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Thesen zu diesem Text: "Auf dem Weg in eine andere Gesellschaft."

 

Wolfram Pfreundschuh (8.12.2006)

Am Ende der bürgerlichen Gesellschaft:
Zwischen Feudalkapitalismus und internationalem Kommunalismus

Fünfter Teil:

Solidarische Ökonomie und internationaler Kommunalismus

Heute soll es in unserem Beitrag um Vorstellungen gehen, wie diese Gesellschaft so zu ändern ist, dass sie zu einer von den Menschen auch wirklich bestimmten Gesellschaft wird. Wir sind schon von mehreren Seiten her zu dem Schluß gekommen, dass diese Gesellschaft einen grundsätzlichen Widerspruch hat, durch welchen sie den Menschen nicht entsprechen kann, ihre Arbeit und ihre Bedürfnisse nicht so aufeinander zu beziehen vermag, wie sich die Menschen darin einbringen. Der Reichtum dieser Gesellschaft, wie er von den Menschen und ihren Produktionsmitteln geschaffen wird, widerspricht der Wertmasse, den er für das Kapital darstellt. Das hat sich zu einem Problem entwickelt , das selbst nicht mehr innerhalb der Bestimmtheit dieser Gesellschaft aufgelöst werden kann. Die Produktivität, die sie hervorgebracht hat, führt dazu, dass die Menschen immer weniger arbeiten müssen um sich zu reproduzieren und ihren Lebensstandard zu verbessern. Aber das Wertgesetz verlangt, dass sie immer mehr verbrauchen müssen, um dem Kapital noch hinreichend viel Rendite zu verschaffen. Ihre Löhne müssten allgemein ständig wachsen, um den Kapitalumschlag der Produktion aufrecht zu erhalten, und das Einzelkapital kann dies nicht finanzieren, um seine Profite zu gewährleisten. Das Kapital steht sich allgemein im Einzelkapital selbst im Weg und hat seinen Ausweg vorübergehend in der allgemeinen Masse des Weltkapitals gesucht, das sich zum größten Teil als rein fiktives Kapital in jede Produktion einlässt, um Gewinne zu schöpfen, wo sie noch möglich sind, und sich aus ihr sofort zu entziehen, wo Verluste entstehen. Die nur auf den Gewinn lauernde Kapitalinvestition kostet unendlich viele Arbeitsplätze, was der Neoliberalismus als einzigen Weg aus der Krise des Kapitals ansieht und in Kauf nimmt. Mit 35 bis 70 % Arbeitslosigkeit wird dort schon gerechnet.

Zugleich kann immer weniger Kapital wirklich zur Mehrwertproduktion verwertet werden, obwohl immer mehr Kapital sich als Spekulationsblase im Umlauf der Börsenmärkte befindet. Inzwischen werden nur noch 2 % des vorhandenen Kapitals produktiv eingesetzt und die müssen einen Kapitalumlauf in Gang halten, der beständige Anwendung erfordert, ohne dass Kapital dabei produktiv investiert und konsumiert werden kann. Das Kapital vernutzt nur noch die Ressourcen der Welt, ohne ihr irgendeinen wirklichen Reichtum zu vermitteln.

Selbst die exklusiven und dereinst radikalen Verfechter des Kapitalismus wie z.B. Heiner Geisler und Norbert Blühm müssen nun einsehen, dass er so nicht mehr fortbestehen kann. Das Kapital ist auch in ihrem Sinne unwirtschaftlich, für jede Beschäftigungspolitik unmöglich geworden. Nur noch Machtgier kann Menschen zu Politiker machen. Doch die ist weit verbreitet. Das Kapital selbst stellt nur noch eine bloße politische Macht dar, die immer weniger reale ökonomische Notwendigkeiten einlöst. Der Kapitalismus ist insgesamt und überhaupt zu dem geworden, was er einst überwunden hatte, eine Art Feudalherrschaft, die nur noch bestimmt, was ihm Wert ist und der Verwertung dient. Von daher ist er nur noch politische Herrschaft, die ökonomisch unnötig geworden ist, einer Macht, die nur noch in einem immer bodenloser werdenden Verwertungswahn der Aktiengesellschaften Mensch und Natur und Lebensbedingungen auszehrt.

Wir hatten das letzte Mal auch darüber gesprochen, dass ein Weg aus diesen Machtverhältnissen nicht über eine gerechtere Verteilung von Geld verlaufen kann, weil Geld immer nur Geldbesitz bedeuten kann, der abhängig ist von den Preisen und von daher niemals gerecht ist, denn Preise werden von denen bestimmt, die etwas haben, was andere nicht haben. Und wo das Kapital selbst das ausschließliche Besitzverhältnis ist, bestimmt es eben auch alles andere. Höhere Löhne sind nur so lange hoch, bis die Mieten und Reproduktionspreise erhöht werden. Die Reallöhne sinken trotz Lohnerhöhungen stetig - seit 1981 um 18 %. In derselben Zeit verfünffachte sich der Geldbesitz der Millionäre, die 1% der deutschen Bevölkerung darstellen. Der Kapitalanteil am Volkseinkommen hat sich allein von 1991 bis 2004 von 50,7 % auf 60,5 % erhöht.

Doch das alles ändert sich nicht wesentlich, wenn sie ihr Geld abgeben, denn das Geld stellt nicht wirklichen Reichtum, sondern wesentlich politische Macht dar, solange es in den Händen der Besitzer von Grund und Boden und Produktionsanlagen und Infrastrukturen und der gesellschaftlichen Entwicklungspotenzen ist. In den Händen der Normalverbraucher wäre es nur sehr kurzzeitig von Wert, weil es sich im Konsum schnell verzehrt und nicht zur Produktion zurückkehren würde – es sei denn, die gehen damit an die Börse und würden damit ihre eigenen Arbeitsplätze zerstören. Geld im reinen Konsum würde ziemlich schnell seinen Geldwert nivellieren. Es würden sich die Preise im Maß des gewonnenen Geldes erhöhen und sich daher lediglich der Rechenwert des Geldes verändern. Das eben macht Kapitalismus aus.

Geld stellt nämlich nur Wert dar. Dieser Wert hat jenseits des spekulativen Kapitals immer nur die Größe der gesellschaftlich durchschnittlich notwendigen menschlichen Arbeitszeit, welche die Produktion eines Gegenstands erfordert. Und weil die durch die steigende Produktivität immer geringer wird, wird das Kapital auch immer unproduktiver und die Kapitalmacht des spekulativen Kapitals immer bodenloser. Sie besteht fast nur noch als politische Macht des Kapitalbesitzes, der Lizenzen, Agenturen, Energie- und Verkehrskonzerne, der Banken und der großen Entwicklungstechnologien und betreffen fast nicht mehr die einfache Reproduktion der Menschen, die unmittelbaren Notwendigkeiten gesellschaftlicher Arbeit.

Das Fenster der Geschichte

Das ist die große Chance, welche die Menschen haben, um die gesellschaftlichen Verhältnisse zu den ihren zu machen. Und die Zeit dafür ist reif: Noch nie waren so viele Menschen sich darüber im Klaren, dass das Wertwachstum, welches der Kapitalismus nötig hat, die größte Gefahr für sie, für ihren Arbeitsplatz, für die Zukunft ihrer Kinder, der Natur usw. ist. Die Selbstrettungsversuche des Kapitals durch Kriege, Eroberungen, Preisdruck, Naturzerstörung und sonstige Gewaltanwendungen haben immer weniger Erfolg und belasten zudem die Staatskassen zu einem Anteil, der sich kaum mehr erwirtschaften lässt. Die Menschen sind immer deutlicher auf sich verwiesen; ihre Altersvorsorge-, Gesundheits- und sonstige Sozialsysteme, welche der kapitalistische Staat bisher mehr oder weniger zur Verfügung stellen konnte, versagen zunehmend. Die noch nicht geborene Generation kann, wenn sie die zu ihrer Lebenszeit angewachsenen Staatsschulden einmal begleichen sollte, auf keine freie Existenz mehr hoffen. Schon vor ihrer Geburt ist sie durch diese Schulden restlos verdingt. Es ist klar: Die Menschen und die Natur haben mit dem Kapitalismus keine Zukunft.

Und auf der anderen Seite haben die Mittel des Lebens und der Kommunikation eine Gesellschaftlichkeit erlangt, die es bisher noch nicht gegeben hat. Die Verständigung unter den Menschen war noch nie so einfach und billig. Die Werbeträger erweisen sich selbst als Kommunikationswerkzeuge. Allein um sich publik zu machen, schmeicheln die großen Medien und Unternehmen im Internet durch Diskussionsforen und Datenbanken, die sie öffentlich nutzbar machen. Darin stellen viele ihr Wissen frei zur Verfügung und geben Programmiersprachen und Kenntnisse unentgeltlich weiter. Hervorragende Projekte wie Wikipedia und – in aller Bescheidenheit sei es gesagt – das kulturkritische Lexikon bieten weitaus umfassenderes und konkreteres Wissen an, als dies je durch gut bezahlte Wissenslieferanten von Bertelsmann und Co erreichbar ist. Bewusstsein über die bestehenden Lebensverhältnisse kann sich hierdurch immer leichter entwickeln und beweisen und sich ohne große Aufwände mit dem Wissen befassen, das längst schon besteht. Und auch Agenturen werden zunehmend überflüssig. Je mehr sich die vielen arbeitslos gewordenen Programmierer um Programme bemühen, welche unentgeltliche Verbindungen schaffen.

Auch die Medien können sich nicht mehr darauf beschränken, zu informieren, wie es geboten erscheint und zu erhalten, was geboten werden kann. In den Medien herrscht selbst auch Bedarf an konkreten Auseinandersetzungen. Dort führen sich inzwischen die Macher dieser Welt öffentlich selbst vor und geben ihre oft bescheidenen Denkhorizonte preis. Nichts bleibt mehr verborgen. Hierarchien machen keinen Sinn. Und freie Radios vertreiben ungehindert Sendungen wie diese hier, worin auch Hintergründe erhellt und neu Ziele der Politik entwickelt werden können.

Und auch die Minitechnologien des Haushalts, die Werkzeuge und Küchengeräte sind allgemein erschwinglich geworden. Kleinautomaten und Geräte zur Reproduktion besitzen die meisten Menschen selbst oder sie können sozial verfügbar gemacht werden. In Gruppen und Vereinen und städtischen Einrichtungen sollten auch die damit arbeiten können, die nicht die Mittel zur eigenen Anschaffung besitzen. Viele Mittel des täglichen Lebens, z.B. Backmaschinen, Verkehrsmittel, Waschmaschinen, Computer, Küchen, Früchte, Landwirtschaft, Werkstätten, Winzereien, Fischereien, Metzgereien usw. lassen sich selbst organisieren. Sogar die Energieversorgung wird schon von einigen Dörfern und Kleinstädten in Eigenregie betrieben und erweisen sich in der neu gewonnenen Synergie und durch die Energierückkopplungen auch als weit effektiver und günstiger als die fossile Energiewirtschaft der Energiekonzerne und Aktiengesellschaften. Die Landwirtschaft wird lediglich politisch zu Verkaufspreisen gezwungen, an denen sie scheitern muss, damit die Importe aus den Billigländern volkswirtschaftlich verwertet werden können. Die einfache Reproduktion ist einfacher geworden und nicht mehr allmächtige Bedingung zur Knechtung durch Lohnarbeit jeder Art. Die Reproduktionsarbeit ist in die Haushalte selbst schon vorgedrungen, auch wenn sie bisher zugleich noch eine gewaltige Selbstausbeutung darstellt. Aber subalterne Arbeit im herkömmlichen Sinn ist out und Selbstbewusstsein hat andere Grundlagen gefunden. Organisch ist der Produktionsprozess jedem zumindest in der Anschauung zugänglich und von da her auch in der Teilung der Arbeit nicht mehr fremd. Allgemein durchsichtig wird dadurch immerhin, was Arbeit wirklich und im Zusammenhang der Menschen und ihren Bedürfnissen ist. Es bedarf keiner großen Abstraktionsmacht mehr, keine Institutionen, Anlagen oder Agenturen. Und so schmilzt auch der Dunkelraum, in welchem Vermittlung sich wertvoll zu machen sucht, zur Größe eines Computerbildschirms zusammen. Es könnte diese Welt leicht auch ohne große Wertanlagen funktionieren, wenn die Menschen in der Lage wären, ihre Vermögen selbst zusammenzutragen, wenn sie genug Vermögen hierzu hätten

Lediglich die Großanlagen der Entwickler, die Banken, Aktiengesellschaften, Broker und Grundeigentümer betreiben durch ihre Finanzpolitik, durch ihre Verfügung über Lizenzen, Immobilien, Renten und Vorsorgeversicherungen eine Machtpolitik der Finanzwirtschaft, welche sich den menschlichen Lebensverhältnissen noch entgegenstellt. Indem sie die bestehenden Industrieanlagen und Energieversorgungen durch ihre Verwertungsinteressen bestimmen, Arbeitsplätze der Aktiengesellschaften trotz akzeptaler Wirtschaftserträge kündigen, die letzten Ressourcen der Natur ihren Aktionären überlassen und Gelder des Devisenmarktes zur Wertdeckung aufzehren, betreiben sie eine Weltmachtpolitik des Geldes.

Aber ohne die Abhängigkeit der Menschen von ihnen, geht nichts. Auch wenn sie noch weite Bereiche der größeren Infrastruktur beherrschen, so lassen sich deren Verwertungsmöglichkeiten durch eine den Menschen entsprechende Kommunalpolitik ausblenden. Wenn in den Kommunen deren Angebote gekappt werden, ihre Energie nicht genutzt wird, ihre Rohstoffe durch Alternativen ersetzt werden, ihre Billigpreise ignoriert werden, wenn das Nötige zum Leben – und sei es auch nur ein wesentlicher Teil der Selbsterhaltung - durch kommunale Gemeinwesen selbst hergestellt werden kann, so verlieren die Marktpreise ihren Zweck. Wo die Notwendigkeit der Selbsterhaltung nicht mehr zur Erpressung von Mehrwert taugt, da sieht die Welt ganz anders aus. Es geht daher zu allererst um eine kommunale Sicherheit der Selbsterhaltung durch kommunale Einrichtungen und Anlagen.

Wenn hinreichend viele Menschen darauf aufmerksam geworden sind, dass auch das Große nur eine quantifizierte Form des Kleinen ist, wenn sie sehen, dass es Sinn für sie macht, ihre Fähigkeiten zusammenzutragen, dann könnte auch vieles zustande kommen, was jetzt noch in der Stille des Privaten oder in der Arbeitslosigkeit verloren geht. Die kommunalen Einrichtungen und Verkehrsmittel wären durch Eigenbetrieb und kommunalwirtschaftlicher Energieproduktion weitaus einfacher und effektiver zu betreiben. Auch Fabrikanlagen, die nicht mehr für Aktionäre funktional sind, lassen sich leicht von den Arbeitern übernehmen, die damit der Arbeitslosigkeit entgehen und lokal sinnvolle Produkte erzeugen, die nicht länger der Mehrwertproduktion nutzen.

Wir befinden uns in einer allgemeinen Situation des Umbruchs, die davon gekennzeichnet ist, dass sich Wertanlagen nicht mehr rentieren werden, wenn die Menschen sich dem Kapital entziehen. Und das tun sie zumindest teilweise inzwischen weltweit, zumindest in Europa und Lateinamerika. Durch die Bestärkung ihrer kommunalen Verhältnisse werden die Weltverbindungen des Kapitals Stück um Stück gekappt. Ein internationaler Kommunalismus, der von einem direkten und vertraglich bestimmten Austausch der Kommunen getragen würde, könnte die größte Not in der Welt und die Monokultivierung der Abhängigen aufheben.

Was kann "solidarische Ökonomie" meinen?

Vielerorten sind schon Initiativen entstanden, die sich um Selbstversorgung bemühen, sei es mit eigenen Energieanlagen oder durch kollektive der Landwirtschaft oder durch Handwerkerzusammenschlüsse oder durch selbstverwaltete Betriebe oder Zusammenschlüsse anderer Art. Es ist heute nicht mehr schwer, selbst initiativ zu werden. Aber die Grundversorgung der Menschen macht immer noch große Probleme, wo die kommunalen Mittel hierfür fehlen. Und das hindert noch viele Menschen daran, ihre Reproduktion mit anderen Menschen zusammen zu ihrer Sache zu machen und ihre Lebenswelt hierfür zu öffnen. Es kann dabei auch nicht wirklich nur durch das Zusammengehen von Einzelinteressen funktionieren. Es geht um ein neues kommunales Lebensverhältnis, das innerhalb der bestehenden Gesellschaft zu errichten ist.

Technisch wäre es längst machbar, wenn die Grundlagentechnologien durch die Gemeinden angeschafft, Automaten und Maschinen zur Grundversorgung kommunal installiert werden könnten. Es taugen hierfür vielleicht auch Gesetze, wonach die Gemeinden sich zu den Sachwaltern der Anwendung machen und als solche mit deren Produzenten verhandeln, die Verkäufer also zu einer Vorleistung verpflichten, wollen sie in ihrem Ort am Ertrag teilhaben. Wo die abstrakte Vermittlung nicht mehr verläuft, da könnte sich vieles auch im herkömmlichen Sinne selbst finanzieren und regeln lassen. Denn die Menschen können nicht mit Geld überleben, wenn es keinen Ort mehr hierfür gibt, damit also nichts mehr zu kaufen ist. Würde die unentgeldliche kommunale Selbstversorgung mit Wohnungen, Energie, Grundnahrungsmittel und Reproduktionseinrichtungen gelingen, so wäre der Kapitalismus erledigt. Denn der Reproduktionszwang, also die durch das Kapital erzeugte Existenzangst, ist die einzige Grundlage seiner Macht, durch welche er die Menschen zu der ihm dienlichen Mehrarbeit nötigen kann. Sind sie erst einmal frei hiervon, so sind sie auch in der Lage um den Sinn und Zweck der Mehrarbeit sich selbst auseinanderzusetzen und die ihnen entsprechenden Mehrprodukte zu erzeugen und den Arbeitsaufwand der späteren Nutzung entsprechend zu verteilen. Wer mehr arbeitet, soll auch mehr haben. Es wird hierfür ein neues Verteilungsverhältnis nötig sein, z.B. ein Computergeld als Chipkarte, die nur regional und innerhalb bestimmter Zeiträume gültig ist. Oder auch anderes.

Jedenfalls müssen wir uns auf einen Zusammenbruch der bisherigen Sozialsysteme einstellen, uns zu den Auflösungsprozessen der Arbeit wie der Sozialleistung, der Grundversorgung wie der Rente verhalten. Der Niedergang der Betriebe und Landwirtschaften ist längst im Gang. Die Kommunen zerbrechen an den Soziallasten und den immer geringeren Steuereinnahmen. Die Mehrarbeit wird keinen Wert mehr bringen, wenn es keine Arbeit hierfür gibt. Es wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass mit einem entsprechenden Druck eine kommunale Selbstversorgung gefordert werden kann. Man denke da zum Beispiel an Generalstreiks, Haus- und Fabrikbesetzungen, Unterstützung von Agrarwirtschaften und anderen bislang unwirtschaftlich gemachten Betriebsformen.

Vielleicht haben es noch nicht alle bemerkt. Aber im Kleinen weht inzwischen schon ein neuer Wind. Viele haben begriffen, dass die Menschen weder mit Geld noch mit Kapital weiterkommen können. Viele machen sich Gedanken, was sie im Falle einer drohenden Wirtschaftskrise tun können. Der einzige Ort, wo alle hierauf reagieren können, ist die Kommune. Es geht um eine kommunale Grundversorgung, die um sich greift, Verbindungen schafft und zu einem gesellschaftlichen Zusammenwirken der Menschen führt, das sich nicht nur aauf Forderungen reduziert, sondern die Fragen einer eigenen Gesellschaft selbst zu beantworten sucht, z.B. als eine neue ökonomische Lebensform. Hierbei geht es um konkrete Möglichkeiten - nicht nur der Selbsterhaltung, sondern auch um ein Leben jenseits des Geldes, um eine solidarische Ökonomie.

Zum Thema 'Solidarische Ökonomie im globalisierten Kapitalismus' trafen sich auf einem Kongresswochende über 1400 Menschen in Berlin und nahmen teil an mehr als 100 Workshops, Foren und Podiumsveranstaltungen – darunter namhafte Wissenschafter und Politiker wie z.B. der brasilianische Sozialminister. Viele Aspekte und Facetten solidarischen Wirtschaftens aus aller Welt wurden vorgestellt und diskutiert und am Ende war das Bedürfnis nach weiteren Projekten und Zusammenkünften zu diesem Thema kaum überhörbar. Dieser Kongress soll daher regelmäßig stattfinden. Er könnte unter anderem eine Basis zur Projektentwicklung kommunaler Alternativen bieten und auch die nötigen Mittel zusammentragen.

Der Begriff „solidarische Ökonomie“ ist vielleicht nicht vollständig korrekt, beruht Ökonomie doch selbst schon auf dem erfolgreichen Zusammenwirken der Menschen und bedarf keiner bewertenden Haltung. Aber gemeint ist damit ein Wirtschaften, das politisch frei ist, das also von Machtinteressen und Besitzansprüchen unabhängig betrieben werden kann. Dies ist die große Chance der Menschen, sich vom Kapital zu emanzipieren, von seinen vermeintlichen Vorzügen, nämlich das Zusammenführen von Investitionsmasse, abzulassen und die längst vorhanden gesellschaftlichen Wirtschaftsorganismen den Menschen wirklich zur Verfügung zu stellen, die darin ihre Bedürfnisse befriedigen und mit ihrer Arbeit entwickeln, ihr Leben erzeugen, reproduzieren und erneuern.

Solange allerdings die Grundprobleme der Geldverhältnisse nicht durcharbeitet sind, solange nicht die hintersinnigen und in ihrer Konsequenz vernichtenden Ermächtigungsverhältnisse des Kapitals bloßgestellt sind, wird es nicht genügend Menschen geben, welche die Unbequemlichkeiten einer kommunalen Ökonomie auf sich nehmen und es wird dann auch weiterhin in jedem Projekt die Gefahr lauern, lediglich eine Rückführung auf einfache bürgerliche Ökonomie zu betreiben, die früher oder später wieder Kapital und die ganze Scheiße von neuem entwickelt. Es wird daher erstmal in der vollen Konsequenz und im größeren Umfang zu klären sein, wie eine Gesellschaft als Ganzes funktionieren kann, die ohne Kapital funktioniert und die Geld höchstens noch als räumlich und zeitlich begrenztes Zahlungsmittel verwendet.

Das Problem mit dem Geld

Wir hatten ja heute vor, hiervon zu träumen. Eine Welt ohne Geld ist uns kaum vorstellbar. Seine vordergründige Funktion als Zahlungsmittel besticht gegen seine wesentliche Funktion als allgemeinste Form der Selbstermächtigung, der Macht des Privatbesitzes. Ich will daher hier mal die Vorstellungen durchgehen, die man sich von einer Gesellschaft machen kann, die als menschlicher Lebenszusammenhang auch ohne Kapital existieren kann, von einer Gesellschaft, in der die Menschen nicht nur ihr Auskommen, ihre Reproduktion sozial und effektiv bewältigen, sondern zudem auch neuen Reichtum schaffen, ohne unter den politischen Druck des Geldbesitzes zu geraten, einer Gesellschaft von Menschen, die arbeiten, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen und zu entfalten und die ihre Bedürfnisse entfalten, indem sie ihre Arbeit entwickeln. Es wird sich zeigen, dass hierfür nur ein Bruchteil des Aufwands nötig ist, als dies in einer Gesellschaft der Wertproduktion der Fall ist. Denn nur dadurch wird das eine Gesellschaft der Zukunft sein können.

Es geht jetzt also nicht nur um die Ernährung und Bereicherung der Menschen, sondern um ihren Lebenszusammenhang als Ganzes, wie er geschichtlich entwickelt und in seiner Entwicklung auch geschichtlich möglich ist. Ein großes Problem für die Veränderung des Bestehenden ist die Bindung der Menschen daran, die Gewohnheiten, die das Gewöhnliche so mächtig machen und das Ausfüllen, was es an Entleerung mit sich bringt. Fast kann man sich eine Gesellschaft nicht mehr vorstellen, in welcher der Medienkonsum und die Erlebniskultur nicht mehr die zentrale Rolle im Alltag der Menschen spielt, in dem Geld nicht mehr das allgemeine und übermächtige Mittel zum Leben und Existieren ist und die Lebensvermittlung und Bedürfnisproduktion sich nicht über kulturelle Schablonen, sondern sich unmittelbar durch das gesellschaftliche Zusammenwirken der Menschen ereignet.

Der Besitz als solcher vermag über vieles hinweg zu trösten, das in der Eigentumslosigkeit und Entfremdung der Menschen von ihrem eigenen Leben sie an Unglück, Schmerzen und Trauer überkommt. Besessen von der Gier des Konsumierens funktioniert das Tittytainement genau so, wie es die Technologen des globalen Kapitals gerne sehen. Konsum hält nieder, was als wirkliches Verlangen zum Aufstand führen würde. Aber der Sinn der Einverleibung und des Habens scheint immer noch den Sinn zu beherrschen, den das Leiden der Menschen am Unglück ihrer Selbstentfremdung ausmacht, ein unglückliches Bewusstsein besser aushalten lässt, als sich ein „Bewusstsein des Unglücks“ (Marx) zu verschaffen, das die Geschichte dieser Welt ausmacht.

Der Besitz an Geld ist – subjektiv gefasst – eine sehr individuell wirkende Allgemeinheit, die dadurch so verlockend ist, dass sie immerhin Gesellschaft in einer verkehrten Form, pervertierte Gesellschaft verfügbar macht. Die Reize der Angebote, die sich auf diese Weise vermittelt übertönen die beschränkte Wirklichkeit, die diese haben. Der Besitz, das Privateigentum, beherrscht das wirkliche, weil gesellschaftlich entstandene und wirkende Eigentum der Menschen an ihrem Leben. Der Sinn des Habens beherrscht den Sinn für das eigene Sein. Der abstrakte Sinn beherrscht den konkreten, wie die Verhältnisse der Abstraktion, die Verhältnisse der toten Arbeit, die Verhältnisse des Kapitals, die konkreten Beziehungen der Menschen beherrschen.

Marx schrieb 1844: „Das Privateigentum hat uns so dumm und einseitig gemacht, daß ein Gegenstand erst der unsrige ist, wenn wir ihn haben, also als Kapital für uns existiert oder von uns unmittelbar besessen, gegessen, getrunken, an unsrem Leib getragen, von uns bewohnt etc., kurz, gebraucht wird. Obgleich das Privateigentum alle diese unmittelbaren Verwirklichungen des Besitzes selbst wieder nur als Lebensmittel faßt und das Leben, zu dessen Mittel sie dienen, ist das Leben des Privateigentums: (die) Arbeit und (ihre) Kapitalisierung.

An die Stelle aller physischen und geistigen Sinne ist daher die einfache Entfremdung aller dieser Sinne, der Sinn des Habens getreten. Auf diese absolute Armut mußte das menschliche Wesen reduziert werden, damit es seinen innern Reichtum aus sich herausgebäre.“ (MEW 40, S. 539f)

Um eine gesellschaftliche Entwicklung zu bedenken, reicht es daher nicht, rein sachliche Probleme zu erörtern. Eine menschliche Gesellschaft ist kein Verein zur Förderung der Ökonomie, sondern ein ganzes Lebensverhältnis, eine Kultur. Der Kapitalismus ist daher auch nicht nur ein Produktionsverhältnis, sondern ein Verhältnis, das die Menschen zu einander und zu ihren Sachen haben. Man muss deshalb erst mal klären, was der wesentliche Unterschied von einer menschlichen Gesellschaft zur kapitalistischen Gesellschaft ist. Es war bisher vor allem der Marxismus, der in der geschichtlichen Dialektik menschlicher Gesellschaftsbildung ein Zusammenkommen von menschlicher Natur und Kultur, eine Identität von Subjekt und Objekt des Menschseins bedachte. Schon in seinen ökonomisch-philosophischen Schriften von 1844 hatte Karl Marx herausgearbeitet, dass der Kapitalismus nicht nur die Gesellschaftsform einer bestimmten Ökonomie ist, sondern vor allem ein bestimmtes menschliches Verhältnis, in welchem die Menschen von ihren Produkten, von ihrer eigenen Gegenständlichkeit getrennt und damit von sich selbst entfremdet existieren. Diese Entfremdung hat er im Geld materialisiert begriffen, das die Menschen daran hindert, konkrete Beziehungen in ihrer Arbeit und zu ihren Sachen und zueinander einzugehen. Er schrieb hierzu:

“Das Geld – als das äußere, nicht aus dem Menschen als Menschen und nicht von der menschlichen Gesellschaft als Gesellschaft herkommende, allgemeine – Mittel und Vermögen, die Vorstellung in die Wirklichkeit und die Wirklichkeit zu einer bloßen Vorstellung zu machen, verwandelt ebenso sehr die wirklichen menschlichen und natürlichen Wesenskräfte in bloß abstrakte Vorstellungen und darum Unvollkommenheiten, qualvolle Hirngespinste, wie es andererseits die wirklichen Unvollkommenheiten und Hirngespinste, die wirklich ohnmächtigen, nur in der Einbildung des Individuums existierenden Wesenskräfte desselben zu wirklichen Wesenskräften und Vermögen verwandelt. Schon dieser Bestimmung nach ist es also schon die allgemeine Verkehrung der Individualitäten, die sie in ihr Gegenteil umkehrt und ihren Eigenschaften widersprechende Eigenschaften beilegt.“ (MEW 40, S. 566).

Marx begriff im Geld die Entfremdung menschlicher Geschichte, die er in seinem Hauptwerk, dem Kapital, als Entfremdung der Menschen von Ihrem Reichtum entfaltete, als Wertverhältnis der Waren produzierenden Gesellschaft, einer Gesellschaft, in welcher ihr „Reichtum als ungeheuere Warensammlung erscheint“. In dieser Form stellt sich Reichtum nicht als Sache, sondern als Wert dar und es können sich die Menschen daher mit ihren Reichtümern nicht einfach sachlich verhalten, weil diese sich nicht sachlich zu den Menschen verhalten, sondern mit einer eigenen Logik, der Logik der Wertform. Das Wertwachstum bietet hiernach noch keine wirkliche menschliche Geschichte, sondern nur die Entfaltung eines den Menschen feindlichen Wesens, in welchem das menschliche Wesen verkehrt erscheint, in einer Form, die dem Lebensinhalt der Menschen nicht entspricht. Marx sieht Geld als das Medium des Privateigentums, das seine gesellschaftliche Herkunft leugnet und gesellschaftliche Individualität zur Individualität einer abstrakten Allgemeinheit verkehrt. Hierzu schreibt er:

„Der Mensch wird um so ärmer als Mensch, er bedarf um so mehr des Geldes, um sich des feindlichen Wesens zu bemächtigen, und die Macht seines Geldes fällt grade im umgekehrten Verhältnis als die Masse der Produktion, d.h., seine Bedürftigkeit wächst, wie die Macht des Geldes zunimmt. ... Die Quantität des Geldes wird immer mehr seine einzige mächtige Eigenschaft; wie es alles Wesen auf seine Abstraktion reduziert, so reduziert es sich in seiner eignen Bewegung als quantitatives Wesen. Die Maßlosigkeit und Unmäßigkeit wird sein wahres Maß. – Subjektiv selbst erscheint dies so, teils daß die Ausdehnung der Produkte und der Bedürfnisse zum erfinderischen und stets kalkulierenden Sklaven unmenschlicher, raffinierter, unnatürlicher und eingebildeter Gelüste wird – das Privateigentum weiß das rohe Bedürfnis nicht zum menschlichen Bedürfnis zu machen; sein Idealismus ist die Einbildung, die Willkür, die Laune, und ein Eunuche schmeichelt nicht niederträchtiger seinem Despoten und sucht durch keine infameren Mittel seine abgestumpfte Genußfähigkeit zu irritieren, um sich selbst die Gunst zu erschleichen, wie der Industrieeunuche, der Produzent, um sich Silberpfennige zu erschleichen ...“ (MEW 40, S. 547f)

Der Geldbesitz erzeugt eine Kultur der Geldbesitzer, in welcher alle Eigentümlichkeiten der Menschen in die Macht des Besitzes verkehrt, ihr Eigentum zur Besessenheit ihrer Selbstentfremdung wird.

"Was durch das Geld für mich ist, was ich zahlen, d. h., was das Geld kaufen kann, das bin ich, der Besitzer des Geldes selbst. So groß die Kraft des Geldes, so groß ist meine Kraft. Die Eigenschaften des Geldes sind meine – seines Besitzers – Eigenschaften und Wesenskräfte. Das, was ich bin und vermag, ist also keineswegs durch meine Individualität bestimmt. Ich bin häßlich, aber ich kann mir die schönste Frau kaufen. Also bin ich nicht häßlich, denn die Wirkung der Häßlichkeit, ihre abschreckende Kraft ist durch das Geld vernichtet. Ich – meiner Individualität nach – bin lahm, aber das Geld verschafft mir 24 Füße; ich bin also nicht lahm; ich bin ein schlechter, unehrlicher, gewissenloser, geistloser Mensch, aber das Geld ist geehrt, also auch sein Besitzer. Das Geld ist das höchste Gut, also ist sein Besitzer gut, das Geld überhebt mich überdem der Mühe, unehrlich zu sein; ich werde also als ehrlich präsumiert; ich bin geistlos, aber das Geld ist der wirkliche Geist aller Dinge, wie sollte sein Besitzer geistlos sein? Zudem kann er sich die geistreichen Leute kaufen, und wer die Macht über die Geistreichen hat, ist der nicht geistreicher als der Geistreiche? Ich, der durch das Geld alles, wonach ein menschliches Herz sich sehnt, vermag, besitze ich nicht alle menschlichen Vermögen? Verwandelt also mein Geld nicht alle meine Unvermögen in ihr Gegenteil?" (MEW 40 S. 564f)

Die abstrakte Arbeit und das konkret bestimmte Quantum gesellschaftlicher Vermittlung

Um wirklich aus der Gesellschaft der Wertproduktion herauszukommen, ist es nötig – und das ist auch das Schwerste – Geld zu überwinden. Ist es doch in der Hand so harmlos wie eine Briefmarke, wie soll es als Wertding so mächtig sein? Geld erscheint ökonomisch zuerst mal nur als Zahlungsmittel. Aber für sich ist es das Maß der Werte, das im Bezug auf anderen Besitz zum Maßstab der Preise wird, Ausdruck der Wertgröße als Wertmaß. Wert ist nichts durch sich selbst aber alles im Bezug auf Anderes. Wert ist eine allgemeine Abstraktion von allem, wie es wirklich ist, als eine einfache Beziehung, die keine Wirklichkeit hat, wohl aber die einfache Wirkung, alles zu Wert zu machen. Es ist das reine und daher selbständige Quantum abstrakter Sachbeziehungen, in welchen sich die Menschen nicht durch ihre Sachen, durch die Produkte ihrer Arbeit aufeinander beziehen, sondern durch die Absehung von ihrer Arbeit, die lediglich durch Geld bewertet ist. Nicht der Bezug ihrer Lebensäußerungen macht ihre Gesellschaft aus, sondern ihr Geldbesitz, weil sie füreinander nur Sachwalter ihrer Besitztümer sind. Geld ist das waltende und weltgewandte Nichts, ein Besitz, der alles nichtet, was er in Beziehung setzt. Durch Geld setzen sich die Menschen selbst wechselseitig nichtig, machen einander zum Objekt ihrer Habgier, indem sie nach den Werten ausspäen, die andere in der Tasche haben, um sie zu erwerben - und indem sie gegen sie konkurrieren, um Marktvorteile für sich zu erhaschen. Die Menschen setzen sich durch Geld gegeneinander zu Objekten ihrer Egozentrik, um ihre Individualität ausschließlich für sich, nämlich durch Geldbesitz zu haben. Er macht aus ihnen Individuen des Geldes, die ihre gesellschaftliche Herkunft und Beziehung verleugnen können, weil sie das gesellschaftliche Faustpfand in der Tasche haben.

Für sich und in dieser abstrakten Allgemeinheit ist Geld daher wesentlich eins: Das Mittel der Nichtigkeit, durch welches alles Wert hat, was für sich nichts ist. Es ist das Mittel der Abstraktion von allem im Bezug auf alles, um nichts zu sein und alles zu haben, so man Geld hat. Aber es ist auch das erzwungene Mittel der Reproduktion der Menschen, die vom Kapital gesetzte Vermittlung, Existenzzwang des Geldes. Ist der Boden der einfachen Reproduktion einmal verlassen, kein Land und Haus mehr zu eigen, kein Werkzeug mehr erschwinglich, kein Tier mehr im Stall, da wird Geld zum ausschließlichen Lebensmittel und dafür müssen sich die Menschen selbst feilbieten. Ihr Leben kehrt sich um. Menschen bekommen für ihre Arbeit Geld, um nicht als die Erzeuger der Produkte zu existieren. Mit Geld wird ihnen das Recht auf das Produkt abgekauft, das sie erst durch Geld wieder erwerben müssen, um es auch wirklich zu haben. Geld erhalten sie, um nicht für die Entfaltung ihrer Bedürfnisse arbeiten zu können, sondern lediglich zu ihrem Selbsterhalt. Die Bedürfnisse, welche vermittelst ihrer Arbeit befriedigt werden sollen, enthalten am wenigsten den Sinn, den sie hierfür einbringen, sondern vor allem den Sinn für das Geldverdienen. Durch das Kapital wird ihnen daher nicht nur ihre eigene Arbeit fremd, sondern auch ihre Bedürfnisse werden ihnen zu einer Form der Notdurft. Wo Geld die Verhältnisse beherrscht, da zählt nicht das wirkliche Verlangen der Menschen. Es ist das Mittel verselbständigter Individualität, die Mittel für aparten Selbstgenuss.

Und gerade deshalb ist es schwer, Geld überflüssig zu machen. Auf dem Markt besteht ein mörderisches Verhältnis der Existenzen. Es kann nur überleben, wer dort Verwendung findet, sei es als Arbeitskraft oder durch seine Produkte, wenn sie dem Selbsterleben hinreichend dienlich sind. Das heißt: dort reusiert nur, wer gerade dem Zeitgeist entspricht, wer das kann, was man können muss, um den diversen Selbstbezogenheiten dienlich, für sie brauchbar zu sein. Das macht keinen Fortschritt aus, sondern immer nur Bestätigung der Gegebenheiten. Erfolg hat nur, wessen Produkte dem Trend der Veräußerung zur Verinnerlichung des Wertes folgen, Selbstwert verschaffen, Anzeiz für abstrakte Bedürfnisse bieten, Habgier locken, und entsprechend verpackt und designed sind. Das Beste geht unter, wenn es sich nicht modisch artikulieren kann, weil vor allem die Entsprechung des Geldes mit der Welt der Zeichen und Wunder der gängigen Marktartikel zum Kauf führt und verführt. Durch Geld verschwinden die Menschen in ihren Abstraktionen, in der Unmöglichkeit, Menschen zu sein, wo sie ihre Sachen dem Wertsein ihrer Produkte übereignen.

Das lässt menschliches Leben auch seinem Sinn nach untergehen. Es beginnt, den Menschen selbst fremd zu werden. Hiergegen schrieb Marx:

"Der Mensch verliert sich nur dann nicht in seinem Gegenstand, wenn dieser ihm als menschlicher Gegenstand oder gegenständlicher Mensch wird. Dies ist nur möglich, indem er ihm als gesellschaftlicher Gegenstand und er selbst sich als gesellschaftliches Wesen, wie die Gesellschaft als Wesen für ihn in diesem Gegenstand wird.

Indem daher überall einerseits dem Menschen in der Gesellschaft die gegenständliche Wirklichkeit als Wirklichkeit der menschlichen Wesenskräfte, als menschliche Wirklichkeit und darum als Wirklichkeit seiner eignen Wesenskräfte wird, werden ihm alle Gegenstände als die Vergegenständlichung seiner selbst, als die seine Individualität bestätigenden und verwirklichenden Gegenstände, als seine Gegenstände, d.h. Gegenstand wird er selbst. Wie sie ihm als seine werden, das hängt von der Natur des Gegenstandes und der Natur der ihr entsprechenden Wesenskraft ab; denn eben die Bestimmtheit dieses Verhältnisses bildet die besondre, wirkliche Weise der Bejahung. Dem Auge wird ein Gegenstand anders als dem Ohr, und der Gegenstand des Auges ist ein andrer als der des Ohrs. Die Eigentümlichkeit jeder Wesenskraft ist grade ihr eigentümliches Wesen, also auch die eigentümliche Weise ihrer Vergegenständlichung, ihres gegenständlich-wirklichen, lebendigen Seins. Nicht nur im Denken, sondern mit allen Sinnen wird daher der Mensch in der gegenständlichen Welt bejaht.“ (MEW 40 S. 241f.)

Die Fortentwicklung aus dieser Gesellschaft kann nur wirklich Sinn für die Menschen haben, wenn dabei ihr Unwesen untergeht, das Wertverhältnis. Geld stellt von dem Augenblick an keinen Wert für sich dar, wo es in der Lage ist, bestimmte Beziehungen zu quantifizieren, also der unbestimmten Bezogenheit des Warenverhältnisses entwunden ist. Dann stellt es nicht mehr ein Arbeitsquantum als Sachquantum dar, das soviel erheischt, was es erbringen kann, sondern ist ein Sachquantum, das dem Aufwand seiner Herstellung entspricht. Das wäre ein Verhältnis, worin die Güter sich in ihren menschlichen Aufwänden entsprechen, also nicht mehr Aufwand abverlangen, wie es das Sachquantum auf dem Markt zum Tausch erfordert, sondern die Sachquanten als Verhältnisse von bestimmten Aufwänden bemessen werden. Der Wert würde nicht im Nachhinein der Produktion das gesellschaftlich durchschnittliche Zeitmaß erbringen, auf das sich der Warentausch, also die Menschen als konkurrierende Subjekte reduzieren müssen, sondern die Notwendigkeit der Arbeit würde sich an der Freiheit der Entscheidung zu einer bestimmten Produktion bemessen. Angebot und Nachfrage und Aufwand und Befriedigung würden dann zusammenfallen und Arbeit nicht kapitalisierbar und Kapital nicht politisierbar sein. Als aufgewendete Arbeit für menschliche Bedürfnisse stellt eine Sache keinen Tauschwert mehr dar. Es muss aber hierfür ein Verhältnis entstehen, in welchem die Arbeitsprodukte der Sache entsprechend auftreten können.

Und das verlangt ein verändertes Verhältnis von Produktion und Konsumtion, ein Verhältnis, das nicht erst auf dem Markt zum Vorteil der Geldbesitzer in Erfüllung geht, sondern schon in der Entwicklung der Bedürfnisse, der Auseinandersetzung über die nötige Produktion. Und es verlangt, dass nicht die Mehrwertproduktion, die Geldvermehrung die Produktion bestimmt, sondern die Produktion, welche die Grundlagen des Lebens, die Lebensmittel, erzeugt. Es geht um einen konkreten Markt ohne dessen Bestimmtheit durch den Geldwert, einen Markt, der auf den konkreten Beziehungen der Bedürfnisse und den Möglichkeiten der Arbeit beruht. Das ist ein Markt, der für alle Beteiligten durchsichtig sein muss, der also nicht den Bezug auf ein allgemeines Wertding wie Geld, sondern die Aufwände reell vorstellt, welche die Erzeugung der Produkte enthält. Es muss also erst mal der Markt der Lebensmittel selbst reformiert werden, der nur in den Gemeinden selbst funktionieren kann, aber auch zwischen den Gemeinden, den Ländern und Kontinenten. Es muss ein kommunaler Weltmarkt der Lebensmittel entstehen, welcher die Basis aller Mittel ist und in welchem auch die Produktionsmittel und Luxusgüter bemessen sind. Ihre Beziehung muss daher vertraglich formuliert werden als Beziehung von Aufwänden, die darin ausgetauscht werden (siehe hierzu auch "Vertragswirtschaft").

Kommunalwirtschaft als kommunales Wirtschaften

Die Grundlage einer wesentlichen Gesellschaftsveränderung ist also die Veränderung der Handelsbeziehungen zu einem Markt, in welchem jede einzelne Beziehung eine reelle Beziehung der Aufwände an Material und menschlicher Kraft ist, eine Vertragsbeziehung, die diese formuliert. Diese Beziehung ist damit ein Baustein einer jeden Beziehung, ein Modul der weltweiten Produktion und damit immer schon nicht nur Mittel der Reproduktion, sondern zugleich ein Beitrag zur Entwicklung der Produktion und des menschlichen Reichtums überhaupt. Der Irrsinn einer Produktion ins Nichts, in den Geldwert hinein, um irgendwie zu mehr Geld zu kommen, wäre damit aufgehoben, der Verschleiß des Wertverlustes durch Absatzkrisen aufgelöst. Das ist eigentlich alles.

Niemand muss verzichten, niemand wird bedrängt. Auf den Hopfen aus Bayern müssen die Holsteiner nicht verzichten, wenn sie dorthin genügend Fische liefern. Und auch in Südafrika wird man an die Medikamente gegen Aids dann einfacher gelangen, wenn jeder der Beteiligten den Aufwand des anderen dargelegt und bewiesen findet, wenn jeder zum Austausch bringt, was er zu liefern vermag. Das Maß bleibt der Aufwand, also die Arbeit, die Stoffe und die Produktionsmittel, die keinen anderen Wert darstellen, als lediglich das Quantum von Arbeit und Material, was in sie gesteckt wurde. Jeder Tausch wäre wirklich Austausch, Bereicherung für beide und Nutzen für alle. Wenn kein Geld und Verwertungsinteresse dazwischen steht, so stehen die Entwicklungen der Menschen auch unmittelbar der Menschheit zur Verfügung. Die Energiegewinnung wäre ein allgemeines Anliegen wie auch der Umweltschutz und vieles andere mehr. Was der eine bringt, das regt auch den anderen an, was der eine erfunden hat, wird zur Grundlage der Erfindung des anderen. Was der eine an Bodenschätze hat, hat der andere an Früchten oder Produktionsmittel. Die Abhängigkeit wäre wechselseitig, die besondere Effizienz unnötig, den die Menschen selbst wären zur Bereicherung der Menschheit dar. Jede Gesellschaft verhält sich notwendig menschlich zu jeder anderen, weil sie nicht nur in sich sondern überhaupt ein wirklich wechselseitiges Verhältnis der Menschen auf der ganzen Welt ist. Nicht mehr und nicht weniger: Keine Bereicherung durch Macht, die immer nur die Verstärkung von Ohnmacht, von Neid und Rache und Missgunst sein kann.

Und was die Gegenwart nicht erbringt, kann durchaus auch in Zukunft verrechnet werden. Die Zukunft liegt in aller Hände, ist das Risiko von und für alle Beteiligten. So kann auch die Lieferung einer Maschine dem Maschinenlieferanten anteilig die Lebensmittel einbringen, die damit erst später erwirtschaftet werden, vielleicht aber auch nicht, wenn Masschine oder Menschen versagen. Das Verhätnis verlangt Vertrauen, für das auch etwas getan werden muss. Alle Beteiligten haben davon schließlich weitaus mehr, als wenn sie mit dem wenigen Investivkapital ausgestattet werden, das ihnen unüberschaubare Abhängigkeit beschert, die zu einem nahezu 49fachen an das spekulative Kapital und dessen mörderische Interessen gebunden ist.

Es geht um eine konkrete Produktionsbasis, die in den Kommunen beginnt und in den internationalen Beziehungen der Kommunen und der Länder aufgeht. Alles andere ergibt sich wie von selbst hieraus. Ist die Lebensgrundlage durch ein gesellschaftlich notwendiges Minimum an Arbeit erreicht und gesichert, so kann auch alles andere sinnvoll werden: Ohne Existenzangst kein Mehrprodukt, das lediglich Macht erheischt, ohne die Macht der Abstraktion keine Geldherrschaft, ohne Geldherrschaft keine Aktiengewinne, ohne Aktiengewinne kein Finanzkapital, ohne dieses keine Ausbeutung fremder Länder, ohne diese keine Armut, ohne Armut keine Kriege und so weiter und so fort. Über ihre organischen Beziehungen und ihrem Reichtum an Produktivität ist die Menschheit längst in der Lage, ihre Nöte und Bedürfnisse auszugleichen, dort zu erzeugen, woran es hier mangelt, ohne dass Geld zur Verrechnung nötig wäre, weil man auch über Lieferverträge Ausgleich schaffen kann, Ausgleich der dem Handeln und Verhandeln in konkreten Lebensverhältnissen entspricht und dessen Sinn im Grunde auch schon hinter den bestehenden Handelsbeziehungen steckt. Lediglich die Macht, die in den Geldwerten selbst steckt, in den Devisen und Wertpapieren, erzeugt die Herrschaft des einen über die Ohnmacht des anderen.