Quelle: Briefe April 1883 bis Dezember 1887

<194>

Engels an Paul Lafargue in Paris [288]


[Worthing, 11. August 1884] S. 1: B[eaulieu] schreibt immer Schoeffle, dieser Herr heißt Schäffle.

S. 3: E n t s t e h e n d e s kapitalistisches System - ? um 1780-1800? Die E n t s t e h u n g dieses Systems geht auf das 15. Jahrhundert zurück, die aufkommende große Industrie leitete nur seinen Höhepunkt ein.

S. 1 u. 4: Maine verdient es keineswegs, neben Maurer zitiert zu werden; er hat nichts entdeckt, er ist nur Schüler der Schüler Maurers. Das Gemeineigentum an Boden in Indien wurde längst vor ihm bekannt und von Campbell beschrieben usw.; das auf Java von Money usw.; und das in Rußland von Haxthausen. [289] Sein einziges Verdienst besteht darin, der erste Engländer zu sein, der die Entdeckungen Maurers übernommen und gemeinverständlich gemacht hat.

S. 5: Muß vollständig überarbeitet werden. Ihre Bespiele beziehen sich nicht auf erörterten Punkt. Der zu Kapital werdende Bodenfetzen des Bauern würde das B o d e n k a p i t a l sein, eine sehr komplizierte Angelegenheit, die M[arx] nur im 3. Buch erörtert. Ihr Sklavenhalter, der für den Markt von New Orleans produziert, ist ebensowenig ein Kapitalist, wie der rumänische Bojar, der Fronbauern ausbeutet. Kapitalist ist nur der Besitzer von Arbeitsmitteln, d e r d e n f r e i e n A r b e i t e r a u s b e u t e t! Sagen Sie lieber: Der Webstuhl des kleinen Bauern vor der Revolution, der dazu diente, Kleidung für die Familie zu weben, war kein Kapital; er ist auch noch kein Kapital, wenn der Bauer die Stoffe, die er während der langen Winterabende anfertigen konnte, dem Händler verkauft; wenn er jedoch einen Lohnarbeiter mit dem Weben von Waren für den Händler beschäftigt und die Differenz zwischen Produktionskosten und Verkaufspreis der Stoffe in die Tasche steckt, dann hat sich der Webstuhl in Kapital verwandelt.

- Das Ziel der Produktion - Waren zu produzieren - drückt dem Instrument nicht den Charakter des Kapitals a u f. Die Warenproduktion ist eine der Vorbedingungen für die Existenz des Kapitals; aber solange der Produzent nur sein e i g e n e s P r o d u k t verkauft, ist er kein Kapitalist; er wird es erst in dem Augenblick, wo er sein Instrument

<195>

dazu verwendet, u m d i e L o h n a r b e i t a n d e r e r a u s z u b e u t e n. Dieses gilt auch für Seite 6. Wie ist es möglich, daß Sie diesen Unterschied nicht gemacht haben?

An Stelle Ihres unmöglichen Sklavenhalters (seien Sie doch nicht so Réache [290]!) könnten Sie sagen: Der Feudalherr, der seine Felder durch Leibeigene bearbeiten läßt, und überdies ihre Abgaben an Eiern, Geflügel, Früchten, Vieh usw. zusammenrafft, ist kein Kapitalist. Er lebt von der Mehrarbeit anderer, aber er verwandelt das Produkt dieser Mehrarbeit nicht in Mehrwert; er verkauft es nicht, er verbraucht es, gibt es aus, vergeudet es. Aber wenn dieser Feudalherr, wie er es im 18. Jahrhundert in vielen Fällen tat, sich eines Teils seiner Leibeigenen entledigt, wenn er ihre Bodenfetzen zu einem großen Gut zusammenfaßt und es jenem, bei den Physiokraten so beliebten großen Pächter verpachtet; wenn dieser große Pächter die Ex-Leibeigenen als entlohnte Landarbeiter zur Bearbeitung seines Guts einstellt, dann hat sich die Landwirtschaft von einer feudalistischen in eine kapitalistische verwandelt und der Pächter in einen Kapitalisten.

S. 6: Die u n m i t t e l b a r e Form der Warenzirkulation ist wohl ihre ursprüngliche Form 1*); sie muß also existieren, bevor die Form 2 entstehen kann. Sie ist nicht ursprünglich, wenn man sie mit dem einfachen Tauschhandel vergleicht; aber die Warenzirkulation setzt die Existenz von Geld voraus; der Tauschhandel bewirkt nur gelegentlichen Austausch, keine Warenzirkulation.

S. 7: Die kapitalistische Produktion ist nicht diese oder jene, mittelbare oder unmittelbare Form der Warenzirkulation. Produktion und Zirkulation sind zwei verschiedene Dinge. Jede kapitalistische Produktion setzt die Warenzirkulation voraus und bewegt sich in ihr, aber sie ist ebensowenig Zirkulation wie die Verdauung Zirkulation des Blutes ist. Sie können diesen ganzen Satz, der nichts weiter aussagt, wegstreichen.

S. 11: Die unterstrichene Passage ist mir unverständlich und in jeder Beziehung falsch. Durchschnittlich v e r k a u f t und k a n n der Kapitalist das Produkt von 10 fr. für mehr als 10 fr. verkaufen. - Was Sie beiseite lassen, sind "die Produktionskosten". Aber die Produktionskosten schließen in der Vorstellung der Ökonomen den Profit ein; sie setzen sich zusammen: 1. aus der Summe, die das Produkt den Kapitalisten gekostet hat, und 2. aus dem Profit; anders ausgedrückt: 1. aus der Summe, die das ausgegebene konstante Kapital ersetzt; 2. aus der, die den bezahlten Lohn ersetzt; 3. aus dem ganzen Mehrwert oder einem Teil, den die Mehrarbeit der

_____

1*) Siehe Band 23 unserer Ausgabe, S. 162 ff.

<196>

Lohnarbeiter geschaffen hat. Man muß den Satz von B[eaulieu], seine Definition des Wertes (S. 9, Ende) nehmen und ihr die beiden unterschiedlichen Wertausdrücke gegenüberstellen: entweder schließt der Selbstkostenpreis den Profit ein, und dann werden die Waren "nach der in ihnen enthaltenen gesellschaftlichen Arbeit bezahlt" - dann schließt der Preis (der Wert) einen Mehrwert ein, der durch die lebendige Arbeit über den gezahlten Lohn hinaus geschaffen und von dem Kapital angeeignet wurde. Oder der Selbstkostenpreis deckt den Profit nicht; dann ist der Wert nicht durch die im Gegenstand enthaltene gesellschaftliche Arbeit bestimmt, sondern durch den hohen oder niedrigen Lohn, der für diese Arbeit gezahlt wird - eine alte Geschichte, die lang und breit von Ricardo widerlegt worden ist.

S. 12. 13: Die Maschine und die Baumwolle übertragen ihren g a n z e n Wert, s e l b s t d e n d e s A b f a l l s, auf das Produkt; und dort liegt der wahre Kern Ihres Arguments.

Wenn 115 Pfund Baumwolle nur 100 Pfund gesponnenes Garn ergeben, so wird der Wert dieser 100 Pfund mit dem Preis der 115 Pfund Rohbaumwolle belastet. Vielleicht nennt Herr B[eaulieu] das: den Wert der in dem Material verschwundenen 15 Pfund, die aber im Wert wiedererscheinen, einen M e h r w e r t?

S. 13: Wenn der Kapitalist dem Arbeiter seine Maschine leihen würde usw., so würde das Produkt dem Arbeiter gehören - so ist es aber keineswegs.

S. 13. 14: "Erzeugt einen Vorteil, der Profit genannt wird": vergleichen Sie den ersten Absatz S. 270, wo Herr B[eaulieu] beweist, daß nicht der Kapitalist, sondern der Verbraucher von technischen Fortschritten profitiert. Er wirft Marx vor, die Konkurrenz zu vergessen; und M[arx] hat in dem ganzen Kapitel über die Manufaktur und die große Industrie bewiesen, daß die Maschinerie nur dazu dient, den Preis der Produkte zu senken, und daß die Konkurrenz diese Wirkung hervorbringt; das bedeutet, daß der Vorteil darin besteht, in der gleichen Zeit mehr Produkte zu erzeugen, so daß die in jedem Produkt verkörperte Arbeit um so geringer ist und der Wert jedes Produktes im Verhältnis dazu sinkt.

Herr B[eaulieu] vergißt, uns zu sagen, in welcher Beziehung der Lohnarbeiter einen Vorteil davon hat, seine Produktivität wachsen zu sehen, wenn das Ergebnis dieser angewachsenen Produktivität ihm nicht gehört und wenn sein Lohn nicht durch die Produktivität des Instruments bestimmt wird.

S. 14. 15: Die hier von B[eaulieu] durchgeführte Rechtfertigung des Profits, enthält die Quintessenz der Vulgärökonomie, ihre Rechtfertigung der Ausbeutung des Arbeiters durch den Kapitalisten. Der S c h ö p f e r d e s

<197>

K a p i t a l s fordert eine "legitime" Entschädigung für diese Schöpfung (das heißt den "Lohn der Abstinenz", siehe Marx 1*)) und diese Entschädigung muß von dem ausgebeuteten Arbeiter in Form von unbezahlter Arbeit gezahlt werden. Sie stimmen dem bei, indem Sie sagen, daß "der Profit der legitime Sohn der lebendigen Arbeit sei"! "Der L o h n d e r L e i t u n g" wird dargestellt und gemessen nach dem Lohn, den ein bezahlter Manager erhält -, ein Lohn, mit dem sich kein Kapitalist zufriedengeben würde. Sehen Sie dazu "Kapital", 3. deutsche Ausgabe, Seite 171.

172 2*) (ich habe die französische Ausgabe nicht hier), Sie finden dort alle diese Phrasen in wenigen Worten widerlegt. Die Versicherungsprämie gegen das "R i s i k o" wird tatsächlich aus dem Mehrwert gedeckt, wird aber zum Profit h i n z u g er e c h n e t: der Kapitalist hält jedes Jahr eine Summe von ...

in Reserve, für das, was er das "ducroire" nennt (italienisch del credere, d. h. um ihn gegen unredliche Kredite oder Bürgschaften zu decken). Schließlich erfolgt die B e l o h n u n g f ü r b e s o n d e r s g e s c h i c k t e G e s c h ä f t st r a n s a k t i o n e n, für noch nicht verbreitete Erfindungen nur in Ausnahmefällen und kann dann einen Extraprofit ergeben; aber es handelt sich hier um den gewöhnlichen Durchschnittsprofit, der allen Industriellen gemeinsam ist. Übrigens finden Sie diese Art Profit behandelt im "Kapital", 3. deutsche Ausg., S. 314-17 3*).

Indem Sie diese Sätze von B[eaulieu] ernst nehmen, indem Sie erklären, daß sie "den Profit zum legitimen Sohn der lebendigen Arbeit" machen (n i c h t d e r A r b e i t d e s A r b e i t e r s, s o n d e r n d e r A r b e i t d e s K a p i t a l i s t e n!), nehmen Sie - für Marx und im Namen von Marx - diese Lehren der Vulgärökonomie an, die er immer und überall bekämpft hat. Sie müssen also unbedingt Ihre Ausführungen so abändern, daß sie nicht einmal den Anschein einer solchen Bedeutung haben können. Andernfalls würden Sie in die Falle gehen.

Ihre Behauptung auf S. 16, daß, "wenn die Produkte ... ist der kapitalistische Profit Null oder fast Null" widerspricht den Tatsachen. Wo ist in diesem Fall die Ausbeutung der Arbeiter? Worüber beklagen Sie sich denn da? Und wovon leben, prassen und bereichern sich die Kapitalisten? Wo zum Teufel haben Sie diese Idee her, die sogar die Vulgärökonomen niemals ausgesprochen haben und die sich auch bei B[eaulieu] nicht findet? Und Sie nennen das ein allgemeines Gesetz! Daran ist nur wahr, daß der Kapitalist bei einer Maschine, die 100 m Stoff mit demselben Arbeitsaufwand erzeugt, für den die Handarbeit 1 Meter benötigt, seinen Profit auf die 100 m verteilen kann, anstatt ihn auf einen einzigen zu konzentrieren;

_____

1*) Siehe Band 23 unserer Ausgabe. S. 617-625 - 2*) siehe Band 23 unserer Ausgabe, S. 205-208 - 3*) siehe Band 23 unserer Ausgabe, S. 335-340

<198>

daraus ergibt sich, daß jeder Meter nur mit 1/100 des Profits belastet ist, aber der Profit für die Summe der aufgebrachten Arbeit kann derselbe bleiben und sogar anwachsen.

S. 16: Marx würde gegen "das politische und gesellschaftliche Ideal" protestieren, das Sie ihm unterstellen. Wenn schon von einem "Mann der Wissenschaft", der ökonomischen Wissenschaft die Rede ist, so darf man kein Ideal haben, man erarbeitet wissenschaftliche Ergebnisse, und wenn man darüber hinaus noch ein Mann der Partei ist, so kämpft man dafür, sie in die Praxis umzusetzen. Wenn man aber ein Ideal hat, kann man kein Mann der Wissenschaft sein, denn man hat eine vorgefaßte Meinung.

Mit einem Wort, der Artikel wird seine Wirkung haben, wenn Sie die Hauptfehler beseitigen, die ich Ihnen genannt habe. Aber für Ihre Replik [291], die noch weitaus ernster sein sollte, bin ich entschieden der Meinung, daß Sie "Das Kapital" mit B[eaulieus] Buch daneben von Anfang bis Ende noch einmal durchlesen und dabei alle Stellen anstreichen müssen, die auf die Vulgärökonomie Bezug nehmen. Ich sage "Das Kapital" und keineswegs Devilles Buch [128], das wegen der ernsthaften Fehler im beschreibenden Teil auf keinen Fall genügt.

Und dann: vergessen Sie nicht, daß diese Herren B[eaulieu] und andere viel mehr als Sie die einschlägige ökonomische Literatur bis ins Detail beherrschen und daß dies ein Gebiet ist, auf dem Sie sie nicht mit gleichen Waffen bekämpfen; es ist ihr Metier, das alles zu kennen, nicht das Ihre. Riskieren Sie also nicht zu viel auf diesem Gebiet.

Ich habe offen gesprochen, und ich hoffe, daß Sie es mir nicht verübeln werden. Der Fall ist zu ernst; wenn Sie übers Ziel schießen, würde die ganze Partei darunter leiden.

Hier kommt man um vor Hitze, aber trotzdem fühlt man sich ganz gut. Alle senden Ihnen, Laura und Ihnen, tausend Grüße. Leider geht unser Vorrat an Pilsener zu Ende und es dauert zwei Tage, bis von Brighton neues kommt! Man lebt hier in der reinsten Wildnis.

Ganz der Ihre F. E.


Aus dem Französischen.