Wolfram Pfreundschuh (9.9.2011)

Ergänzen statt Ausbeuten!
Auf dem Weg in eine internationale Kommunalwirtschaft

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Teil I: Die Niedertracht der Geldwirtschaft

 

Dass die Wirtschaft durchgedreht sein muss, dass eine weltweite Rezession droht und dass die Märkte und Börsen im Wertschwund fallen, thematisiert inzwischen fast jede Journallie. Eine so schnell, also  innerhalb von drei Jahren auffolgende zweite Wirtschaftskrise, bei der keine Ressourcen mehr absehbar sind, aus denen neue "Wertschöpfungen" zu erschließen wären, werden die Märkte auf Dauer wahrscheinlich nicht aushalten. Die immer wieder mal gefürchtete Rezession, welche die Wirtschaftsabläufe wie in einem Dominoeffekt zusammenbrechen lässt und soziales Chaos und Elend potenziert, scheint wieder mal nicht aufhaltbar zu sein. Die Absurdität des Credos des Neoliberalismus, dass sich auf dem Markt selbst schon im Prinzip alles zur Vernunft einer guten Entwicklung regeln würde, ist durch ihr immer wiederkehrendes Versagen unübersehbar geworden. Und sogar die Chefideologen der bürgerlichen Presse rühren an Fragen zu grundlegenden Selbstverständlichkeiten. So schrieb z. B. Frank Schirrmacher in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) einen Grundsatzartikel, dem er ein Zitat des englischen Erzkonservativen Charles Moore (dem Biographen und Vertrauten von Maggie Thatcher) voranstellte: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat.“ Sein Untertitel bekräftigt den intellektuellen Offenbarungseid der Wert- und Kulturkonservativen: „Im bürgerlichen Lager werden die Zweifel immer größer, ob man richtig gelegen hat, ein ganzes Leben lang“ (FAS). Das Versprechen, die Globalisierung würde ein Evolutionsprodukt der sozialen Marktwirtschaft, sei nicht eingehalten worden. Vielmehr: „Ludwig Erhard plus AIG (American International Group, der größte Erstversicherer der Welt) plus Lehmann plus bürgerliche Werte – das ist wahrhaft eine Killerapplikation gewesen“ meint er in seinem speziellen Wort zum Sonntag (a.a.O.). Und dass die Politikerinnen und Politiker dem nichts mehr entgegenzusetzen haben, verrät nicht nur das permanente Grinsen, das sie aufsetzen, sobald eine Kamera an ist, sondern vor allem die Kurzfristigkeit und Widersprüchlichkeit ihrer Entscheidungen.

Auch verpackt in große Regulationsprogramme wie dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bzw. dem Europäischen  (EFSF) oder dem Konzept einer Europäischen Finanzregierung wird die politische Ratlosigkeit bezüglich des Krisenmanagements offenkundig. Die Durchsetzbarkeit einer restriktiven Etatpolitik stellt nicht nur die innereuropäische Diskussion zur Freiheit der Märkte und der Mechanismen ihrer Entfaltung in Frage, sondern auch die Beziehungen auf den Weltmärkten selbst. Die hiergegen abweisende Haltung vieler Politiker und der konkurrierenden Kapitalformationen aus den USA, Frankreich, Russland und andere zeigt, dass ansatzweise begriffen wird, dass die Europapolitik nicht mehr mit Krediten und Bürgschaften, sondern nur noch mit Notnägeln wuchern kann. Kein Mensch, der die derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Probleme begriffen hat, glaubt mehr ernsthaft, dass z.B. die deutsche Staatsverschuldung über 2 Billionen Euro und einer Jahresverzinsung von fast 80 Milliarden Euro und einer jährlichen Neuverschuldung von um die 20 bis 30 Milliarden Euro durch mehr Schulden und Bürgschaften oder durch fiktive Markterschließungen zu beheben sei. Kaum jemand glaubt noch, dass die Sozialsysteme dem Schuldendruck standhalten, dass also Renten und Sozialhilfe den Menschen Sicherheit bieten könnten oder dass die Gesundheitsfürsorge allen Menschen die Anwendungen zukommen lassen wird, den die moderne Medizin möglich macht. Sicher ist, dass die Rettungsmechanismen der Krise sich längerfristig als Verstärker der Finanzmacht und damit als Multiplikatoren der Probleme, welche die Menschen damit haben, erweisen werden.

Im Leitartikel des SPIEGEL vom 22.8.2011 ist von einem Monster die Rede, das sich nicht mehr fesseln ließe. Er resumiert, was bislang nur eingefleischte Marxisten äußerten: „Die Krisen sind keine Fehler des Systems, der Fehler ist das System selbst“ (S. 60). Im Jahr 2010 betrug das Volumen der Devisengeschäfte weltweit 955 Billionen Dollar, der Geldwert der real produzierten Güter und Dienstleistungen (also die Summe der BIPs) 63 Billionen Dollar. Die Aufsummierung der Bruttoinlandsprodukte selbst enthält zudem nur die Geldwerte der Jahrsbilanzen, also auch der Banken- und Börsengeschäfte. Würde man diese auf ihre monetär dargestellten Sachwerte reduzieren können, so bliebe nur wenig Realität eines geldwerten Sozialprodukts für die Menschen übrig. Manche Ökonomen sprechen von 3 bis 5 %. Das einzige was immer wieder wachsen kann, ist die Spekulation, die Kredite auf eine visionalisierte Zukunft. Aber selbst diese tendiert momentan eher auf das Niveau der realen Bilanzen, als dass es in Inverstitionen Vertrauen hat. Aber selbst wenn sich das Kreditsystem der Wertpapiere nochmal einrenken sollte, so werden sich dann doch auch bald wieder neue Finanzblasen bilden, die immer wieder platzen und das Geld vernichten, das die Menschen durch ihre Arbeit überall und weltweit ständig erzeugen müssen, nur damit dieser Unsinn wieder von vorne beginnen kann. Sicher ist also nur, dass es den Menschen mit diesem System insgesamt immer schlechter gehen wird, solange es fortbesteht.

Das hat sich ja längst auch schon durch die Unerfüllbarkeit der Milleniumziele erwiesen, die doch eine so schöne Vorstellung und Legitimation der globalen Kapitalwirtschaft sein sollten. Bis 2015 sollte demnach z.B. die Zahl der armen und hungernden Menschen halbiert, die Kindersterblichkeit um zwei Drittel gesenkt sein, und vieles andere mehr. Geld hierfür ist zwar in Bruchteilen der vereinbarten Beträge eingezahlt worden, aber nichts davon hat überhaupt eine nennenswerte Wirkung gezeigt. Es hat sich eher gezeigt, dass alles noch schlimmer kam, weil die Rettung des Geldsystems sehr viel wichtiger genommen wird als die Rettung der Menschen, dass das Geld auf den Finanzmärkten in einem Teufelskreis der Geldverwertung verschwindet, weil Geld sich vor allem nur um Geld kümmern kann, um sein System zu retten. Die Milleniumsziele erweisen sich als die ideologische Blase, welche den Finanzblasen ihren höheren Zweck verleihen sollte. Doch weil ihre Gesellschaften ob der Globalisierung des Kapitals immer weiter zerbrachen und eine verheerende Barbarei von Terror und Krieg zur Folge hatten, haben die Probleme der Menschheit  seit der Jahrhundertwende nur noch zugenommen. Die Finanzwirtschaft zerstört als Prinzip das, worauf sie beruht: Der gesellschaftlichen Synergie von Politik, Arbeit und Kultur. Und das Prinzip heißt globale Marktwirtschaft (1).

Nicht allein Zahlen zeigen das Problem, sondern vor allem das Verhältnis der Menschen zu sich selbst, zu einander, zu ihrer Gesellschaft und die Potenzierung ihrer Wesensnot, ihrer inneren Verwirrung. Aber auch in Zahlen lässt sich zeigen, dass es heute schlimmer steht denn je:

Offensichtlich ist niemand in der Lage, den globalen Kapitalismus auf ein menschenmögliches Maß, was immer dies auch sei, zu bringen. Zumeist wird das Elend. welches er hervorbringt, nur phänomenal als Mangel an einer Verteilungsgerechtigkeit angesehen, die durch politisches Engagement für mehr Gerechtigkeit angegangen werden könne, durch den Appel an die Vernunft eines Willens zur kategorischen Gleichbehandlung der Menschen, zur allgemeinen Brüderlichkeit und Solidarität, zu Einigkeit und Recht und Freiheit. Doch diese sind seit dem Bestehen der bürgerlichen Gesellschaft - deren grundlegende Ideale sie schon immer waren - nicht dazu gekommen, die Klassenverhältnisse in schöne Gedanken aufzulösen, weil sie das Wesen des kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisses nicht ergreift und ändert. Wenn man begriffen hat, dass hier etwas geschieht, was sich objektiv immer gegen die Menschen richtet, sich nahezu unabhängig von ihrem politischen Willen forttreibt, so muss man sich dies auch erst mal erklärlich machen.

Sonderbar ist zunächst, dass es eine ungeheuere Geldmenge und zugleich ungeheuere Schulden gibt, die unbezogen nebeneinander existieren. Warum gleichen sich diese Geldmengen nicht aus? Was machen die großen Gelder, wenn sie in Finanzblasen auf der einen Seite zergehen und auf der anderen auch noch Banken und Staaten in die Verschuldung treiben? Was ist das für ein Kreditsystem, das sich nurmehr durch Kredite erhält und zugleich die Verschuldung vergrößert, die damit zu begleichen wäre?

Das System der Staatsverschuldung

Fast jedem Menschen ist inzwischen klar, dass die Ausplünderung unseres Planeten und seiner Lebenwesen in keinem Sinne mehr wirtschaftlich zu vertreten ist, dass Staatsverschuldung und Rohstoffverknappung und Armut der Menschen nicht demokratisch gewollt sein kann und dass der Finanzmarkt eine Bedrohung des gesellschaftlichen Fortschritts darstellt. Aber genau diese Verrücktheit hat das kapitalistische System mit großer Stringenz entwickelt, nicht, weil es aus lauter Gierköpfen besteht, sondern weil es ein Risiko für die Menschen birgt, das zu immer riskanteren Einsätzen zwingt. Staatsverschuldung und Ausplünderung ist eine bloße Folge hieraus, eine Folge des gesellschaftlichen Risikos anarchischer Produktion, die sich nur durch ein System der Kreditierung finanzieren lässt, durch das Vorschießen von Geld um den Geldvorschuss expandieren zu können. Das ist inzwischen bis an seine eigenen Grenzen getrieben (0). Und weil es jetzt so spürbar eng wird, meinen viele, es sei eine neue Entwicklung des Kapitalismus, dass das Kreditsystem keine Deckung mehr durch reale Wirtschaft hat und deshalb zusammenbricht, dass es erst eine Folge der Globalisierung sei, durch welche die Gelddeckung disqualifiziert worden wäre und dass erst die neoliberale Ideologie die Anarchie des Weltmarkts hervorgerufen und legitimiert und die Konkurrenz der Währungen auf die Finanzmärkte getrieben hätte. Aber neu ist einzig und allein nur die Umkehrung des Finanzssystems in ein Feudalsystem der Staatseinnahmen im 20. Jahrhundert, im Grunde also die kapitalistische Überwindung des Kapitalismus, wie er in der bürgerlichen Gesellschaft aus der Marktwirtschaft heraus entstanden war.

Seit es den Kapitalismus gibt, gibt es das Verschuldungsprinzip und das Kreditsystem; er ist ja eigentlich nichts anderes als das System von vorgeschossenem Geld, das zu mehr Geld werden soll, indem es produktiv verwertet wird. Das Geschäft der Banken war ursprünglich, dieses Geld aufzuschatzen und je nach Profiterwartung einzusetzen, zu verleihen. Die Profite sollten die Kredite dann zurückbezahlen, weil sie die Investitionen hierfür ermöglicht hatten. Doch das Kreditwesen spekuliert darüber hinaus auch auf die Vergrößerung seiner Macht, indem es Geld nicht nur für die Produktion, sondern auch für sich aufhäuft, akkumuliert. Dieses Geld bleibt der Produktion entzogen und existiert in einer eigenen Welt des Finanzmarktes, getrennt von den Warenmärkten und dem in die Produktion investierten Kapitalvermögen. Es existiert als Potenzial des Geldverkehrs, der damit gelenkt wird. Der Staat bestimmt diesen durch seine Bestimmungsmacht über die verfügbare Geldmenge, mit der er die Zinspolitik betreibt. Die Bundesbank bedient damit das Kreditsystem der anderen Banken. Was an ihren Krediten als Fehlinvestition sich bewahrheitet, muss durch höheren Geldeinsatz in einem weiteren Kreditumsatz wett gemacht werden. Das Kreditsystem ist von daher ein Akkumulationssystem des Geldes, das das Gesamtverhältnis des Warentauschs entweder produktiv vorantreibt oder verschuldet. Aber auch die Verschldung ist in diesem System nur ein Durchgangsprozess der Akkumulation, solange das Bankensystem damit noch hantieren kann, solange eben das Geld nicht selbst mehr an Wert verliert, als die Zinsen einbringen können. Solange ist die Schuldenaufnahme der Staatsbank lediglich eine Frage der Steuerung ihrer Schätze. Staatsschulden sind sind damit letztlich die realen Antriebe des Bankensystems und des bürgerlichen Staats überhaupt.:

„Die öffentliche Schuld wird einer der energischsten Hebel der ... Akkumulation. Wie mit dem Schlag der Wünschelrute begabt sie das unproduktive Geld mit Zeugungskraft und verwandelt es so in Kapital, ohne dass es dazu nötig hätte, sich der von industrieller und selbst wucherischer Anlage unzertrennlichen Mühwaltung und Gefahr auszusetzen.“ (Marx in MEW 23, S. 782)

Das Kreditsystem stellt dann eine politische Verpflichtung dar, die sich über die realen Wirtschaftsverhältnisse wie ein Damoklesschwert verhält: Entweder man dient der Geldvermehrung oder man geht in einer solchen Gesellschaft unter. Die Verpflichtung, die durch Schulden für Geld entstanden ist, das schon verausgabt ist, besteht daher nicht mehr in einer Erwartung auf Profite, sondern in einer schuldhaften Verstrickung der Politik. Die Zukunft der Produktion wird zur Realität der sie tragenden Macht: Der Staatsmacht.

Schon seit dem Mittelalter drang es im Lauf seiner Geschichte immer konkreter in alle Wirtschaftsbereiche vor, so dass schon im 17. Jahrhundert die Staatsverschuldung in den fortgeschrittenen Ländern in Folge der öffentlichen Kreditierung zu einem wesentliches Problem der Kapitalisierung des Geldes geworden war. Dazu schreibt Marx:

"Das System des öffentlichen Kredits, d.h. der Staatsschulden, dessen Ursprünge wir in Genua und Venedig schon im Mittelalter entdecken, nahm Besitz von ganz Europa während der Manufakturperiode. Das Kolonialsystem mit seinem Seehandel und seinen Handelskriegen diente ihm als Treibhaus. So setzte es sich zuerst in Holland fest. Die Staatsschuld, d.h. die Veräußerung des Staats - ob despotisch, konstitutionell oder republikanisch - drückt der kapitalistischen Ära ihren Stempel auf. Der einzige Teil des sogenannten Nationalreichtums, der wirklich in den Gesamtbesitz der modernen Völker eingeht, ist - ihre Staatsschuld. Daher ganz konsequent die moderne Doktrin, daß ein Volk um so reicher wird, je tiefer es sich verschuldet. Der öffentliche Kredit wird zum Credo des Kapitals. Und mit dem Entstehen der Staatsverschuldung tritt an die Stelle der Sünde gegen den heiligen Geist, für die keine Verzeihung ist, der Treubruch an der Staatsschuld." (Marx in MEW 23, S. 782)

1842 beschreibt der französische Ökonom Ch. Coquelin in seinem Buch über den Kredit und die Banken im Industriezeitalter:

"In jedem Lande vollzieht sich die Mehrzahl der Kreditgeschäfte im Kreis der industriellen Beziehungen selbst ... der Produzent des Rohstoffs schießt diesen dem verarbeitenden Fabrikanten vor und erhält von ihm eine Zahlungspromesse [Zahlungsverspechen] auf fixen Verfalltag. Der Fabrikant, nach Ausführung seines Teils der Arbeit, schießt wiederum und zu ähnlichen Bedingungen sein Produkt einem andern Fabrikanten vor, der es weiterverarbeiten muß, und so erstreckt sich der Kredit immer weiter, von einem zum andern bis zum Konsumenten. Der Großhändler macht dem Kleinhändler Warenvorschüsse, während er selbst solche vom Fabrikanten oder vom Kommissionär erhält. Jeder borgt mit der einen Hand und leiht mit der andern, zuweilen Geld, aber weit häufiger Produkte. So vollzieht sich, in den industriellen Beziehungen, ein unaufhörlicher Austausch von Vorschüssen, die sich kombinieren und in allen Richtungen durchkreuzen. Grade in der Vervielfältigung und dem Wachstum dieser gegenseitigen Vorschüsse besteht die Entwicklung des Kredits, und hier ist der wahre Sitz seiner Macht."
(zitiert nach Marx in MEW 25, S. 415)

Dass Geld dadurch immer weniger reale Werte darstellt und einen immer fiktiveren Wert hat, war auch schon 1839 bekannt, als ein Ökonom namens W. Leatham (Bankier in Yorkshire) in der englischen Fachzeitschrift "Letters on the Currency" das Unverhältnis der realen Werte zum fiktiven Kapital beschrieb, das in Schuldscheinen, Zahlungsversprechen und spekulativen Wertpapieren zirkuliert:

"Die Wechsel sind ein Bestandteil der Zirkulation, von größerm Betrag als alles übrige zusammengenommen." (p. 3, 4.) - "Dieser enorme Überbau von Wechseln ruht (!) auf der Grundlage, gebildet durch den Betrag der Banknoten und des Goldes; und wenn im Lauf der Ereignisse diese Grundlage sich zu sehr verengert, gerät ihre Solidität und selbst ihre Existenz in Gefahr." (p. 8.) -"Schätzt man die ganze Zirkulation" {er meint die Banknoten} "und den Betrag der Verpflichtungen sämtlicher Banken, wofür sofortige Barzahlung verlangt werden kann, so finde ich eine Summe von 153 Millionen, deren Verwandlung in Gold nach dem Gesetz verlangt werden kann, und dagegen 14 Millionen in Gold, um diese Forderung zu befriedigen." (p. 11.) - "Die Wechsel können nicht unter Kontrolle gestellt werden, es sei denn, daß man den Geldüberfluß und den niedrigen Zinsfuß oder Diskonto verhindert, der einen Teil davon erzeugt und diese große und gefährliche Expansion ermuntert. Es ist unmöglich zu entscheiden, wieviel davon von wirklichen Geschäften herrührt, z.B. von wirklichen Käufen und Verkäufen, und welcher Teil künstlich gemacht (fictitious) ist und nur aus Reitwechseln besteht, d.h. wo ein Wechsel gezogen wird, um einen laufenden vor Verfall aufzunehmen und so durch Herstellung bloßer Umlaufsmittel fingiertes Kapital zu kreieren. In Zeiten überflüssigen und wohlfeilen Geldes weiß ich, daß dies bis zu einem enormen Grade geschieht." (p. 43, 44.)"
(zitiert nach Marx in MEW 25, S. 414)

Das Problem des Kapitalismus beruht darauf, dass Geld eigentlich erst erarbeitet sein muss, bevor es aufgeschatzt und vorgeschossen werden kann, und dass es seinen Wert verliert, wenn der Vorschuss keinen Mehrwert erzeugt. Es ist eine fundamentale Notwendigkeit des Kapitals, seine Profitrate so zu halten, dass mit wachsender Wertmasse der angewandten Produktivkräfte, also des konstanten Kapitals, die Mehrwertrate mit wachsen kann. Sobald das nicht möglich ist, entsteht eine Krise des Kapitals. Durch Staatsverschuldung wird sie zunächst kompensiert. Doch wenn die produktiven Substanzen den Wertverlust nicht mehr einholen können, so wird daraus eine Verschuldungskrise, die das Kreditsystem überhaupt bedroht.

Was steht hinter dem Finanzmarkt?

Der Abwärtstrend der Märkte, die Zunahme der Billiglöhne, die eklatante Minderung der Reallöhne, der Anstieg der Miet- und Energiekosten, der Abbau der Sozialleistungen und anderes mehr zeigen allgemein: Ganz offensichtlich wird den Menschen durch die Kapital- und Finanzwirtschaft etwas entzogen, was ihren Lebensstandard mindert, wiewohl die Produktion ihrer Lebensmittel immer einfacher, billiger und effektiver verläuft. Man sollte meinen, dass die Investitionen in Technologie ihnen weltweit das Leben leichter machen könnte, ihnen weniger Arbeit abverlangt und mehr Freizeit und Muße und persönlichen Reichtum überlässt.

Doch für den zunehmend immer größer werdenden Teil der Menschheit ist das Gegenteil der Fall. Auch schon hierzulande reicht ihr Lohn, also ihre verfügbare Geldmenge, für viele nicht mal mehr hin, um ihren Lebensstandard zu halten. Seit den 80ger Jahren sinkt der Reallohn fast stetig. Und weltweit erzeugt Hunger und Unterdrückung Elend, Korruption, Krieg und Terror, kurzum: Barbarei. Das Wirtschaften mit Geld, also die Verwirtschaftung des Geldes zu Kapital und dessen Verselbständigung auf den Finanzmärkten, führt dazu, dass auf der einen Seite immer mehr Geld entsteht, dem andererseits immer weniger die realen Lebensverhältnisse folgen. Die Verhältnisse der Menschen werden immer unsicherer, weil ihre Arbeit ihnen nicht zum Leben reicht oder gekündigt wird, weil Technologie nicht zu ihrer Entlastung, sondern zu ihrer Ausgrenzung genutzt wird und weil ihr Leben selbst durch die Sprunghaftigkeit der Kapitalverwertung immer tiefer zerrissen wird. Wer nicht über Geld verfügt, bleibt ihr Objekt, wer Geldbesitz lebt, kann dies alles nur wollen, weil es seine Subjektivtität ausfüllt, was immer dies sei. Die zunehmende Existenzunsicherheit der Einen ist die Versicherung der Anderen. Das Streben nach immer mehr Geld ist in einer Gesellschaft, die auf Geldverhältnissen beruht, also in einer Dienstleitungsgesellschaft, die einzige Sicherheit, die man in der absoluten Unsicherheit dieser Verhältnisse erreichen kann, Verhältnisse, die als einzige Gewinnmarke das Risiko haben, das man zu überwinden hat, um sich zu erhalten und zugleich gewinnen kann, was mehr als dies bringt. Die Pole dieser Gesellschaft, worin Geld als das einzige wirkliche Mittel zum Leben erscheint, liegen zwischen unmittelbar Untergang und Machtbeteiligung.

Natürlich ist es nicht das Risiko der Arbeitsmärkte, das Gewinne verschaft. Es ist auch nicht das Wachstum der Wirtschaft, also eigentlich die Verbesserung der Effizienz ihrer Arbeit, welche die Lebensverhältnisse der Menschen entwertet, wie das neuerdings immer öfter behauptet wird, sondern das gerade Gegenteil: Die Produktion von Geld, das nicht als Zahlungsmittel auf die Produzenten zurückkommt, sondern als Verwertungsmittel immer mehr Macht über die organischen Verhältnisse sucht. Weil unter solchen Verwertungsbedingungen Geld in der Lage ist, alle natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen seinen Zwecken zu unterwerfen, bestimmt es alle Formen der Gesellschaft und wird so das wesentliche Mittel,  ihre Lebensverhältnisse, die Preise ihrer Mieten, ihres Kommunikations- und Energiebedarfs, ihres Lebensbedarfs überhaupt zu bestimmen.

Doch diese Preise haben dennoch ihre Grenze im Wert der real gehandelten Produkte. Und dieser entsteht nach wie vor durch die menschliche und nicht durch die automatische, die technische Arbeit, also auch nicht durch den technischen Fortschritt als solchen. Im Gegenteil: Je automatischer, d.h. ohne menschlichen Aufwand, die Produktion verläuft, desto wertloser wird menschliche Arbeit. Aber nur dieser Wert zählt im Tauschhandel, weil von Menschen das gekauft wird, was sie an Wert durch ihre Arbeit abbekomen haben. "Autos kaufen keine Autos" wusste schon Henry Ford, als gerade mal das Fließband erfunden war. Was diese Arbeit jedoch durch hochentwickelte Produktionsmittel in einer wachsenden Produktmenge abwirft, ist Mehrwert. Der Wert der real gehandelten lebensnotwendigen Güter geht derweil in die Knie, während der Mehrwert wächst und auch wachsen muss, um den Wert des eingesetzten Kapitals zu erhalten, das Risiko des Kapitaleinsatzes auszugleichen und in neue Technologie zu investieren, um auf dem Markt zu bestehen. Doch das eigentliche Wertwachstum des Geldes, also das Mehr an Geld, ist nicht dieses. Es beruht auf dem Teil des Mehrprodukts, der nicht als Investition und Lohn der Reproduktion von Mensch und Produktivität dient, also der Teil, der den Menschen durch Mehrarbeit entzogen wird, deren Produkte ihnen unerreichbar bleiben. Doch wo landen dann diese Produkte, die den Menschen entzogen bleiben?

Zunächst kreisen diese als Warenkapital auf den Weltmärkten, um die zugleich gehandelten Geldwerte und Aufschatzungen zu decken, um also ein Äquivalent der Währung, der Kredite und Devisengeschäfte zu sein. Sie sind in dieser Form zwar entzogene lebendige Arbeit der Menschen, aber als diese noch sachlich existent, wenn auch nicht für die Menschen. Weil sie auf diese nicht zurückkommen können, ohne dass die Geldwerte, und also das Kapital dadurch entwertet würden, schwitzen sie einen eigenen Geldwert aus: Den Handelswert von Wertpapieren, also den Wert, den ein überdurchschnittliches Risiko erbringen kann, wenn sich die Spekulation hierein erfüllt. Im Unterschied zu Krediten, die durch existenzielle Sicherheiten, z.B. sicherer Arbeitsplatz, Grundstück, Immobilien usw. verbürgt sind, handelt es sich bei dieser Art Kreditierung um eine an und für sich unverbürgte Zukunft. Der Spekulationswert, also der Kurs der Wertpapiere, geht daher weit über den Betriebswert der Aktiengesellschaften, Staaten usw. hinaus und stellt sich wie jeder Wert im Ein- und Verkaufspreis der Aktien oder Anleihen dar, also das Maß ihrer Angebote, der Zahl ihrer Ausgaben und den Nachfragen, also dem Glaubenspotential, das sie für zukünftige Verwertungen haben, das Maß, in welchen sich die einzelnen Verwertungslagen von Unternehmen verbessern können.

Dieser Spekulationswert begründet sich aus der Verwertbarkeit des Geldüberschusses, das der Warenhandel in Zukunft erbringen kann, der in der Gegenwart zur Wertminderung des Geldes führen würde. Es ist im Grunde eine Wette, bei der man auf zukünftigen Wertverlust ebenso setzen kann, wie auf Wertwachstum. Diese Kreditwirtschaft, wie man den Handel mit Wertpapieren auch verstehen kann, kehrt damit dasWertverhältnis der Produktivität um: Sie bewertet sich nicht aus realen Gütern, die aus einer effinzienten, also wirtschaftlichen Produktion entstanden sind, sondern aus Prognosen auf die Zukunft der Verwertungslagen auf der Welt. Aktien und Wertpapiere setzen nicht auf ein vergangenes Wachstum des Geldwerts, der durch Zinsen weitergegeben wird, sondern auf zukünftiges, das aus reinem Risiko besteht und weitaus größer sein kann. Je mehr eine Branche hierfür Vorstellungen liefert, desto wertvoller ist sie für den Kreditgeber, weil er an ihren zukünftigen Profiten entweder durch Gewinnausschüttungen oder dem anwachsenden Kurswert beteiligt sein wird (2).

Die Aktienkurse bewegen sich hauptsächlich um diese Prognosen zur Zukunft von Betrieben und Staaten. Sie haben zwar als Basis die Bilanz der Aktienunternehmen, verwerten sich aber praktisch nur durch die Gewinnerwartungen, die man in sie setzen kann. Nicht die reale Bilanz ist es, nicht der momentane Ertrag, worum auf den Börsen gewettet wird, sondern ihr „Zukunftswert“. Der Aktienkurs steht und fällt mit ihm, da kann der Betriebswert so groß oder klein sein, wie er will. Die Wetten um diesen Wert binden damit das unverbrauchte Kapital, das noch in fiktiver Anwendung bestimmt ist, das fiktive Kapital. Und allein dies ist schon ein Gewinn, verhütet das immerhin schon seinen Wertverlust. Doch die Wetten um zukünftige Realisierungschancen sind ein Tanz auf dem Hochseil der Kapitalverwertung. Wer dort abstürzt, fällt tief, weil es nicht um einen klar bemessbaren Geldbetrag geht, sondern um den Geldentzug, den der damit einhergehende Vertrauensverlust zur Folge hat. Und es stürzen dort nicht nur die Aktionäre, sondern auch die Betriebe und Länder, die kein Wachstum ihrer Verwertung mehr zu erwarten haben.

Durch die Globalisierung des Finanzkapitals, also durch den Durchsatz des Weltkapitals gegen die beschränkte Örtlichkeiten seiner Einsetzbarkeit, wurde ein absurder Ausgleich von Gegenwart und Zukunft, von Realität und Fiktion eingerichtet, der auch zukünftige Generationen schon voll belastet. So bietet die Gegenwart keinen vollständigen Angriffpunkt mehr, die Realwirtschaft keine stringente Notwendigkeit eines bestimmten Handelns. Fatal an der ganzen Geschichte ist, dass die Menschen in ihrem Widerstand gegen die Ausbeutung ihres Lebens von ihrer eigenen Zukunft bedroht werden , dass sie im Grunde vollständig gegen sich selbst gestellt wurden: Widerstand erscheint zwecklos, weil er den materiellen Verfall ihrer realen Lebensbedingungen, ihres Gemeinwesens und ihrer Arbeitstätte nur beschleunigt, weil deren Niedergang immer zugleich auch einer potentiellen Neuverwertung auf erweiterter Stufenleiter Platz machen kann. Nicht reale Lebensverhältnisse zählen, sondern der Sprung in eine Zukunft, für welche wenigstens das Geld investiert werden kann, das man auf der Kante der Fiktionen hat und das zu zerrinnen droht. Ganze Stadtviertel gehen den Menschen in ihrer Urbanität verloren, weil die Märkte der Zukunft erzeugt werden müssen, um den Fiktionen Ertrag zu erbringen. Wie Kriegstrümmer bieten verrottete Stadtteile immerhin wieder Grundlagen für neu angepasste Märkte und Arbeitsstätten für die vielen kleinen "Wirtschaftswunder", die man sich vorstellt. Weil die Realwirtschaft für die Finanzwirtschaft weltweit frei disponibel und durch einen beträchtlichen Anteil durch Spekulation kompensiert ist, werden Lohnforderungen immer öfter mit wachsender Arbeitslosigkeit beantwortet, ihre Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung mit Lohnverbilligung durch Arbeitszeitfirmen, ihre Sozialfürsorge wird durch die wachsende Staatsverschuldung reduziert usw. Der Kapitalismus hat sich zu einem Verschuldungssystem entwickelt, zu einem Feudalismus des Kapitals, zu einem Feudalkapitalismus.

Das Platzen der Fiktionen

Heute von einer Feudalmacht zu sprechen erscheint absurd. Aber was sonst ist die Verfügung über Menschen als Bürgen für die Verschuldungen des Staates, in den sie schon als Schuldner hineingeboren wurden - immerhin zu einem Betrag (über 20.000 EUR), der schon als Existenzgrunlage gereichen würde und also im Vorhinein schon verloren ist? Feudalismus ist ein Verhältnis von einem höheren Stand, dem der niedere Stand schuldpflichtig ist und ist also das Verhalten einer höher bestimmten Pflicht, die ihre Legitimation aus dem Jenseits bezieht. Hier sind es die Staatsverschuldungen und ihre Folgen: Die Sparpakte und der Euro-Stabilitätsmechanismus. Eigenlich wären diese Schulden nur mit erneuter Wertschöpfung durch Arbeit zu begleichen. Doch da sind die Grenzen errreicht. Schließlich sind diese Schulden ja aus vergangener und nicht realisierbarer Wertschöpfung entstanden, stellen sich als unbezahlbare Kosten dar, welche die allgemeinen Investitionen hierfür mit sich bringen, die Anlagen, die hierfür vom Gemeinwesen eingerichtet und finanziert werden mussten: Die Straßen, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Altenheime, Feuerwehren, Schwimmbäder usw.. Und wenn der Wert sich also nicht mehr aus Mehrarbeit auspresssen lässt, so muss er jetzt im Notbehelf aus dem bestehenden Lebensstandard zurückgewonnen werden, durch Steuergelder, die aus ihm abgezogen werden. Doch wenn man sowieso stets gern an die Zukunft glaubt, wozu muss dies dann eigentlich sein? Kann man nicht warten, bis wieder bessere Zeiten kommen?

Nein, genau das geht nicht, weil der Wert sich nicht einfach als Wert erhalten kann, schon garnicht, wenn er sich an zukünftiger Wertschöpfung relativieren muss. Wert ensteht immer nur durch menschliche Arbeit und bemisst seinen Preis an den vorhandenen Arbeitsprodukten auf dem Markt. Zunächst war ja auch das fiktive Kapital zweifellos etwas wert, denn es war durch Produktion entstanden. Doch indem es auf den Finanzmärkten an die Sphärenklänge naher oder auch fernerer Zukunft vertickt wurde, hat es sich in ungeahnte Relationen verstrickt, die ihre Substanzen nicht mehr aus bloßer Luft und Scheinhändeleien ziehen können. Die Finanzblasen sind zwar in diesem Äther immer das Pendent zur Hausse, die mal die Wirtschaft beleben kann, wenn die Kreditierung aus den Fiktionen in der Produktion wieder mal sehr erfolgreich war. Doch diesem Auf und Ab der Konjunktur liegt ein tieferes Problem zu Grunde, welches das Geld selbst betrifft, das hier nur in Blähungen bewegt wird. Auch das fiktive Kapital, das sich durch Kredite zu verwerten sucht, verliert an Wert, wenn sein Wertbestand schwindet, wenn also die Warenwerte, durch die es immer wieder erneuert werden muss, nicht mehr entstehen, das Gesamtvolumen des Wertes also geringer wird. In seinem Bestand verliert es schon an Wert, wenn irgendwo in der Welt der realen Wirtschaft die Wertproduktion in der Verwertungsrate sinkt - und das ist die Mehrwertrate.

Sinkt die Mehrwertrate und verliert hierdurch das zirkulierene Geld an Deckung, so würde sich der Wertschwund als Inflation von Währungen darstellen, wenn ihm nicht durch neue Kapitalanwendungen auf dem Finanzmarkt entgegen getreten werden kann. Um die Geldwerte also zu halten, müssen die Banken immer wieder frisches Geld durch ihre Kredite einziehen, indem sie altes Geld als Darlehen in die Lebenswelten der Menschen einbringen. Die Hyphothekenkrise in den USA hat sehr plastisch gezeigt, was dann geschieht, wenn die die Produktion nicht mehr mitkommt und die Löhne zugleich schwinden: Billig vergebene Hyphotheken werden durch Billiglohn uneintreibbar, also im Konkurs der Schuldner zerstört und der Besitz von unzählig vielen Schuldnern aus dem Wertkreislauf entzogen. Die Häuser sind dann schlicht auch nichts mehr wert, unverkäuflich. Ganze Wohnviertel veröden und deren ganze Wirtschaft geht dabei zugrunde.

Es zeigt sich daran, dass Wert eine höchst variable Größe ist, die von einem Moment zum anderen Riesensprünge machen kann. Heute kann ein Haus oder eine Maschine oder ein Auto noch viel Wert darstellen und schon in kurzer Zeit fast nichts mehr Wert sein, wenn es sich nicht mehr veräußern lässt, - sei es, weil eine Maschine oder ein Auto technologisch oder von der Mode her überholt, sei es, weil Überangebote seinen Verkaufspreis senken. Es steht in dieser Logik der Marktwerte, durch welche die Arbeitsprodukte ausschließlich gesellschaftlich existieren und ihrem Abgang in die Privatrspären der Käufer harren, dass Geld allein die Preise nicht halten kann, weil sein Wert sich mit der Zeit immer und zwangsläufig wieder reduziert. "So ist denn alles, was entsteht, wert dass es zugrunde geht!", so hat Goethe den Teufel sprechen lassen. Es ist die tiefste Wahrheit der Märkte überhaupt. Für sie ist alles nur in seinem Wertsein gegenwärtig und dieses geht beständig durch neue Ware ein und durch verkaufte Ware aus. Nur an diesem Hinein und Hinaus bemisst sich der Geldwert als Maß der Werte und wird zum Maßstab der Preise, weil jede Ware nur im Geld ihren Preisstempel erfahren kann. Bleibt sie zu lange auf dem Markt, so verliert sich auch ihr Wert; sie wird tendenziell unverkäuflich.

Das Problem des Geldbesitzes ist nicht einfach nur ein Resultat der Geldverwertung, nicht einfach nur das Finanzsystem und seine Krisen, sondern das Geld selbst, das sich zwischen die Menschen und ihren Reichtum stellt, einem Reichtum, der die menschliche Kultur zusammenhalten soll. Von daher wird Geld selbst auch als Schatz angesehen, mit dem größere Schätze zu erwerben wären. Das Problem des Geldes ist aber gerade die Aufschatzung, denn Geld hat keinen wirklichen Inhalt. Es steht als die allgemeine Form des Reichtums seinem Inhalt, seiner Kultur, gegenüber und bestimmt darin alles, was ihm dienlich ist in seinem Zweck. Es besteht nicht durch sich, wie es scheint, sondern nur aus anderem. Es hat Wert, solange die Güter existieren, die hiermit eintauschbar sind, und es wird zu einem Unwert, wo es für sich existiert. Der Wert des Geldes, ist ein Unding für die Menschen, weil Geld selbst nur ein Anschein von Reichtum, in Wahrheit aber eine Täuschung hierüber ist, die im Tausch der Waren entsteht und sich auch dort bewährt.

Den Gegensatz von Form und Inhalt des gesellschaftlichen Reichtums beschreibt Marx folgendermaßen:

"Als allgemeine Form des Reichtums steht [dem Geld] die ganze Welt der wirklichen Reichtümer gegenüber. Es ist die reine Abstraktion derselben, - daher so festgehalten bloße Einbildung. Wo der Reichtum in ganz materieller, handgreiflicher Form als solcher zu existieren scheint, hat er seine Existenz bloß in meinem Kopf, ist ein reines Hirngespinst. (Midas). Andrerseits, als materieller Repräsentant des allgemeinen Reichtums wird es bloß verwirklicht, indem es wieder in Zirkulation geworfen, gegen die einzelnen besondren Weisen des Reichtums verschwindet. In der Zirkulation bleibt es als Zirkulationsmittel; aber für das aufhäufende Individuum geht es verloren, und dies Verschwinden ist die einzig mögliche Weise, es als Reichtum zu versichern. Die Auflösung des Aufgespeicherten in einzelnen Genüssen ist seine Verwirklichung. Es kann nun wieder von andren einzelnen aufgespeichert werden, aber dann fängt derselbe Prozeß von neuem an. Ich kann sein Sein für mich nur wirklich setzen, indem ich es als bloßes Sein für andre hingebe. Will ich es festhalten, so verdunstet es unter der Hand in ein bloßes Gespenst des wirklichen Reichtums. Ferner: Das Vermehren desselben durch seine Aufhäufung, daß seine eigne Quantität das Maß seines Werts ist, zeigt sich wieder als falsch.

Wenn die andren Reichtümer sich nicht aufhäufen, so verliert es selbst seinen Wert in dem Maß, in dem es aufgehäuft wird. Was als seine Vermehrung erscheint, ist in der Tat seine Abnahme. Seine Selbständigkeit ist nur Schein; seine Unabhängigkeit von der Zirkulation besteht nur in Rücksicht auf sie, als Abhängigkeit von ihr. Es gibt vor, allgemeine Ware zu sein, aber ihrer natürlichen Besonderheit wegen ist es wieder eine besondre Ware, deren Wert sowohl von Nachfrage und Zufuhr abhängt als er wechselt mit seinen spezifischen Produktionskosten. Und da es selbst in Gold und Silber sich inkarniert, wird es in jeder wirklichen Form einseitig; so daß, wenn das eine als Geld - das andre als besondre Ware und vice versa erscheint, und so jedes in beiden Bestimmungen erscheint. Als der absolut sichre, ganz von meiner Individualität unabhängige Reichtum, ist es zugleich als das mir ganz äußerliche, das absolut unsichre, das durch jeden Zufall von mir getrennt werden kann. Ebenso die ganz widersprechenden Bestimmungen desselben als Maß, Zirkulationsmittel, und Geld als solches. Endlich in der letzten Bestimmung widerspricht es sich noch, weil es den Wert als solchen repräsentieren soll; in der Tat aber nur ein identisches Quantum von veränderlichem Wert repräsentiert." (MEW 42, S. 160)

Geld ist das allgemeine Medium der bürgerlichen Gesellschaft und zugleich absolutes Mittel der privaten Existenz, einer Existenz, die ganz für sich ist, gestrennt von allem, auf was sie sich bezieht und doch hinterrücks durch die Sache, die ihren Wert in Geld hat, auf alles bezogen. Das Allgemeine ist damit zugleich absolut auch einzeln, isoliert und doch gesellschaftlich, einsam und doch gemein. Geld ist ein Zahlungsmittel, das aber seinen Preis nur durch seine Beziehung im Wert anderer Produkte bekommt, das nicht nur allgemeines Wertmaß, sondern im Einzelnen zugleich auch wechselseitiger Maßstab für die Preise der Produkte ist. Und als Wertträger ist Geld das Mittel, mit dem kleine und große Wertmengen eingesetzt werden können für kleine oder auch große Projekte. Indem Geld hierfür aufgeschatzt wird, wird das gesellschaftliche Potenzial der Entwicklung aufgeschatzt; zugleich aber eben auch nur als Wertform, also als ein Maß, das sich beständig nach seiner Verwertungslage ändert. Und diese hat nur mit Geldwerten und nicht mit dem Leben der Menschen zu tun. Es ist darin nicht wirklich, wohl aber abstrakt gegenwärtig: unwirkliche Wirklichkeit.

Durch die politische Macht, die sich das Geld erwirbt, wo es festgehalten wird, hat sich diese schlichte ökonomische Wahrheit umgekehrt in ein politisches Verhalten des Geldes, das zu einem allgemeinen Medium des Besitzes, des allgemeinen Privatbesitzes geworden ist. Diese politische Form ist gegen ihre ökonomische Wirklichkeit eine pure Abstraktion, welche das ganze Problem des Kapitalismus zur Folge hat, weil es alle Beziehungen darin bestimmt. Abstraktionen gibt es nicht wirklich. Sie bestehen nur im Konkreten und betreiben dort ein Prinzip, das ihnen die Wirklichkeit unterwirft, darin wie eine völlig unwirkliche Kraft von ungeheuerlicher Wirkung sich fortbestimmt. Zum Werterhalt muss immer mehr produziert werden und das Kapital muss überall nach Wertwachstum streben, nur um seinen Wert nicht zu verlieren, um die Geldwerte zu sichern und die Kredite finanzierbar zu halten. Die Krisen der Finanzmärkte sind nur deshalb systemische Krisen, weil sie die Kredite in der systematischer Folge ihrer Deckungsverhältnisse zusammenbrechen lassen, denn sie bedrohen die Funktionalität des Geldes überhaupt. Und deshalb bemüht sich die Politik wider alle Vernunft krampfhaft durch nicht enden wollende Einzahlungen und Bürgschaften um die Erhaltung eines Systems, dessen Fiktionen an jeder Ecke am Platzen sind.

Die Kehrseite der Ausbeutung ist Selbstzerstörung

Kehren wir noch einmal zu unserer anfänglichen Überlegung zurück, zu der Frage, wie es möglich ist, dass eine Gesellschaftsform, die doch zweifellos einen gewaltigen Fortschritt in die Geschichte der Menschheit dadurch gebracht hatte, dass sie Technologie entwickelt und die Mühsal der Arbeit ergeblich reduziert hate, dass eine solche Gesellschaft dahin kommt, dass die Verhältnisse der Menschen immer aufwendiger, ihre Macht immer rücksichtsloser, ihr Lebenszusammenhang immer barbarischer wird. Wie kann es sein, dass sie keine Muße für sich gewinnen konnten, sondern vielmehr sich in einem immer hektischeren Leben verbrauchen, dass ihre Arbeitszeit nicht reduziert sondern der Zeitdruck der Produktion verschärft wurdr, dass ihr Lebensstandard nicht in einer entsprechenden Relation zu ihrem Vermögen wächst, sondern dass im Gegenteil die armen Menschen und Länder nach kurzen Aufschwungphasen immer ärmer, die reichen immer reicher werden und dass nicht Friede entsteht, weil alle durch verbesserten Produktion genug zum Leben hätten, sondern Kriege ohne Ende das Zusammenleben der Menschen auf dem Globus bedrohen. Warum kann die Vernunft, die doch zweifelsfrei in den organischen Fortschritten dieser Geschichte des Kapitalismus steckt, sich nicht auch als Fortschritt für die Menschheit vewirklichen? Warum kann die Ausbeutung der Menschen und der Natur insgsamt nicht geringer werden, warum nimmt sie stattdessen noch zu? Was ist der Knackpunkt dieser Geschichte, wo steckt der Kern des Problems, der sich dem Willen der Menschen entzieht? Die Jahrhunderte alte Auskunft hierüber, dass die Geschichte irgendwann zu einem guten Resultat kommen wird, lässt sich nicht mehr halten. Und die Zeit wird immer knapper.

Wir hatten ja schon gesehen, dass der Mehrwert, der im Kapitalismus erzeugt wird, die Macht des Kapitals befördert und den Menschen unbezahlte Arbeit entzieht. Im Unterschied zur gewöhnlichen Auffassung, dass die Gewinnsucht die Menschen und damit das System beherrschen würde, hat Karl Marx die Auffassung vertreten, dass das kein subjektives Problem der Menschen ist, sondern dass sich in deren Subjektivität vor allem ein objektives Problem darstellt und durchsetzt. Wir haben es schon vermerkt: Die Produktion von Mehrwert hat ihre Notwendigkeit im Selbsterhalt des Kapitals. Es verliert an Wert und tendiert zum Verlust seiner gesellschaftlichen Funktion, wenn das Kapital nicht die Menschen dazu treibt, immer mehr Wert zu erzeugen, einen Wert, den es ihnen entzieht, nur um selbst zu überleben (3).

Der Kern des Problems beruht auf dem Gegensatz von Kapital und Arbeit, genauer: Auf der Reproduktion des Kapitals und der Reproduktion der Menschen, die seinem Interesse in dem Maß unterworfen sind, wie mit der Reproduktion des Kapitals die Produktion einer abstrakten politischen Macht gegen sie erwächst, die über sie bestimmt, nur weil sie ihrer Natur, ihrem Leben und ihrem Stoffwechsel folgen. Im Geld, das Kapital und Arbeit vermittelt, erscheint dies aufgelöst: Geld erhält der Mensch für seine Arbeit und Geld erhält das angewandte Kapital für seine Produkte. Doch Geld ist das gesellschaftliche Faustpfand aller Existenz auf den Warenmärkten, wo arbeitskraft ebenso gekauft wird wie die Produktionsmittel zu ihrer Anwendung. Die Arbeitskraft ist ihm unterworfen, weil sie sich nur durch das Kapital reproduzieren kann. Das Kapital jedoch reproduziert nicht nur sich selbst, sondern zugleich seine gesellschaftliche Macht. Durch sein Geldvermögen petenziert sich diese, weil durch seine monetäre Macht über die gesellschaftliche Reproduktion überhaupt verfügt wird. Daher bestimmt das Kapital mit der Anwendung seines Geldes, das es für seine privaten Zwecke, nämlich der optimalen Verwertung seiner Vorschüsse einsetzt, über die allgemeinen Lebensverhältnisse überhaupt. Es verwertet das Mehrprodukt und seine Form, den Mehrwert und damit den Fortgang des Gesellschaft im Allgemeinen, während die Menschen ihm als einzelne Existenzen gegenüberstehen, die von der Arbeit abhängig sind, welche das Kapital bietet, sei es in den Betrieben oder als selbständige Produktanbieter und Zulieferer und Kreditnehmer.

Geld erscheint auf den ersten Blick als reines Zahlungsmittel nur, weil auf dem Markt alles durch Geld getauscht wird. Aber wenn es bloßes Mittel des Ausgleichs wäre, wenn die Bedürfnisse der Menschen und die angebotenen Produkte darin Ausgleich finden könnten, wenn alles eins zu eins existent wäre, dann wäre Geld unnötig. Man könnte ebenso gut Naturalien tauschen oder Verträge schließen und sich somit auch gegenseitig ergänzen. Jeder Mensch wäre durch den andereren bereichert und nicht des anderen Wolf, wie das die Konservativen verstehen. Doch die Menschen existieren nicht als Ansammlung von Individuen, sondern in einem allgemeinen Ergänzungsverhältnis, in welchem sie ihre Synergie auch durch goße Projekte umsetzen, Technologie und Kultur bilden, ohne die das Leben äußerst unbequem und fad wäre. Mit einer hochentwickelten Produktivität entstehen eben nicht nur Mittel für den Selbsterhalt, sondern immer auch Mehrprodukte, durch welche die Gesellschaft vorankommt, sich Überschüsse für knappe Zeiten aufhäufen und für größere Projekte aufschatzen können (4). Tatsächlich handelt es sich hierbei immer auch um Überproduktionen, die von Vorteil für alle sein könnten, die aber unter den Verwertungsbedingungen des Kapitals vor allem ihren Geldwert bewahren und vermehren müssen, sei es durch die Zirkulation von Luxusgütern oder als Renditen aus Börsengeschäften.

Aber auch das exetremste Luxusleben kann nicht die Geldmengen ausgeben, die krisenhafte Überproduktion als Warenmenge auf dem Markt darstellt. Durch Marktexpansionen oder Exporte oder Kriege usw. lässt sich da zwar einiges vernutzen, das dem Kapital auch noch diesen Mehrwert realisiert, insgesamt jedoch stellt er ein Problem dar, das zur Geldentwertung führen würde, wenn es sich nicht als real unveräußerbares Geld auf dem Finanzmarkt einsetzen ließe, eben als Material der Spekulation. Gerade weil die Spekulation ein an und für sich unnötiges Geld einsetzt, beherrscht sie die Märkte und bestimmt einen wesentlichen Teil ihrer Preisbildung durch die Verdrängung realer Preise. Kapital, das nur mal hie und da realisierbar ist, wenn das Auf ud Ab der Wertschwankungen frisches Geld aus Investitionen einlösbar werden lässt, Kapital, das zum großen Teil nicht mehr als Vorschuss in die Produktion taugt, das lediglich aus der Überproduktion herausgeschwitzt und nur als Finanzmarkt preisbestimmend für Investitionen, Warenwerte und Arbeitskraft ist, hat die Macht über die Weltmärkte übernommen. Gesellschaftlich, also allgemein genommen, türmen sich die Probleme eines solchen Kapitaleinsatzes vor allem in den Lebensverhältnissen der Menschen auf, verteuern ihre Mieten, Energiekosten, Kommunikations- und Verkehrsmittel und lassen ihre Staaten verschulden, für die sie dann letztlich auch noch aufkommen müssen.

Karl Marx hatte dieses Verhältnis schon vor 160 Jahren folgendermaßen analysiert: Der Verwertungstrieb des Kapitals verlangt eine Prduktion, welche die verschiednenen Bestandteile des Kapitals auch in der Produktform selbst in gegenläufige Beziehungen versetzt. Und hierbei wird das Kapital sich selbst zu einem Problem, an welchem sich seine inneren Schranken auftun. Nicht die Warenmasse als solche, sondern ihre Wertbestandteile erzeugen immer wieder die Krisen, in denen sich das Verwertungsproblem verschärft. Dieses verläuft zwischen dem Kapitalanteil, das zum Erhalt der Menschen und ihren Gemeingütern aufgewendet wird, dem variablen Kapital, und dem Kapital, das zum Selbsterhalt der Kapitalanlage und seiner Wertträger sich aufhäuft. Beides muss sich in der zu verkaufenden Ware verpreisen lassen. Aber während sich zum Erhalt der Arbeitskraft der Lohn in der Ware preislich so darstellt, wie er auch im Warenkauf bezahlt wird, stellen sich die Preise des Mehrprodukts, also die Profite, als sehr beweglich heraus. Im Verhältnis zur Reproduktion der Arbeitskraft, die als variables Kapital bezeichnet wird, weil sie für die Mehrwertbildung variieren lässt und relativ einfach durch den Existenzdruck des Geldes bewegen lässt, stellen sich die Reproduktionsmittel des Kapitals, also Management, Verwaltung, Vertriebsagenturen, Technologie, Intelligenz und Dienstleistungen als eine zunehmend größere Wertmasse dar, die aber durch sich selbst nicht produktiv sein kann. Man bezeichnet sie daher als konstantes Kapital, das zwar vorgeschossen und erhalten werden muss, das aber schon durch den Warenverkauf konstant ersetzt wird. Diese Wertmasse wird nämlich Stück um Stück in die Ware als Wert übertragen und wird hierfür wertmäßig so vorgeschossen, wie ihr Wert sich nach der Produktion auch wieder durch den Abverkauf der Waren einbringen muss. Ihr Wert muss sich zwischen Einkauf und Verkauf praktisch aufheben. Einzig die menschliche Arbeit, also das variable Kapital, erzeugt den Wert und den Mehrwert, der das Kapital anwachsen lässt, gleich, ob sie in Deutschland, USA, Bangladesh oder Kambodscha eingebracht wird. Dieser Mehrwert existiert allein auf dem Warenmarkt. Die kapitalistische Produktion, wo immer sie betrieben wird, bringt Produkte hervor, die dann auf den Warenmärkten vertrieben werden und ihre Rentabilität für das Kapital im Verkauf erweisen müssen. Aber mit dem Wachstum der Wertmasse der Produkte wird die Masse des Konstanten Kapitals um ein Vielfaches größer, während die Masse des Variablen Kapitals relativ hierzu immer geringer wird. Damit werden auch die Käufer auf Dauer kaum in der Lage sein, die Wertmasse der Waren abzukaufen. Es stellt sich daher immer wieder heraus, dass ein größer werdender Teil der Mehrprodukte unveräußerbar sind, dass sie also einen Mehrwert haben, der nurmehr als Geldwert gehandelt wird und in die Finanzmärkte als fiktives Kapital abwandert, also als Kapital, das einer Verwertung in der Zukunft harrt und deshalb vor allem zur Kreditierung taugt.

Durch die Wertverhältnisse des Kreditsystems kehrt sich alles um, was der Kapitalismus zeitweise tat sächlich den Menschen gebracht hatte. Die Vereinseitigung der Produkte zu reinen Wertgegenständlichkeiten hat aus dem Wachstum der Produktivität eine Falle für die Menschen entwickelt: Je umfassender die Macht des Gesamtkapitals, desto geringer ist der Wertanteil der menschlichen Arbeit und desto größer der Wertanteil der Reproduktivkräfte des Kapitals im Produkt (5). Im Fall der Profitrate stellt sich dar, dass der kapitalnotwendige Mehrwert relativ zur Kaufkraft der Menschen abnimmt und die daraus erfolgenden Krisen erst Werte vernichten müssen, um wieder produktiv im Sinne einer Kapitalverwertung funktionieren zu können.

In einer pervertierten Form stellt sich dieser Fall der Profitrate auf dem Finanzmarkt als Problem des Geldwertes dar: Er saugt Geld aus der Produktion, spekuliert damit für mögliche Investtionen und vernichtet es, wenn diese keinen Markt mehr finden. Es ist die finale Verwertung aller Lebenssubstanz, die für diesen Irrsinn verbraucht und letztlich vernichtet wird. Das macht die Niedertracht der Finanzmärkte aus, die nichts anderes als die Folge der Verwertungsmacht des Kapitals darstellen. Kapitalismus ist nicht einfach nur eine Klassenherrschaft des Kapitals. Er ist ein System des enteigneten Lebens der Menschen überhaupt. Und er hat sich insgesamt auch nur als der Irrsinn verwirklicht, der er in seinem Betrieb und Betreiben schon immer war: Ein gigantischer Widerspruch, ein ungeheuerlicher Unsinn, eine wahnsinnnige Verschwendung menschlicher Lebenszeit und Kraft und nicht zuletzt auch der Ressourcen der Natur, die auf den Müllhalden des Kapitals zunichte geht.

Die Grenze der Ausbeutung

Wenn die Profitrate die Mehrwertrate nicht mehr verwirklichen kann, wenn also die Ausbeutung der  Menschen den Kapitalismus darin beschränkt, dass seine Produkte ihren Geldwert im notwendigen Maß der Verwertung nicht realisieren können, wenn also das Geld selbst entwertet wird, dann ensteht zunächst eine Krisenphase des Kapitalismus, mit der die Politik schon seit über 200 Jahren immer wieder zu kämpfen hat. Mit wachsender Produktivität der Arbeit wird der Spielraum zu ihrer Beherrschung immer enger, weil die Produkte immer weniger Wertanteile an lebendiger Arbeit aufzuweisen haben.Von daher werden die Krisen auch immer brutaler, denn sie müssen über die Beschleunigung des Kapitalumsatzes ausgeglichen werden, also durch die Effizienzen der Kapitalbewegungen. Die Märkte müssen schneller geleert, die Naturressourcen schneller verwertet und der Handel beschleunigt werden, um den Kapitalsmus in Funktion zu halten. Seit dem 20. Jahrhundert scheinen oft nur noch Kriege dies zu ermöglichen. Der Kampf um die Naturausbeutung ist für die ganze Menschheit lebensbedrohlich geworden.

Der Vorgang steht inzwischen allen vor Augen: Wenn Geld nicht mehr entstehen kann, weil die Quellen der Produktion versiegen, weil die Technologie optimiert ist und die Menschen die Produkte ihrer Anwendungen nicht zu dem Wert bekommen, den sie als Produkt menschlicher Arbeit haben, und weil zugleich die Macht des Geldbesitzes als Feudalmacht über Mieten, Energiekosten und Steuern ihre Subsistenz bedroht, dann kollabiert das ganze Finanzsystem. Der Drahtseilakt der Finanzmärkte wird zum öffentlichen Desaster. Je höher das Seil gespannt war, desto tiefer fallen die Akteure. Der Rahmen der Finanzmacht zerbricht und seine Größe zerbröselt im Überlebenskampf zahlloser Einzelexistenzen (6).

Der Kapitalismus, der doch so große Ziele und Zwecke vorgibt,  hat sich dahin entwickelt, dass er zunehmend nicht mal mehr in der Lage ist, die Reproduktion der in seiner Form bestimmten Gesellschaften sicherzustellen. Das kann kein politischer Wille mehr ändern und es klingt geradezu lächerlich, wenn deutsche Politiker wie z.B. der deutsche Wirtschaftsminister Erwin Teufel die Ohnmacht der griechischen Politik als Angriff auf sich interpretiert. Es zeigt sich wieder mal überdeutlich und ganz im Gegensatz zur vorherrschenden Ideologie, dass der Kapitalismus auf Dauer nicht in der Lage ist, eine menschliche Gesellschaft zu entwickeln. Ganz im Gegenteil: Je umfassender seine Macht, je globaler seine Funktion, desto tiefer stürzt er Menschen ins existenzielle und kulturelle Elend.Vielleicht sind die Menschen jetzt in der Lage, dies zu begreifen .

Der Verwertungsprozess, wie er sich jenseits des Willens der Menschen wie von selbst vollzieht, ist dennoch politisch und als poltisches Prinzip objektiv. Um ihn auch von seiner subjektiven Seite her behandeln zu können, soll er in der nächsten Sendung als Machtprinzip behandelt werden. Es ist ein altes Prinzip der Politik: "Teile und herrsche!", das weiterentwickelt wurde zum Prinzip "Zerteile und gewinne!" Aus der Umkehrung dieses Prinzips wird dann auch der Weg aus dem Kapitalismus zu eröffnen sein.



(0) In der FAZ vom 20. August 2011 wird von den Soziologen Jens Beckert und Wolfgang Streeck, die das Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln leiten, festgestellt:

"Die Finanzkrise ist mittlerweile in ihrer dritten Phase. In der ersten gerieten Banken wegen hoher Abschreibungen auf verbriefte Hypothekenanleihen in Schieflage und wurden, bis auf Lehman Brothers, durch Vergemeinschaftung ihrer Verluste gerettet. In der zweiten Phase wurden europäische Peripherieländer in einen Abwärtssog gezogen, weil das Niveau ihrer Verschuldung nicht mehr erwarten ließ, dass sie ihre Kredite würden zurückzahlen können. Eine Stabilisierung wurde durch Rettungspakete versucht, die von den jeweiligen Rentnern und anderen staatsabhängigen Gruppen sowie von den ökonomisch stärkeren Euroländern im Norden finanziert wurden und werden. In der dritten Phase haben sich nun die Zweifel an der staatlichen Solvenz auch auf Kernländer der Weltwirtschaft ausgeweitet, besonders die Vereinigten Staaten, aber auch Italien, zuletzt Frankreich. Damit geraten auch diese Länder in den Strudel.

Die verschiedenen Stufen der Krise lassen ein System des Vertrauensmanagements erkennen, in dem der Vertrauensverlust von Akteuren auf einer Ebene durch Garantien anderer Akteure höherer Vertrauensstufe ausgeglichen wird oder werden soll. Doch anstatt die Lage zu beruhigen, folgt den Garantien der Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Helfer. Mittlerweile sind die Vertrauensreserven aufgebraucht. ...

Vier Jahre nach Beginn der Krise scheint kein Instrument zu ihrer Eindämmung gefunden. Vielmehr weitet sie sich auf immer mehr Staaten aus, bei erschöpften Mitteln der Vertrauensbildung. Die Politik macht einen überforderten Eindruck. Eine Neuregulierung der Finanzmärkte ist weitgehend ausgeblieben, das Bankensystem ist nach wie vor anfällig, die konjunkturelle Entwicklung erlahmt. Dies wirft die Frage nach der nächste Stufe der Finanzkrise auf. Dabei teilen wir nicht die Hoffnung auf eine baldige Beendigung der Krise. Diese würde eine glaubwürdige Sanierung der Staatshaushalte im Sinne einer dauerhaften Privilegierung der Forderungen der Gläubiger sowie ein Wiedererstarken des Wachstums in den europäischen Ländern und den Vereinigten Staaten erfordern. Dies ist jedoch nicht abzusehen. Stattdessen muss ins Auge gefasst werden, dass aus der ungelösten Finanzkrise eine soziale und politische Krise entstehen wird." (FAZ vom 20. August 2011)

Es glaubt fast niemand mehr, dass die Schulden der europäischen Staaten noch wirklich bezahlbar sind (Deutschland 2 Billionen Euro, Italien 1,8 Billionen). 80 % der volkswirtschaftlich bewanderten Fachleute glauben, dass Griechenland sehr bald auch trotz der Kredite und Schuldenvkürzung nicht mehr zahlungsunfähig sein wird, dass also sein Bankrott auf lange Zeit durch weitere Kredite verschoben werden muss. Der Rettungsschirm würde sich verewigen müssen. Doch das geht nur, solange noch das hierfür nötige Geld bei den Bürgern dieser Staaten auch eingetrieben werden kann. Wie lange können, wollen und werden die das überhaupt mitmachen? Doch das Kreditsystem ist die Basis des Kapitalismus überhaupt. Der Vorschuss von Geld erwirstschaftet Geld - und dazwischen liegt das wirkliche Leben der Menschen, das hierfür genutzt wird. Menschen, Betriebe oder ganze Länder bekommen Geld, um mehr Geld daraus zu machen. Und wer das nicht schafft, bekommt Probleme.

(1) Die große Ausrede, die Grundlage, auf der erklärt wird, es handle sich hierbei um ein alternativloses Wirtschaftssystem, ist die Theorie von der Überbevölkerung der Erde, welche die natürlichen Grundlagen bedrohe, weil ihre Ressourcen nicht mehr ausreichen würden. Das ist seit eh und je die grundsätzliche Lüge des Kapitalismus: Der Mangel, den er erzeugt, die Arbeitslosigkeit und Massenarmut, die Knappheit der Lebensmittel für einen großen und immer größer werdenden Teil der Menschheit, wird zu einem Naturproblem verkehrt und zur Legitimation staatlicher und internationaler Gewalten hergenommen. Aber diese Natürlichkeit ist und war längst widerlegt: Unser Planet könnte schon nach heutigem Stand der Wissenschaften 12 Milliarden Menschen ernähren. Es gibt keine "demografisch bedingte" Knappheit an Lebensmittel und Ressourcen an Energie usw. Es sind lediglich die Ressourcen des Kapitals, die seinem Verwertungstrieb nicht mehr folgen können: Der Wert, den Natur und Mensch ihm zur Auffrischung und Aufhäufung seines Geldvermögens liefern sollen.

(2) Das haben dann auch die Staatsregierungen selbst so verstanden und sich um ihre Verschuldung keine Sorgen mehr gemacht. Im Gegenteil: Die USA haben auf dieser Basis in China und anderswo einfach nur och eingekauft und sich verschuldet und ihren Bürgern dasselbe ermöglicht. Und in Europa sollte es auch so weitergehen. Viele glauben noch daran. Was sind dann schon 2 Billionen Euro Schulden. Gemessen an der Zukunft so gut wie nichts! Man muss sich einfach nur darum kümmern, dass man mächtig bleibt: Finanzmächtig durch eine Währung, welche die Preise auf den Weltmärkten bestimmt. So etwa, wie es ja der Petrodollar viele Jahrzehnte möglich gemacht hatte.

(3) Was das Kapital analog zu seiner Funktion zur gesellschaftlichen Bereicherung einerseits förderlich einbringt, indem es neue Entwicklungen und Erfindungen wie z.B. der erneuerbaren Energie vorantreibt, entzieht es andererseits den Menschen, indem es ihnen die Verfügung hierüber abstreitet, sein Recht auf rpivate Aneignung über die gesellschaftliche Realität des Arbeitsprozesses erhebt. Die Menschen können nur sich durch ihre Arbeit reproduzieren, während das Kapital nicht nur sich selbst reproduziert, sondern zugleich seine gesellschaftliche Macht mit jedem Fortschritt der Verwertung vergrößert. Indem diese so immer mehr zur Macht über die Existenz des ganzen gesellschaftlichen Verhältnisses wird und dennoch vorrangig nur zu seiner Selbstversicherung ungeheuere Geldmengen anwachsen lässt, entstehen die Verwertungskrisen des darin eingebundenen Geldes. Es muss sich mangels frischem Geld entwerten. So schatzt das Kapital eine Wertmasse auf, die zur Investition in neue Produktionsmittel bereitstehen soll und scheitert immer wieder an der Möglichkeit, diese auch langfristig adäquat einzusetzen, weil der aufgeschatzte Geldwert in privater Hand durch Inflationierungen zerfließt, in Wetten zerrinnt oder in Überproduktionen zerfällt.

(4) Um sich allseitig auf die Produkte beziehen zu können verhalten sich die Warenbesitzer auf dem Markt im Verhältnis von Angebot und Nachfrage, und beziehen ihre einzenen Bedürfnisse auf das gesellschaftliche Dasein der Produkte nur über den Einkauf und Verkauf mittels Geld. Da für die meisten Menschen nur die Waren zu ihrem Selbsterhalt erschwinglich sind, bekommt das Mehrprodukt, eine elitäre Rolle: es ist ja de facto ein Überangebot und drückt auf die Preise, setzt damit das Geld als Maßstab der Werte hoch und lässt sich zum Teil nur von den besser gestellten erwerben. Es verschafft den wenigen Reichen eine Kultur, die den ärmeren zwar vorschwebt und erstrebenswert erscheinen kann, die ihnen aber verschlossen bleibt. Jede Verwertungskrise geht gegen sie, weil eine Verbilligung der Überangebote das Geld selbst entwertet. Aus der Politik der Banken ergibt sich die Staatspolitik, die Armut an der untersten Grenze des Selbsterhalts zu verwalten hat. Die Unmengen an Geldwerten, welche die Banken im Krisenfall zum Selbsterhalt benötigen, bekommen sie fast ohne Widerspruch aus Steuergeldern bezahlt, was Menschen benötigen, wird auf ein lebensgefährdentes Niveau gedrückt. Hier steigt die Selbstmordrate, die psychische Verwahrlosung und soziale Verelendung, während dort Verschwendung herrscht und mit Geld gespielt wird, das von denen produziert wurde, die es nicht erwerben können.

(5) Und davon ist die Profitrate bestimmt. Sie wächst als Verhältnis des Mehrwerts zum gesamten angewandten Kapital, also dem konstanten und dem variablen zusammen. Doch Mehrwert erzeugt nur das Variable Kapital, also die menschliche Arbeit, die damit reprosuziert wird. Und dieses soll die Produkte kaufen, die es auf den Markt wirft und dabei Profite machen. Je mehr Wertmasse auf den Märkten ist und je aufgeblähter die Finanzmärkte sind, desto unmöglicher wird dies. Die Mehrwertrate, also die Rate der Ausbeutung der Arbeit, mäßigt die Profitrate an ihrem Bestreben, das Kapital insgesamt zu reproduziert. Es kommt daher zum Fall der Profitrate. Um die Profite wieder in Gang zu setzen, muss Wert vernichtet werden um Platz für frischen Mehrwert zu machen. Von daher entsteht ein wundersamer Krisenzyklus, der von den Volkswirtschaftlern auch als gewöhnlicher Bestandteil kapitalistischer Konjunktur verstanden wird. Ihr Augenmerk liegt nicht auf der Vernichtung von durch menschliche Arbeit erwirtschafteten Werten; sie achten nur noch auf die Finanzblasen, auf die Aufnahmefähigkeit für Werte auf den Finanzmärkten. Das macht ihre schlichte Perversion und das wollen sie auch als Notnagel des Kaptalismus aufbewahren.

(6) Man kann es sogar am Beispiel der Entwicklungen in der Türkei und Griechenland hautnah spüren: Beide Länder waren zur Zeit des Eintritts Griechenlands in die EU wirtschaftlich auf dem selben Level und in ähnlichen Vermarktuingsproblemen. Doch nachdem sich Griechenland dem Europäischen Handel unterworfen hat, hatte es zwar zunächst einen großen Markt; doch es konnte ihn vor allem nur bedienen und immer weniger nutzen, weil seine Produktivität und also auch seine Produkte dort nicht konkurrieren konnten. Während die Türkei sich immerhin auss sich selbst weiterentwickeln konnte und heute wirtschaftlich weit besser dasteht, musste Griechenland seine Werte verschleudern und ist nun vollends zusammengebrochen. Dieses Verhältnis lässt sich auch in der Zukunft nicht mehr auflösen. Und es ist nicht das einzige. Der Wertschwund greift um sich. Jetzt bekommen immerhin die anderen Beteiligten auch Verwertungsprobleme, weil ihre Kredite Platzen und ihre Geldverwertung dezimieren. Vielleicht ist der Euro bald schon am Ende.

(7) Die "Macht der Gewohnheit" hält noch einiges zusammen, was nicht zusammen gehört. Es gibt keine Wirtschaft ohne Vorschuss in eine Produktion, für die Vorleistungen zusammengeführt werden, um sie zu erhalten, zu verbessern und auch mit großen sinnvollen Projekten weiter zu entwickeln. Soweit sie den Menschen dienen, werden diese auch hierfür Kraft und Material einsetzen. Kredite jedoch sind boße Geldwerte. Sie enthalten ein Wertmaß, das sich nicht aus den wirklichen Verhältnissen der Menschen, sondern lediglich aus einer verfügbaren Geldmenge ergibt. Und diese setzt sich aus vielem zusammen, was völlig getrennten Welten entspringt: Aus dem Wert von angewandter Arbeitskraft (variables Kapital), aus dem Wert der eingesetzten Produktiivkräfte (konstantes Kapital), aus dem Mehrwert durch unbezahlte Arbeit, aus dem Wert der Währungen auf dem Weltmarkt, aus dem Wert der vorhandenen Kredite und ihrer Rückversicherung im Finanzkapital, aus dem Spekulationswert von Wertpapieren und einigem anderem mehr. Diese Werte verändern sich ständig und machen die ökonomische Statistik äußerst kompliziert. Alles zusammen bestimmt die Konjunktur im Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Kredite sind vorgestreckte Werte, die nur durch ihre Anwendung und deren Tausch in Geld wieder zurückkommen. Sie erhalten sich wertmäßig über die Geldwertveränderungen in ihren Wertquellen selbst. Und sie erbingen außer den Zinsen aus der Durschnittsprofitrate auch einen Handelsprofit, wenn sie wieder eingelöst werden. Dies macht den Finanzmarkt aus.