Europäischen Sicherheitsmechanismus" wird jede Geldeinlage immer weniger riskant. Weil Geld damit aber nicht wertvoller sondern nur unwertiger und auch auf dem Finanzmarkt nur immer billiger werden kann, werden vor allem die Summen hochgetrieben, um die es geht, auch wenn sie immer weniger Wert darstellen. Die Geldbesitzer können sich dabei also immer bereichern, soweit die Staaten dafür sorgen, dass die mangelnden Geldwerte durch Einlagen ihrer Bürger gesichert werden, durch Staatsschulden eben, für die sie verbürgt sind, auch wenn sie noch nicht mal geboren sind.

Die Globalisierung hat nicht einfach nur eine Deregulierung der Staaten bewirkt, wie das oft behauptet wird; sie hat eine völlig neue Regulierung ihrer Politik betrieben. Wo Geld verwettet wird, werden die Preise hochgetrieben, welche seine Äquivalente haben müssen. Man muss um die eigene Wirtschaft bangen und auch noch darum kämpfen, dass das Kapital noch im eigenen Geldkreislauf bleibt, noch irgendwelche Abgaben und Konjunkturvorteile und Arbeitsplätze einbringt. Wiewohl die Staaten und ihre Bürger der Rückhalt des ganzen Finanzsystems sind, müssen sie sich den Verhältnissen unterwerfen, welche das globale Kapital in Gang hält. Mit der Globalisierung wurde vor allem die Verwertung von fiktivem Kapital in Gang gesetzt, das im Finanzsystem auch noch verwertbar ist, wenn es keinen Wert darstellt, weil es durch die Bedrohung ihrer nationalen Märkte die Verknechtung der Staatsbürger Steuerzahler betreibt und zudem durch den Aufkauf von existenziellen Eigentumstitel wie Immobilien und Ressourcen ihre Lohnabgaben für Miete, Gas und Strom diktiert. Das System ist ein kompletter Unsinn und funktioniert vor allem durch existenzielle Gewalt, die die Lebensabhängigkeit der Menschen von ihrer Grundversorgung, ihren Sozialsystemen, Versicherungen und Renten. Da gibt man sich auch gar keine große Mühe mehr, das zu verbergen. Jeder kann es wissen, wenn er Schäubles Unterfangen begriffen hat, dass schon jetzt ein ausgeglichener Haushalt möglich sei. Auch wer das zu bezahlen hätte, dürfte inzwischen klar sein, wenn man weiß, dass schon von heutiger Rechnung aus in 20 Jahren die Rentenkassen 1,7 Billionen Euro im Defizit haben werden. Aber das wird niemand bezahlen können. Das ist das Neue, was die politische Ökonomie jetzt vorantreibt: Die Politik weiß, dass sie die Bevölkerung auspressen muss, weil es das Einzelkapital nicht mehr kann. Sie muss die Garantien des Geldverkehrs einlösen, die mangels Mehrwert aus der Produktion nur noch aus den Löhnen abzugreifen ist. Die Marktwirtschaft wird nun selbst auch ganz offen unsinnig, weil sie gegen sich selbst wirtschaften muss, gegen ihre eigene Zahlungssicherheit. Und genau dieser Unsinn prozessiert in den realen politischen Verhältnissen dann auch: Dort kann er sich nur durch Gewalt durchsetzen und wird vor allem Gewalt durchsetzen. Die klassische Ökonomie der bürgerlichen Gesellschaft ist damit überwunden.

↑(2) Man muss nur viel Geld einsetzen, viel Geld haben, Geld, das selbst schon nur ein Versprechen darstellt, das noch nicht mal seinen Wert realisiert hat, fiktives Geld, das im Grunde selbst schon eine Wette auf seine Wertrealisierung darstellt, weil nicht gewährleistet ist, dass es jemals in den realen Warentausch zurückkommt und also auch potenziell wertlos ist, Wert einzieht um als Geld überhaupt gelten zu können. Das Spiel mit dem Geld ist die Wette der Wetten, die absolute Wette, nicht um einen vorhandenen Reichtum, sondern als Spiel um die Macht, die Geldbesitz von Rechts wegen beanspruchen kann. Hohe Einsätze mit fiktivem Kapital verlegen unter solcher Bedingung die Risiken in die Wertbeschaffung, in die Arbeit der Menschen. Sie müssen es bringen, um überhaupt gesellschaftlich, also politisch existieren zu können. Aber die Wette geht vor allem gegen den Geldwert selbst, gegen das Geld der arbeitenden Menschen, gegen die Bürger, die für die daraus resultierenden Staatsverschuldungen bürgen müssen, die die Steuern, die Mieten, die Renten, Zinsen und Lizenzen bezahlen, die zum weitaus größten Teil keine Produkte, sondern vor allem nur Eigentumstitel darstellen und deren Privatrecht bedienen. Es sind eben vor allem die Schulden, das Schuldgeld und das ganze darauf errichtete Finanzsystem, welche die Mächtigen zu Gläubigern macht, deren Glauben alle hierdurch verschuldeten Menschen zu folgen haben. Der Kapitalismus ist zu einem überwiegenden Verschuldungssystem geworden, zum Feudum des Geldes, zu einem Kapitalfeudalismus.

↑(3) In einem wirklichen Spiel wäre eigentlich alles gut, auch wenn man verliert, weil es die Menschen verbindet, ihr Glück und Pech als Gemeinschaft erleben lässt, im Wettkampf eigene Kräfte schult und sich daraus bilden und entwickeln lässt, was das Leben bereichert und seinen Reichtum lebenswert sein lässt. Ein solches Spiel allerdings wäre elementare Freiheit, Freiheit ohne Notwendigkeit. Wo etwas Spiel hat, ist es völlig unbestimmt. Menschen können sich im Spiel frei entfalten. Sie spielen mit Gedanken, Vorstellungen oder auch mit Instrumenten oder mit ihren Kindern oder mit ihrer Zukunft und so weiter. Kinder, die nicht spielen dürfen, verhalten sich selbst wie ein Spielzeug, lassen mit sich spielen und können nicht wirklich erwachsen werden. Spielen ist wirkliche Subjektivität und Subjektbildung, freie Entwicklung der Fähigkeiten und Eigenschaften, die in der Arbeit und Lebensproduktion dann auch nötig sind, um die Notwendigkeiten des Lebens zu bewältigen und Reichtum für das Leben, Vielfalt und Verbundenheit, Sinn schlechthin zu schaffen. Spielen ist die Tätigkeit der Sinnbildung.

↑(4) Das Problem des modernen Kapitalismus ist das Resultat der 3. industriellen Revolution: Die Automation. Sie hat das Problem der Verwertung von menschlicher Arbeit dadurch auf die Spitze getrieben, dass mit zunehmender Automation diese Arbeit immer weniger Wert pro Produkt hat und also auch immer weniger Mehrwert beischaffen kann. Doch Mehrwert ist schon nötig, um das Geld in Wert zu halten, um also immer wieder den Wert zu schaffen, der im Geld erscheint und mit Geld bezahlt wird und durch die Konkurrenz der Preise auf immer höherem Wertniveau erneuert werden muss. Solange Geld das gesellschaftliche Bindemittel von Produktion und Konsumtion ist, funktioniert es eben nur durch Wertwachstum, durch Intensivierung der Wertproduktion. Und dem spielt die Automation entgegen. Doch der Kapitalismus kann weder von ihr lassen, weil sie in seinem Wachstum die Extraprofite der effektivierten Arbeit beibringt, noch kann er sie als wirklich als Fortschritt für die menschliche Arbeit nutzen, weil er sie nur zur Rationalisierung der Arbeit, also zur Beschleunigung der Produktion und zur Reduktion der Arbeitsplätze einsetzen kann. Was dem Kapital unmittelbare Vorteile im Konkurrenzkampf verschafft, verschärft die Konkurrenzverhältnisse der Menschen und wirft immer mehr Lohnarbeit aus der Produktion und zerteilt ihre Arbeit in unzählbare Splitter von Einzelarbeiten, die von immer mehr Menschen erledigt werden, die ihre Arbeit in immer engeren Preisspannen verkaufen können, sich also zunehmend dem Preisdiktat der hochtechnisierten Produktion beugen müssen. Damit wurde die menschliche Arbeit zunehmend aus der Industriellen Arbeit entfernt und in kleine Dienstleistungsbereiche oder Zulieferarbeiten partialisiert. Produktiv ist dabei nur noch das Zusammenfügen von automatisiert erzeugten Teilstücken, weil davon auch noch die Arbeit in den reichen Ländern zehrt. Die reproduktive Arbeit, also die Herstellung von Produkten zur Subsisienz der Menschen, die Nahrungsmittel, Kleider, Möbel, Kommunikationsmittel, also die Technologie für den Hausgebrauch, werden inzwischen in weit ärmeren Ländern hergestellt, wodurch der Wert deren Arbeit durch die Währungsverhältnisse als Mehrwert importiert werden kann.

↑(5) Microsoft und die Konzerne der Lebensspiele verdanken dem ihre Existenz. Wirkliche Arbeit bringt nichts mehr ein. Nimm sie leicht. Die Spiele sind! Sie sind hart, der Einsatz ist hoch, aber im Schnitt gewinnt man doch irgendwie immer. Aber letztlich geht es dabei doch immer nur um Geld, um einen Job, der Geld einbringt und auch das Material einer gelingenden Kulturaneignung ist. Und die Jobs sind das eigentliche Problem in einer Gesellschaft, in der immer weniger wirklich produktive Arbeit als gesellschaftliche Lebenswelt existiert, weil das, was die Menschen ernährt und zu ihrem Erhalt und ihrer gesellschaftlichen Entwicklung dient, immer mehr Wert durch den Import von Waren unter dem Diktat einer Billigwährung getragen wird, deren Herstellung als Lebensaufwand in ferne Welten externalisiert ist, damit ihr Konsum schon selbstverständlich, als Lebensbedingung im eigenen Lebensraum internalisiert ist. Geld ist gegen alle Unterschiede gleichgültig, ist nur davon abhängig, dass sie existieren, dass Geld benötigt wird und also auch Geld immer wieder durch Verausgabung von Lebenskraft erzeugt wird. In dieser selbstverständlichen Gleichgültigkeit gegen alle Unterschiede des Lebens stellt Geld eine gesellschaftliche Lebensbedingung dar, die immer weniger wirkliches Leben enthält, weil es fremdes Leben nur noch mitteilt und vermittelt, um eigenes Leben erlebbar zu machen. Geld als Lebensvermittlung wird selbst zu einem Lebensmittel für die Klasse der Geldverdiener. Alles andere wird zu deren Mittel und die Menschen, die dar gerade mal weniger oder überhaupt nicht dienlich sein können, zu einer gesellschaftlichen Randgruppe, zur Randbevölkerung in den Städten und Kommunen, den Ländern und Staaten und den Kulturen auf der ganzen Welt. Was scheinbar wie von selbst entsteht, gilt dann auch allgemein als das Produkt der Selbstentfaltung der teilnehmenden Persönlichkeiten. Mal ist es ihr Gewinn und mal ihr Verlust, oft eben auch ein Resultat ihres persönlichen Versagens. Die Welt jedenfalls scheint nur noch aus diesen Persönlichkeiten zu bestehen und so wird durch diese Ideologie der Selbstentfaltung der Kreis von Winner und Looser geschlossen. Nichts als diese Persönlichkeiten selbst kann dann Grund und Ursache des Glücks oder des Verfalls der Lebensverhältnisse sein, in denen die lebendigen Verbindungen de facto ausgeschaltet sind.

↑(6) Mit dem ausgesprochen erhellenden Beitrag von Helmut Ebert (Rheinische Friedrich-Wilhelms Universität Bonn) liegt nun eine Analyse mit der Methodik der Frame-Semantik vor, die die bisherigen kritischen Einschätzungen nicht nur bestätigt, sondern auch vertieft und sogar übertrifft. Die Stiftung, so könnte man pointieren, greift auf unsere intellektuellen Grundmodelle (Frames) zu und versucht dort Bedeutungsverschiebungen vorzunehmen. Wer nicht bemerkt, was die trojanischen Heilsvokabeln der Stiftung tatsächlich transportieren, läuft Gefahr zu einem Frame-Insassen zu werden, dem zwar unbenommen bleibt, sich zu jeglichem Thema vermeintlich frei zu äußern, der aber gleichzeitig zum unfreiwilligen Erfüller und Multiplikator der semantischen Umprogrammierung wird. Die Methodik Eberts legt die strategische Zubereitung der Stiftungstexte offen und liefert dadurch eine Erklärung für die Erfahrung von Fremdheit und Missverständnissen in bildungspolitischen Dialogen, wo Kritiker zwar Phänomene und Argumente vorweisen können, aber trotzdem kein Gehör finden, weil Gesprächspartner nur Frame-konsistente Informationen aufnehmen können (›Kritik bitte nur konstruktiv, ergebnisorientiert und zielführend!‹). In politischer Hinsicht ist die Strategie des Frame Governance, also des Regierens durch die Etablierung und Kontrolle der inneren Modelle in hohem Maße bedenklich, da nicht nur die Öffentlichkeit, Lehrer und Professorinnen, sondern auch Journalisten und Politiker von diesen Transformationen ihrer kulturellen Grundorientierungen betroffen sind. Böse gesagt: Meinungsfreiheit und Demokratie verkümmern zu beiläufigen Oberflächenphänomenen, wenn die Herrschaft über die Frames ebenso clandestin wie autoritär durch Akteure anonymer Steuerungseliten übernommen wird. (Quelle Bertelsmann-Website - Zugriff 14.4.2014)

H. Ebert: Dekonstruktion des Bertelsmannschen Bildungsbegriffs
Frame Governance – Von der sanften Steuerung unseres Denken, Sprechen und Handelns am Beispiel der Bertelsmann Stiftung. Dort heißt es:

"Besseres Lernen, ein Leben lang: Bildung fängt vor der Schule an und endet nie, denn Bildung ist mehr als Wissen. Bildung ist die Basis für ein erfülltes Leben und soziale Teilhabe. Eine leistungsfähige und demokratische Gesellschaft braucht möglichst viele gut gebildete, handlungsfähige Menschen. Der internationale Wettbewerb und die wachsende Vielfalt in unserer Gesellschaft stellen unser Bildungssystem vor neue Herausforderungen. Wir müssen die Bildungsqualität steigern, allen Menschen von Geburt an individuelle Lernwege eröffnen und dadurch gerechte Bildungschancen ermöglichen. Jeder muss bereit sein und die Möglichkeit haben, kontinuierlich hinzuzulernen. Investitionen in Bildung sichern die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und fördern Integration und gesellschaftliches Engagement.” (Zitat Ende)

http://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/kleine-dekonstruktion-des-bertelsmannschen-bildungsbegriffes.html

Die Textanalyse soll folgende Fragen beantworten: (1) Um was für eine Art von Text handelt es sich? Soll er informieren, aufklären, eine bestimmte Sicht der Dinge propagieren, werben usw.? (2) Welche Frames (Wissensrahmen) können identifiziert werden, die mittels der Lexeme (Wörter) evoziert werden? Welche Rolle spielen die so aufgerufenen Frames für die Schlussfolgerungen (Inferenzen) der Leser? (3) Ist es möglich, eine dem Text zugrundeliegende „subjektive Theorie“ zu rekonstruieren? (4) Welche Mechanismen können identifiziert werden, die darauf abzielen, Bewusstseinszustände von Lesern zu verändern? (5) Wie immunisiert sich der Text gegen Widerlegung oder Widerstand?
Die wesentlichen Methoden, die hier zur Anwendung kommen, sind die Frame-Analyse (nach Busse u. Ziem) in Verbindung mit einer Relevanzanalyse (nach Zelger). Die Textanalyse wird ferner um wort- und satzsemantische, funktionalstilistische und diskursanalytische Hintergrundannahmen bereichert.
Ein Frame ist eine mentale Struktur, die aus einem Frame-Kern (Thema des Frames) besteht und aus einer bestimmten Konstellation von Wissenselementen, die um den Kern herumgruppiert sind. An wenigen sprachlichen Schlüsselmerkmalen erkennen wir, welche Frames gemeint sind. Man vergleiche die Sätze „Er hatte zwei Stunden an Land verbracht“ / „Er hatte zwei Stunden am Boden verbracht“. Diese Wissenselemente sind keine absoluten Elemente, sondern sie sind immer an die Perspektive eines Individuums oder eines Kollektivs gebunden bzw. auf die gewünschten Perspektivenübernahmen durch Leser hin berechnet. Individuelle Frames repräsentieren individuelle Erfahrungen, kollektive Frames repräsentieren die Erfahrungen von Gruppen, die zu einer (partiell) gemeinsamen Sehweise „sedimentieren“. Neben Erfahrungen können auch andere Wissensformen zu Frames verdichtet werden: Interessen, Images, Grundüberzeugungen („belief systems“).

Es gibt eben viele "Frames", in denen Gutes möglich sein soll. Das "gute Leben", die "gelingende Beziehung", der "perfekte Job" usw. Das positive Resultat ist die einzige Bestimmung unter einer einzigen Fragestellung: "How to do?" Es war schon immer eine amerikanische Frage aus dem amerikanischen Traum vom erfüllten Willen: Wie kann ich sein, was ich nicht bin, was ich aber sein will? Das Werden selbst ist bloßes Mittel, ohne dass der Weg erkannt sein muss. Dazu gehört lediglich ein positives Begriffsequipment, eine weichgespülte Sprache und eine Selbstdarstellung, die sich wie eine Selbstbezichtigung aufführt. Keine Sachlichkeit und keine Sache ist dabei gegenwärtig, sondern der bloße Wille zu einer guten Position, die gute Formulierung von guten Absichten, die erst hinter dem Gesprochenen verwirklichen, was damit wirklich und eigentlich gewollt war. Die Logik des Geldes wird damit bestens bestärkt, weil Geld nur funktioniert, solange sich die Menschen seinen Zwecken unterwerfen, solange sie eben den Zwängen der Marktwirtschaft gehorchen und sich in ihr verwirklicht sehen.

↑(7) Weil sich das Faktische dann auch wie von selbst verstehen lässt, lässt sich darin auch leicht das Gute und das Schlechte unterscheiden. Gut ist, was gut tut, was also dem entspricht, was nötig ist ohne notwendig zu sein. Nichts muss das mehr begriffen werden, weil alles schon begriffen sein soll, wenn es die Menschen ergreifen kann. Es entstehen hierdurch zirkuläre Begrifflichkeiten einer Güte, die sich an einer bloßen Funktionalität ausrichten, sich an den Funktionen orientieren, wo sie nicht funktionieren, aber gut sein sollen, wenn sie wieder funktionieren. Da ist nicht mal mehr eine Ideologie nötig, eben weil die Disfunktion nur noch stört. Das Urteil ist gefallen, bevor es gesprochen wird. Es geht also nicht einmal mehr um eine Ideologie, sondern Verkittungen der Sprache, um einen Kitsch an Formulierungen, die nichts mehr ausdrücken als eine Stimmung. Eine Ideologie hätte zumindest eine Seite der Wirklichkeit zur Grundlage ihrer Idee, ist eine Idealisierung von Gegebenheiten, die sich wie von selbst verstehen lässt, weil darin zumindest ideell aufgeführt wird, was ihre allgemeine Güte ausmachen könnte, wenn es nicht real einfach nur das Gegenteil wäre. Hier geht es aber nur noch um eine bloße Vorstellung von einem Funktionieren, bei der die extrahierte Güte gegen die Wirklichkeit freischwebend im Konditional gehalten wird: Was könnte denn gut funktionieren, wenn es nicht gestört wäre? Was muss man tun, um die Störung zu beseitigen? In solcher Fragestellung ist die Reaktion schon enthalten. Es interessiert nur die einfache Beseitigung des Übels durch eine Vorstellung, die ihm allerdings immer schon vorausgesetzt war, auch wenn sie noch nie richtig funktioniert hatte. Man muss es nur besser machen, ohne auch nur irgendetwas von dem zu verstehen, was schlecht ist. Die Liste der Verbesserung wird dabei natürlich schnell endlos sein.

↑(8) Die Krisen der Verwertung werden zu Krisen in den Arbeitsabläufen selbst, weil das nach Maßgabe der Sachzwänge total erfasste Individuum seine persönliche Individualität vor allem hiergegen entwickelt. Der Abstand zwischen Arbeit und Management wird immer größer, die Befähigung immer abstrakter, das Interesse immer selbstsüchtiger. Wo die kommunizierten Zusammenhänge für die Arbeit wesentlich sind, wird der Funktionsausfall immer totaler und immer teuerer, gleich ob in der Industrie oder der Politik oder in den Verwaltungen. Das beklagen die Wirtschaftsfachleute ebenso wie die politischen Führungskräfte, die Chefs der großen Automobilhersteller ebenso wie die politischen Repräsentanten eines Staates, der sich immer mehr von seiner Bevölkerung entfernt, weil er seine Politik immer mehr gegen sie richten muss. Da geht immer weniger gut, weil nicht das Funktionieren die Verhältnisse bestimmen kann, sondern die Verhältnisse längst selbst schon disfunktional, anachronistisch sind.

↑(9) Geld wäre nur ein Preisschild, das einmal in der Tasche eines Käufers sein Vermögen quantitativ darstellt und auf der anderen Seite das Quantum der damit eintauschbaren Güter auf dem Markt etikettiert, würde es nicht einen gesellschaftlichen Tauschwert darstellen, einen Wert, der in der Erzeugung des damit versehenen Gegenstands dem Leben der Erzeuger entspringt und mit dem Konsum im Leben der Käufer untergeht. Geld stellt ein Lebensverhältnis so dar, wie es die Waren sowohl als Produkte wie auch als Tauschwerte auf den Märkten darstellen. Geld stellt also ein marktwirtschaftliches Lebensverhältnis dar, das den Wert einer Arbeit und den Preis für die Nutzung oder Vernutzung ihrer Produkte formuliert.

↑(10) Real entsteht Geld im Tausch der Arbeitsprodukte auf den Märkten der Welt. Der Handelsüberschuss der reichen Länder ist die Grundlage für ihren Geldwert überhaupt, solange die Exporte funktionieren. Dort muss die Exportmacht, die Technologie und Handelsmacht gesichert sein, während ihre Binnenmärkte sich nur mehr mit Dienstleistungen bewegen, soweit sie nicht dem Export dienen. Die bürgerliche Gesellschaft, die noch auf dem einfachen Tausch von nützlichen Dingen und Eigenschaften beruhte, die durch Arbeit entstanden und bewertet und vom Kapital verwertet wurden, ist am Ende. Die Produktivität bewirtschaftet die Extraprofite der Reichen, deren Geld zunehmend zu einer Glaubenssache geworden ist, weil man nur noch an die Geldwerte einer Wirtschaft glauben muss, die als Grundlage einer Dienstleistungsgesellschaft vorhanden sein müssen. Die weltweit gehandelte Produktivität bringt aber immer wertlosere Produkte auf den Markt, weil immer weniger Arbeit pro Produkt nötig ist. Reale Tauschwerte, welche den Wert der Arbeit darstellen können, weil sie reale Existenzen mit realen Gebrauchswerten erhalten, sind weltweit aufgeteilt in unterschiedlichen Lebensbedingungen. Eine reale Arbeiterklasse gibt es nicht mehr, wohl aber Nationen, die um ihren Erhalt kämpfen, und dies durch ihre Politik an ihre Bevölkerung vermitteln.

Anders in den reichen Ländern. Wer im reinen Geldverhältnis die Macht hat, kann auch die Preise machen. Man nennt das dann immer noch Angebot und Nachfrage. Aber die Nachfrage herrscht immer, solange die Gesellschaft nicht die Bedürfnisse der Menschen, die Nöte ihrer Existenz zu ihrer Grundlage hat, sondern nur für einen Markt produziert, auf dem die Verhältnisse des Geldes solange herrschen, wie man für reines Geld arbeiten muss, um durch den Besitz von Geld leben zu können - und sei es auch nur ein Handgeld gegen die größte Not von Jetzt auf Nachher. Die Angebote bestimmen die Mächtigen. Ihre Preise machen die Musik, nach der alles zu tanzen hat. Es geht dabei weniger um die Lebensmittel und die Produkte der so genanten Realökonomie. Es geht um die Preise des Lebens selbst, um die Lebensumstände, um Dach und Unterkunft, Energie, Ressourcen, Kommunikation, Gesundheit und Verkehr. Wer für diese Lebensbedingungen arbeiten muss, der muss arm sein, und der muss auch arm bleiben, weil er sie durch seinen Arbeitslohn niemals verdienen kann. Das Geld, das er verdient und dessen Wert nur durch Eigentumstitel dargestellt wird, stellt auch nur die Gewalt dar, die diesem Eigentumsrecht unterstellt ist. Die Macht dieser Verhältnisse ist zu einer Gewalt über die Lebensverhältnisse geworden, die nur noch die Rechtsinhaber ausüben können: Der Staat und das Finanzkapital.

↑(11) Diese Entwicklung ist schon jetzt absehbar. Arbeitslosigkeit wirkt immer vernichtender, weil sie immer weniger temporär ist. Die Arbeitslöhne fallen weiterhin hinter die Lebenshaltungskosten zurück und verstärken sich im Billiglohnbereich prekärer Existenzen. Die realen Geldwerte fallen weit ab unter die idealen Geldwerte der Zahlungsversprechen des reinen Buchgeldes, das von den Banken verwirtschaftet wird. Die realen Kassen sind immer knapper bestückt, während immer größere Schuldverpflichtungen in anonymisierten Verwertungsversprechen hochgehalten werden. Die Sozialkassen, die Rentenkasse und die Kommunalkassen sind schon weitgehend ohne Deckung. Die Ausgabenverpflichtungen für Löhne und Sozialleistungen und das Budget für Reparaturen für das Verkehrswesen, die Kultureinrichtungen, das Gesundheits- und Bildungswesen können den Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Die Vorsorgeeinzahlungen in die Rentenkasse sind großen Teils bereits geplündert oder verpfändet, der kommunale Lebensstandard gedrosselt und gesellschaftliche Naturressourcen, öffentliche Verkehrsmittel, Grundstücke und Räume an Privatanleger verkauft, während die Mieten und Gebühren und Abgaben stetig ansteigen.