Wolfram Pfreundschuh (13.05.2011)

“Recht auf Privateigentum“ oder “Recht auf Stadt"?

In den großen Städten der Welt zeichnet sich seit etwa 30 Jahren eine Entwicklung ab, die unter dem Begriff Gentrification zusammengefasst wird. Das meint so etwas wie Stadtveredelung durch Verstärkung ihrer kulturellen Potenz und einer hierdurch erhöhten Anziehungskraft bestimmter Stadtviertel, durch welche "eine statusniedrigere durch eine statushöhere Bevölkerung ausgetauscht wird" (so der Stadtsoziologe Jürgen Friedrichs). Hartmut Häußermann beschreibt den Entstehungsprozess in der Zeitschrift "Stadtpolitik" aus Frankfurt im Jahr 2008 folgendermaßen:

"Mit Gentrification wird die bauliche Aufwertung eines Quartiers mit nachfolgenden sozialen Veränderungen bezeichnet, die in der Verdrängung einer statusniedrigen sozialen Schicht durch eine höhere resultieren. Zu beobachten waren solche Prozesse in Deutschland zum ersten Mal in den späten siebziger Jahren als Studenten und Künstler (,Pioniere") sich in leerstehenden Wohnungen und Gewerbegebäuden in Quartieren aus der Zeit der Industrialisierung einrichteten, durch ihre baulichen, kulturellen und ökonomischen Aktivitäten das Milieu und das Image der verfallenden Nachbarschaft veränderten und so einen neuen Investitionszyklus auslösten, an dessen Ende dann das Quartier überwiegend in den Händen von überdurchschnittlich gut verdienenden, jungen Haushalten lag - überwiegend Haushalte von Alleinstehenden, in hochwertigen Dienstleistungstätigkeiten beschäftigt. In den USA wurden sie als young urban professionals charakterisiert, und die Abkürzung Yuppies ist auch in Deutschland zum gängigen Begriff in der Beschreibung dieses ungeplanten Wandels von innerstädtischen Altbaugebieten geworden." (Hartmut Häußermann, Dieter Läpple, Walter Siebel, Stadtpolitik, Ffm. 2008, S. 242f.)

Gentrifizierung ist also so etwas ähnliches wie eine flächengreifende Entmietung weniger erwünschter Bürger in Gegenden, aus denen mehr an Mieten und Steuereinnahmen herauszuholen ist, wenn sie entsprechend saniert und modernisiert werden (siehe hierzu auch "Die Verödung der Städte und Gemeinde"). Zugleich entsprach sie dem Expansionsbedürfnis kapitalintensivierter Märkte, also der zunehmenden Beherrschung des öffentlichen Raumes durch zielbewusste Kapitalinvestitionen, die den Niedergang der ärmeren Infrastrukturen zur Folge haben. Die aufreizenden Angebote erzeugten völlig neue Stadtbilder, die auch mit Konsumanreizungen eine eigene Erlebenskultur mit sich bringen. Doch sie bedienen vor allem den Absatz für einen Mehrbedarf, der weniger den Alltag des Nötigen betrifft, als er die Kultureliten beflügelt. Die ärmeren Bevölkerungsschichten konnten dem Wertwachstum ihrer Lebenswelt bald nichts mehr entgegensetzen und wichen in die Stadtränder oder Landkreise aus. Ganze Stadtteile bekamen den schillernden Flair eines gehobenen Tittytainments und entwickelten sich zu Szeneviertel gut verdienender Yuppies, die in ihrer Freizeit gerne die verbliebene Originalität vergangener Stadtteilkulturen konsumieren wollen.

Ich war neulich in Hamburg, einer hiervon stark betroffenen Stadt, und habe mit der Inhaberin eines Farbenladens im Stadtteil Ottensen gesprochen. Hier ein kurzer Ausschnitt: Interview Ottensen hören



Kleine Läden in Altona können sich ohne entsprechende Kulturangebote nicht halten.
Einige Stadtteile taten sich durch ihren Unterhaltungswert hervor, andere sanken zu reinen Übernachtungsgebieten ab. Die Spaltung der Bevölkerung wurde vor allem durch die Mietpreise bewirkt, besonders durch die relative Erhöhung des Anteils für Mieten an den Gesamtausgaben eines Geschäfts- und Personenhaushalts. Immer immer mehr Kleinbetriebe, deren Umsatz dies nicht ertrug, wanderten ab, während zugleich eine Aufwertung des Stadtgebiets durch Zuzug großer Geschäfte und besser gestellter Bevölkerung erfolgte. Dieser Prozess vollzog sich nicht nur zwischen den Stadtteilen, sondern auch über die Stadtgrenzen hinweg, so dass sich die Bevölkerung der Städte selbst nach Einkommenschancen und Mietverhältnissen über die ganze Republik hinweg zerteilte.

Umgekehrt konnten ärmere Städte - besonders in Ostdeutschland - ihre besser gestellte und hoch motivierte Bevölkerung mangels Arbeit kaum halten und wurden zum Teil erheblich entvölkert. Der allgemeine Trend folgte der Logik, die alle Verhältnisse des Kapitalismus durchzieht: Die Armen werden immer ärmer, weil die Reichen immer reicher werden, weil also die Märkte denen die Grundlagen entziehen, durch welche die anderen ihre Wirtschaftskraft mehren können. Diese Logik bezieht sich aber nicht mehr nur auf die Entwicklungen auf den Märkten, auf denen die Geldbesitzer, also die Käufer, die Lebensbedingungen der Anbieter, also der Verkäufer, zur Ausprägung ihrer sozialen Macht nutzen können. Es ist auch nicht mehr nur das Verhältnis von Kapital und Arbeit, in welchem durch die Konkurrenz der sogenannten Arbeitnehmer die Löhne gedrückt werden, während die sogenannten Arbeitgeber immer mehr Arbeitsplätze kündigten und damit den Grad der Aneignung und Verwertung unbezahlter Arbeit (0) für sich optimieren. Es war eine politische Spreizung der Lebensbedingungen selbst entstanden zwischen dem Erwerb der Lebensmittel einerseits und dem Erhalt des Lebensraums andererseits. Die Erhaltung der Lebensgrundlagen wie Wohnung, öffentlicher Raum und der Gemeingüter, hatten einen eigenen Wert bekommen und veränderten das Verhältnis der Verkehrswerte zum Einkommen der Bevölkerung durch die Bestärkung der rein politischen Macht des Privatbesitzes. Das Wertmaß für Grundbesitz, Rechtstitel und Lizenzen und dem Besitz an lokalen Versorgungseinrichtungen und Energieträger schnellte in die Höhe. Es sind dies Werte, die nicht unmittelbar durch Investition in den Produktionsprozess entstanden sind, sondern nach längst erfolgter Amortisation der Entstehungskosten zur Bereicherung ihrer Besitzer fortbestehen. Dies wurde hierzulande immer mehr die zur alles bestimmenden Größe der sozialen Geografie. Deren daraus folgende soziale Spaltung des Wohnraums und des öffentlichen Raums in unterschiedliche Einkommensklassen trug sich besonders in den Städten zu.

Der Trend war durch die Kompensation von Überproduktionen entstanden, die der Kapitalismus immer wieder mit sich bringt, sobald der ihm nötige Absatz seiner Produktion die Möglichkeiten der Konsumtion durch die Menschen überschritt (1) und produktive Kapitalinvestition madig machte. Er wurde aber inzwischen vor allem durch die internationalen Finanzmärkte betrieben, die sich mit der Globalisierung des Kapitals aus den nationalpolitischen Bedingungsrahmen und ihrer Gesetzgebung gelöst hatten. Das verschärfte den Druck zur Gewinnmaximierung, die sie auf ihre Kapitalvorschüsse erwarten konnten. Und das war schließlich auch der weltumspannende Grund einer Krisenentwicklung, die sich vor allem in den Städten der ganzen Welt forttrieb. Durch die immer größer werdenden Ausgaben für Mieten, Sozialvorsorge und Energie blieb immer weniger Einkommen zur Erhaltung des gewohnten Lebensstandards. So erschienen die Immobilien auch als unerschöpfliche Wertquelle und ihre Preise schossen dementsprechend weiterhin in die Höhe, bis sie z.B. in den USA durch das Überangebot der Kreditspekulaten wieder entwertet wurden. Die Verwertungskreisläufe hören nie auf, aber sie hinterlassen immer Zerstörung in den Lebensgrundlagen der Menschen.

Der Teufelskreis zwischen Verteuerung und Zerfall der Reproduktionsmöglichkeiten setze das bürgerliche Staatsgefüge unter Druck. Es wurden die öffentlichen Haushalte immer mehr für notwendige Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen, während ihre Einnahmen aus Steuern und Sozialabgaben der immer billiger beschäftigten Bevölkerung sanken. Die bürgerlichen Institutionen der Nationalstaaten und Länder und Kommunen waren zum Management permanenter Kriseninterventionen gezwungen, welche der Globalisierung des Kapitals in den gemeinen Nationalstaaten auf den Fuß folgte. Innerhalb ihrer Grenzen vervielfältigten sich die Einkommen der Kapitaljongleure um Hundertfaches, während die Reallöhne innerhalb von 20 Jahren schon um 18% sanken (ISW). Das reichte immer weniger dazu aus, die Produkte einer kapitalnotwendigen Massenproduktion zu kaufen und die Soziallasten zu tragen, welche die Arbeitslosigkeit und Billigarbeit mit sich brachte und die Steuern zu zahlen, um die Infrastrukturen zu finanzieren, die vom Finanzkapital immer mehr geplündert wurden. Sie trugen seine Hauptlast und verschuldeten sich in bisher ungeahnten Dimensionen, selbst wenn sie noch Einnahmen durch eine florierende Exportindustrie zum mehr oder weniger partiellen Ausgleich hatten (2). Es war das Verhältnis von Warenwirtschaft zur Finanzwirtschaft zu einem gigantischen Unverhältnis geworden. Immer weniger konnte durch reale Wirtschaft, welche die lokale Verwertungslage bestimmte, durch Investition in Betriebe und Arbeitsstätten erzielt werden und immer mehr durch Spekulation, die sich als Kreditwirtschaft eines zunehmend fiktiven Kapitals über die ganze Welt ausbreitete und alle Märkte zu einem Grad der Wertauspressung, zu einer Mehrwertrate zwang, die bis dahin unmöglich erschienen war. Aber das Kapital hatte sich eingerichtet, alle Arbeit, Infrastruktieren, Grundbesitze und Produkte zu beherrschen und durch Wertpapiere und Staatsanleihen zu finanzieren, deren vermeintlicher Wert vor allem aus bloßen Gewinnerwartungen besteht und deren Macht sich vor allem nur politisch begründet.

Die große Bedrängnis



Kapitalinvestitionen zerstören Geschichte und hinterlassen Verwüstung und Sinnentleerung im öffentlichen Raum.
Die Gentrifizierung war also nicht nur durch das Verwertungsinteresse des Kapitals bestimmt, sondern zugleich auch das Resultat der Verödung, die es hinterlässt und die durch kommunale und staatliche Verschuldungspolitik aufgefangen werden muss. Und weil sich durch herkömmliche Einnahmen der öffentlichen Hand aus dem Vermögen der Bevölkerung keine Schulden mehr ausgleichen lassen, verstärkt die Verödung die Verarmung ohne Ende. Der Trend verschärft sich immer noch bis hin zum mehr oder weniger offenen Konkurs vieler Kommunen. Gegen ihn können sie letztlich nichts anderes machen, als das Leben der Stadt zu reduzieren auf das Nötigste, zu sparen bis zur Bewegungslosigkeit und zur Animation der großen Geldgeber sich weiterhin untertänigst anzubieten. Es ist hier dasselbe wie auch in der EU, die Griechenland bis zum sozialen und wirtschaftlichen Bankrott getrieben hat, wobei hier die "starken Länder" zunehmend über das Wohl der Schwachen verfügen, also die EU selbst ausplündern (8).

Die Staatsverschuldung und die Verschuldung der Kommunen resultieren aus dem Verbrauch öffentlicher Ressourcen, vor allem aus Bildung, Sozialvermögen und Infrastruktur, die durch Steuern und Sozialabgaben nicht mehr hinreichend finanziert werden können und die Potenziale zur Konkurrenz auf den Weltmärkten einschränken würden. Sie ist die Folge von zu niedrigen Löhnen, zu niedrigen Einkommens- und Kapitalsteuern und Steuerfluchten, also im Wesentlichen durch den Entzug von Werten, die vom Kapital nicht mehr ausgeglichen werden, weil es seine Mehrwertrate, also seine Ausbeutungsrate gegen den Fall der Profitrate bestärken will und auch gegen seine inneren Krisen bestärken muss (3). Der Wertentzug besteht somit national als Schuldbelastung der Bevölkerung fort, was nichts anderes als eine nationalpolitische Verschärfung der Ausbeutungsrate ist (4).

Die Marktbeherrschung der Kreditwirtschaft zeigt sich an der Macht der Ratingagenturen, die inzwischen durch ihre bloßen Dafürhaltungen das Schicksal ganzer Länder bestimmen. Die Kreditwirtschaft hat sich von der Realsierbarkeit der Schuldverpflichtungen durch Vermögensbildung abgelöst und ist zu einem selbständigen Potenzial eines nur noch fiktiven Kapitals geworden, zu einer prinzipiellen Verschuldung der Bürger der ganzen Welt, in der es selbst als Verschuldungsprinzip, als Feudalkapitalismus über die Lebensverhältnisse in aller Welt herrscht. Dieser Trend prozessiert inzwischen überall, wo Geld getauscht wird: in Nord-, Mittel- und Südamerika, in Afrika, Europa, Asien und Australien. Und er ist in verschiedener Gestalt wirksam, vor allem im Verhalten der Staatsregierungen, der politischen Exekutive, soweit sie sich durch ihre Beschäftigungspolitik, ihre Steuerrechte und Soziagesetzgebungen noch Spielraum für vermehrte Geldeinnahmen verschaffen können, also durch den vermehrte Einnahmen durch Steuer- und Sozialabgaben, die letztlich nichts anderes als versteckte Lohnkürzungen der Mehrheit der Bevölkerung sind (siehe hierzu Negativverwertung). Schließlich werden viele Kommunen auch noch selbst durch Public-Privat-Partnerships in ihren Versorgungssystemen geplündert, so dass die Erhaltung ihrer Infrastrukturen zunehmend hiervon abhängig wird (9).

Das Unrecht im öffentlichen Raum

Die Wirtschaft des Kapitalismus hatte schon immer das Recht auf Privateigentum (11) zu seiner politischen Bedingung, war immer schon als Wirtschaft politisch bedingt, also politische Ökonomie im wahrsten Sinne des Wortes. Marktwirtschaft beruht auf dem Austausch von Waren, die eben nur solange als Waren funktionieren können, solange sie in privater Hand verbraucht werden, aber in gesellschaftlicher Funktion auf dem Markt existieren. Denn schon immer war es hierfür nötig, durch gesellschaftliche Beiträge aus Privatarbeiten diesen Markt auszustatten, durch Zusammenwirkung der Produktivkräfte, der arbeitenden Menschen, Erfindungen, Gesunderhaltung, Bildung usw. seine wirtschaftlichen Grundlagen zu schaffen. Und schon immer war die Privatheit der Nutzung der dort getauschten Gütern die Form, worin die hierin verbundenen einzelnen geteilten Arbeiten (siehe Arbeitsteilung) Verwendung fanden. Was sie an gesellschaftlichem Inhalt verkörperten war absolut vereinzelt, weil sich ihre gesellschaftliche Herkunft dem Inhalt nach für ihre Besitzer relativierte, weil diese ihnen eben gleichgültig sein konnte. Trotz ihrer gesellschaftlichen Bestimmtheit existieren diese Produkte als Waren hiergegen gleichgültig. Aber ihr Besitz verkörpert sie als eine gesellschaftliche Macht, während sie als Güter zum Lebenserhalt und zur Entwicklung des gesellschaftlichen Reichtums dienen.

Aber erst im Geld wurde die Verkehrsform dieser gesellschaftlichen Macht zur Existenzform einer allgemeinen Privatheit, zu einer privaten Verfügungsgewalt über alle gesellschaftlichen Beziehungen, gesellschaftliches Faustpfand absoluter Selbstbezogenheit (5). Wer Geld über seinen unmittelbaren Bedarf hinaus aufschatzen kann, der verfügt über das Potenzial einer ganzen Wirtschaft, die sich seinem Bedürfnis nach Vernutzung beugt, während Ohnmacht und Abhängigkeit denen zukommt, die sich ihre Lebensmittel nach den Bedingungen des Geldverhältnisses erst noch verdienen müssen. Sie können im Allgemeinen nur das bleiben, was sie sind, weil die Geldbesitzer über ihre Existenz verfügen, indem sie ihnen Arbeit und Lohn, also Lohnarbeit bieten. Arbeit besteht in solcher Beziehung nicht als gesellschaftlich notwendiger Aufwand, über dessen Minderung alle erfreut sein könnten, sondern als Arbeitsplatz, um den gestritten werden muss, um sich ernähren zu können. Das eben macht die Warenwirtschaft aus, in der die Geldbesitzer als Arbeitgeber auftreten und die Arbeit schaffenden als Arbeitnehmer.

Doch solche Wirtschaft ist höchst widersprüchlich, weil sie zwangsläufig die Menschen in ein Klassenverhältnis aufteilt, das wirtschaftlich nicht aufgehen kann. Schon die Verhältnisse der Warenproduktion waren und sind höchst unwirtschaftlich, weil sie nicht das erbringen, was Wirtschaft verlangt, nämlich den Aufwand der Produktion mit zunehmender Effektivierung der Arbeit zu mindern, Arbeit also zu mindern und dennoch den Lebensstandard der Menschen zu bereichern. Die Geldverwertung zu Kapital gelingt nur, wenn immer mehr Arbeitszeit zur Wertbildung aufgesogen wird (6), die zwar als Besitz an Produktiv- und Finanzvermögen das Machtmittel für das Kapital ist, aber keinen Wert für das wirkliche Leben der Menschen hat. Durch diese Macht ist das Kapital in der Lage, aus den gesellschaftlichen Zusammenhängen der Menschen sich das Material anzueignen, das es zu seiner Machtvermehrung nutzen kann, womit es also seine Privatmacht potenziert. Marx beschreibt dies als Widerspruch von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung (7).

Das bürgerliche Recht entspricht den Notwendigkeiten des Warentauschs, durch welchen sich die Widersprüche der Verwertung der Werte vollziehen, sobald die Arbeitskraft selbst zur Ware wird und die Produkte denaturiert, der Sinn ihrer Produktion entmenschlicht wird, nur um die Macht des Geldes zu vermehren. Der arbeitende Mensch kann sich nur reproduzieren; der Geldbesitzer jedoch vergrößert seine Macht und seinen Einfluss auf das Produktivvermögen, indem er seine Interessen als Geldbesitzer, als Besitzer des gesellschaftichen Faustpfands immer durchsetzen kann, weil sein Geld gesellschaftlichen Wert, verausgabte menschliche Arbeit darstellt. Die Unwirtschaftlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft wird durch ein Recht abgesichert, welches gesellschaftliches Vermögen zur Bestärkung privater Macht enteignet: Privatrecht. Dieses Recht wird um so absurder, je umfassender die Krisen der Gesellschaft werden, deren Unwirtschaftlichkeit sie erzeugt. Inzwischen ist das Privatrecht durch die Widersprüche und Krisen des Kapitalismus zum Recht des Staates auf Verwendung seiner Bürger zum Ausgleich seiner Kapitalschulden geworden, zum Feudalrecht, das nun ein letztendlicher Machtfaktor des kapitalistischen Krisenmanagements ist. Die Begründung des Privatrechts schafft sich damit auf Dauer schließlich auch selbst dadurch ab, dass es selbst zum Medium der Willkür der Finanzherrschaft wird.

Schon im gewöhnlichen Leben der privaten Beziehungen gelten eindeutige Rechtsauffassungen, die inzwischen für die politischen Beziehungen praktisch überholt wurden. Was heute ganz allgemein und selbstverständlich betrieben wird, hat mit dem bürgerlichen Recht nichts mehr gemein. Eine Verschuldung im Wissen um die Uneinlösbarkeit der Schuld ein Betrug, - nicht so das Prinzip der Staatsverschuldung. Und die Verschuldung der Nachkommen durch Belastungen, welche die gegenwärtigen Generationen durch ihre Lebensweise erzeugen, ist ein Missbrauch des Generationenverhältnisses und damit der menschlichen Geschichte überhaupt. Die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen ist ein Verbrechen am Leben selbst. Eine Arbeit, die den arbeitenden Menschen den größten Teil ihres Produktes entzieht, ist Fronarbeit. Miete und Pachtgebühren, welche den Menschen den ihnen verbliebenen Ertrag bis an die Grenze ihres Selbsterhalts entziehen und ihnen jede Entwicklung ihres Lebensstandards verunmöglichen, sind Erpressungen durch Grundbesitz. Willkürliche Preisbildungen zur Nutzung von Infrastruktur, von Energie, Kommunikation und Verkehr, sind das politische Diktat des deformierten Gemeinwesens einer deformieten Gesellschaft. Ein Staat, der die ihm überlassenen Gelder aus Steuern und Sozialabgaben zur Tilgung seiner Schulden verwendet, veruntreut das ihm anvertraute Vermögen. Ein Parlament, das nur noch die Interessen der Eliten durchsetzt, ist eine Aristokratie und kann sich nicht mehr demokratisch heißen. Eine Armee, die sich in alle möglichen Auseinandersetzungen der Welt mit Waffen und Kriegstechnologie zur Vorteilnahme ihrer Staatsinteressen einsetzt, ist ein Terrorkommando.

Die bürgerliche Gesellschaft hat sich zu einer Art Staatsfeudalismus rückentwickelt. Sie ist in dessen Zweck unmittelbar nur noch dem Kapital als Gläubiger ihrer von diesem verursachten Schulden zu Diensten und muss ihm zu Diensten sein, weil dieses eben nun als das versammelte Privatvermögen eines Gesamtgläubigers ihre politische Form selbst beherrscht. Das erste und offensichtliche Resultat des Feudalkapitalismus ist die Reduktion des bürgerlichen Rechts auf die Verpflichtung der Bürgers zur Staatsgehorsamkeit. Hat der Kapitalismus aufgrund seiner inneren Widersprüche seine Grundlagen, die realen Warenverhältnisse soweit überschritten, dass er seine Geldverhältnisse nur noch durch ein Unrechtssystem durchsetzen kann, so wird er barbarisch. Es ist hierfür kein expliziter Faschismus nötig, aber doch der Durchsatz der Staatsgewalt gegen die Bevölkerung. Die begründet sich gerne selbst durch die Gewalt der Verhältnisse und mag sich also als reine Reaktion aus den sozialen Konflikten einer solchen Gesellschaft zu legitimieren versuchen, besonders als Reaktion auf Terrorismus. Sie bleibt dennoch das bloße, weil willkürliche Machtinstrument einer staatlichen Barbarei, denn sie muss zunehmend die Lebenskraft der Bevölkerung aufsaugen und sie als Quellle ihres Vermögens zum Systemerhalt handhaben und sich damit den Gläubigern auf den Finanzmärkten der Welt anbiedern, die doch nur verspielen, was ihnen geboten wird.

Das Recht, das mit den Menschen geboren war, ist ihr natürliches Recht auf Leben und menschliches, also gesellschaftliches Dasein. So sollte es als Grundrecht selbstverständlich sein und in jedem Grundgesetz stehen. Doch ein solches Gesetz würde sofort schon mit den wirtschaftlichen Grundlagen des Kapitalismus, mit dem Recht des Privateigentums, unauflösbar konfligieren. Durch dieses Recht können die Wirtschaftskrisen als Feudalverhältnisse fortgeführt werden und eine marktwirtschaftlich nicht mehr bewältigbaren Verschuldungsspirale auflösbar erscheinen lassen. Die bürgerliche Gesellschaft, die noch auf die Entwicklung ihrer Produktivkraft setzte, war schon im letzten Jahrhundert aufgrund ihrer inneren Widersprüche längst am Ende, hatte furchtbare Kriege erzeugt und sich zur Selbstvernichtung im Faschismus entwickelt. An ihrem Ende herrscht jetzt nach der Restauration des Kapitals und dessen Globalisierung der Raub, die Macht eines unerschöpflichen, weil nur noch durch das Recht auf Beraubung ausgestatteten Kapitals. Der öffentliche Raum ist der wirklich gesellschaftliche Raum, die natürliche Bedingung gesellschaftlicher Beziehungen. Wird er zerteilt und partialisiert und nur noch nach Geldbesitz verfügbar gemacht und gehalten, so wird Gesellschaft ganz unmittelbar zerstört.

In den reicheren Ländern finden die Krisen des Kapitalismus daher heute in ihrem öffentlichen Raum statt. Geld sucht Geld und bewältigt seine Sucht durch Gewinnversprechungen, durch die alle Politik unmittelbar an die Macht der Finanzmärkte gebunden wird. Die Fixierung ihrer politischen Macht stellt sich im Größenwahn des kommunalen Designs dar, das nur noch auf Kapitaleinnahmen spekuliert, weil die sogenannte öffentliche Hand nicht mehr durch den wirklichen Wirtschaftskreislauf der Bevölkerung zu finanzieren ist und weil die Staatsanleihen auf Gewinne durch Exporte setzen. Durch die Exportwirtschaft mit Technologie, also mit Gütern zur Kapitalentwicklung, kann sich hierzulande zwar ein Teil der Bevölkerung tatsächlich aus reinen Dienstleistungen ernähren, steht damit aber zugleich im Gegensatz zu den belieferten Nationen und auch zu einigen Ländern der Währungsunion. Während dort die Menschen noch weitgehend der Mehrwertrate direkt unterworfen sind, sind hier die Arbeiterinnen und Arbeiter zu einem großen Teil durch Dienstleister ersetzt, die vom Mehrwert leben, ohne wirklich an der Bildung des Mehrprodukts beteiligt zu sein. Technologie ist für die Kapitalbesitzer zwar das Material der Mehrwertbildung und ihre Erzeugung erfordert ebensolche Arbeit wie jede andere Produktion, enthält also auch Mehrwert, unbezahlte Arbeit, doch es stellen Maschinen materiell keinen Mehrwert dar, weil sie nur durch ihren Verschleiß in die Produkte übertragen werden, weil sie in ihrer Funktion also dem konstanten Kapital zuzurechnen sind. Technologie-Exporte und technische Intelligenz sind Lebenselexiere der Eliten, mit denen auch die Dienstleister einvernahmt werden. Arbeitskämpfe versiegen in ihrer Genügsamkeit und Aufstände scheitern am Kalkül eines relativen Reichtums gegenüber den armen Ländern, die ihnen den Großteil ihrer Reproduktionsmittel zu Billigpreisen liefern müssen. Hier wird daher die Bevölkerung nicht so direkt durch Mehrwert schaffende Arbeit ausgebeutet, sondern durch das Privatrecht des Grundbesitzes und der Lizenzgebüren.

Dieser Besitz ist die Grundlage des Kapitalfeudalismus. Er muss nicht unbedingt die Arbeit selbst beherrschen; er herrscht durch seinen Besitz an öffentlichem Raum, in welchem er unmittelbar die Lebensbedingungen des gesellschaftlichen Verkehrs bestimmt, zerteilt und letztlich dessen gesellschaftliche Synergie zerstört. Hier wird Gesellschaft im Material ihres Gemeinwesens enteignet und die Enteignung der Gesellschaft in ihrem öffentlichen Raum muss daher das zentrale Thema des Widerstands gegen das Feudalkapital sein. Die Ausbeutung des Verkehrswerts der Städte ist der Versuch, Kapitalismus unendlich zu machen. Hierfür werden die Mieten kassiert und hierfür die Steuern bezahlt. Und hier ist daher auch der Ort der Verweigerung der Menschen gegen die Leibeigenschaft für das Finanzkapital.

Die Protagonisten der Fixation der zerstörten Gesellschaft sind längst tätig. Es sind nicht nur die Agenturen der politischen Kultur und der Kommunalverwaltung, nicht nur die Städteplaner und Kapitalinvestoren. Auch in den Wirtschaftkongressen und -Ausschüssen und den Geisteswissenschaften in den Universitäten und der Philosophie stehen sie parat. Sie planen und betreiben die Funktionalisierung einer totalen Struktur, die Einsicht der Bürger in die Notwendigkeit ihrer Selbstbeherrschung und die Fiktion eines Menschenparks, in welchem jedes Menschentier an seinem Platz so gehalten wird, wie es für das ganze Gehege nötig ist, auch und gerade wenn es nur in einem etwas größeren Kaninchenstall, der Legebatterie, die als seine Wohnung gelten soll, vegetieren darf. Der Staat vermittelt sich selbst inzwischen als politische Kultur, als Auftrag zum Hegen und Pflegen sinnentleerter Verhältnisse. Er verschafft sich hierdurch die Disziplin unmündig gemachter Bürger, die gerne Mitreden dürfen, soweit sie die Unterwerfung an die Staatsgläubiger akzektieren. Er betreibt eine Politik, welche die Menschen in einem zum Beitrag am Gemeinwohl einer Verwertungsgesellschaft verpflichteten Bürger versinken lässt, der lediglich den Glauben publiziert, dass es dann irgendwann mal irgendwie besser wird. Solche politische Kultur soll dann schließlich alles Leben beherrschen. George Orwell hatte das schon ganz richtig gesehen.

"Rights to the City" - eine weltweite Bewegung

Obwohl das Kapital nach wie vor menschliche Arbeit aufsaugt, weil nur durch sie Wert entsteht, nur durch sie unbezahlte Arbeit als Mehrwert für das Kapitalwachstum angeeignet wird, verschafft es sich das Material seiner Macht immer mehr durch das private Nutzungsrecht der Lebensbedingungen überhaupt. Diese Form der Ausbeutung betrifft eigentlich alle Menschen in gleicher Weise. Aber es hebt deshalb nicht die Klassengegensätze auf sondern befördert sie auf eine abstraktere Ebene, auf die des reinen Geldverhältnisses, soweit es sich aus dem Arbeitsprozess herausgelöst hat. Auch hier ist der Gegensatz von aufgeschatztem Geldbesitz einerseits und Lohnarbeit zur bloßen Reproduktion andererseits, also das Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital wesentlich. Wer mehr Geld hat, als er zum Leben braucht, kann selbst auf dem Finanzmarkt spekulieren und wird weniger Interesse am Widerstand gegen die Kapitalmacht in den Kommunen haben. Er oder sie wird sich zwar lokalpatriotisch empören über die Verwüstungen, welche die Kapitalinvestitionen hinterlassen, vielleicht an einer schöneren Stadt, an einer "Transition Town" basteln wollen, sich aber nicht wirklich enteignet begreifen können und nicht auf die Aneignung der längst vorhandenen Lebensbedingungen bestehen und ihre kapitalistische Formbestimmung bekämpfen. Doch wer die Verbauung seiner Welt als fremde Macht erfährt, weil er sich gegen diese nicht wehren und auch nicht sich durch sie überheben kann, der wird die Verfremdung und Verwüstung seiner Lebenswelt auch als Enteignung seiner Lebensgrundlagen wahrnehmen und sein Leben hiergegen begründen und entwickeln (10).

Auch wenn hierzulande ein Mehrwert schaffendes Proletariat nur in der Minderzahl ist, besteht eine ausgedehnte Proletarisierung der Menschen in der kommunalen Kultur, die zum Teil auch prekär ist, aus Arbeitslosen und Randständigen, Schüler und Studenten, Künstler und Vagabundierende, genauso besteht wie aus Lohnarbeiter, Handwerker und Selbständigen. Sie wirft weiterhin die zentrale Fragestellung nach den Eigentumsverhältnissen auf, die das Wissen um eine gesellschaftliche Enteignung enthält. In einigen Städten wird sie schon gestellt, die Frage: "Wem gehört die Stadt?" Das Recht auf Privateigentum stand in der bürgerlichen Gesellschaft schon immer dem Recht auf gesellschaftliche Existenz entgegen. Aber das gesellschaftliche Eigentum konnte sich umgekehrt noch nie als individuelles Eigentum erweisen. Eine neue Bewegung keimt, die dieses Problem wohl dahingehend auflösen muss, dass sich die Eigentumsfrage gar nicht mehr stellt.

In den Kommunen existieren die Lebensgrundlagen, die bedroht werden und hier herrscht zugleich auch die verkehrte Welt, die alles zur Verkehrung natürlicher Lebensverhältnisse vorantreibt. Von daher kann der Widerstand nur im kommunalen Bündnis mit den arbeitenden Menschen Wirkung haben. Es muss endlich um die Emanzipation der Menschen gehen, um die Aneignung und Herstellung eigener Lebensbedingungen, um die Stadt als Fabrik, die Kommunalwirtschaft als Weltwirtschaft. Es geht also um das Recht auf die Bewirtschaftung der eigenen Lebenswelt überhaupt, sowohl in Stadt und Land wie auch international (siehe internationale Kommunalwirtschaft).

Die Basis bleibt der Klassenstandpunkt eines Proletariats, auch wenn es sich aus der Arbeitswelt zum Teil schon herausgelöst hat, die doch nach wie vor vollständig durch das Kapital beherrscht ist. Es handelt sich hier um die Proletarisierung der Kultur, die einerseits auf Arbeit beruht, andererseits zugleich zur Bürgschaft für das Finanzkapital hergenommen wird. Die Reproduktion der Menschen bleibt die Grundlage des Widerstands, denn die große Mehrheit der Bevölkerung hat auch in den reichen Ländern nicht mehr Geld, als sie zum Leben braucht. Der Klassengegensatz besteht in diesem Sinne fort, wenn man mit dem Begriff Proletariat der Beschreibung von Friedrich Engels folgt:

"Das Proletariat ist diejenige Klasse der Gesellschaft, welche ihren Lebensunterhalt einzig und allein aus dem Verkauf ihrer Arbeit und nicht aus dem Profit irgendeines Kapitals zieht; deren Wohl und Wehe, deren Leben und Tod, deren ganze Existenz von der Nachfrage nach Arbeit, also von dem Wechsel der guten und schlechten Geschäftszeiten, von den Schwankungen einer zügellosen Konkurrenz abhängt." (Friedrich Engels in MEW 4, S. 361)

Es entstehen in diesem Sinne bereits Aktivitäten, die sich als (Klassen)Kämpfe der Gegenwart verstehen und sich auf Entwicklungen in deutschen Städten beziehen. In Frankfurt äußert sich z.B. die Gruppe "Wemgehört die Stadt?" auf ihrer Web-Site http://www.wemgehoertdiestadt.net ). Eine "Jenaer Klassenkonferenz" trifft sich z.B. zum 2. Mal am 1. und 2. Juni in Jena (kleiner Sitzungssaal der Rosensäle der FSU Jena, Fürstengraben 27) und wird organisiert von MitarbeiterInnen des Instituts für Soziologie und der Rosa Luxemburg Stiftung Thüringen.

In Hamburg, Düsseldorf, Wuppertal, Duisburg, Freiburg und Berlin und vielleicht auch noch anderswo gibt es bereits Netzwerke auch unter dem Titel “Recht auf Stadt“, die sich auf eine weltweite Bewegung beziehen und an den Grundlagen der kapitalfeudalistischen Stadtentwicklung rütteln. In Nordamerika, Mittelamerika (Mexiko) und Südamerika sind schon länger viele Menschen mit den “Rights to the City“ befasst. Ähnliche Intensionen verfolgt das “Egyptian Centre on Housing Rights“ aus Kairo, das “Movimiento de Pobladores“ aus Caracas , “Abahlali“ aus Südafrika (Bewegung der HüttenbewohnerInnen), das “Büro für transdisziplinäre Forschung und Kulturproduktion/Stuttgart“, das “Moi“, “Movimiento de Occupantes e Inquilinos“ aus Buenos Aires, das “Droit au logement“ und “No Vox“ in Paris, das “Movement for Justice“ in El Barrio in New York, “Ir Lekulanu“ (Stadt für Alle) in Tel Aviv und das “Grass Stage“ in China und viele mehr.

Auch das Hamburger Netzwerk lädt unter dem Titel "Recht auf Stadt" zu seinem 2. Kongress vom 2. bis 5. Juni in Hamburg (siehe http://www.rechtaufstadt.net). Über das Netzwerk "Recht auf Stadt" sprach ich in Hamburg mit Tina Fritache und Nicole Vrenegor, zwei in diesem Netzwerk aktiven Frauen, die Wert auf die Feststellung legen, dass sie nicht für das Netzwerk, sondern nur für sich sprechen können. ==> Interview "Recht auf Stadt" hören


(0) Unbezahlte Arbeit ist die Arbeit, über die das Kapital dadurch verfügt, dass es die Arbeitskraft nur in dem Maß auszahlt, was ihre Reproduktion, also die Lebensmittel, Bildung, Familie usw. kostet. Wie bei allen anderen Waren ist dies der Wert, den sie hat, also das, was zu ihrer Erzeugung und Erhaltung wiederum an Arbeit eingehen muss.

Die unbezahlte Arbeit ist daher die Arbeit, welche Produkte schafft, die über den bestehenden Wert hinaus Wert, also Mehrwert haben, teils als wirkliches Mehrprodukt, teils als bloßer Wert, der sich im politischen Machtpotenzial des Produkts darstellt, z.B. als aufgeschatztes Geld.

"Der Diebstahl an fremder Arbeitszeit, worauf der jetzige Reichtum beruht, erscheint miserable Grundlage gegen diese neuentwickelte, durch die große Industrie selbst geschaffne. Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört hat, die große Quelle des Reichtums zu sein, hört und muß aufhören, die Arbeitszeit sein Maß zu sein und daher der Tauschwert [das Maß] des Gebrauchswerts. Die Surplusarbeit der Masse hat aufgehört, Bedingung für die Entwicklung des allgemeinen Reichtums zu sein, ebenso wie die Nichtarbeit der wenigen für die Entwicklung der allgemeinen Mächte des menschlichen Kopfes.
Damit bricht die auf dem Tauschwert ruhnde Produktion zusammen, und der unmittelbare materielle Produktionsprozeß erhält selbst die Form der Notdürftigkeit und Gegensätzlichkeit abgestreift.
Die freie Entwicklung der Individualitäten und daher nicht das Reduzieren der notwendigen Arbeitszeit, um Surplusarbeit zu setzen, sondern überhaupt die Reduktion der notwendigen Arbeit der Gesellschaft zu einem Minimum, der dann die künstlerische, wissenschaftliche etc. Ausbildung der Individuen durch die für sie alle freigewordne Zeit und geschaffnen Mittel entspricht." (Karl Marx in Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (1857-1858) Marx-Engels-Werke Bd.42, S. 601)

(1) "Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde." (Marx in Marx-Engels-Werke Bd.25, S. 501)

(2) So war z.B. München durch seine Militär- und Technologieexporte, durch Auto-, Verkehrsmittel-, Maschinen- und Waffenlieferungen in die ganze Welt zwar zunächst relativ verschont vom globalen Städtesterben, jedoch auch hoch belastet mit einem Verschuldungshaushalt. Erst die Einwanderung von Technologie-Eliten führte dazu, dass die hohen Mieten dennoch zum Großteil bezahlöt werden konnten. Auch hier fand Gentrifizierung (z.B. im Gärtnerplatz- und Glockenbachviertel) statt, jedoch wesentlich leiser und unauffälliger als anderswo.

(3) "Die allgemeine Möglichkeit der Krisen in dem Prozeß der Metamorphose des Kapitals selbst gegeben und zwar doppelt, soweit das Geld als Zirkulationsmittel fungiert – Auseinanderfallen von Kauf und Verkauf. Soweit es als Zahlungsmittel fungiert, wo es in zwei verschiedenen Momenten wirkt, als Maß der Werte und als Realisierung des Werts. Diese beiden Momente fallen auseinander. Hat der Wert changiert in dem Intervalle, ist die Ware im Moment ihres Verkaufs nicht wert, was sie wert war im Moment, wo das Geld als Maß der Werte und daher der gegenseitigen Obligationen funktionierte, kann aus dem Erlös der Ware die Obligation nicht erfüllt werden und daher die ganze Reihe der Transaktionen nicht saldiert werden, die rückgängig von dieser einen abhängen. Kann die Ware auch nur in einem bestimmten Zeitraum nicht verkauft werden, selbst wenn ihr Wert nicht changierte, so kann das Geld nicht als Zahlungsmittel funktionieren, da es in bestimmter, vorausgesetzter Frist als solches funktionieren muß. Da dieselbe Geldsumme aber hier für eine Reihe von wechselseitigen Transaktionen und Obligationen funktioniert, tritt hier Zahlungsunfähigkeit nicht nur in einem, sondern vielen Punkten ein, daher Krise.
Dieses sind die formellen Möglichkeiten der Krise. Die erstere möglich ohne die letztere – d.h. Krisen ohne Kredit, ohne daß das Geld als Zahlungsmittel funktioniert. Aber die zweite nicht möglich, ohne die erstre, d.h., daß Kauf und Verkauf auseinanderfallen. Aber im letzteren Fall die Krise nicht nur, weil Ware unverkäuflich, sondern weil sie nicht in bestimmtem Zeitraum verkäuflich, und die Krise entsteht und leitet ihren Charakter her nicht nur von der Unverkäuflichkeit der Ware, sondern der Nichtrealisierung einer ganzen Reihe von Zahlungen, die auf dem Verkauf dieser bestimmten Ware in dieser bestimmten Frist beruhn. Dies die eigentliche Form der Geldkrisen." (Karl Marx in Theorien über den Mehrwert - Zweiter Teil - Marx-Engels-Werke Bd.26.2, S. 514 bis 516)

(4) Die Ausbeutung der Produzenten für den täglichen Bedarf ist durch die Globalisierung längst internationalisiert und besteht aus Billigimporten, welche bereits zu einem großen Anteil dem Lebensunterhalt der Menschen in den Dienstleistungsgesellschaften der reichen Länder dienen und aus der Armut anderer Länder erpresst werden, die vom Kapital der Reichen abhängig gemacht worden waren. Während sich hier die Produktion auf die Produktion von Technologie für die Kapitalbildung konzentriert und Staatsschulden bewirkt, beherrscht die Währungspolitik in den armen Ländern die Wertlage der arbeitenden Armen. Die Währungs- und Kreditwirtschaft herrscht daher hier wie dort. Auf den Finanzmärkten lösen sich also die Widersprüche von Kapital und Arbeit, von Mehrwertrate und Selbsterhalt auf und an ihre Stelle tritt eine allgemeine Verschuldung ohne Möglichkeit eines wirklichen Ausgleichs, die Unendlichkeit der Kreditwirtschaft - und damit die gemeine Leibeigenschaft der Bürger und ihrer Nachgeborenen in aller Welt. Geld und Kapital sind nicht mehr das unmittelbar probate Investitionsmaterial des Kapitalismus von dereinst, stehen nicht mehr unmittelbar der Welt der Arbeit entgegen. Sie sind hiergegen fast vollständig verselbständigt, kursieren zu über 95% nur noch als Verpflichtungspotenzial des Rechts auf Bezahlung um den Globus. Nicht mehr der reale Einsatz von investivem Kapital bestimmt die Wirtschaftsprognosen, sondern das Vertrauenspotenzial in den Schuldner, also das Vertrauen in das, was dort im Zweifel noch herauszuholen ist.

(5) Gesellschaft findet unter den Bedingungen des Geldbesitzes meist nur unter der Hand oder hinter dem Rücken der Menschen statt. Aber sie ist die notwendige Bedingung ihres Lebens. Nur weil der einzelne Mensch ohne sie nicht leben kann, ist er gezwungen auf die Marktbedingungen seiner Lebensverhältnisse einzugehen. Und auf der anderen Seite erzeugen nur die so bedingten Verhältnisse gesellschaftliche Werte. Kultur, Bildung und Ausbildung sind der Arbeit vorausgesetzt und die Synergien des gesellschaftlichen Zusammenwirkens, die Vielfalt der Einfälle und die Geschichte und Reifung der Produktivkräfte sind die eigentlichen Inhalte des gesellschaftlichen Reichtums.

Kultur, Bildung, Arbeitskraft und Erfindungsreichtum kann nur genutzt werden, weil es alles bereits gesellschaftlich existiert, bevor es nutzbar ist, weil es ein Gemeinwesen darstellt, ohne dass es als solches existiert. Der Nutzen ist eine ganz partikulare, eingeschränkte Beziehung, die schließlich den Gebrauchswert der Dinge und Kräfte ausmacht, die als Ware getauscht werden und als Tauschwerte vergesellschaftet werden und als Werte von denen verwertet werden, die über deren Gebrauch nicht nur zum Verzehr sondern auch als gesellschaftliche Verwertungsmacht verfügen können: Die Geldbesitzer. Nutzung unterstellt Herrschaft und diese ist frei, zu machen, was ihr möglich ist. Die von ihr benutzten Menschen bleiben daher zwangsläufig nur das, wofür sie nützlich sind. Privateigentum ist deshalb Nutzungs- und Vernutzungsrecht, also nicht wirkliches Eigentum, das aus den Eigenschaften der Menschen, ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen entstanden ist, sondern Fremdbesitz, also der Besitz an fremden Kräften und Produkten, die durch das Privatrecht der Nutzung beliebig angeeignet und einverleibt werden kann. So geht es mit den Kräften der Menschen, ihren Lebensbedingungen und den Produkten. Wer die gesellschaftliche Macht hat, wer mehr Geld hat, als er zu seinem Leben verbraucht, der kann für sich privat Nutzen was und wie er will. Privat heißt ja auch geraubt. Er raubt das, was nicht wirklich gesellschaftlich existiert, was aber in jedwede Nutzbarkeit eingeht: Den gesellschaftlichen Entstehungsprozess, die Geschichte der Lebenszusammenhänge. Und nicht nur dies: Geraubt werden auch die Lebensbedingungen, die schon allem vorausgesetzt sind, Natur, Raum und Zeit. Die natürlichen Ressourcen, Grund und Boden, Immobilien, Verkehrsnetzen und schließlich auch Wasser und vielleicht bald auch Wind und Luft werden den Menschen von denen entzogen, die sie durch geld aneignen können und für sich nutzbar machen. Ebenso der er öffentliche Raum.

In den Städten erfährt man dies am deutlichsten an den Mietpreisen und ihren Folgen. Nicht der Erstehungswert der Häuser begründt die Mietpreise, sondern ihr Verkehrswert. Ein Haus mag schon seit Jahrzehnten voll amortisiert sein, es gewinnt immer noch an Wert, wenn es in einer Verkehrgegend steht, wo Geld eine große Rolle spielt oder wo es sogar unmittelbar geldwertige Kultur darstellt (z.B. mit Geschäftsräumen oder Gaststätten usw.). Es wird behauptet, dass Angebot und Nachfrage den Preis entstehen ließen. Hier aber zeigt sich unmittelbar, dass nicht die bloße Nachfrage im Verhälnis zu den Angeboten, sondern ihre gesellschaftliche Verwertungslage den Preis bestimmen, sobald die Miete den durchschnittlichen Wertanteil des Arbeitslohns übersteigt. Nur wer das Geld schon hat und auch in hohem Maß einsetzen kann und will, um hieraus mehr zu machen, als bereits ist, wird in guten Verkehrslagen die Miete auch bezahlen können. Und genau dies macht den Drang der Gentrifizierung aus. Die sogenannten Filetstücke sollen möglichst viel Geld einbringen und was nocht nicht verkehrsmäßig gut erschlossen ist, soll es werden, um Unternehmen anzulocken und Arbeitsplätze zu vermehren und die Steuereinnahmen zu erhöhen.

(6) "Das Kapital ist selbst der prozessierende Widerspruch [dadurch], daß es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren strebt, während es andrerseits die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums setzt. [...] Nach der einen Seite hin ruft es also alle Mächte der Wissenschaft und der Natur wie der gesellschaftlichen Kombination und des gesellschaftlichen Verkehrs ins Leben, um die Schöpfung des Reichtums (relativ) unabhängig zu machen von der auf sie angewandten Arbeitszeit. Nach der andren Seite will es diese so geschaffnen riesigen Gesellschaftskräfte messen an der Arbeitszeit und sie einbannen in die Grenzen, die erheischt sind, um den schon geschaffnen Wert als Wert zu erhalten." (Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 1857/58 MEW 42, Seite 601)

(7) Der Widerspruch von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung hat zur wesentlichen Folge, dass die private Aneignung sich aus einem gesellschaftlichen Quantum der Arbeit als durchschnittliche Arbeitszeit ergibt, die Produktion sich durch das persönliche Maß der Nutzbarkeit von Arbeitskraft bestimmt. Das Maß des Nutzens im Gebrauchswert und das Maß des Preises im Tauschwerts heben gegensinnige Substanzen, die sich durch die gesamte kapitalistische Ökonomie hindurchzieht. So muss die Arbeitskraft im Ausmaß der persönlichen Konkurrenzlage der Arbeitskräfte sich wertfrei anwenden lassen und deshalb auch über die Maßen ihres Tauschwerts hinaus anwendbar sein, während das Wertmaß der Arbeit, also ihre durchschnittlich aufgewandte Arbeitszeit, sich durch ihre gesellschaftliche Existenz ergibt. Somit sind gegensinnige Quantifizierung die Grundlage eines Widerspruchs, der sich zwischen den Preisen und ihren Werten durch die Logik des Kapitals hindurchzieht und schließlich die Krisen dadurch erzeugt, dass die Mehrwertrate der Profitrate, also der Preisgestalt des realisierbaren Wehrwerts, entgegen läuft und Überproduktion, also Wertverlust nötig hätte. Dies führt immer wieder zum Fall der Profitrate.

(8) Um hohe Gewinne zu machen, müssen Geldbeträge eingezogen werden können, die über den Durchschnitt der Vermögen hinausragen. Doch das Gesamteinkommen der durchschnittlichen Bevölkerung war durch den Verlust von Arbeitsplätzen und Lohnminderungen beschränkt worden, so dass vor allem auf dem Immobilienmarkt und durch Stadtplanung bessere Einkommensschichten angezogen werden mussten. Das war die Grundlage der Stadtveredelung, die zugleich auch dem Interesse der Immobilienbesitzer entsprach, denn der Wert ihres Privateigentums war in hohem Maße abhängig von den gesellschaftlichen und verkehrspolitischen Zusammenhängen der Wohn- und Geschäftsgegend. In Großstädten ließ sich da einiges machen. Aber kleinere Städte begannen schon von daher zu veröden und sahen wenig Chancen für ihre weitere Entwicklung. Zugleich wurden die kommunalen Ausgaben durch den Verkauf innerstädtischer Einrichtungen - z.B. von Verkehrsmittel, Wasser- und Energieversorgungseinrichtungen, sozialen und kulturellen Einrichtungen und städtischer Versorgung (z.B. Müllabfuhr). Die Stadtregierungen sind bemüht, dem Teufelskreis verminderter Einnahmen und vermehrter Ausgaben mit allen Mitteln entgegenzuwirken. In Deutschland setzte man daher sehr viel Geld aus dem Topf für die Osterweiterung dafür ein, die städtischen Angebote zu verwohlfeilern, um das Abwandern aufzuhalten und Unternehmungen anzulocken. Mit solchen "Leuchtturmprojekten" waren die Städte an den Wertsteigerungen ihrer durch den globalen Trend der Verteuerung veredelten Stadtteile selbst interessiert worden und begannen, sich an der Wertschöpfung zu beteiligten. Sie taten dementsprechend auch das ihre, um ihr Renommee und Design durch kulturelle Großprojekte (z.B. Hamburger Elbphilharmonie) oder gigantomanische Verkehrsknotenbildung (vergl. Stuttgarter Bahnhof) oder durch weltumspannende Sportevents (z.B. Münchener Olympiade) zu verbessern und die lokalen Umsätze zu steigern.

(9) Es unterscheiden sich diese Abhängigkeit in verschiedenen Teilen der Welt lediglich durch die unterschiedlichen Strukturen in Steuer- und Mietrecht sowie der Eigentumsverteilung an sich und einer anderen, geringeren Rolle der Kommunen wie der öffentlichen Hand, die z.B. in Nordamerika deutlich gravierender und schneller verlief und verläuft als in Europa. Schließlich waren hier die produktiven Anteile des Kapitals durch starke Exportwirtschaft auch weniger unter Druck. Aber im Prinzip zeigt die USA überdeutlich, was den Europäern zum Teil noch bevorsteht. Die Aggressivität der Verschuldungswirtschaft wird deutlich steigen und das Vermögen der Kommunen und ihrer Einwohner immer stärker bedrängen, weil und solange es als reine Privatmacht des Geldvermögens, also unabhängig von seiner gesellschaftlichen Herkunft auftreten kann.

(10) Es geht eben beim Feudalbesitz des Kapitals unmittelbar um politische Einwirkung auf seine Kultur. Diese ist unbedingt und also bedingungslos. Das ändert kein Hegen und Pflegen positiver Beiträge, die Nischen eröffnen und Gemeingefühl mit sich bringen. Man wird die Betroffenen in Zukunft bestimmt auch selbst an den städtischen Projekten durch Mitsprache beteiligen, wie es der neue Ministerpräsident in Stuttgart auch als erster versprochen hat. Doch dies mündet nicht in eigenen Lebensverhältnissen, sondern in etwas anderen Gemeindestrukturen voller Gemeinseeligkeite und in einer Sprachregelung und bietet von daher eine Linderung der Offensichtlichkeit, mündet in eine Sackgasse des bloßen Protestes, in einer Übereinkunft zur Selbstausbeutung, einer Vernunft des kleineren Übels, Das wird auch Stuttgart 21 demnächst vorführen. Aber nach wie vor erkennen diese Augenscheinlichkeit vor allem die wirklich Anhängigen, denen die Mittel nicht gegeben sind, sich über die Notwendigkeit der Veränderung zu erheben und die in alternativer Nachbarschaftlichkeit nicht ihre Mieten und Löhne vergessen machen. Und sie werden auch das Leben kennen, das sie zu verteidigen haben und das durch mehr Geld und Gefühl nicht so einfach zu machen ist.

(11) Privateigentum ist privat angeeignetes, also fremdes Eigentum, nicht Eigentum überhaupt. Eigentum kann immer nur das sein, was zu eigen ist, was also an Eigenschaften gegenständlich da ist. Was ich mir zu eigen mache kann nur dann nicht fremd sein, wenn auch an dessen Bildung ich eigenschaftlich bezogen bin, z.B. als Mensch einer bestimmten Geselschaft. Von daher gibt es kein ausschliches, also privates Eigentum, wohl aber Eigentum, das ich ganz für mich haben kann, weil ich in Gesellschaft auch Individuum bin.