Wolfram Pfreundschuh (10.06.2011)

Die Stadt als Fabrik

 

In Hamburg endete am Sonntag der "Recht-auf Stadt"-Kongress, der große Diskurs einer neuen Bewegung, die sich als Netzwerk versteht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich zum Auftakt im Centro Soziale am Donnerstag erst mal zu einem Glas Sekt getroffen getroffen und sind dann zur "Roten Flora" ins Schanzenviertel "gegangen". Es war eine Demonstration von mindestens 300 Menschen, aber niemand scherte sich um eine Anmeldung oder dergleichen. Das sei man so schon gewohnt in Hamburg, wurde mir gesagt. Kein Polizist weit und breit, die Autos blieben auch so stehen - eben weil man es gewohnt war. Im großen Saal der "Roten Flora" ging es dann um eine neue Lage in der Auseinandersetzung mit dem Kapital, wie sie sich aus der Gentrifizierung der Städte ergeben hat (siehe hierzu “Recht auf Privateigentum“ oder “Recht auf Stadt"?). Und an den drei drauffolgenden Tagen fanden dann 40 Workshops der Arbeitskreise statt, die sich hierfür eingetragen hatten. In den Thesen zum Kongress schrieben die Initiatorinnen als allgemeine Begründung:

"Mit dem Ende des Industriezeitalters gewinnen Städte wieder an Bedeutung als Orte der Produktion – diesmal von Bedeutungen, Images, Netzwerken, Haltungen, Subkulturen, die den Kern der neuen kapitalistischen Wertschöpfung bilden. Der "Subjektive Faktor", einst feministisch geprägter Einwand gegen die funktionale Zurichtung von Leben und Politik in der Fabrikgesellschaft, dient als kreative Ressource des prekarisierten "unternehmerischen Selbst". Letzteres ist auf gut vernetzte, offene Viertel angewiesen – die Gentrifizierungsgebiete, denen die Absturzzonen am Rande der Stadt gegenüber stehen – und mehr noch, auf eine ausbeuterische Warenproduktion in den Maquiladoras des globalen Südens. Denn deren Schwerstarbeit, die erst die Dinge fürs Leben zu Schleuderpreisen schafft, ist das dunkle Geheimnis der "kreativen Klasse". Welche neuen Allianzen bieten Möglichkeiten für Widerstand in der vollintegrierten Stadtfabrik? Wie sieht eine selbstbestimmte städtische Ökonomie aus, die sich nicht zum Komplizen der globalen Ausbeutung macht? Am Horizont leuchtet ein altes Versprechen wieder auf: die Aneignung der Produktionsmittel." (http://kongress.rechtaufstadt.net/) (siehe auch Quellen: Recht auf Stadt - mehr als eine griffige Parole?)

Ja, es ist einiges geschehen seit den 70ger Jahren. Nicht dass es prinzipiell neu wäre: Die Erzeugung von Armut durch die Vermehrung von Geld, die Abschottung der Eliten vom Rest der Welt, die Ausgrenzung der Schwachen, die Produktion von Randgruppen, die Lohnaneignung durch hohe Mieten, und die Ausbeutung von Mensch und Natur überhaupt, das alles ist wie eh und je. Aber durch die geschlossene weltweite Unterwerfung der Politik unter das Kapital hat sich das einstige Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital in das Verhältnis von reichen und armen Ländern gewandelt. Wir leben in einem Reichtum an Geld und sind dennoch arm, weil Geld nur denen taugt, die es verwerten können. Nicht mehr die Güter für das Leben stehen im Fokus der Interessen, sondern ein Brei von Konsumgegenständen, von Events und Spielen, Kommunikationsmittel, Erlebnissen und Anreizungen, die nicht nur gierig und süchtig machen, sondern auch die Abhängigkeit von Lizenzen und Mieten und Krediten totalisieren.

Die Städte stellen es spürbar dar: Sie funktionieren wie das große Arrangement einer konzertierten Kapitalverwertungsanlage, in welcher die Menschen wie in einem großen Unternehmen eingeteilt und angeleitet werden, ihr Bestes für den Betrieb zu geben und ihre Bedürfnisse hiernach auszurichten. Der Betrieb heißt Sparpaket und wurde von raffinierten Geldjongleuren zusammengekleistert und zur Chefsache der Staatsregierung erklärt, weil es eben um die Staatsverschuldung selbst gehen soll, um unser aller Schuld, die der Handel mit Wertapieren und Krediten uns eingebrockt hat. Dafür muss Geld eingenommen werden und dafür muss alles dem großen Geld zu Diensten sein. Das Kapital muss man deshalb stützen, die Menschen kann man fallen lassen, wenn sie hierfür nicht mehr taugen, wenn sie sich als Humankapital nicht mehr verwerten lassen. In deutschen Großstädten wie München, Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf, Berlin, Leipzig, Freiburg und anderen gibt es viel Leerstand von Gewerberaum und wenig Wohnraum für die Menschen, die dort leben. Ihre Mieten werden immer teurer, während ganze Hochhäuser, wie z.B. der ASTRA-Turm in Hamburg, leerstehen, weil die darin angebotenen Büroräume nicht gefragt sind. Aber auch der Leerstand selbst erbringt schon Profit, weil das Gebäude zuvorderst zur Abschreibung errichtet wurde (0). Lieber keine Mieter als billige Mieten, lautet die Parole der Hochpreispolitik. Irgendwann wird sie sich auszahlen, denn Nachfrage kann man auch politisch erzeugen, indem man den Raum beherrscht.

Die Hamburger Elbphilharmonie als Pforte der neuen Hafencity - unübersehbare Symbolik städtebaulicher Gigantomanie
Es herrscht der Schein des Fortschritts durch Gigantomanie. Inzwischen gibt es schon ganze Stadtteile, die nach dem Motto betrieben werden: Lieber die großen Fassaden der Konzerne ausstellen, als Arbeitsplätze zu verlieren. Nichts fürchtet die Kommunalverwaltung mehr als ausufernde Sozialleistungen, die Abwärtsspirale der Sozialverschuldung durch die Verminderung der Beitragsleistungen, die durch Billiglöhne und Arbeitslosigkeit entsteht. Und weil es vermeintlich die Großinvestoren sind, die Arbeitsplätze besorgen, nimmt es jede Stadtregierung hin, dass ihr Grund und Boden immer absurder vermarktet wird. Stadtplanung bedient daher vor allem die Investoren, die versprechen, Arbeit beizubringen in einer Gesellschaft, der immer mehr die Arbeit ausgeht. Der Kreislauf ist geschlossen: Das Wertwachstum lässt die Realisierbarkeit der Werte schwinden und die Krise, die hierauf folgt, macht wiederum klar, dass nur verwertbare Arbeit Wert schafft, eben Geld und Kapital. Solange es den Kapitalismus gibt, ist eben nur Geld und Kapital der Motor jeder Entwicklung. Und die menschliche Arbeit bleibt das Treibmittel, um so mehr, wie sie zugleich durch Maschinen ersetzt wird. Maschinen können eben keinen Mehrwert bilden, weil ihr Wert in die Produkte übergeht (6). Auch wenn für die Menschen immer weniger Arbeit nötig wäre muss immer mehr hierfür betrieben werden (7), gerade weil nur hierdurch auf die Krisen reagiert werden kann, die das Kapital durch seinen inneren Widerspruch selbst erzeugt (1). Nicht die Konzerne mit ihren versprochenen Arbeitsplätzen, sondern Billiglöhne schaffen Arbeit, weil für immer weniger Lohn auch immer mehr gearbeitet werden kann. Trotz hierdurch verstärktem Wertwachstum bleibt für die arbeitenden Menschen jede Entwicklung obsolet. Und wer glaubt, dass es hierzu keine Alternative gibt, der nimmt, was er kriegt. Es herrscht Leerlauf wohin man auch schaut (8).

Die Hamburger "Hafen-City" nach dem "Umbau" der Speicherstadt
Wer einmal durch die neue Hafen-City in Hamburg geschlendert ist, hat den Trend der großstädtischen Stadtplanung mit einem Blick erfassen können: Repräsentative Immobilenprojekte werden auf engem Raum nebeneinander gereiht, um hochpreisige Wohnungen anzubieten, die seitab jeder Urbanität vor allem Luxus vorstellen. Ein Jachthhafen gehört dazu, hochgestylte Restauration und die öffentlichen Flächen vollgestellt mit sogenannter "Kunst im Raum". Doch Kunst ist hier bloße Spekulation durch abstrakte Form, zur Erzeugung von einem Schwung, der nicht ist, der ganz offensichtlich umgekommen ist in einem Leben, das nicht mehr sein kann. Stattdessen das Gefühl, dass es um Höheres geht, um die Erhabenheit abstrakter Selbstwahrnehmung, um ein objektives Selbstgefühl, das einzig und allein durch Design veranstaltet wird. Die Gegend ist gespenstisch öde und fast menschenleer. Die lebendigen Stadtmenschen haben keinen Platz und Kapital herrscht hier durch bloße Räumlichkeit, durch die abgeschottete Genugtuung elitärer Lebensvorstellungen. In der Frankfurter Rundschau hat dies Peter Michalzik in seinem Artikel »Man nennt es Zukunft« so beschrieben:

»Es geht, mit der Kultur als Motor, um nicht weniger als die Neuerfindung eines Ortes. Die Kultur, so ist das gedacht, macht ihn attraktiv und damit werthaltig. Kultur, obwohl nicht Teil der Wertschöpfungskette, ist der Boden, auf dem anderes wachsen kann.« Peter Michalzik, FR, 11.04.2011, »Man nennt es Zukunft«). Zitiert nach "Wem gehört die Stadt? - Die Zeitung zum Aktionstag am 11. Juni 2011" http://www.wemgehoertdiestadt.net/images/stories/netzwerk/wgds/aktionstag/20110611_WGDS-Netzwerk_Zeitung_Aktionstag_web.pdf

Kunst soll Schwung reinbringen, wo Ödnis herrscht
Der Boden, das ist im Kapitalismus vor allem die Rendite durch Grundbesitz (2). Der Wert der Grundrente ergibt sich aus der Profitrate und häuft die Werte auf, die materiell nicht mehr existieren können (außer vielleicht in ihrer Amortisationszeit, also etwa in den ersten 15 Jahren nach ihrer Fertigstellung, worin noch der Material- und Arbeitswert der Häuser abgetragen wird, und den Renovierungskosten, die dabei geläufig sind). Grund- und Immobilienbesitz selbst ist vor allem die politische Form des Mehrwerts, der nicht mehr unter die Menschen kommt, weil er nicht als Warenbesitz zirkuliert und nicht verbraucht wird, seinen Wert nicht durch Arbeit erfährt, sondern aus dem gesellschaftlichen Verkehr der Menschen selbst, aus ihrem Bedarf an Weg und Raum zum Lebenserhalt.

Solcher Wert hat allerdings nur solange Bestand, wie der Produktionsprozess insgesamt und durchschnittlich hohen Mehrwert - also unbezahlte menschliche Arbeit - abwirft. Und das kann ganz schön leicht kippen. Solange die Finanzmärkte die Welt im Griff haben, solange die Banken und Aktiengesellschaften ihre Kredite noch produktiv zur Profitmaximierung einsetzen können, solange dem Wert der Verwertung des Kapitals also noch Glauben geschenkt wird, bleiben auch die Immobilenwerte relativ konstant. Dass sie aber schlagartig kippen können hat nicht nur die Immobilienkrise in den USA der Welt vor Augen geführt. Es genügt eine Nachricht der Ratingagenturen, die Zweifel schüren, und schon fällt der Immobilienwert ins Bodenlose. Was übrig bleibt sind die "broken Windows", wie das in den USA bezeichnet wird, die Ruinen des Wohnungsmarkts, die auch noch im Verfall die Kommunalkassen belasten. Heute können sich keine Grundbesitzer in Griechenland, Spanien, Italien, Portugal oder Irland mehr auf den Wert ihrer Gründe verlassen. Die sind eben relativ zur sogenannten Wirtschaftslage der Länder, und damit ist immer die Profitrate gemeint (3).

Wem gehört die Stadt? 

Man sieht, dass auch das städtische Konzerndesign für die Menschen und die Städte in Wirklichkeit keinen Wert hat. Solange aber die Kommunen von Schulden bestimmt und von Sozialkosten geplagt sind, haben sie jedoch keine Wahl (4). Mit Recht stellen daher inzwischen viele Bürger und Initiativen die Frage: Wem gehört denn eigentlich die Stadt? Und folgerichtig fordern sie ihr „Recht auf Stadt“ ein, ein Recht, das schon so natürlich sein müsste, wie es richtig ist, dass der Mensch ein gesellschaftliches Wesen ist und dass dieses ihm eigentümlich ist, wie das Bedürfnis nach Lebensmittel, Lebensraum und Licht und Luft und Lebensfreude. Nicht, weil man es besitzen müsste, stellt sich die Frage nach dem Eigentum, sondern weil ihm seine Eigentümlichkeit genommen ist, muss er um seine Selbstbestimmung kämpfen. Es ist kein politisches Recht, das von irgendeiner Judikative vergeben werden kann, sondern ein Recht, das genommen werden muss, weil es durch Gesetz und Enteignung und daraus folgender Verschuldung den Menschen genommen ist. Und genau dies macht die neue Dimension eines Aufstands der Menschen aus, die sich gegen einen Kapitalismus zur Wehr setzen, der wie ein Feudalsystem funktioniert, Feudalkapitalismus heißen müsste. Es geht dabei nicht um eine individualistische Selbstbehauptung, sondern um einen gesellschaftlichen Kampf gegen die Entfremdung des Menschen von seiner Wohnstatt, seiner Arbeit und seinem Verhältnis zu sich selbst. Es geht ums Ganze.

Im Hintergrund "die Stadt", im Vordergrund eine Oase der Lebenskunst im "Gängeviertel" von Hamburg
Dies war die Grundlage für den „Recht-Auf Stadt-Kongress“ letzte Woche in Hamburg. Die Initiatorinnen schreiben in der Einleitung hierzu:

„Beim „Recht auf Stadt“ geht es darum, dass jedeR – unabhängig vom Status, der Nationalität oder von dem, was er oder sie im Portemonnaie hat – ein Recht hat, da zu sein und mit zu entscheiden, wie (städtisches) Leben gestaltet wird. Derzeit werden diese Entscheidungen von einigen wenigen gefällt: von der Politik, den StadtentwicklerInnen, den InvestorInnen und einer kleinen Klasse von Wohlhabenden. Sie besitzen die Backstage-Pässe, während die Mehrheit vor verschlossenen Toren steht. Doch immer mehr Menschen wehren sich gegen diese unsoziale Politik und fordern eine Stadt für alle, eine Stadt zum Selbermachen.

Eine Stadt, die sich wirklich nach den Bedürfnissen aller richtet, wird der Kapitalismus nicht aus sich heraus hervorbringen, schließlich geht es um dessen heiligste Kuh: den Besitz an Grund und Boden. David Harvey spricht aus diesem Grund auch davon, dass wir uns das Recht auf Stadt zurück erobern und es zu einem Recht aller machen müssen. In diesem Sinne: „Nehmen wir uns das Recht auf Stadt! Es liegt auf der Straße, es hängt in Bäumen und versteckt sich unter Pflastersteinen ...“

Die Stuttgarter Architektin Yvonne Doderer vom "Büro für transdisziplinäre Forschung & Kulturproduktion" besprach die zugrunde liegenden Gedanken und Befunde über "die soziale Ausgrenzung in der neoliberalen Stadt", wie sie es nannte, und brachte die hieraus folgende Stadtarchitektur in einen engen Zusammenhang mit der Betriebsform von Konzernen, die ihr Design aus dem Finanzmanagement bezogen. Die Leuchtturmfunktion der Stadtarchitektur trägt vor, was sie zu erreichen sucht: Eine lückenlose Anbiederung profitabler Ressourcen, welche den ganzen öffentlichen Raum durch lückenlose Planung zu bestimmen suchen, um im Konkurrenzkampf der Städte um Investoren zu bestehen. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Menschen, die dort wohnen, sind zwar schon durch Besitzverhältnisse beschränkt, werden nun aber auch kulturell zu einem Erlebnismanagement fixiert, das die städtischen Lebenszusammenhänge den Erlebenswerte der Großverdiener anpasst, aus Szene Konsumparks und aus Kultur Upper-Class-Illuminationen macht. Die sozialen Spaltungen sind in ihrer Kulturform das besondere Kennzeichen solcher Entwicklungen, besonders eben die Verdrängung der hierdurch entwerteten Bevölkerung an die Ränder der Stadt, die Marginalisierung der Menschen, die wirtschaftlich nicht mehr mitkommen können, die nun auch kulturelle Spaltung von Armen und Reichen auf allen Ebenen, besonders im öffentlichen Raum. Das ist eine Entwicklung, die in allen Großstädten der Welt zu erkennen ist. Etwa 500 Aktivisten des "Right-to-the-City"-Netzwerks waren nach Hamburg gekommen, um miteinander zu diskutieren. Hören wir erst mal, was Yvonne Doderer in der Kick-off-Veranstaltung in der "Roten Flora" in Hamburg hierzu sagte:

==> Aufnahme des Vortrags von Yvonne Doderer

Demand and Cry - Fordern und Kämpfen, wie geht das zusammen?

Das "Recht-auf-Stadt"-Netzwerk ist sehr jung, in Hamburg erstmals 2009 in Erscheinmung getreten. Von daher ist auch klar, dass die Tagung in Hamburg eher ein Kaleidoskop der vielen Gedanken und Ansätze sein sollte, denn eine breite Diskussion fertig entwickelter Strategien. Aber gerade durch den Mut zum Anfang und den Aufbruch aus der Resignation heraus war er für die Teilnehmer sicher sehr spannend und anregend und vielschichtig. Die Themen des Kongresses wurden nicht durch eine Kongressleitung festgesetzt. Sie ergaben sich aus dem, was die vielen Arbeitsgruppen eingebracht haben, die in insgesamt über 40 Workshops ihre Sache vorstellten und diskutierten. Grundlegende Fragen wurden daher nicht einfach beantwortet, nicht weil sie vielleicht auch nicht in der gestellten Form zu beantworten wären, sondern weil sie sich selbst schon aneinander relativierten. Und gerade dadurch wurden Zusammenhänge belichtet, die sonst apriorisch schon immer getrennt waren.

So z.B. die Frage nach Reformismus und Transformation: Inwieweit fördern wir die Interessen der Kapitaleigner, wenn wir deren Ödnis wieder lebendiger machen, vernünftige Vorschläge zur Stadtentwicklung einbringen, Energiekonzepte vortragen, die effektiver und auch sparsamer sind? Inwieweit ist jedes Bürgerengagement für eine Nische in den Highways der Verwertungsindustrie eine Beförderung ihrer werthaftigkeit? Sind Beiträge für ein Transition-Town-Movement nicht eher eine Fehlleitung unseres Engagements in die Taschen der Grundbesitzer und Kommunalverwalter, als eine Verwirklichung unserer Lebensinteressen, die immer auch ökonomische Interessen sind? Dies alles ist nicht so leicht zu beantworten, weil die Form der Verwertung zwar einerseits alles aufsaugt, was sich darin inhaltlich entwickelt, sich andererseits aber nichts entwickeln kann, wenn man sich zu dieser Form inhaltslos verhält. Natürlich bleibt Aneignung und Produktion gespalten, solange es kein öffentliches Eigentum gibt; aber das Gespaltene hat seine Wahrheit eben doch auch nur durch seinen identischen Inhalt: Durch das wirkliche Lebensverhältnis der Menschen.

Umgekehrt konnte z.B. von einer Pariser Architekten-Gruppe (Atelier d'Architecture Autogérée, kurz: AAA) (http://www.urbantactics.org/home.html) gezeigt werden, dass sich öffentliches Eigentum tatsächlich durch die Entwicklung gesellschaftlicher Anliegen im öffentlichen Raum nicht nur bilden sondern auch einklagen lässt und dass sich völlig reformistisch orientierte Menschen zu folgenreichen politischen Erkenntnissen entwickelt haben, die sie nur aus ihrer Tätigkeit heraus machen konnten. Theorie und Praxis sind wesentlich identisch und könn sich nicht wirklich entgegensetzen, ohne ihre Wahrheit einzubüßen. Die kategorialen Hierarchien der alten Linken haben keinen Rückhalt mehr. Begriff und Wirklichkeit, Logik und Geschichte sind heute so eng beisammen, dass der Gedanke nicht mehr "zur Wirklichkeit drängen" (Marx) muss, sondern dort auch unmittelbar entstehen kann, sobald er die reale Vermittlung der gesellschaftlichen Entwirklichung zu begreifen sucht. Die realen Abstraktionen sind allgegenwärtig. Es kommt nur darauf an, ihre Allgemeinheit auch wirklich zu begreifen.

Das Finanzkapital hat sich weltweit längst durchgesetzt und sich von der materiellen Produktion abgelöst. Radikale Ausplünderung von Menschen und Natur an einem Ort der Welt ist zwar am anderen vielleicht nicht so gut wahrnehmbar, wo vordringlich Arbeitslosigkeit, Hochpreispolitik und Feudalsiierung der Mietverhältnisse die Lebensverhältnisse der Menschen bestimmt. Doch die Enteignung der Arbeit und die Enteignung des Bodens ist ein und dasselbe und wird als kulturelle Ausbeutung, also als Enteignung menschlicher Lebenszusammenhänge auf der ganzen Welt erfahren. Von daher bahnt sich ein weltweiter Aufstand an, worin sich die lokalen Widerstandsformen über die örtlichen Schranken hinaus vermitteln. Das thematisiert auch der Reader zum "Recht-auf-Stadt"-Kongress:

"Weltweit organisieren sich Bewohner und Bewohnerinnen gegen die Folgen kapitalistischer Stadtmodernisierung. Unter unterschiedlichen Bedingungen kämpfen wir mit manchmal ähnlichen Mitteln für grundsätzlich vergleichbare Ziele. Unseren Bewegungen ist der Bezug auf "ihr Lokales" wesentlich. Aber: Reichen lokale Kämpfe aus? Können Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Stadtkämpfen hergestellt werden? Welche Erfahrungen haben wir mit internationaler Vernetzung? Können wir uns auf gemeinsame Etappenziele, Formen und Kommunikationsmittel transnationaler Stadtaktionen einigen?"

Doch wodurch kann dieser Kampf überhaupt getragen werden, wie kann dieser Kampf von Menschen geführt werden, die gesellschaftlich weitgehend ausgegrenzt sind, die nur fordern können, ohne eine Gegenmacht darzustellen? Wer nur machtlose Forderungen stellt, der kann seinen Adressaten nicht bekämpfen. Er wird von seinen eigenen Forderungen abhängig, weil und solange er sich mit ihnen unterwirft und in der Unterwerfung verharrt. Welche Machtmittel kann es überhaupt geben? In ihrem neuen Buch "Initiativen für ein Recht auf Stadt. Theorie und Praxis städtischer Aneignungen". VSA Verlag, Hamburg 2011 schreiben Dirk Gebhardt und Andrej Holm:

"Peter Marcuse macht anhand von Lefebvres Charakterisierung des Rechts auf die Stadt als "Aufruf" und "Forderung" die Unterscheidung zwischen zwei Gruppen: Die "Forderung" kommt von denen, deren elementarste materielle Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Der "Aufruf" von den oberflächlich integrierten Entfremdeten. Das gemeinsame Handeln der ihrer fundamentalen Rechte Beraubten mit den Unzufriedenen und Entfremdeten bietet für Marcuse die größte Chance für die Durchsetzung des Rechts auf die Stadt. Somit lässt es sich nicht auf einzelne Projekte, Forderungen und Kontexte beschränken, sondern das Recht steht vielmehr für den Anspruch auf eine (Re)Politisierung der Stadtpolitik, verstanden als eine öffentliche Verhandlung über Dinge, von denen alle betroffen sind.

Das Recht auf die Stadt wird vor allem für marginalisierte städtische Gruppen gefordert - die Debatten um den Begriff werden von sich kritisch verstehenden AkademikerInnen geführt. Sowohl in der akademischen Welt als auch in den Bewegungsansätzen scheint das Recht auf die Stadt seine Attraktivität gerade aus den flexiblen Interpretationsmöglichkeiten zu ziehen. ... Tatsächlich wird der Begriff in unterschiedlichen Kontexten mit sehr verschiedenen Inhalten verbunden.

Doch hinter der scheinbaren Beliebigkeit lassen sich verschiedene Grundperspektiven erkennen, die in fast allen Bezügen zum Recht auf die Stadt aufgegriffen oder zumindest anerkannt werden." (5)

Eine einfache Antwort gibt es nicht. Klar ist nur, dass es ein langer und harter Kampf sein wird, weil er an der Grenze der gegensätzlichen Klasseninteressen geführt werden muss. Aber durch Teilnahme an gesellschaftlichen Projekten kann durchaus eine politische Kraft entstehen, wenn Partizipation zugleich im Verbund mit vielen Menschen gegen die Enteignung der Teilhabe angehen. Das zumindest haben einige der anwesenden Initiatioven auf diesem Kongress gezeigt. Und dort wurde auch thematisiert, worauf hierbei zu achten ist, nämlich dass nicht nur Menschen, sondern auch Standortfaktoren und die Raffinessen der Befriedungstechnik das Resultat bestimmen können und die schließliche Vereinnahmung erreichen, wenn sich z.B. Individualinteressen, z.B. die Vorteilnahme durch Ausgleichsangebote über die gemeinschaftlichen Interessen erheben. Eine Gruppe hat dies im Statement zu ihrem Workshop ausgeführt:

"Im Zuge der Neuordnung des Städtischen im Neoliberalismus und dem damit ausgerufenen Wettbewerb um Investitionen, Arbeitskräfte und SteuerzahlerInnen versuchen städtische Stakeholder "ihren" Standort möglichst gut zu positionieren, das Profil der Stadt zu schärfen und die (Innen-)Städte aufzuwerten. Zwei konkrete Strategien sind dabei Business Improvement Districts (BID) und Kreativindustrien. Über beide Ansätze versuchen Stadtverwaltungen in Kooperation mit privaten AkteurInnen ökonomische Entwicklung über weiche und harte Standortfaktoren zu fördern. Widerstand gegen solche Formen der Vereinnahmungen erweist sich jedoch oft als schwer, denn im Kontext der homogenisierten Konsenspolitik wird Widerspruch gegen ökonomische Verwertung als Partizipation vereinnahmt oder als dumpfe, unpolitische Verweigerung abgetan."

Kampf der Klassen oder "Instituierung des Gemeinsamen"?

Der Finanzmarkt, also die Marktwirtschaft des Finanzkapitals, hat die bisherige Diskussion der Linken in den reichen Ländern vor allem dadurch infrage gestellt, dass Klassenkämpfe im ursprünglichen Sinn, also der Kampf um die Verfügung über die Produktionsmittel, praktisch keinen Boden mehr haben, weil einerseits die Kapitalmacht hierzulande bodenlos geworden ist und zugleich andererseits vor allem zwischen die arbeitenden Menschen und den unter prekären Bedingungen arbeitenden Menschen der Keil des Billiglohns, also eine gewaltige Spaltung zwischen Lohnvorteilen und Existenzangst getrieben worden war. Die Dienstleistungsgesellschaften sind letztlich Kapitalgesellschaften und so auch die entsprechenden Staaten, worin die Dienstleistungen vorherrschen. Von daher waren die Grundlagen der bisherigen Klassenanalyse hier nicht mehr griffig, zumindest unbrauchbar für konkrete Auseinandersetzungen zwischen Lohnarbeit und Kapital.

Dies wurde auch von linken Theoretikern aufgegriffen, die Klassenkampf überhaupt für eine unbrauchbare Kategorie hielten. Hardt und Negri wendeten sich gegen die bisherigen theoretischen Grundlagen, vor allem gegen einen materiellen Enteignungsbegriff und den Widerspruch von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung, konstatierten schlicht das "Ende des Eigentums" und suchten die "Instituierung des Gemeinsamen", die sich aus dem "Schwarzen Loch der Eigentumsordnung" ergeben würde. Damit allerdings war jede materielle Kritik des Kapitalismus abgewiesen und lediglich zur Frage einer "selbstbestimmten Kollektivierung" geworden.

Doch genau dies war - zumindest in Deutschland - auch der Grund für das Scheitern der Alternativbewegungen der 80ger Jahre. Selbstbestimmung ist ein ebenso diffuser Begriff wie Kollektivierung, wenn Selbstbestimmung nicht den gesellschaftlichen Menschen und Kollektivierung nicht die Wirklichkeit der Individualität betrifft. Individualistisch verstanden geht Selbstbestimmung von einer Aufsummierung einzelner Interessen zu einem Gemeininteresse aus. Auch wenn sie sich durch Auseinandersetzungen und Diskurse in einer Gemeinschaft verhalten, so sind die Individuen materiell doch niemals gemein, denn sie haben die unterschiedlichsten Erfahrungen und Lebenszusammenhänge in ihren stofflichen Lebensverhältnissen - und es wäre schlimm, wenn diese gleichgeschaltet werden sollten. Ihr gesellschaftlich Allgemeines ist weitaus komplexer, als es eine Summe von Einzelheiten sein könnte, denn es ist die wesentliche Synergie ihrer Lebensverhältnisses selbst. Es entsteht daher auch nicht durch bloße Diskussion und Dafürhaltung, sondern in ihren Lebensverhältnissen selbst, worin sie nicht nur diskutieren, sondern ihre Kraft und Lust und Liebe und Eigentümlichkeit vergegenständlichen, jeweils nach unterschiedlichem Vermögen und Bildung. Beides ist nicht einfach nur persönlich und lässt sich auch nicht durch die Beiträge der Personen hochsummieren; es ist aber auch nicht einfach nur gesellschaftlich im Sinne eines über den Personen schwebenden Allgemeinwesens, das den Einzelnen lenkt und drängt. Es ist der Lebenszusammenhang selbst, wie er geschichtlich entstanden war und auch geschichtlich beendet werden kann. Der Begriff von einem Kollektiv suggeriert notwendig die Vorstellung von einer fixen Einheit, wie etwa auch der Begriff von einem Volk. Er lässt die Freiheit der Bewegung, der Bezugnahme und des persönlichen Beitrags und Aufwands außer Acht, weil er bloße Vorstellung ist und daher hierauf nicht reflektieren muss, also pure Ideologie ist.

Die Stadt als Fabrik

Emanzipation wird meist nur als Befreiung aus politischer Herrschaft verstanden. Doch weil alle Natur stofflich ist, muss Freiheit auch materiell sein. Sie hat ihre Notwendigkeit in der materiellen Beziehung der Menschen durch die Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse. Die politische Emanzipation aus entfremdeten Lebensverhältnissen kann daher letztlich auch nur sachlich sein, - eben als Verfügung über die Sache selbst. Sachliche Lebensverhältnisse kann es aber nur geben, wo nicht nur die Kultur der Menschen oder ihre politischen Beziehungen, sondern auch ihr darin unterstellter Stoffwechsel sich gesellschaftlich darstellt, wo die Verhältnisse also politisch wie wirtschaftlich eins, geschichtliche Vergegenständlichung der menschlichen Natur sind.

Wo immer hiergegen Mangel entsteht oder erzeugt wird, entsteht ein Gegensatz von Macht und Ohnmacht, Konkurrenz und Neid. Das Kapital kann nur herrschen, weil es über die Lebensbedingungen der Menschen verfügt, weil Kapital als allgemeines gesellschaftliches Subjekt über die Mittel zur Reproduktion der Menschen und über die Bildung ihrer Geschichte und ihres Reichtums bestimmt. Wo eine kapitalunabhängige Reproduktion möglich ist, hat Kapital keine Macht. Das weiß man, weil man weiß, was konkret nötig ist, um leben zu können, und weil man weiß, dass Kapital dem Leben Kraft und Vermögen entzieht. Das Entzogene selbst existiert nicht notwendig materiell. Kapital als "realwirtschaftliches Produkt", als Materiatur der Produktion, als Warenkapital, käme ja wenigstens als Sache auf die Menschen zurück, auch wenn sie hierüber nicht verfügen können. Aber als pure Abstraktion häuft es sich nur noch politisch auf als Verfügungsmacht über Raum und Zeit, über die Arbeitszeit und den Lebensraum der Menschen, die materiell bis an ihre Grenzen ausgebeutet werden. Kapitalismus, das ist eben politische Ökonomie, politische Herrschaft über das Haushalten und Wirtschaften der Menschen. Es ist an der Zeit, dass er endlich in eine ökonomische Politik gewendet wird, in eine von den Menschen bestimmte Wirtschaft, eine Politik, deren wesentliche Eigenschaft die wirtschaftliche, also auch sparsame und effektive Arbeit, die Minimierung des Arbeitsaufwands ist. Genau dies verhindert der Kapitalismus, der mit den Kräften der Menschen und den Substanzen der Natur wuchern muss, um seine dürftige Existenz politisch zu sichern und zu verfestigen.

Der Einflußbereich des Kapitals vermittelt sich in allen Fasern der menschlichen Existenz und ist nur dort begrenzt, wo sich politische Lebensstrukturen ihm und seiner Abstraktionsmacht entziehen und entgegenstellen können. Das verlangt die Fähigkeit, ihm Lebensraum und Arbeitszeit abzutrotzen oder abzuringen und in die Lebenskraft der Kommunen und Menschen zu wenden. In ihnen kommen alle Formen der Enteignung zusammen: Die Enteignung der Arbeitskraft, der Produktivität und des Grund und Bodens. Und in den Kommunen leben zugleich die Menschen, die sich sowohl politisch als auch ökonomisch hiergegen aufstellen können. Es wird nicht ohne die Marginalisierten und nicht ohne die arbeitende Bevölkerung gehen, auch nicht ohne die besser verdienende, denn es geht um ihren gesellschaftlichen Lebenszusammenhang als Ganzes. Ob ausgegrenzt oder angepasst, ob mit viel oder wenig Geld versehen, alle können sich darin verbunden wissen, dass sie von jedweder gesellschaftlichen Geschichte ausgeschlossen sind, solange sie fremdbestimmt leben müssen. Mit Billiglohn oder ohne Obdach oder sinnentleert leben zu müssen ist der Ausdruck einer gesellschaftlichen Absurdität, die alle Menschen betrifft. In den Kommunen lässt sie sich auflösen, wenn die Abspaltungen und Vereinzelungen von Menschen sich aufheben lassen in Verhältnisse, die ihr ganzes Leben betreffen. Die quantitativen Vermögensverhältnisse mögen die einen eher hindern, dies zu begreifen als sie anderen. Aber letztlich muss es um die Lebensqualität als Ganzes gehen, um die Abstraktionsmacht der Märkte abzuweisen.

Das verlangt als Erstes die Sicherstellung einer kommunalen Reproduktionsindustrie und die gesellschaftlichen Verfügung über die Mehrproduktion. Die Stadt - als Fabrikationsstätte des Lebensreichtums verstanden - wird eine wichtiger Entwicklungsstufe der politischen wie sachlichen Emanzipation der Menschen sein. Die Menschen werden in diesen Verhältnissen auch so entscheiden können, wie es ihnen nötig ist oder ihrem Willen entspricht, wenn die politischen Strukturen ihrem Aufwand für die Fortbildung des menschlichen Lebens entsprechen.

Auch auf dem Kongress "Recht auf Stadt" gab es grundsätzliche Überlegungen zu einem gesellschaftlichen Leben in der Stadt und zwischen Stadt und Land, worin sachliche und politische Beziehungen sich gleichermaßen verwirklichen können. Auch politische Besorgungen für Umwelt und besseres Leben spielen hier rein. Doch es braucht keine Genossenschaften oder Schwarze Löcher, wenn die Wirtschaft der Stadt politisch betrieben wird, wenn die Stadt ein Lebensraum der Bildung und Entwicklung ist, der Produktion und Reproduktion des Lebens selbst. Die "Stadt als Fabrik" ist keine Vorstellung von Arbeit und Mühewaltung, wie sie im Kapitalismus herrscht, sondern der Lebensvielfalt, der Lebensäußerung, Kunst und Entfaltung, in welcher die Mühe lediglich ein verschwindendes Moment ist. Viele Einfälle hierzu stellten sich vor. Sie betrafen die wichtigsten Bereiche: Umwelt, Arbeit, Kunst, Zusammenleben, Widerstand, Verhandeln, Kämpfen usw.

Das Buch mit dem Titel "Stadt als Fabrik" von Christoph Schäfer (http://www.christophschaefer.net/) sprüht vor Fantasie hierzu. Und auch Initiativen wie Fab Labs, welche die Bildung und Gestaltung von Fabrikationen aller Art als ein globales Netzwerk von lokalen Werkstätten fördern wollen, vermitteln Vorstellungen über gemeinschaftlich genutztes Produktivvermögen. Sie fördern z.B. Fähigkeiten und Erfindungen, indem sie Individuen oder Initiativen die Werkzeuge für Fertigung unterschiedlichster Art zugänglich machen. "Fabulous St. Pauli" ist z.B. die Initiative für ein Fab Lab in Hamburg. Es "stellt Geräte und Konzept einer offenen Hightech-Werkstatt für Stadt-Communities" vor. Aber auch dies ist nur der Anfang einer Bewegung, die ein freies Verhältnis von Arbeit und Lebensgenuss sucht.

Letztlich kann diese nur aufgehen, wenn sich die Kommunen selbst um eine funktionale Reproduktionsindustrie kümmern, in der die Menschen ihre Lebensgrundlagen für sich und zugleich in ihrer Gesellschaft schaffen können und auch in der Lage sind, große Projekte vorzubereiten und zu entwickeln, also auch mehr zu schaffen als das, was sie für ihr bisheriges Leben nötig hatten. Hierfür ist eine netzartige Beziehung der Kommunen weit über die Grenzen ihrer lokalen Ressourcen hinaus nötig, letztlich eine weltweite Beziehung, an der alle Kommunen frei teilnehmen können. Erst hierdurch wird die gesellschaftliche Geschichte dem globalen Kapital entwunden und der Weltbevölkerung übereignet. Doch das verlangt auch völlig andere Formen der Beziehung zwischen den einzelnen Lebenswelten, auch in der Bewertung der Aufwände, die in jedem Produkt stecken. Ich versuche, diese Überlegungen weiter durch ein Konzept der Vertragswirtschaft in internationaler Kommunalwirtschaft auszuführen. Davon später mehr.


(0) Es gilt nach deutschem Steuerrecht eine Immobilie auch dann als Investition, wenn sie zur Produktion oder Verwaltung eines Betriebs nicht unbedingt erforderlich ist und erbringt denen hohe Abschreibungsprämien, die zuviel Geld haben, das sie anlegen müssen, um es nicht wertlos zu machen, - zugleich mit einer Perspektive auf Raum und Zeit. Man hat Zeit mit der Nutzbarmachung, wenn man über den Raum verfügen kann, worin sie stattfinden könnte. Der Preis macht die Musik für solche Interessen.

(1) "Das Kapital ist selbst der prozessierende Widerspruch [dadurch], daß es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren strebt, während es andrerseits die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums setzt. [...] Nach der einen Seite hin ruft es also alle Mächte der Wissenschaft und der Natur wie der gesellschaftlichen Kombination und des gesellschaftlichen Verkehrs ins Leben, um die Schöpfung des Reichtums (relativ) unabhängig zu machen von der auf sie angewandten Arbeitszeit. Nach der andren Seite will es diese so geschaffnen riesigen Gesellschaftskräfte messen an der Arbeitszeit und sie einbannen in die Grenzen, die erheischt sind, um den schon geschaffnen Wert als Wert zu erhalten." (Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 1857/58 MEW 42, Seite 601)

(2) Die Grundrente hängt ab von der Profitrate, die auf dem Raum des Bodens durchschnittlich zu erwirtschaften ist. In einer Gegend, wo man höhere Profite erzielen kann, als in einer anderen, sind die Mieten dann auch entsprechend höher, weil dort Menschen leben, aus denen ein höherer Geldwert abzuschöpfen ist. Die Profitraten sind im Westen immer noch höher als im Osten Deutschlands, und die Eliten, also die Großverdiener, zieht es dann auch dorthin, während die Menschen, die hierfür nicht rentabel sind, dort abgedrängt werden. Es ist ein simpler Prozess, der alles bestimmt. Das Gefälle zwischen Elite und Normal wird zum Sortierschlüssel von armen und reichen Lebensräumen, weil sie als unterschiedliche Verkehrswerte die ganzen Lebensgrundlagen der Menschen, also vor allem die Preise für Wohnraum und Nahrungsmittel bestimmen. Und das hat sich längst in höchsten Dimensionen gespalten, zwischen den Bundesländern, den europäischen Ländern und auf dem ganzen Globus. Weil Deutschland vor allem durch Technologie, also Maschinenbau und Automation, weltweit hohe Profite fahren kann, können von hier auch die Löhne und die Lebenshaltungskosten von Menschen in Afrika, Asien oder Bangladesh oder sonstwo bestimmt werden, eben durch die Währungspolitik. Dass zum Beispiel die Textilarbeiterinnen für Lidl und H&M nur 28 Euro pro Monat verdienen, geht nur, weil sie sich auch für 30 Cent pro Tag ernähren können und Miete auf unterstem Niveau abführen. Indem deutsche oder internationale Konzerne dort Hungerlöhne bezahlen, beuten sie nicht nur die Arbeiterinnen und Arbeiter dort aus, sondern die gesamte Infrastruktur. Während sie hierdurch menschliche Kraft und Kultur ohne adäquaten Gegenwert importieren, haben sie hierzulande das Problem, wie sie die erbeuteten Werte überhaupt realisieren, wieweit sie also mit ihrem Geld überhaupt etwas anfangen können. Der Verbrauch der materiellen Produkte kann ihre Profitrate nicht halten, weil er noch an den bloßen Stoffwechsel und den Bedarf an Lebensstandard gebunden ist, der relativ wenig Wert bindet und daher hierzulande die Subsistenzindustrie weitgehend deindustrialisiert hat. Die Profitrate lässt sich eben nur halten, wenn sie als Realwert auch gegenständlich ist, ohne nur materiell zu existieren.

(3) In Deutschland hat sich indes aus seiner Wirtschaftslage ein weiteres Problem ergeben, ein Problem der produktiven Intelligenz, der Elite einer technologischen Exportnation: Sie vor allem stellt die Mehrwert schaffenden Arbeit hierzulande, die ohne weiteres hoch belohnt werden kann, während die reproduktive Arbeit, also die Arbeit zum Selbsterhalt, prekär entlohnt wird. Sie wird teils importiert, teils durch Migranten und teils durch Billiglöhner betrieben. Der im kapitalistischen Sinn produktive Arbeiter steht nicht mehr in der Fabrik, er oder sie sitzt oft zu Hause vor seinem Computer oder in irgendeinem Büro und wird gestützt von einem Heer von Dienstleistern. Die Entwicklung von Produktions- und Verwaltungstechnik, Verkehr und Kommunikation ist sein Metier. Produktive Arbeit gilt jetzt als kreative Arbeit. Und es gilt also als kreativ, die Produktion durch Wissen und Erfindung voran zu bringen, während zugleich die Anwendung der hierdurch entstandenen Technologie die materielle Arbeit immer geringwertiger wird, weil sie gemessen am Produktionsbedarf immer weniger Arbeitszeit benötigt. Geringwertige Arbeit entwertet die Menschen, die sie ausüben müssen, erzeugt somit Menschen von geringerem Wert, die am wertvollsten dadurch sind, dass ihre Existenz den anderen eine Drohung vermittelt: Wenn du nicht ganz unten sein willst, so musst du ganz oben sein. Hartz IV stellt dieses Bedrohungsszenario am deutlichsten dar. Die prekär Beschäftigten geraten an den äußersten Rand der Gesellschaft, während die Dienstleister und Kreativen die gesellschaftliche Mitte stellen. Dies prägt das Stadtbild heute und dies wurde somit auch zum Maßstab der Entwicklung der Großstädte. So hat es auch die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth klar ausgedrückt, um zu begründen, warum der bisher allen offen stehende und von Studierenden belebte Campus in Bockenheim zu einem „Kulturcampus“ umgebaut werden solle, der die Kaufanreize in der Gegend befördern und mindestens zur Hälfte Bürofläche bzw. Abschreibungsobjekte hergeben soll, obwohl in der Stadt bereits über 1,8 Millionen Quadratmeter Büroflächen leerstehen. Sie denkt eben in großen Dimensionen:

»Kreative Köpfe, die in der Kreativwirtschaft in diesen urbanen Zentren des 21. Jahrhunderts arbeiten werden, Hochqualifizierte und die wissensintensiven Unternehmen, die diesen Köpfen und diesen Männern und Frauen Arbeit bieten, die diese Menschen also beschäftigen, richten nämlich ihre Lebensinteressen auf urbane Kulturräume. Das wird eine maßgebliche Botschaft des künftigen Kulturcampus Bockenheim und damit von Frankfurt am Main sein: Wichtige Standortfaktoren im weltweiten Wettbewerb der Städte, um die wichtigsten Ressourcen des 21. Jahrhunderts darzulegen, sind Wissen, Kultur und Kreativität.« OB Dr. h. c. Petra Roth (http://www.stvv.frankfurt.de/download/WOP_46_02-09-2010.pdf

(4) Es ist kein Lokalpatriotismus, der die Stadtregierungen zu monströsen Stadtdesignern werden lässt. Die Städte sind nicht frei in ihrer Entscheidung, wenn sie nach Einnahmen durch Investoren gieren. Ihnen fehlen unter den Krisenbedingungen der untergehenden bürgerlichen Gesellschaft schlicht und einfach die nötigen Einnahmen zum Selbsterhalt. Vor allem haben sie die Folgen der Globalisierung der Finanzmärkte zu tragen, haben eben das, was diese verwüsten, wieder zu erneuern und wieder in Gang zu setzen.

Die Kommunen tragen die Hauptlast des sozialen Raubbaus, den diese hinterlassen, vor allem die sozialen Kosten der Betriebspleiten und der Arbeitslosigkeit, den größten Teil der Hartz-IV-Stützen und der Arbeits-Beschaffungsmaßnahmen. Sie beherrschen mit ihren sozialen Institutionen die sozialen Konflikte und ihnen geht das Geld ab, das durch Abschreibungsobjekte und Niedrigsteuer zugunsten der Konzerne entzogen wird. Sie müssen die Grundlagen für einen reibungslosen Verkehr und für Kommunikation bereitstellen und pflegen und Schulen, Krankenhäuser und Altenheime unterhalten. Alles, was das Kapital an Bildung, Gesundheit und Infrastruktur selbstredend voraussetzt und abverlangt, muss hier beständig gebildet und erneuert werden. Inzwischen sind die Kommunen hierdurch tief verschuldet und zugleich völlig abhängig von dem Kapital als ihr Kreditgeber, das ihnen die Schulden permanent auch einbrockt, weil es nichts dafür bezahlt, was hier ausgenutzt wird. Schon lange gehören die Städte ihren Gläubigern, den Kreditgebern auf den Finanzmärkten, die auch zugleich die größten Steuerzahler finanzieren.

(5) Im Kongress-Reader stellt dies eine Gruppe folgendermaßen dar:
"In Frankfurt, Berlin, Hamburg und Freiburg bilden sich derzeit Netzwerke heraus, die ein „Recht auf Stadt“ einfordern, „steigende Mieten stoppen“ wollen oder einfach die Frage in den Raum werfen: Wem gehört die Stadt? Während vielerorts Menschen gegen die lokale Stadt- und Wohnungspolitik aufbegehren, ist die Stoßrichtung der Proteste diffus, konkrete Forderungen bleiben weitgehend aus. In Hamburg kursiert derweil die Erklärung „Mietenwahnsinn stoppen“. Wohnraum soll in gesellschaftliches Eigentum übergehen heißt es dort und eine „Mietobergrenzen von 4 Euro/qm“ wird gefordert. Doch wie können erste Schritte aus der profitorientierten Wohnungspolitik aussehen? Zusammen wollen wir in diesem Workshop einen Austausch organisieren, indem konkrete Forderungen und Hebel diskutiert und entwickelt werden, wie in einem kapitalistisch organisierten Wohnungsmarkt trotzdem empanzipatorische Entwicklungen befördert werden können und somit eine Marktlogik zunehmend zurückgedrängt werden kann."

(6) Maschinen enthalten zwar Wert, weil auch sie durch Arbeit entstanden sind, aber sie können keinen Mehrwert schaffen, weil sie lediglich als Kostenanteil der Produduktion und durch ihren Verbrauc, also Verschleiß, Stück um Stück von der Produktion aufgesogen werden und schließlich erneuert werden müssen, um demselben Kreislauf zu dienen. Mehrwert entsteht durch Mehrarbeit, also aus einem Mehr an Produkten, das sich entweder aus einer gesteigerten Produktivität oder aus einem mehr Arbeit ergibt und die durch Abverkauf zu mehr Geld werden, in welchem sich der Mehrwert erst realisiert. Maschinen können zwar in einer Phase technologischer Effeltivierung bei der Nutzung menschlicher Arbeit oder ihrer Reduzierung indirekt zur Mehrwertbildung taugen, solange das Mehr an Produkten zu einem im Grunde veralteten Preis noch verkaufbar sind. Aber nach Anpassung der durchschnittlichen Arbeitszeit an die gehobene Produktivität verliert solcher Wert sein Mehr, denn seine Größe bemisst sich immer aus der zur Herstellung eines Produkts durchschnittlich nötigen Arbeitszeit der Menschen.

(7) Nur die menschliche Arbeit kann Wert bilden, weil nur die Menschen die Arbeitsprodukte auch kaufen und vernutzen, also ihren Wert realisieren können. Mit dem Spruch "Autos kaufen keine Autos" hatte Ford dereinst seine Wirtschaftstheorie, den sogenannten Fordismus zusammengefasst. Er reagierte mit einer Lohnpolitik auf die wachsende Produktivität der technologisierten Arbeit, durch welche auch Arbeiter in die Lage versetzt wurden, "seine" Produkte zu kaufen. Durch die Teilhabe am Fortschritt wurde einem Problem des Kapitalismus entgegengesteuert, das er wegen der wachsenden Produktiität der Arbeit, die das Wertwachstum nach sich zieht, in Überproduktionskrisen gerät, wenn der Absatz der Produkte, also der Konsum nicht gesteigert wird. Doch die darin zugleich enthaltene Notwendigkeit, die Mehrwertrate (Ausbeutungsrate) zu erhöhen, also das Verhältnis von Mehrwert zu Lohnkosten zu vergrößern, steht dem entgegen und lässt den Fordismus nur solange reuieren, solange ein gewaltiges Wachstum der Produktivität dies ermöglicht. Menschliche Arbeit ist dann zwarnicht mehr wert, weil sich der Lebensstandard nur dem Standard der Produktivität anpasst und durch die steigenden Ausgaben dem Kapital wieder zurückgegeben wird. Aber das höhere Niveau der zirkulierenden Geldmasse lässt vorübergehend auch ein verbessertes Sozialmanagement zu. Der Niedergang des Fordismus ist der Niedergang des Sozialstaats, der sich aus dem Niedergang der industriellen Verwertung der Arbeitskraft ergibt.

(8) Man spricht daher in postmodernen Theorien, die von der Alternativlosigkeit des Kapitalismus ausgehen, auch vom "Ende der Geschichte", einer Absurdität, die der Postfordismus aufbrachte. Er beschreibt eine Entwicklungsstufe des Kapitalismus, der sich nicht mehr aus dem Wertwachstum aus realer industrieller Arbeit begründet, sondern aus der Einsatz von Kapital als bloße Finanzmacht. Der Kreislauf von Arbeit und Konsum ist diesem auf hohem Niveau vorausgesetzt. Es lässt sich die Mehrwertrate aber nurmehr durch Beschleunigung der Umschlagzeiten von Produktion und Konsumtion steigern, also durch erhöhte Kapitalzirkulation durch ein ausgefeiltes Kreditwesen, das zugleich Konsumwachstum ermöglicht, - zumindest solange, wie die Grundwerte des Lebenserhalts, und das ist zum großen Teil die Miete, also der Wert der Immobilie, dies zulässt. Die geschichtliche Entwicklung der Menschen verharrt Konsumverhalten, das lediglich rezeptiv ist und nichts wesentlich weiterbilden kann siehe auch Tittytainment).