Kulturkritik-Sendung vom 13. 01. 2006 auf Radio Lora


Die deutsche Depression

Zeitdauer: 60 Minuten - Datenumfang ca. 50 MB

Der Inhalt der Sendung ist oft eine Kürzung des entsprechenden Artikels (siehe unten).
Dort sind zudem auch die verwendeten Begriffe nachzuschlagen.


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Bild: du bist deutschland

Der Titeltext:

Kein Mensch ist Deutschland und Deutschland ist kein Mensch. Aber die Stimmung hier ist schlecht. Niemand glaubt mehr so recht an Politik und kapitalistische Ökonomie. Die Kampagne der großen Medien und Unternehmungen "Du bist Deutschland" will damit, dass sie die Menschen auf ihr nationales Ganzes verweist, dem Einzelnen Mut machen durch ein nationales Gemeingefühl, bessere Stimmung damit erzeugen, dass sie die Bürger zu einem aktiven Nationalverständnis "aufmuntert" (höre hierzu unsere Sendung "Die deutsche Depression"). Aber heraus kommt eher die Forderung: "Sei Deutschland und steh' deinen Mann!" Man will Bürger auf ihre nationale Identität verweisen, die zugleich Verpflichtung ist, wieder in "die Räder der Geschichte zu greifen" und sich hierfür anzustrengen. Ein kleines Opfer ist nötig, damit das Ganze wieder werde - eine Selbstverständlichkeit für jeden Christenmenschen, der das Opfer für das große Ganze als das ganz Große gewohnt ist. Man fühlt sich damit in schlechten Zeiten besser. Und: Wer weiß, was da noch alles kommt. Besser, man stellt die Menschen darauf ein, dass sie gesellschaftlich nichts mehr erwarten können, dass sie es also als Einzelne in "gesellschaftlicher Verpflichtung" selber bringen müssen.

Auch in den 30ger Jahren des 20. Jahrhunderts (hier 1935) gab es schlechte Zeiten und man meinte es gut mit Volk und Vaterland. Jeder Mensch sollte hierfür aufstehen, aktiv werden, sich als Volksgenosse verstehen, in der Gesinnung, die ihn bei seiner Nationalität ergriff und ihn auf das Nationale verpflichtete - eben weil man ihn brauchte. Die Behebung der nationalen Krisen sollte durch Anforderungen an die Bereitschaft für Fremdleistungen jedes einzelnen mit einer allgemein nationalistischen Gesinnung durchgesetzt werden. Medien und Politik traten zu diesem Zweck besonders familiär für ihre Nation auf. Der Gemeinsinn, der mit der Gleichsetzung vom Einzelnen mit seiner Nation erzielt wird, will nationale Verpflichtungsgefühle erwirken, weil die nationale Wirtschaft am Ende ist. Dies ist die Folge der Krise des internationalen Kapitals, die durch persönlichen Einsatz, durch Mehrleistung der Bürger für Negativverwertung behoben werden soll. Das Foto entstammt dem Buch "Ludwigshafen - ein Jahrhundert in Bildern" von Stefan Mörz, 1999 ISBN: 3924667292

 

Der Moderationstext:

Die deutsche Depression - Die Gruppe Kulturkritik München diskutiert die Beziehung von Wirtschaftskrise und nationaler Gefühligkeit

 

Hallo, hier ist wieder die Kulturkritik München in Radio Lora, wie jeden 2. Freitag im Monat von 19 bis 20 Uhr. Am Mikrofon spricht Wolfram Pfreundschuh.

Heute haben wir uns das Thema „Die deutsche Depression“ vorgenommen, das zur Zeit besonders medienwirksam behandelt wird. Wir wollen herausfinden, um was es sich dabei überhaupt handelt. Eine ökonomische Depression kann es ja eigentlich nicht sein. Von einer solchen spricht man, wenn die Wirtschaftskreisläufe zusammenbrechen und das Investitionsvermögen keinen Arbeitsprozess mehr in Gang setzten kann und sich durch Untätigkeit entwertet. Davon kann heute aber nicht die Rede sein, wo ihm doch jetzt die ganze Welt zur Verfügung steht. Die Finanz- und Aktienmärkte verzeichnen regen Verkehr und Gewinne. In vielen Branchen füllen sich die Auftragsbücher wieder und Deutschland bleibt weiterhin Exportweltmeister. Dem Kapital geht es also nicht schlecht und die Prognosen für dieses Jahr sind gut.

Schlecht geht es eher den Menschen in Deutschland und auch anderswo. Für sie sind die Aussichten weniger günstig, im Ausland oft schlimmer noch als in Deutschland selbst. Aber auch die deutschen Haushalte sind im Westen zu 20% und im Osten zu 40 % von Arbeitslosigkeit betroffen. Eine reale Arbeitslosigkeit von 9,1 Millionen, wie sie der Sachverständigenrat ermittelt hat, bedroht tendenziell fast jeden, weil auch niemand mehr sicher sein kann, wie lange die Unternehmungen des Mittelstands, die 80 % der Arbeitsplätze stellen, gegen das internationale Kapital noch durchhalten. Jedenfalls gibt es auf absehbare Zeit keine Besserung, weil der Binnenmarkt wirtschaftlich nurmehr als Zulieferer des internationalen Markts funktioniert und durch ihn bestimmt ist. Die Löhne der Arbeiterinnen und Arbeiter in China, Brasilien, Indien oder Korea oder sonstwo bestimmen den Wert der deutschen Arbeit ebenso, wie zugleich auch die immer noch rassant anwachsende Technologisierung einen wachsenten Teil der Arbeitskräfte überflüssig macht.

Die Gelehrten von links bis rechts, also bis hin zu Professor Sinn, kennen nur eine Feststellung: Wenn wir so weitermachen wie bisher, bricht das ganze System zusammen. Das eröffnet sowohl Untergangsstimmung wie auch neue Perspektiven, je nach dem, wie man die Gegenwart und das kapitalistische Wirtschaftssystem begreift.

Wie es die politische Klasse hierzulande und mit ihr der deutsche Staat versteht, das hat aufs Deutlichste Hartz IV gezeigt. Obwohl inzwischen auch öffentlich begriffen wird, dass dieses Konzept ein wirtschaftlicher Flop ist, der finanziell nichts erbrachte wie es sollte, sondern stattdessen mehr Geld verbraucht hat als er einbringen konnte, taugen die Hartzgesetze doch gut zur allgemeinen Volkserziehung durch Existenzbedrohung seitens des Staates. Wer über ein halbes Jahr arbeitslos ist, wird in die Armut getrieben. Obwohl er viele Jahre seine Sozialversicherung bezahlt hat, muss er dann sein Vermögen aufrechnen und hat nur noch Anspruch auf Sozialhilfe, wenn dieses zu Ende geht. Und diese ist so gering wie irgend möglich.

Man könnte meinen, dies alles sei genug, um sich der Staatspädagogik entgegenzustellen. Der Staat selbst versagt doch in seiner Funktion für die Bevölkerung und es ist offensichtlich, dass die Politik nicht mehr weiß, wie sie die Probleme des Landes beheben können soll. Die Sozialleistungen schrumpfen, die Infrastruktur wird immer weiter privatisiert, von der Rente nach bisherigen Bedingungen lässt sich nicht mehr viel erwarten und das Gesundheitswesen hängt selbst am Tropf. Selbst der Verkauf von Autobahnen und Gefängnissen an Privatunternehmungen steht zur Diskussion. Gegeben wird nicht mehr viel. Wohl aber genommen und gefordert. Nicht nur geldmäßig. Auch wenn die Taschen leer sind, wird Arbeitskraft abverlangt, um das sogannte Sozialsystem zu entlasten und Verschuldung zu decken. Vor allem die Ärmsten, die Hartz IV-Empfänger und die Alten werden nachhaltig zur Arbeit verpflichtet. Ein-Euro-Jobs und Ruhestandskürzung auf ein Arbeitsalter bis 67 Jahre greifen tief in das soziale Grundgefühl der Menschen. Das drängt jeden zurück und zerstört Zukunftshoffnungen. Besonders auch die der Jungen. Die Kinder wachsen schon zu 25 % unter ärmlichsten Bedingungen auf und dieser Anteil wächst weiterhin stetig. Die Jugendarbeitslosigkeit auch. Von den Arbeitssuchenden muss inzwischen jeder Job, egal, wozu ein Mensch ausgebildet ist und wo er wohnt. Das alles macht nicht mehr viel Spaß. Die Menschen wirken motivlos, ausgelaugt und überfordert – egal, ob sie Arbeit haben oder nicht.

 

Das schließlich gab auch der kulturpolitischen Elite einiges zu bedenken. Was nutzt es, wenn sie die Leute am Bildschirm nur unterhält und Lebenslöcher durch Unterhaltung stopft. Nein, man will jetzt auch mal was richtig Gutes tun, will sie ermuntern, dass sie rauskommen aus ihrer Perspektivlosigkeit, aus ihrem depressiven Verhalten. Es gibt nämlich eine Perspektive, meinen sie, und haben deshalb wieder einmal eine inzwischen fast legendäre Position aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts unter die Leute gebracht mit der wahrlich erfrischenden Message „Du bist Deutschland“. Auf Dich kommt es an, wie es weitergeht.

Der Tagesthemenredakteur Ollrich Wickert formuliert das so:

Text Wickert

Da haben sich dann einige Medien- und Werbeleute zusammengesetzt und ein Projekt im Wert von 30 Millionen Euro gestartet. Und das ging dann richtig an die Leute ran.

O-Töne Kampagne

Tja, das geht ganz schön zur Sache. Da kann man nicht mehr so einfach zur Entspannung vom Alltagsfrust im Sessel bleiben. Irgendwie sind jetzt wir dran. Bei unserem letzten Themenabend haben wir darüber in der Kulturkritik München diskutiert. Ihr könnt jetzt mal reinhören, auf uns dazu so alles eingefallen ist. Anschließend werden wir auf das eigentliche Thema, die deutsche Depression in diesem Zusammenhang zurückkommen.

O-Töne Diskussion

So, damit wollen wir erstmal eine kleine Pause machen mit Musik aus dem Album Heirich Heine: Jazz und Lyrik mit dem Sprecher Gert Westphal und dem Atila-Zoller-Quartett.

 

Zweiter Teil:

Depression als Selbstverweigerung.

Zumindest sich selbst fanden die Werbe- und Medienleute bei ihrer Aktion „Du-bist-Deutschland“ gut. Das zeigen ihre Selbstbegründungen. Aber das ganze Gehabe dieser Kampagne zeugt nicht nur von ihrer grenzenlosen Überheblichkeit, sondern auch von einer Wirklichkeit, die nicht zu übersehen ist: Die Lage der Menschen in Deutschland hat zu einer ungeheueren Lähmung geführt, die weit über die politische und ökonomische Situation hinausgreift. Das frühere Lebensbild der Spaßgesellschaft war wie über Nacht verflogen und die unendliche Geschichte, die sie in Aussicht gestellt hatte, war schlagartig verflogen wie eine Fata Morgana. Man hätte es natürlich lieber so gesehen, dass es die Terroristen gewesen seien, die das spaßige Glück vertrieben hätten. Aber damit ist man nicht sehr weit gekommen. Es war zunehmend deutlich geworden, dass das bisherige durchschnittliche Verständnis und Wissen von Gesellschaft, Kultur und Ökonomie nicht mehr hinreichte, um die Prozesse in Griff zu bekommen, die über alles in der Welt und im Land hereingebrochen war, was das Leben der Menschen ausmachte. Die Ohnmacht der Abhängigen blieb nicht mehr nur privat. Sie zeigte sich auch als Ohnmacht der ganzen geschichtlichen Lage in Europa. Die Spekulation, dass eine Kapitalentwicklung immer auch die Menschen quasi im Schlepptau mitentwickelt, war ziemlich total zerstoben. Das Kapital wendet sich immer offener gegen jede Entwicklung von Mensch und Natur – und mit ihm werden auch die Politiker immer deutlichere Charaktermasken der Notwendigkeiten des kapitalistischen Sachzwangs. Sie setzen auf die Elite, die sich als Wissens- und Machtträger in den Vordergrund drängt, verbreiten die Privatmeinungen von einzelnen Vertretern neoliberaler Utopien - wie die von Hartz oder Kirchhoff - als Glaubenssätze, und verlieren die praktischen Notwendigkeiten des Lebens und Überlebens gänzlich aus den Augen. Aber die Positionen des Neoliberalismus zeigen sich immer auch schnell obsolet, wenn es um ihre konkrete Anwendbarkeit geht. Hartz und Kirchhof waren schon nach wenigen Monaten von der Wirklichkeit überholt. Im Grunde heißt das gängige Konzept nur noch: „Augen zu und durch“.

Das aber überfordert jeden, der bisher an eine Problemlösungsordnung geglaubt hatte, die von unten nach oben verläuft und in den politischen Entscheidunggremien endet, in jedem Fall dort zu einem sinnvollen, wenn auch umstrittenen Entschluss kommt. Aber dort entschließt sich nichts und niemand mehr wirklich. Es scheint eher so, als dass man dort lieber das Problem verschließt als es zu lösen, dass man dort also weiß dass man innerhalb der Möglichkeiten des kapitalistischen Systems nicht mehr lösen kann. Das Problem nämlich ist der Widerspruch, dass die Technologie, welche Arbeit zum großen Teil erübrigt, als Wertmasse des Kapitals Arbeit und Konsum massenhaft nötig hat, um sich zu rentieren. Es ist ein unauflösbarer Widerspruch des kapitalistischen Systems. Und der ist der eigentliche Kern der deutschen wie der internationalen Depression. Gegenüber den Notwendigkeiten der Geschichte, den kapitalistischen Widersinn aufzulösen und den Reichtum an Technologie und Vermögen an die Menschen zu übereignen, die sie hervorgebracht haben, scheinen die Menschen selbst überfordert. Es ist ein Zustand der Verwirrung, der alle bedrängt. Und darin wollten sich eben mal ein paar Kulturprotagonisten hervortun und wohlmeinende Appelle an die Bevölkerung richten. Gutmenschen wissen eben selten, dass sie nur gut sein wollen, um gute Gefühle zu haben. Und so verkennen sie gänzlich die Überheblichkeit ihrer eigenen Position über die wirklichen Verhältnisse. Vor allem erkennen sie die Untätigkeit der Menschen nicht als überlebensnotwendige Selbstverweigerung, die nötig ist, um sich den Antreibern und Verwertern zu entziehen.

Die Überheblichkeit hat Methode. Sie vermittelt sich als Bewertung der Lage, der Situation der Menschen und konfrontiert sie mit dem Anspruch, sich der Bewertung zu beugen und danach zu handeln. Wir haben in unserer Diskussion die hintergründige Intention des Deutschland-Spots herausgestellt und die Methode besprochen, mit welcher der Anspruch vermittelt wird, Aktivität für Deutschland zu zeigen. Das Versprechen heißt Forest Gump, der Titelheld eines Films, dessen Musik der Kampagne unterlegt ist.

 

Diskussion

 

So, jetzt hört ihr erst mal wieder aus dem Album Heinrich-Heine Jazz und Lyrik „Das Sklavenschiff“

 

 

Dritter Teil:

 

Nationalismus

 

Bei der Werbekampagne „Du bist Deutschland“ sind viele erschrocken, die solche Sprüche nicht mehr für möglich gehalten hatten. Aber unmöglich waren sie eigentlich nie. Es ist nur immer eine Frage des Anlasses, wann sie fallen. Offensichtlich fallen sie aber immer, wenn man nicht mehr weiter weiß, wenn eine Situation unerträglich wird, wenn irgendwas ganz Großes her muß, um das ganz Kleine weiterhin zu erhalten und auszuhalten. Und je mikriger es ist, desto besser wirkt das Grosse, das Ganze, das Heil. Es wirkt als eine virtuelle Chance, die keine wirkliche Chance mehr ist, weil es keine wirkliche Lösung mehr gibt. Die Dumpfheit, die nicht als solche erkannt und durch Wissen, Bewusstsein und Erkenntnis gewendet wird, erzeugt Dummheit. Sie wird mit Mythologie gefüllt, welche das ganz Große ausfüllen soll. Scheinwelten werden Wirklichkeit und gelangen an die Macht. Illusionen verkünden das bessere Leben und sie bilden Vorstellungen von der Erlösung, von einem gesunden Ganzen, dem Heil der Menschen und der Welt.

Eine dieser Illusionen ist der Glaube an eine politische Einheit, an die Nation, die aus einem kulturellen Zusammenhang der Menschen eine politische Macht werden lassen soll. Es ist die Geburtsstunde eines Kulturstaates, der sich als Staat nur noch kulturell begründet, der Staat als Retter des Abendlandes oder der Westkultur oder des Guten oder der wahren Gemeinschaft. Dieser grenzt sich nicht mehr in der politischen Diskussion ab, sondern im Gefühl einer Schutz- und Trutzgemeinschaft, gegen das Andersartige, das Fremde, dem die Rolle des Bösen beigemessen wird.

Es bietet nicht nur Projektionsfläche für die Aggressivität, welche unter dem Druck einer schlechten Geschichte sich ausbreitet, sondern auch ganz real die Möglichkeit, die Menschen zu bewerten, zu sortieren, zu belauschen und zu züchtigen. Beides zusammen macht eine reaktionäre Entwicklung aus. Und beides zusammen ist der Grund, warum die Abhängigen und Armen an den Lippen der herrschenden Eliten hängen. Und diese haben ihre eigene Rationalität. Sie wollen vor allem die Menschen dahin erziehen, wo sie für sich und die überkommene Gesellschaftsordnung Lösungen sehen.

Wie weit sind wir in dieser Entwicklung wieder angelangt? Droht uns nochmal ein Kulturstaat, der nichts anderes sein kann als ein Gesinnungsstaat? Die Macher der Kampagne wollen das sicher nicht. Außerdem bewahrt uns auch noch das Gedächtnis der Geschichte und der relative Wohlstand, in welchem wir trotz allem noch leben. Aber was hat der Appell mit der Nationalität, was hat das Du von Deutschland, auf sich? Immerhin steckt auch in der Blindheit für nationale Begriffsbeziehungen eine Verdummung, die schlagartig und aus einer fernen Ecke heraus gefährlich werden kann.

Hören wir hierzu weiter die Diskussion in der Kulturkritik München.

 

Einschub:

Eine Aufforderung hat nur dann Erfolg, wenn sie die Menschen an ihrem eigenen Interessen packt und sie einbezieht. Von daher bleibt die Frage, was hat die Kampagne wirklich von der Deutschen Depression aufgegriffen und was macht sie damit.

 

Einschub:

Depression ist die Reaktion auf eine Selbstzerstörung des Lebensstandards, der in seiner negierten Form fortbesteht, sowohl als Sehnsucht nach dem, was im Leben verloren gegangen ist, wie auch als Verharren in der untergegangenen Geschichte, im Bestehen auf einer unendlichen Unwirklichkeit. Bezüglich des Gefühls für Deutschland hat sich das schon seit einiger Zeit entwickelt, nämlich in der Zeit, wo Deutschland in der Welt der internationalen Verflechtungen sich wieder ein Selbstgefühl zulegen wollte, um sich auf den Märkten und Kriegsschauplätzen zu positionieren. Dieses Selbstbewusstsein musste allerdings einiges an Geschichtsbewusstsein vergessen machen, weil ein Verursacher zweier Weltkriege sich im Handels- und Kriegsgetümmel nicht gut macht. In der Diskussion um den Antisemtismus zwischen Ignaz Bubis und Martin Walser war dies als kulturelle Bemühung in die Öffentlichkeit gelangt, in die Medien, in denen es diskutiert wurde. Daran lässt sich ganz gut zeigen, dass Bewusstsein nicht ein privates Geschehen ist, sondern immer auch ein öffentlicher Akt, der auch öffentliche Notwendigkeiten mit einbezieht. In diesem Zusammenhang muss man die Medienkampagne auch noch anders sehen. Zurück zu unserer Diskussion.

 

Diskussion

 

Soweit bis hierhin. Ihr seht, dass viele Fragen noch ungelöst sind. Das Verhältnis von Ökonomie und Kultur und Staat ist so komplex, dass es nicht einfach an einem Abend geklärt werden kann. Viel wichtiger ist zudem auch die Frage, wie und von wem dieser Entwicklung entgegengesteuert werden kann. Es wird noch vieles zu diskutieren sein. Wer sich hierauf genauer einlassen will, ist eingeladen auf der Web-Site „Kulturkritik.net“ mitzulesen und zu diskutieren oder dort auch unsere Termine im EineWeltHaus unter der Rubrik „aktuelle Termine“ nachzuschlagen, wo jede Interessentin und jeder Interessent an den Diskussionen mitmachen und so auch zu dieser Sendung beitragen kann.

Zudem beginnen wir am 17. Februar eine Diskussion der philosophischen und ökonomischen Grundlagen des Marxismus, zu der alle herzlich eingeladen sind.

Das war’s dann für heute und wir verabschieden uns bis zu unserer nächsten Sendung am 10. Februar um 19 Uhr.

Hoffentlich seid Ihr wieder dabei.



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