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Wolfram Pfreundschuh (12.06.09)

Von der Volksherrschaft des Kapitals
zur demokratischen Erwirtschaftung des gesellschaftlichen Reichtums

Teil 3 : Zwischen Armut und Emanzipation: Alternativen oder Veränderung?

Es ist ungeheuerlich, was uns da im Augenblick vorgeführt wird: Man spricht von Wirtschaftskrise, meint eigentlich lediglich ein Finanzierungsproblem des Verschuldungskapitalismus und will Unsummen Steuergeld als Kapital einsetzen bzw. verbürgen, um eine Wirtschaft wieder in gang zu bringen, deren Geldwerte zu einem beträchtlichen Teil vernichtet sind. Es sei nämlich ganz im Sinne der Bürger und Arbeitnehmer, wenn der Staat die gewaltige Kapitalvernichtung, also die faulen Kredite und Bad Banks im Gesamtvolumen von über 70 Milliarden Euro zur „Rettung“ konkurser Banken ausgibt und über 500 Milliarden Euro zur weitergehenden „Rettung“ von Banken, Handelskonzerne und mittelständige Betriebe bereit stellt. Laut Müntefering liegen 1250 „Rettungsanträge“ vor, von denen bereits 650 genehmigt sind und sich in Auszahlung befinden. Davon hört man allerdings nicht viel; weder Firmen noch Beträge werden genannt. Dass der Staat ohnedies schon mit 1,5 Billionen Euro bis ins Jenseits aller Bilanzierbarkeit verschuldet ist und allein hierfür 78 Milliarden Euro Zinsen pro Jahr zu zahlen hat, und zwar zunehmend mit Zinseszins, davon ist natürlich nicht mehr die Rede.

Auf den Kapitalmärkten soll alles restauriert werden, indem das Kapitalloch auf 20 Jahre gestreckt wird und sich durch wirtschaftlichen Aufschwung in dieser Zeit wieder füllen soll. Der Kapitalmarkt soll also bleiben wie eh und je, die Fiktionen sollen wieder blühen – lediglich der Spekulant hat sich etwas verschoben: Die größte Spekulation geht jetzt vom Staat aus – und zwar auf einen Termin über 20 Jahre hinweg zum Risiko der Steuerzahler, damit die Gewinne nur noch in good banks landen und die bad banks jetzt Stück um Stück über die Jahrzehnte durch zusätzliche Gewinne gefüllt werden können sollen, so, als könnte man da einfach noch ein bisschen Wertwachstum, ein bisschen Mehrarbeit anhängen, und schon wär es wieder sauber in der guten Stube des Geldwerts.

Man erwartet irgendwann und irgendwie den großen Aufschwung, dessen Sahnehäubchen die Löcher dann wieder stopfen sollen. Es soll eben nur ein kleiner Zwischenfall , ein Unfall gewesen sein, eine Art menschliches Versagen, wofür jetzt alle ein bisschen mithelfen sollen,  bis das Kapital wieder pumperl gesund ist, auf dass alles bleibt, wie es war und immer wieder werden wird, wie es bereits wurde.

Und da werden nun alle für blöd verkauft: Jeder Banker und Unternehmer weiß, dass Kapitalismus nur auf einem Wachstumsmarkt funktioniert und dass der nicht funktionieren kann, wenn der erwirtschaftete Wert erstickt wird, wenn er nur Schuldenberge, sprich negatives Kapital, abzutragen hat. Nur ein Superaufschwung mit einem Wertzuwachs über den gewöhnlichen Gewinn hinaus von mindestens 600 Milliarden Euro und einem zusätzlichen Steuerertrag von 140 Milliarden Euro pro Jahr auf 20 Jahre könnte da noch was bringen.

Aber wer glaubt so was denn noch, wo es nicht mal gelungen ist, den Schuldenzuwachs des Staates bei bester Konjunkturlage zu stoppen, geschweige denn Schulden tatsächlich auch noch abzubezahlen? Einen solchen Aufschwung hat es noch nie gegeben und kann es auch gar nicht geben, weil nirgendwo soviel überschüssiges Geld her kommen kann, das wirkliches Geld wäre, das also wirklich durch überschüssige Güter des Lebensbedarfs eingetauscht werden könnte.

Nur die Grünen glauben noch, dass der Superanschub aus der Umwelttechnologie kommen könnte. Doch weit gefehlt: Solche Technologie bringt nur kurzfristiges Wachstum innerhalb der Maschinenproduktion. Wesentlich rentiert sie sich nur durch Einsparung, nicht durch eine Entwicklung im Konsumbereich, dem einzig wirklichen Verwertungskriterium. Durch Einsparung ist noch niemand reich geworden. Das Kapital braucht nicht nur Kostenminderung, Automation und Technik. Es braucht vor allem Verbrauch, der durch produktive Arbeit ermöglicht wird. Und da ist kein großer Staat mit Umwelttechnologie zu machen!

 

Rettungspakete  - Wer rettet wen?

Die Fanfare für das Rettungsunternehmen des Staates bläst - wieder mal - die Sozialdemokratie, hinter der sich die Union als Garant der Bedachtsamkeit hervortut, um sich mit einer FDP zu liieren, die dann den Hans-Dampf des Kapitals spielen kann. Das neue Lied des Liberalismus will das Lied vom Tod gekannt haben. Aber das neue Lied soll sich jetzt nur noch auf den Abgesang der bürgerlichen Gesellschaft beschränken, auf die gnadenlose Freiheit des Kapitals in einem Kapitalismus, der auf Schuldenwirtschaft beruht und die Bürger hierfür verpfändet. So ist der Staat wieder feudal geworden. Feudal bedeutet Pflichtschuldigkeit und schuld sind wir jetzt alle schon alleine durch die Staatsbürgerschaft, die vor allem eine Staatsbürgschaft geworden ist. Der Feudalkapitalismus ist die Konstruktion einer Politik, die den Staat zum Rettungsboot macht. Das war ja auch, wovon Adolf Hitler seinerzeit gezehrt hatte: „Alle sitzen in einem Boot“. Damit lässt sich dann so ziemlich alles betreiben. Wer nicht mitmacht der fliegt raus.

Natürlich wird es irgendwie weitergehen wie gehabt, auch wenn schon jetzt viele Märkte um 20 bis 50 % schrumpfen und die Reallöhne – und damit die Binnenumsätze - weiterhin fallen. Im Absturz der Geldkreisläufe ist noch kein Boden zu sehen. Auch nicht bei der Schrumpfung von Arbeitsplätzen. Die Spirale nach unten bewegt einen Kreislauf zwischen Wirtschaft und sozialem Unfrieden, der Kreislauf von der Reduktion des Geldumlaufs, den Mindereinnahmen des Staates zum Abbau gewohnter Sozialleistungen .

Was bislang noch in der Armutsstatistik mit bloßen Geldbeträgen zu belegen war, wird dann namenloser, schwerer beschreibbar, undurchdringlicher und ideologisch ausgeblendet sein. Zunehmen wird die geistige und kulturelle Verarmung, der Neid auf das Bestehende, auf Geldbesitz und Existenzmacht, der kulturelle Hass und die ästhetische Gewalt der Selbstveredelung, die Ausländerfeindlichkeit, der Rassismus, der Antisemitismus und der Nationalismus.

Es wird viel Nebel über die wahren Verhältnisse geblasen werden und der Strudel der Geldentwertung der öffentlichen Wahrnehmung entzogen. Nein, zum letzten Mittel, der Währungsreform wird man nicht greifen, weil sich dann auch das noch bestehende Kapital auflöst. Auch Inflation muss es nicht unbedingt geben, wenn genügend fiktives Kapital in den Aktienmarkt gerät und dort neue Spekulationsblasen bewegt. Der Glaube an das Gute wird übermächtig und die good banks werden sich entsprechend vom gewöhnlichen Kreditkunden abschotten bzw. sich absichern gegen schlechte Kredite. Das weiß man eben jetzt.

Aber die letztendliche menschliche Wahrheit ist und bleibt die Verarmung der Lohnabhängigen in einem Kapitalismus, der immer mehr Wert aus dem Leben der Menschen schöpfen muss, weil er den organischen Reichtum, den sie erzeugen, nicht wirklich an sie zurückgeben kann. Das eben macht Kapital aus: Es ist Wert und muss Wert schaffen, Wertwachstum um des Werterhalts willen. Innerhalb des Verwertungskreislaufs kann Verwertung nicht aufhören, ohne zugleich die Verwertungsbedingungen zu zerstören, Betriebe und Arbeitsstellen aufzulösen , Geld zu inflationieren  und Wirtschaftsbeziehungen zu zerbrechen.

Nicht die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Menschen bringen eine Gesellschaft voran, die nach Wertverwertung strebt. Sie schaffen keinen wirklichen Reichtum, weil alles nur im Geld gesellschaftlich existiert und nicht wirklich auf die Menschen zurückkommt, die es erzeugen. Der erzeugte Reichtum stellt zwar erst mal ein Mehrprodukt dar. Doch dieses verschwindet im Mehrwert, den das Kapital für sich braucht, um seinen Wert nicht zu verlieren. Es verhält sich wie eine Aktie auf dem Aktienmarkt: Entweder stellt es Wert dar, weil es produktiv ist und mehr Wert erbringt, als es vorher hatte, oder es stürzt ab, verliert seine Abnehmer, seinen Markt und fällt ins Bodenlose. Es ist ein Seiltanz zwischen Wertzuwachs oder Wertabsturz, das Glück oder Unglück des Risikos, das man auf dem Kapitalmarkt kalkuliert und von dem dann alle Menschen abhängig sind, abhängig vom Wertwachstum. Und zugleich verlieren sie hierbei ihr lebendiges Vermögen, ihre Lebenszusammenhänge, ihre natürlichen Grundlagen und Ressourcen, ihre Entwicklungskraft und ihre Lebensvielfalt und Geschichte. Der Wert saugt alles auf, wo er wächst, weil er hierfür alles bewegt und bestimmt.

 

Armut und Geld

Wenn von Armut die Rede ist, so meist von der Knappheit an Geld. In einem Land, wo Geldbesitz die einzige Lebensbedingung der Menschen ist, wo also Geld als Lebensgrundlage schlechthin erscheint, ist das ja tatsächlich ein untrügliches Merkmal der Armut. Folglich wird auch nur um die Geldverteilung gerungen, um die Löhne, die Sozialhilfen, die Verdienstmöglichkeiten, sprich Arbeitsplätze und dergleichen. Hier scheint alles Leben nur von einem Geldbetrag abhängig und so ist es ja tatsächlich auch. Unser Geld entsteht zum größten Teil woanders, nämlich dort wo die Produktion unserer Gebrauchsgüter zu Hungerlöhnen erfolgt und Preise für Rohstoffe mit Mitteln erzwungen werden, die Verwüstung und Elend hinterlassen.

Aber auch hier wird Geld knapp gehalten, denn Kapital braucht unendlich viel Geld, um seine Risiken abzusichern und die Verluste aus Spekulationen abzufedern. Von daher ist es geldmäßig hier nicht sehr viel anders als sonst wo auf der Welt, wenn auch in einem gänzlich anderen Maßstab. Geld ist eben die Wertform schlechthin, allgemeine Wertform, die den Wert darstellt, den die Güter dieser Welt durch menschliche Arbeit haben. Und Geld macht daher den mächtig, der darüber verfügen kann. Geld ist die Lebensbedingung für den, der keines besitzt und das Faustpfand gesellschaftlicher Macht für den, der es hat. Und wer es nicht zum Leben braucht, der braucht es für seinen Machterhalt. Kapital braucht immer Geld und zwar um so mehr, je schlechter es ihm geht. Denn unter seiner Regie werden die Produkte erzeugt, die Geldwert sind. Nur durch Produktion von Lebensmittel wird Geld erzeugt auch wenn im Austausch hiermit dann alle anderen Güter geldwert werden – wie z.B. Miete, Aktien, Verkehr, Transport, Kommunikation, Lizenzen usw.

Der Streit um Geld ist ein Kampf um den Preis, zu dem es erworben wird. Deshalb muss man auch hier gegen Billiglöhne und für höhere Arbeitslöhne und kürzere Arbeitszeiten, auch gegen Stellenabbau und Sozialdumping kämpfen, solange man damit etwas erreichen kann. Doch der Erfolg wird immer bescheidener, die Macht des Kapitals immer abstrakter und also indirekter und hinterhältiger. Letztlich entscheiden die Lebensbedingungen der Menschen, ihre Klassenlage, wie dieser Streit ausgeht, nämlich wann sie nachgeben müssen oder wann sie noch fordern können. Das Kapital ist dabei als gesellschaftlicher Träger der Gelderzeugung immer im Vorteil. Sein bestes Argument ist die Krise, die es selbst erzeugt hat. Tatsächlich ist ja das Geld kaputt gegangen und muss nun erst noch mal wieder erzeugt werden. Wer dem nicht Folge leistet, muss aus den vorgegebenen Einkommensmöglichkeiten ausscheiden. Und die gibt es eben nur auf einem immer kleiner werdenden Arbeitsmarkt.

Logisch, dass man dann sein Leben billig machen, seine Armut gestalten muss. So ist eine ganze Szene für den Umgang mit der Armut entstanden. Es bieten Umsonstläden oder Einkaufsgenossenschaften oder Wohngenossenschaften mehr oder weniger gute Möglichkeiten zur Einsparung von Ausgaben für Leute, die nicht genügend Geldeinkommen haben und die in der Tat immer mehr werden. So wie man sich nach günstigen Mieten umschauen muss, so auch nach günstigen Verdiensten und Einkaufschancen.

Und wenn man dabei dann etwas mehr zum Leben bekommt, scheint es doch auch damit möglich, Armut auf diese Weise aufzulösen. Aber genau das ist ein Irrtum. Armut lässt sich auf Dauer nicht durch Einsparung lindern. Durch Einsparung der Armen erweitert sich letztlich nur die Wertausbeute, weil sich die Reproduktionkosten der Menschen mindern. Aber sie verschärft auch die Krise, weil der Warenabsatz noch geringer wird. Die Zwickmühle des Widerspruchs, der im Geld steckt, ist weder durch Geldzufuhr, noch durch Geldersparnis auflösbar. Sie steckt in dem Problem der Preisbildung selbst, dem Problem des Marktes zwischen Angebot und Nachfrage, zwischen der Möglichkeit, etwas zu kaufen und der Notwendigkeit, es abzusetzen.

Auch dem bürgerlichen Staat und den Kapitalmärkten ist es mehr als recht, wenn sich Leute auf der unteren Einkommensebene irgendwie ohne Sozialgeld „über Wasser“ halten können. Schon immer waren Kirchen hierfür gut und jetzt auch die Tafeln, die in allen Städten immer mehr werden. Es reicht, wenn hierfür keine Ausgaben aus der Steuer- oder Sozialkasse fällig werden. Menschen auf unterstem Existenzniveau taugen immer als potenzielle Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt, besonders, wenn sie noch relativ gut erhalten sind.

 

Und das ist ja der eigentliche Irrsinn: Lieber wird alles getan, Armut zu verschärfen und zu pflegen, als dass man überlegt, warum man die gesellschaftlich nötige Arbeit nicht besser aufteilen kann. Nicht die Geldknappheit der Unterschichten, das Betteln um den Lohn und die Existenzgrundlage ist der Skandal. Der Skandal ist die Konzentration der gesellschaftlichen Arbeit auf immer weniger Menschen und damit die Konzentration der Einkommen auf immer weniger, dafür aber immer reichere Menschen. Es müsste gesellschaftlich selbstverständlich sein, dass alle Menschen an der nötigen Arbeit beteiligt werden und alle sich hiervon ernähren können sollten, so wie es ja behauptet wurde in der Sozialstaatsstheorie des marktliberalen Ludwig Ehrhard. Doch Kapitalismus kann Soziale Beziehungen eben nur als Etikett des Sozialen am Staat halten, das eben auch nur funktioniert, wenn es der Staat in seinem Zweck austeilt und solange er das kann.

Aber auch die Neuauflage dieser Behauptung durch den Drogisten Götz Werner lässt sich leicht als Fake aufdecken, weil sie das Existenzproblem im Kapitalismus bei einem Geldeinkommen belässt, das ja von irgendjemandem erwirtschaftet werden muss. Nicht um weniger Arbeit für alle, sondern um höhere Steuer für weniger Arbeitende geht es hier. Man hat sich daran gewöhnt, dass Geld irgendwo rumliegt und nur abgerufen werden muss, damit es allen besser gehen kann. „Geld ist genug für alle da!“ titelt Attac wie eine große Erkenntnis für den gesellschaftlichen Fortschritt und für die Erschaffung einer neuen Gerechtigkeit auf Erden. Und was nun, wo es auf dem Weltmarkt kaputt gegangen ist? Fast der ganze Geldwert eines weltweiten Jahresumsatzes, 40 Billlionen Euro ging verloren. Nicht wegen den Immobilienkrediten geldgierieger US-Banker, sondern weil zuviel Kapital da war und man es in Frischgeld tauschen, also durch Kredite erneuern musste, um seinen Wert zu erhalten. Das ist das Dilemma des Geldbesitzes: Er bleibt immer abhängig von dem so genannten Realmarkt, den er aber bis zu Neige aussaugt wie ein Vampir, wenn die Verwertung ins Stocken kommt. Es war nicht die Geldgier, sondern die Notwendigkeit zur Geldanlage in Krediten, die deshalb misslungen ist, weil nicht mehr genügend Lohn bezahlt wurde, um die hieraus erwachsenden Schulden zu begleichen.

 

Geld und Feudalwirtschaft

Geld ist keine statische Größe, die sich in irgendeiner Kasse befindet und nichts mit Produktion und Konsumtion zu tun hat. Es muss immer wieder durch Produktion entstehen, um im Konsum zu vergehen und seinen Wert bewahrt es nur dadurch, dass es nach jedem Warentausch als Wertmaß für den nächsten zur Verfügung steht, um einen Wert auszudrücken und als allgemeines Äquivalent vorzuschießen. Das Dilemma mit dem Geldbesitz reduziert sich also darauf, wieweit dieser Warentausch funktioniert, wieweit Geld als Resultat und Vorschuß  für Warenpreise dienlich ist und wie lange ein Vorschuss von frischem Geld oder frischer Arbeitskraft beigebracht werden kann, damit der Wirtschaftskreislauf  in gang gehalten oder wieder in Gang gesetzt werden kann.

Geld hängt also sehr vom Umfang des Warenmarktes ab und dieser wiederum von der Konsumtionsfähigkeit der Massen bei einem Einkommen, das sie für ihre Arbeit erhalten. Das Kapital braucht für sein Wertwachstum einen immer größern Absatzmarkt. Die kapitalistische Krise beruht darauf, dass dieser nicht hinreicht, um den kapitalnotwendigen Konsumtionsumfang zu finanzieren.  Das Problem der USA mit dem Geld war schon so weit gediehen, dass sie sich die größten Geldmengen aus China dafür geliehen hatte, womit sie die chinesischen Produkte einkaufen konnten. China war zum Kreditgeber der USA geworden um dort seine Produkte absetzen zu können, seinen wichtigsten Absatzmarkt zu gewinnen. Und die chinesischen Arbeiterinnen und Arbeiter produzierten zu extremsten Billiglöhnen die Haushaltsgeräte und Einrichtungen und Computer und Handys usw., damit die USA das geliehene Geld mit dem Einkauf dieser Produkte wieder zurück erstatteten. Das schon war Feudalwirtschaft die allein auf der Macht der USA beruhte, auch wenn es den Chinesen das Wachstum ermöglichte, das in den USA nicht mehr möglich war. Sie bekamen die Chance eines großen Absatzmarktes, der die Bedingung für Wachstum ist. Und das geht nur, wo Menschen noch Arbeit erbringen, mit der sie zu einem niedrigeren Wert existieren können, als ihn der Konsument ihrer Arbeitsprodukte für sein Leben hat. Die chinesischen Arbeiter waren ganz einfach noch billiger als die Produktionsanlagen der USA.

Wo automatisiert wird, da braucht man immer weniger Menschen zur Arbeit. Der Wert der Arbeitsroboter ist schnell amortisiert. Das ist einerseits Kostenersparnis für das Kapital, zugleich aber eine Minderung des Absatzvermögens, weil weniger Geld aus Löhnen zirkuliert, das die Produkte kaufen soll. So müssten  diese Produkte im eigenen Land so billig werden, dass es sie auch gekauft werden und das würde die Profite auf ein Wertmaß drücken, das die Kapitalinteressen desavouiert, das als den Kapitalismus tendenziell auflösen würde. Deshalb sucht das Kapital Produktionsstätten jenseits seines Warenmarkts, also Stätten, wo die Menschen durchschnittlich erheblich ärmer sind und billiger arbeiten, als es die Warenwerte darstellen, die hier verkauft werden.

Und so treibt sich die Armut in der ganzen Welt fort. Die Ärmsten befördern die Verarmung der etwas reicheren. Und die Arbeitsteilung macht seltsame Spirenzchen. So kommt es zum Beispiel vor, das eine Rumänin in Deutschland Spargel erntet, währen eine Chinesin ihre Kinder in Rumänien hütet. Wo Geld ist, da müssen die Armen eben hin und wo Arme sind, da wird Geld immer weniger wert. So einfach ist das. Armut ist die Seuche des Kapitalismus. Aber er selbst existiert nur durch diese Seuche.

 

Armut entsteht durch zuviel Geld

Der Kapitalismus hat sich im Grunde selbst längst überholt., weil er nicht mal mehr in der Lage ist, das Geld zu erzeugen, das er nutzt. Aber durch den Verschuldungstrick bei den Chinesen haben die USA schießlich doch noch deren Mehrprodukt so weit wie möglich abgeschöpft. Und denen reichte es, wenn für ihr Wachstum noch genügend übrig blieb. Doch auch das hat sein Ende dann, wenn der Markt aufgefüllt ist. Und weil Geld eben nur so viel wert ist, wie es an Gütern oder Nutzungsrechten oder Frischgeld wieder einbringen kann ist damit auch dieser Gelderwerb zunehmend bodenlos geworden. Geld häuft sich zwar weiter an, jedoch sein Wert fällt. Wo es zuviel Geld gibt, da wird es wertlos. Es sammelt sich auf den Finanzmärkten auf und lauert auf neue Verwertung – nicht um neue Unternehmungen zu starten, sondern um noch neuen Wert aus den letzten Ecken des Weltmarkts zu ergattern.

Um ihr vieles Geld durch Frischgeld zu tauschen, hatten die US-Banken schließlich einen neuen Trick parat: Sie setzten auf Austausch von Miete gegen Kreditrückzahlung. So wurden Immobilienkredite verschleudert, um an den Lohnanteil der Leute zu kommen, der dem Betrag der Miete entsprach und als Kreditrückzahlung abkassiert werden konnte, wenn damit ein Eigenheim auf Kredit erworben wird. Also starteten sie regelrechte Kampagnen auch bei schlecht verdienenden Arbeitern oder Angestellten, weil sie davon ausgingen, dass sie ihre Miete ja sowieso zahlen mussten. Und Kredite konnten sie ihnen zum Schleuderpreis besorgen, weil der Leitzins ganz unten war, denn die Nationalbank fürchtete eine Inflation.

So erzeugte das eine Problem ein anderes. Durch die massenhafte Auflösung von Mietverhältnissen wurde der Wert von Immobilienbesitz auch niederdrückt. Außerdem gerieten die Löhne unter Druck und reichten weder für Miete noch Kreditzahlungen hin; die noch nicht bezahlten Häuser wurden zur zweiten Sicherheit für Kredite hergenommen, welche die Verschuldung durch die ersten Kredite kompensieren sollten. Das wurde nicht nur mit Immobilienkrediten gemacht. Es wurden auf allen Kreditmärkten mit nicht bezahlten Gütern schon der Erwerb der nächsten abgedeckt und finanziert. Es wurde zu einem Fiasko der Gelddeckung auf allen Finanzmärkten, eine Krise, in der sich die Wertkrise des Geldes mit der Wertkrise des Immobilienbesitzes  vereinten. So ist das eben, wenn die kapitalistischen Krisen dicke kommen. Es sollen schließlich weltweit fast 40 Billionen Dollar gewesen sein, die zu bad Money wurden und in der Luft zerplatzten. Und es war nicht menschliches Fehlverhalten sondern folgte schlicht der Logik des Geldes und der Mehrwertrate. Armut ist nicht die Folge von Geldmangel, sondern von Geldüberfluss. Nicht die Reichen bedrängen die Armen, um ein geiles Leben zu führen. Geld macht die Menschen arm, weil es immer wieder zwangsläufig seinen Wert verliert und also den Kapitalkreislauf nicht mehr finanzieren kann. Das macht den tendenziellen Fall der Profitrate, der auch das Kapital arm macht.

Ja das ist verrückt. Geldarmut ist zwar hart, aber sie ist eigentlich unnötig, ist nur vorgeschoben um den Existenzdruck auf die arbeitenden Menschen zu verschärfen, um die letztliche Konsequenz und Härte kapitalistischer Existenz wie eine Naturgewalt zu vermitteln, so, als wäre Lohnarbeit im Kapitalismus gleich bedeutend mit dem Erwerb von Lebensmitteln, für die eben Geld nötig sei. Aber im Geldbesitz erscheint der Gegensatz von arm und reich nur, weil Geld einzige Existenzbedingung ist. Das wirkliche Ausbeutungsverhältnis besteht nicht darin, dass der eine Profite für seine persönliche Existenz macht und dem anderen als ebensolche Person Geld abgeht; es besteht darin, dass der eine mit dem allgemein abstrakten Lebensmittel Geld den bestimmt, der nur das besondere Produktionsmittel Arbeitskraft besitzt.  Jeder tut, was er in seiner Bestimmtheit verwirklichen muss. Dem einen ist geboten, Wert zu vermehren, Geld raus zu holen, Profite zu machen, Arbeitsleute einzustellen oder zu entlassen, während der andere dafür da sein muss, diesen Wert zu erzeugen. Geld ist lediglich der Träger dieses politischen Verhältnisses, das vor allem das Rechtsverhältnis des Privateigentums ist. Es ist nicht der Grund, sondern lediglich die Wertform, welche die Nutzung der Arbeit zum Privatzweck des Kapitals bestimmt.

Das ist das Ungeheuerliche an der kapitalistischen Wirtschaft und alles erscheint schließlich ganz einfach nur als ein Geldproblem. Die Ausbeutungsrate verschärft sich unerbittlich. Waren es noch im Mittelalter ca. 5 Arbeitsstunden pro Tag, durch die sich Menschen ernähren konnten, so sind es heute ca. 8 Stunden. Und 6 Stunden davon sind nach Schätzung einiger Volkswirtschafter nur für den Kapitalerhalt und die Kapitalvermehrung, bzw. für den Ersatz des Geldes, den das Kapital vernichtet hat. Der wird noch um einiges anwachsen und es gibt keinen Grund, auf eine bessere Zukunft zu hoffen, wenn solche Kapitalwirtschaft weiter anhält.

 

Kapitalismus ist vor allem Bereicherung durch die Produktion einer Not der Selbsterhaltung

Das Lebenselexier des Kapitals ist letztlich die Not der Selbsterhaltung der Menschen, die nur darauf beruht, dass diese von ihrem wirklichen gesellschaftlichen Zusammenhang, von dem Zusammenwirken in ihrer Lebensproduktion, in ihrer Arbeitsteilung voneinander isoliert sind. Sie müssen für das Kapital arbeiten, weil Geld ihre einzige wirkliche gesellschaftliche Beziehung ist und weil sie schlicht Geld für ihren Lebensunterhalt brauchen. Und das Kapital nutzt diese Not, um damit sich selbst zu erhalten und zu vermehren und an Existenzmacht zu gewinnen, um sie letztlich immer mehr zu vertiefen. Kapital ist nicht einfach Mehrbesitz von Geld, sondern Lebensentzug, Macht und Nötigung durch Rechtsinhabe von Lebensbedingungen. Nach den Interessen und Notwendigkeiten des Kapitals entwickelt sich die Welt, weil und so lange es die Lebensbedingungen der Menschen bestimmt.

Allerdings verläuft dies im Widerspruch: Wo das Kapital investiert, da gibt es zunächst auch Arbeit und industrielle Innovation, wirtschaftlichen Fortschritt. Sobald es aber seine Investition amortisiert und seinen Markt gefunden hat und andere Konkurrenten übertrumpfen muss, sobald es also wirklich als Wert wächst, dann wächst auch die Notwendigkeit der Verwertung und damit auch die Bedrängung der Existenz der Arbeitsleute, der Existenzdruck durch mindere Löhne und Arbeitslosigkeit, höhere Mieten und Energiekosten. Es vollzieht sich auf diese Weise der allgemeine Widerspruch von technologischer Entwicklung und deren Beschränkung durch die Verwertung von Kapital:

"Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst, ist dies: dass das Kapital und seine Selbstverwertung als Ausgangspunkt und Endpunkt, als Motiv und Zweck der Produktion erscheint, dass die Produktion nur Produktion für das Kapital ist, und nicht umgekehrt die Produktionsmittel bloße Mittel für eine stets sich erweiternde Gestaltung des Lebensprozesses für die Gesellschaft der Produzenten sind.“ (MEW 25, S. 260)

Was sich im Kapitalismus entwickelt wird zugleich durch das Kapital beschränkt. Man könnte es auch so formulieren: Der Kapitalismus wäre die Keimform einer reichen Gesellschaft, wenn das Kapital nicht wäre.

Aber weil alles was auf diese Weise  entsteht, nur in der Wertform gesellschaftlich ist, weil über alles, was gesellschaftlich möglich ist und was durch Intelligenz und Geist und Kraft von den Menschen zu einem gesellschaftlichen Fortkommen beigetragen wird, nur in der Privatform von Ware, Geld und Kapital verfügt wird, schlägt die Entwicklung immer wieder um in ihr Gegenteil. Es ist ein unendlicher Kreislauf seit über 200 Jahren, ein einziger Widerspruch von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung, der immer weiter gehen und sich weiter verschärfen wird. Er ist der wirkliche Grund der Verarmung der Menschen, deren Reichtum an Produktivkraft doch eigentlich wächst. Er wird sich nicht aufheben, wenn die Menschen nur auf das Auskommen in ihrer Armut reflektieren. Einerseits ist es natürlich nötig, um seinen Preis als Arbeitskraft zu kämpfen, aber der wird immer wieder aufgelöst in höherer Selbsthaltungskosten, in den Preisen für Miete, Energie und Lebensmittel. Es ist eben schließlich immer der Preis der Lebensbestimmung, der Fremdbestimmung der eigenen Existenz, die immer totaler wird. In der Auseinendersetzung um Preis und Zeit der Arbeit bestimmt sich lediglich der Umfang des Rechts auf Privatnutzung menschlichen, also gesellschaftlichen Vermögens. Und da ändert sich nichts an ihrem Grund, weil die Grundlage dieses ewig scheinenden Streits schon durch das unterschiedliche Vermögen vorbestimmt ist, die Kluft zwischen Geldbesitz und Besitzlosigkeit an Geld. Es herrscht immer noch der Kampf der Klassen um ihr jeweiliges Auskommen.

So nötig der Streit um das Geld unter dieser Bedingung ist, so teuflisch ist auch seine Rückbeziehung: Die Menschen bestätigen eigentlich nur das Prinzip des Klassenkampfs, wenn sie auf Arbeitsplätze und Geld spekulieren und etwas mehr Existenzsicherheit auf kurzfristige Lohnerhöhungen, die bis zur nächsten Erhöhung der Lebenshaltungskosten oder Betriebspleite wieder aufgelöst sind. Sie werden immer auf irgendeine Weise von der Entwicklung des gesellschaftlichen Reichtums abgezogen, mal mehr oder auch mal weniger, wenn es in den so genannten Prosperitätsphasen der Kapitalverwertung besser ist, sie zu befrieden. Im Grunde ändert das nichts. Die Lohnabhängigen werden immer arm bleiben, weil die Kapitaleigner ihre Existenz nur hierdurch erhalten können, oft auch mit nur wenig Profit oder gar keinem. Bessere Löhne erweisen sich früher oder später als Pyrrhussiege. Der Kampf um sie als Farce eines Systems, das letztendlich immer nur das Kapital befördern kann, das wir längst nicht mehr nötig haben. Klassenkampf ist inzwischen zu einer Donquichotterie, zu einem Kampf gegen die Fiktionen des Kapitals geworden. Es geht darum, ihn endlich zu beenden.

 

Der Widerspruch vom Reichtum der Produktionsmittel und dem Geldwert der Produkte

Armut ist der Begriff für das, was der Kapitalismus erzeugt, wenn er seine Aufbauphase hinter sich hat. Seine Technologie vermindert einerseits den Aufwand an menschlicher Arbeit durch Rationalisierung des Arbeitsprozesses. Sie mindert aber auch die Effektivität der Kapitalverwertung, weil damit die Produkte weniger wert haben. Durch die Vermassung der Produktion, wie es durch Technik möglich ist, muss dies ausgeglichen werden. Der Ausgleich ist aber immer darin beschränkt, dass das hierfür in Gang gesetzte Gesamtvermögen gegenüber seinem Ertrag zu massiv ist, dass hierdurch die Profitrate sinkt und das Kapital entwertet wird.

Es zeigt sich so im Verwertungsprozess selbst, dass Kapitalismus gar nicht auf Dauer gelingen kann, dass das Kapital selbst immer wieder vom Staat gefüttert werden muss, um seine verrückte Existenz fortzusetzen. Erst musste der Produktion und der Staatskasse zur Kapitalerhaltung im Inland so viel Wert entzogen werden, dass die Bevölkerung ausgezehrt und die Sozialleistungen gedrückt wurden, damit das nationale Kapital noch kalkulierbar war. Nun muss der Markt wieder angetrieben und die Menschen mit Geld versorgt werden, weil die nötigen Geldmengen zum Abkauf der Produkte nicht mehr so recht vorhanden sind. Armut ist die Absurdität eines anachronistischen Kapitalismus, die sowohl durch die Verwertungsprobleme der Produktion wie auch der Konsumtion entsteht.

Ich halte es deshalb für nötig, von der Armut als Grundlage einer gesellschaftlichen Not auszugehen und hieraus die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Gesellschaftsänderung zu entwickeln.

Aber Armut ist eine schwere Last, eine Einbeziehung von menschlicher Existenz in den Verwertungskreislauf des Kapitals durch die Ausgrenzung von Menschen, Nutzung von billig gemachtem Leben, um das produktiv nutzbare Leben billig zu machen.

Armut bedroht alle und doch erscheint sie in der öffentlichen Wahrnehmung relativ schwach. Und wer das Problem der Armen nicht auch als seines erkennt, will nicht allzu viel davon wissen. Er oder sie muss allerhand Bollwerk in die eigene Lebensvorstellungen, Lebensträume und Illusionen einbauen, um sich davon fern zu halten. Deshalb und auch durch eigene Minderwertigkeitskomplexe sind Arme abgeschottet und isoliert, oft voller Neid und Hass. Es ist daher auch nötig zu begreifen, wie man gegen die Vereinseitigung, die Armut mit sich bringt, vorgehen kann.

 

Armut ist gesellschaftliche Realabstraktion

Armut ist Entzug von gesellschaftlicher Verbundenheit, sei es durch Entzug der Arbeitsstelle, Entzug von Lebensmitteln und Mehrprodukten, Entzug von Freizeit, von Ruhe und Lebenssicherheit oder anderem, was unterstellt ist, wenn eine Gesellschaft das Zusammenwirken der beteiligten Menschen befördern soll. Armut ist ein Abzug von dem, was erzeugt, was für das Leben der Menschen produziert ist, aber nicht wirklich für sie da ist. Es ist genügend Produktivvermögen vorhanden, um alle Menschen dieser Gesellschaft zu ernähren und mit wenig Arbeit die Produkte herzustellen, die sie brauchen. Aber es ist nicht Geld, das dieses auch entsprechend darstellen kann, weil Geld nur den Wert darstellt, den Erzeugnisse auf dem Markt haben je nach dem, wie sich dieser Wert realisieren lässt durch Menschen, die Geld haben, weil sie es verdienen können, weil ihnen die Möglichkeit durch einen Geldgeber erteilt ist. Es ist die Wirkung eines Entzuges, einer realen Abstraktion, welche Menschen arm macht, solange sie gesellschaftliche Durchsatzkraft hat, solange ihnen verweigert werden kann, den Wert der gesellschaftlich erzeugten Produkte auch allen zur Verfügung zu stellen, die Weigerung, sie an der Werterzeugung zu beteiligen oder durch ihre Arbeit Wert zu gewinnen, den sie nicht erhalten. Es ist der Wert, der aus ihrer Arbeit gewonnen wird, die Lebenszeit, die sie für einen Reichtum aufbringen, von dem sie nichts haben, der ihnen aber alles nimmt, was sie wirklich bereichern könnte. Der Streit um das nötige Geld stellt einen Kampf um das eigene Lebensvermögen dar, ein Lebensverhältnis, das durch politische Macht schon entschieden ist, bevor sich die Menschen darin überhaupt wirklich verhalten. Es treibt die Menschen auseinander, wo sie gesellschaftlich zusammenkommen, wo sie ihr Leben produzieren.

Umgekehrt heißt das Problem daher, wie kann sich das Leben der Menschen zusammenfügen, gesellschaftlich verwirklichen, ohne sich für eine Abstraktion zu verausgaben, ohne also Wert produzieren zu müssen, Arbeit in Wertform zu vergeben. Was theoretisch so einfach formuliert ist, ist in Wirklichkeit sehr schwer und die Geschichte hat gezeigt, dass beim Versuch der Aufhebung abstrakter gesellschaftlicher Beziehungen auch leicht neue politische und fürchterliche Abstraktionen hinzukommen können, zum Beispiel die Abstraktion einer gewaltigen Staatsmaschinerie, die Macht einer Bürokratie, die als abstraktes Gemeinwesen die Menschen unter sich versammelt und in seine Vermittlung zwingt.

Die Aufhebung der Abstraktion kann nur dort geschehen, wo sie auch konkret ist. Geld erscheint den Menschen erst mal nur als ein Zahlungsmittel für Aufwand und Entschädigung, also als pure Zahl einer Beziehung. Man kann es deshalb nicht so einfach auflösen. Aber um sich von seiner abstrakten Macht, von der Verfügungsmacht durch Geldbesitz zu emanzipieren, muss die Beziehung von Aufwand und Entschädigung konkret gestaltet, aus dem Dunstkreis abstrakter Bezogenheit herausentwickelt werden. Es muss die Beziehung der Menschen in ihrer Lebensproduktion offen und durchsichtig werden, die Beziehung zu ihrer Arbeit, zu ihren Produkten, zu ihren Bedürfnissen, ihrer Lebensvorsorge und Lebenssicherheit und dergleichen mehr.

Es mag immer einen Streit darüber geben, wie gerecht die Aufteilung der Arbeit und ihrer Produkte vonstatten geht, wie die Lebensvorsorge beschaffen sein soll usw.. Solange dieser Streit durchsichtig ist, auseinandergesetzt und wirklich ausgetragen wird, stellt er aber keinen Klassenkampf dar. Er ist nur deshalb ein Kampf von verschiedenen Klassen, weil er unter kapitalistischen Eigentumsverhältnissen vorentschieden ist, weil die Menschen, die sich durch ihre Arbeit reproduzieren keine wirkliche Chancen gegen die Menschen haben, die sich durch ihr Kapital reproduzieren. Klassenkampf hört also auf, wenn es ein Rechtverhältnis für einen gesellschaftlich durchsichtigen Lebenszusammenhang gibt, in welchem auch die politischen und ökonomischen Auseinandersetzungen sich gestalten lassen. Und dies ist keine wirtschaftliche Frage sondern eine politische. Denn es wird jederzeit erreicht, wenn es ein Recht gibt, welches Privateigentum zu Eigentum macht das dem entspricht, wie es entsteht – nämlich aus dem Wirken von Menschen, welchen das geschichtlich erworbene Eigentum einer Gesellschaft  zur Verfügung steht, um dieses und sich zu bereichern. Das wäre ein Recht, in welchem der Einzelne als gesellschaftliches Wesen, das Individuum sich in seiner Gesellschaft verwirklichen kann, weil seine Gesellschaft sich in ihm verwirklicht. Hierbei wird nicht Sozialismus gegen Individualismus gehalten, sondern das soziale Individuum zum gesellschaftlichen Menschen.

 

Über das Ende der Klassenkämpfe

Dieser Gedanke ist nicht neu oder sonderlich originell. Es gibt hierzu schon viele Versuche, Gedanken und Diskussionen und auch Praxisansätze. Aber die sind meist entweder für sich geblieben oder haben im aktuellen Geschehen ihren kritischen Gehalt verloren. Aber warum nicht daran ansetzen und weitermachen? Es ist nicht schwer, den Gesellschaftsentzug in praktisch jedem Vorgang des bürgerlichen Alltags nachzuweisen. Es lässt sich an jedem Ort zeigen, was Kapitalismus für die Menschen ist. Vieles kann schon rein bewusstseinsmäßig geschehen, und mehr oder weniger bewusst geschieht das ja auch schon vielfach. Aber es wird erst wirklich eine Änderung geben, wenn nicht die Restauration des Bestehenden im Vordergrund steht, sondern das Bedürfnis tragend wird, sich hiervon zu emanzipieren.

Natürlich steht für jeden immer der Erhalt und die Entwicklung der eigenen Existenz im Vordergrund. Diese aber ist so eigen und einzeln nicht. Gerade hier entstehen die meisten Illussionen. Sie entstehen durch die unendlichen Möglichkeiten, die den Menschen vorgegaukelt werden, wenn sie immer nur fleißig am Sinn und Zweck der bestehenden Auseinandersetzungen festhalten, daran glauben, dass ihre Löhne sie aus ihrer Lage irgendwann emporheben, die sogenante Beschäftigung Arbeitslosigkeit überwinden wird und Geld wieder besser verteilt werden kann. Hiergegen müssen gewerkschaftliche Auseinandersetzung gehen und einen weitergreifenden Sinn bekommen, nämlich den, überhaupt die Verfügungsrechte des Kapitals in Frage zu stellen. Es könnte jeder Gewerkschaftskampf einen Funken Gesellschaftskritik enthalten, wenn er die Unendlichkeit der eigenen Bemühung klar macht und eine Aufhebung der Kapitalbesitzerrechte fordert und diese Forderung nachdrücklich macht.

Die Isolation der einzelnen gesellschaftlichen Bereich e müssten selbst damit in Beziehung gebracht werden. Über all in der Gesellschaft hat das Wertverhältnis  Lebensverbindungen entzogen. Es seien nur mal einige dieser Bereiche hier in der nötigen Thematisierung  aufgezählt:

-       Die Konsumentinnen und Konsumenten können die Lebens- und Naturzerstörung aufzeigen, die bei der Herstellung ihrer Lebensmittel betrieben wird, die ihren Geschmack vereinseitigt und süchtig macht, weil sie keine Beziehung zu Natur und Arbeit mehr haben, die natürlichen Ressourcen des Lebens nicht respektieren und den Raubbau des Wertsystems durch stoffliche Verfremdung auf die Nahrung übertragen.

-       Die Techniker und Naturwissenschafter können durch ihre Grundlagenforschung und Erfindungen zeigen, dass eine modulare Energieversorgung weitaus effektiver und für das Klima weit schonender ist, gerade weil sie auf weniger Wertwachstum aus ist und die Energieumwandlung vor Ort mit einfacheren Ressourcen und geringerem Flächen- und Materialverbrauch leisten kann.

-       Die Geisteswissenschaftler und sozialen Arbeiter können deutlich machen, dass ihre Gedanken zu einem Gesellschaftsverhältnis des Wertwachstums nur Absurditäten aufweisen und dass ihre Reparaturen an vereinzelten und vereinsamten Menschen eine bloße Sisyphusarbeit darstellen, die durch wirklich gesellschaftliche Lebensgrundlagen besser zu beheben wären als durch die Pflaster auf ihre Wunden, die sie professionell verkleben.

-       Die Universitätsdozenten, Professoren, Lehrerinnen und Lehrer können die Wertfunktionalität in Form und Inhalt ihres Lehrstoffs und seiner Vermittlung aufzeigen, um die Wertadäquate Institutionalisierung und den Wahrheitsentzug darin offenkundig zu machen.

-       Die Beschränkung der Kommunikationsmöglichkeiten der Jugendlichen auf Disco und Reizkulturen ist das bequemste Befriedungsmittel der öffentlichen Hand – und das erfolgreichste, weil es soziale Spannungen und Ängste durch bloßes Selbsterleben auflöst. Eine Jugendkultur, die um Einrichtungen erhält, die darüber hinaus auch freie Auseinandersetzungen und Beschäftigung ermöglicht, ist in vielen Städten nicht mehr vorhanden.

-       Die Künstlerinnen und Künstler können die Kulturpolitik und ihre Ästhetik vorführen und darstellen, warum Kunst nicht selbst als Lebensproduktion verstanden wird, sondern nur ihre Eliten finanziert werden, welche die Öffentlichkeit erreichen können, um auf Veranstaltungen für Kulturbürger zu Diensten zu sein.

-       Die Verkehrsbetriebe können die Krankheit einer rein privaten Bewegungsform darstellen und ein allgemeines Vermögen fordern, das ein Zusammenwirken von Einzelbewegungen durch öffentliche Leihfahrzeuge und öffentlichem Fern- und Nahverkehr erschließt.

-       Zahlungsmittel, Grundeigentum und die Wohnung gehören in öffentliche Hand weil sie nur von dort gerecht vermittelt werden können und vor allem der Grundrente entzogen werden. Wohnraum muss nach völlig anderen Kriterien aufgeteilt werden.

-       Die einfache Subsistenz könnte beim heutigen Stand der Automation in wesentlichem Ausmaß schon durch die Kommunen organsisiert und betrieben werden und jedem einen Rückhalt geben, der eine Grundsicherung dient und soziale Verbindungen schafft.

Dies soll lediglich eine spontane Aufzählung sein für das, was gegen die Verfügungsmacht des Geldbesitzes getan werden kann. Es sollte einen Eindruck vermitteln, wie eine wesentlich menschlichere Gesellschaft vorstellbar wäre. Sie ist bei weitem nicht vollständig. Sie kann aber zeigen, was denkbar ist, wenn alle Menschen aus ihrer jeweiligen Ecke heraus in eine gesellschaftliche Beziehung treten. Gesellschaftliche Veränderung betrifft alle Menschen, und werden sie sich hierüber einig, so können sie auch ihre politischen Aktionen in Beziehung setzen. Mancher Streik ist schon zu einem Generalstreik geworden, welcher grundsätzlich neue Rechtsformen bewirkt hat. Ausbeutung ist nicht mehr nötig. Sie gehört in eine Zeit und ist theoretisch längst überwunden, nur praktisch noch nicht. Armut und Arbeitslosigkeit wären inzwischen ein Treppenwitz der Geschichte, wären sie nicht harte Grundbedingung einer pervertierten Gesellschaft, einer Gesellschaft, die ihre Geldform nur noch als einzigen geschichtlichen Zweck kennt.

Es zeigt sich an jeder Ecke dieser Gesellschaft, dass Armut durch die Interessen und Zwangsläufigkeiten des Kapitals erzeugt ist. Die Menschen können sich hiervon nur befreien, wenn sie die Wertbildung des Kapitals nicht durch höhere Geldansprüche stützen, sondern durch die Veränderung ihrer gesellschaftlichen Rechtsform unmöglich werden lassen. Es wird praktisch vieles nötig sein, was eine Änderung der bestehenden Rechtsauffassung und der Rechtsverhältnisse realisierbar macht, ohne dass dabei die bestehende Wirtschaft beschränkt werden muss oder gar zugrunde geht. Es geht nicht um eine Änderung der Wirtschaft, sondern um die Überwindung der politischen Ökonomie, welche eine unwirtschaftliche Ökonomie ist. Durch die Überwindung der herrschenden Politik kann leicht eine Wirtschaft betrieben werden, die wirklich ökonomisch ist, eine Wirtschaft, welche die Vorzüge der bestehenden Wirtschaft, ihre Technologie, ihre Automation und Arbeitsstruktur aus den Verwertungszwängen der herrschenden Politik befreit und so in eine Gesellschaftsform überführt, die ihre abstrakten Notwendigkeiten aufgegeben hat und den Lebensentzug, den Kapitalverwertung betreibt, aufheben kann. Es wird sich zeigen lassen, dass sie lediglich ihre längst überflüssige Wertform abstreifen muss, um für die Menschen da zu sein.